Europarecht

Straßenverkehrsrechtliche Maßnahme

Aktenzeichen  M 23 K 17.3470

Datum:
8.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 56355
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 5, § 114 S. 1, § 117 Abs. 5, § 124, § 124 a Abs. 4
StVO § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3

 

Leitsatz

Die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung bringen ganz allgemein die Wertung des Normgebers zum Ausdruck, von welcher Schwelle an eine nicht mehr hinzunehmende Beeinträchtigung der jeweiligen Gebietsfunktion, zumindest auch dem Wohnen zu dienen, anzunehmen ist. Eine Unterschreitung der Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung ist danach jedenfalls ein Indiz dafür, dass die Lärmbelastung auch die Zumutbarkeitsschwelle in straßenverkehrsrechtlicher Hinsicht nicht erreicht. Umgekehrt kommt bei einer Überschreitung dieser Immissionsgrenzwerte eine zur fehlerfreien Ermessensausübung verpflichtende Überschreitung der straßenverkehrsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle in Betracht  (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.Die Klagen werden abgewiesen.
II.Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Gründe

Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klagen sind zulässig, aber unbegründet.
Die Klagen sind als Verpflichtungsklagen zwar statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere sind die Kläger klagebefugt i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO, da sie als Anwohner im unmittelbaren Einwirkungsbereich der A* Hellip Straße zumindest möglicherweise einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über verkehrsbeschränkende Maßnahmen gem. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO haben.
Die Klagen sind aber unbegründet. Den Klägern steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die Beklagte hat den Anspruch erfüllt. Die Ablehnung war rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
§ 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO gibt dem Einzelnen einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein straßenverkehrsrechtliches Einschreiten, wenn Lärm oder Abgase Beeinträchtigungen mit sich bringen, die jenseits dessen liegen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen und damit zugemutet werden muss (BVerwG, U.v. 4.6.1986 – 7 C 76/84 – juris Rn. 13ff. m.w.N.; BayVGH, U.v. 21.12.2012 – 11 B 10.1657 – juris Rn. 24). Die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift sind zwar erfüllt (I). Jedoch liegt eine den Anspruch erfüllende ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten über den Antrag der Kläger vor (II).
I.
Die Grenze der Zumutbarkeit für Anlieger ergibt sich dabei nicht aus einem bestimmten Schallpegel oder Abgaswert. Die Grenze der zumutbaren Lärmbelastung, bei deren Überschreitung ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über Maßnahmen nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO besteht, ist nicht durch auf Rechtsetzung beruhende Grenzwerte festgelegt.
Auch durch die in den Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-Richtlinien-StV) vom 23.11.2007 (VkBl. 2007, 767) enthaltenen Schallpegel wird diese Grenze nicht bestimmt (vgl. BayVGH, U.v. 21.3.2012 – 11 B 10.1657 – juris Rn. 27). Nach diesen Richtlinien kommen straßenverkehrsrechtliche Lärmschutzmaßnahmen insbesondere in Betracht, wenn der vom Straßenverkehr herrührende Beurteilungspegel am Immissionsort die unter der dortigen Nr. 2.1. im einzelnen genannten Richtwerte überschreitet. Dies besagt jedoch nur, dass sich in derartigen Fällen das Ermessen der Behörde zu einer Pflicht zum Einschreiten verdichten kann; es bedeutet nicht, dass geringere Lärmeinwirkungen straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen ausschlössen (für die vorherige, insoweit vergleichbare Fassung der Lärmschutz-Richtlinien-StV BVerwG, U.v. 4.6.1986 – 7 C 76/84 – BVerwGE 74,234/240; BayVGH, U.v. 26.11.1998 – 11 B 95.2934 – juris Rn. 56; U.v. 11.5.1999 – 11 B 97.695 – juris Rn. 32; U.v. 21.3.2012 – 11 B 10.1657 – juris Rn. 27). Auch bei Schallpegeln, welche die Richtwerte der Lärmschutz-Richtlinien-StV nicht erreichen, kann deshalb ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde gegeben sein.
Ebenso wenig können die Vorschriften der Sechzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung – 16. BImSchV) vom 12. Juni 1990 (BGBl I S. 1036), zuletzt geändert durch Verordnung vom 18. Dezember 2014 (BGBl I S. 2269), bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmbelastung im Rahmen des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO unmittelbar angewendet werden. Diese Verordnung bestimmt durch Festlegung von Immissionsgrenzwerten die Schwelle der Zumutbarkeit von Verkehrslärm nur für den Bau und die wesentliche Änderung u.a. von öffentlichen Straßen (vgl. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Verkehrslärmschutzverordnung).
Die Immissionsgrenzwerte des § 2 Abs. 1 Verkehrslärmschutzverordnung können aber im Anwendungsbereich des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO als Orientierungswerte für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze, deren Überschreitung die Behörde zur Ermessensausübung verpflichtet, herangezogen werden (vgl. BVerwG, U.v. 22.12.1993 – 11 C 45/92 – juris Rn. 30). Denn die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung bringen ganz allgemein die Wertung des Normgebers zum Ausdruck, von welcher Schwelle an eine nicht mehr hinzunehmende Beeinträchtigung der jeweiligen Gebietsfunktion, zumindest auch dem Wohnen zu dienen, anzunehmen ist. Eine Unterschreitung der Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung ist danach jedenfalls ein Indiz dafür, dass die Lärmbelastung auch die Zumutbarkeitsschwelle in straßenverkehrsrechtlicher Hinsicht nicht erreicht. Umgekehrt kommt bei einer Überschreitung dieser Immissionsgrenzwerte eine zur fehlerfreien Ermessensausübung verpflichtende Überschreitung der straßenverkehrsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle in Betracht (st.Rspr.; vgl. BayVGH, vgl. U.v. 26.11.1998 – 11 B 95.2934 – juris Rn. 56; U.v. 11.5.1999 – 11 B 97.695 – juris Rn. 33; U.v. 18.2.2002 – 11 B 00.1769 – juris Rn. 53; U.v. 21.3.2012 – 11 B 10.1657 – juris Rn. 28; VG München U.v. 27.5.2014 – M 23 K 14.1141 – unveröffentlicht; U.v. 19.1.2016 – M 23 K 14.1931 – juris Rn. 49; U.v. 24.7.2018 – M 23 K 17.4023 – juris Rn. 22).
Das erkennende Gericht folgt seit längerem der vom Verwaltungsgericht Oldenburg (U.v. 13.6.2014 – 7 A 7110/13 – juris Rn. 99 ff.) aus der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH, U. v. 21.3.2012 – 11 B 10.1657 – juris Rn. 30) entwickelten Systematik, wonach es von der Rechtsprechung als getragen angesehen werden kann, dass kein Anspruch bei Werten unterhalb von 59 dB(A) am Tage und 49 dB(A) nachts, ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bei Werten, die darüber liegen, aber 70 dB(A) tags und 60 dB(A) zur Nachtzeit nicht überschreiten und ein gebundener Anspruch auf straßenverkehrsbehördliches Einschreiten bei Werten von mehr als 70 dB(A) am Tage und 60 dB(A) zur Nachtzeit besteht (VG München, U.v. 19.1.2016 – M 23 K 14.1931 – juris Rn. 49; U.v. 24.7.2018 – M 23 K 17.4023 – juris Rn. 23).
Gemessen hieran überschreiten die geltend gemachten und festgestellten Lärmbelastungen der klägerischen Wohnungen die nach den vorstehenden Kriterien bestimmte Grenze der Zumutbarkeit, sodass die Beklagte verpflichtet war, von ihrem durch § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO i.V.m. § 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 9 Satz 1 und 3 StVO eröffneten Ermessen Gebrauch zu machen.
So ist der vom Gericht angeforderten schalltechnischen Untersuchung vom 23. Juli 2018 – ergänzt um die Daten des Klägers zu 2) mit Berechnung vom 22. August 2018 – zu entnehmen, dass die für reine und allgemeine Wohngebiete aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 Verkehrslärmschutzverordnung folgenden Immissionsgrenzwerte von 59 dB(A) tagsüber und 49 dB(A) nachts überschritten sind. So lag der Beurteilungspegel für die Wohnung der Kläger zu 1) und 2) mindestens tags bei 59,1 dB(A) und nachts bei 50,5 dB(A). Die Orientierungswerte für die Wohnung der Klägerin zu 3) sind tags mit 59,4 dB(A) und nachts mit 50,9 dB(A) überschritten. Damit liegen die Werte aber insgesamt noch deutlich unterhalb der einen gebundenen Anspruch auslösenden Grenzwerte der Lärmschutz-Richtlinien-StV von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts.
Im Übrigen geben die von Seiten der Kläger vorgebrachten Bedenken gegen die Richtigkeit der der Lärmberechnung zugrunde gelegten Verkehrsmengenzahlen keinen Anlass anzunehmen, dass die Grenzwerte der Lärmschutz-Richtlinien-StV überschritten sein könnten. Um diese Grenzwerte zu erreichen, müssten die Lärmwerte um etwa 10 dB(A) tags und 9 dB(A) nachts höher als die errechneten Grenzwerte liegen. Selbst nach der von Klageseite eingeholten gutachtlichen Stellungnahme sei bei Zugrundelegung eines Umrechnungsfaktors zwar eine Erhöhung von 1 dB(A) tags und 3 dB(A) nachts zu erwarten (S. 9), es wird jedoch keinesfalls eine Überschreitung der Grenzwerte der Lärmschutz-Richtlinien-StV dargetan. Selbst der Klägerbevollmächtigte geht mit seinem reinen Bescheidungsantrag davon aus, dass der Beklagten ein Ermessen zusteht.
II.
Der in Folge des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen eröffnete Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung ist von der Beklagten rechtsfehlerfrei erfüllt worden (vgl. Art. 40 BayVwVfG, § 114 VwGO).
Das Gericht kann die getroffene Ermessensentscheidung der Beklagten gemäß § 114 Satz 1 VwGO nur eingeschränkt daraufhin überprüfen, ob die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen erkannt, von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat und ob sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten hat. Dabei kann es für die rechtliche Überprüfung im vorliegenden Verfahren nicht darauf ankommen, ob es für die Kläger – was verständlich ist – persönlich noch günstigere Verkehrsregelungen geben mag. Schließlich können die Kläger im Rahmen der behördlichen Ermessensausübung lediglich verlangen, dass ihre eigenen Interessen ohne Rechtsfehler mit den Interessen der Allgemeinheit und anderer Betroffener, die für die Einführung der Verkehrsbeschränkung sprechen, abgewogen werden (BVerwG, U.v. vom 27.1.1993 – 11 C 35/92, juris).
Dies zugrunde gelegt hat die Beklagte das von ihr erkannte Ermessen unter Zugrundelegung der zutreffenden tatsächlichen Feststellungen (1.) rechtsfehlerfrei ausgeübt (2.).
1. Die Behörde hat ihre Ermessensentscheidung, ob das schützenswerte Bedürfnis der Anlieger nach Wohnruhe gegenüber dem öffentlichen Verkehrsinteressen überwiegt, auf der Basis einer zutreffenden rechtlichen und tatsächlichen Ermittlung vorzunehmen (vgl. BayVGH, U.v. 21.3.2012 – 11 B 10.1657 – juris Rn. 34). Dies setzt voraus, dass die der Lärmberechnung unter Zugrundelegung der zur Zeit der Verkehrsmengenerhebung verfügbaren Erkenntnismittel unter Beachtung der für die Lärmberechnung erheblichen Umstände sachgerecht, d.h. methodisch fachgerecht erstellt worden sind. Die Überprüfungsbefugnis des Gerichts beschränkt sich dabei auf die Wahl einer geeigneten fachspezifischen Methode, die zutreffende Ermittlung des der Lärmberechnung zugrunde liegenden Sachverhalts und darauf, ob das Ergebnis einleuchtend begründet ist (BVerwG, U.v. 9.7.2008 – 9 A 14/07 – juris Rn. 156).
Hieran bemessen greifen die von Seiten der Kläger gegen die Richtigkeit der der Lärmberechnung zugrunde gelegten Verkehrsmengenzahlen und damit gegen die von der Beklagten ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Beurteilungspegel vorgebrachten Bedenken in rechtlich relevanter Weise nicht durch.
Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass die Beklagte die jeweiligen Beurteilungspegel unter richtiger Anwendung der RLS-90 und unter Berücksichtigung der LkwAnteile zwischen 2,8 t und 3,5 t berechnet hat. Die Verkehrslärmschutzverordnung sieht die Berücksichtigung dieses Lkw-Segments „p“ in Anlage 1 zu § 3 vor, sodass die Beklagte die Anzahl der diesem Segment unterfallenden „Lkw“ bei der Berechnung des Beurteilungspegels berücksichtigen musste. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits festgestellt hat (BVerwG, a.a.O., juris Rn. 157), wird das damit aufgeworfene Problem, aus dem Schwerverkehrsanteil ab 3,5 t das Teilsegment des LkwAnteils von 2,8 t bis 3,5 t zu bilden, mangels bindender Vorgaben durch Regelwerke in der Praxis offenbar unterschiedlich gehandhabt. Das Gericht ist nicht berufen, den Streit über die richtige Methode zur Ermittlung des Lkw-Segments zwischen 2,8 t und 3,5 t zu entscheiden. Entscheidend ist nach dem oben dargestellten rechtlichen Prüfungsmaßstab allein, ob das Vorgehen der Beklagten bzw. des mit der Verkehrsmengenerhebung betrauten Fachbüros methodisch unzulänglich oder gar ungeeignet ist, das Verkehrsaufkommen zutreffend zu erfassen. Dies vermag das Gericht gerade nicht festzustellen.
Der Einwand der Kläger, wonach ausschließlich Lkw über 3,5 t berücksichtigt worden seien, teilt das Gericht ebenso wenig wie den Einwand, dass das Lkw-Segment zwischen 2,8 t und 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht nicht mit der von der Beklagten angewandten Methode ermittelt werden könne. Wie die Beklagte nachvollziehbar dargelegt hat, hat sie das betreffende Segment anhand des äußeren Erscheinungsbildes ermittelt, indem das Fachbüro danach differenziert hat, ob die Fahrzeuge an der Hinterachse eine Doppelbereifung verfügen. Diese Methode erscheint dem Gericht selbst unter Würdigung des von Seiten der Kläger eingebrachten Parteigutachtens als plausibel. Es liegt nahe, dass diese den Einzelfall berücksichtigende Methode nicht ungenauer ist als eine pauschale Zugrundelegung von Umrechnungsfaktoren, wie es der Klägerbevollmächtigte zunächst vorgeschlagen hatte. So hat auch das Bundesverwaltungsgericht diese Ermittlungsmethode als plausibel und zulässig erachtet (BVerwG, U.v. 12. August 2009 – 9 A 64/07 – juris Rn. 104). Die Beklagte durfte sich an der vom Bundesverwaltungsgericht als zulässig erachteten Methode bei der Sachverhaltsermittlung orientieren. Nachdem die Beklagte das Lkw-Segment mit zulässigem Gesamtgewicht zwischen 2,8 t und 3,5 t zutreffend ermittelt hat und die Kläger die Richtigkeit nicht haben erschüttern können, war eine weitere Beweiserhebung nicht veranlasst, sodass der bedingte Beweisantrag im Schriftsatz vom 5. November 2018 abzulehnen war.
Auch dem Einwand der Kläger, wonach der ermittelte Schwerlastverkehr angesichts der vorhandenen Buslinienverkehre fehlerhaft sei, folgt das Gericht nicht. Wie die Beklagte schriftsätzlich ausgeführt hat, sind die den streitgegenständlichen Straßenabschnitt passierenden Busfahrten in den Verkehrszählungen enthalten. Hieran hat das Gericht keine Zweifel. Wie die Beklagte unter Anführung einer Stellungnahme des Referats für Stadtplanung und Bauordnung sowie der Münchner Verkehrsgesellschaft nachvollziehbar ausgeführt hat, wird der Abschnitt zwischen der K* … Hellip- Straße bis zum östlichen Knotenpunkt A* Hellip-Straße/V* Hellip-Str. ausschließlich von Verstärkerfahrten der Linie 163 genutzt. Der regelmäßige Buslinienverkehr der Linien 163 umfährt den streitgegenständlichen Straßenabschnitt. Auch die Linie 162 verkehrt nicht in diesem Abschnitt, sondern biegt in die K* Hellip-Straße ab und umfährt die an der A* Hellip Straße gelegenen klägerischen Anwesen. Diese LinienA* Hellipstr./M* Hellipstr./K* Hellipstr. mit einer Zahl von 220 und am Knotenpunkt Z* Hellipstr./H* Hellipstr. mit einer Zahl von 140 erfasst, soweit die Busse diese Knotenpunkte passieren. Aus den von Klägerseite in Bezug genommenen Verkehrszahlen des Referats für Gesundheit und Umwelt in Tabelle 1 des Schreibens vom 24. Juli 2018 kann nicht der Schluss gezogen werden, die Beklagte habe den Busverkehr nicht umfassend berücksichtigt und damit einen falschen Schwerlastverkehr zugrunde gelegt. Denn diese Verkehrszahlen geben ausschließlich die Verkehrsstärke zwischen beiden Knotenpunkten wieder, also den Verkehr, der zwischen beiden Knotenpunkten abgewickelt wird. Demzufolge können die regelmäßigen Buslinienfahrten von den in der Tabelle wiedergegebenen Verkehrsmengen naturgemäß nicht erfasst werden. Da also – abgesehen von den Verstärkerfahren – kein Buslinienverkehr im Straßenabschnitt zwischen beiden Knotenpunkten abgewickelt wird (s.o.), ist der in Tabelle 1 wiedergegebene prozentuale Anteil des Schwerlastverkehrs nicht geeignet, Rückschlüsse auf die Anzahl der in diesem Straßenabschnitt zu erfolgenden Linienfahrten zu ziehen. Die vom Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom … Oktober 2018 angestellte Berechnung geht wohl irrtümlich davon aus, dass tatsächlich neben den Verstärkerfahrten auch der sonstige (regelmäßige) Buslinienverkehr zwischen beiden Knotenpunkten – und damit unmittelbar vor den Anwesen der Kläger – abgewickelt wird, verursacht offenbar aufgrund der mit gleichem Schriftsatz beigefügten und im Internet unter „moovit“ abrufbaren unzutreffend dargestellten Wegstreckenführung.
Vor diesem Hintergrund teilt das Gericht auch nicht die vom Klägerbevollmächtigten dargetanen Zweifel am ermittelten Durchgangsverkehr. Dieser basiert auf einer validen Verkehrszählung und im Einzelnen nachvollziehbaren Tatsachengrundlage, welche auf einer Flussverfolgungszählung beruht, an deren ordnungsgemäßer Durchführung das Gericht zu keinen Zweifeln Anlass sieht. Es ist keinesfalls erkennbar, dass die Beklagte – wie die Kläger meinen – versucht, mit „vermeintlicher Bauernschläue“ ein ihr genehmes Ergebnis zu erzielen. Der (bedingte) Beweisantrag aus dem Schriftsatz vom … Oktober 2018 – über den das Gericht im Urteil entscheiden konnte (Eyermann, VwGO, § 86 Rn. 25) – war daher bereits abzulehnen, da die Beklagte den Durchgangsverkehr in einer fachlich anerkannten Methode zutreffend ermittelt hat und die Kläger die Richtigkeit nicht haben erschüttern können; die Tatsache des tatsächlichen Durchgangsverkehrs ist damit bereits erwiesen. Im Übrigen ist dieser Beweisantrag aber auch als ungeeignet abzulehnen. Der im Beweisantrag in Bezug genommene Straßenabschnitt ist in einer Weise verkürzt, als dass das Gericht die aus einer Beweiserhebung möglicherweise gewonnenen Erkenntnisse schwerlich als geeignet ansehen dürfte, um hieraus den Schluss auf einen ortsunüblichen Durchgangsverkehr zu ziehen. Denn zum einen ist typischerweise der auf diesem Straßenabschnitt zu messende Durchgangsverkehr umso höher, je kürzer der Straßenabschnitt bemessen ist, für den der Durchgangsverkehr ermittelt werden soll. Ungeachtet dessen kommt der A* Hellip Straße jedenfalls in diesem Straßenabschnitt die Funktion einer Verkehrssammelstraße für die umliegenden Gebiete zu und soll deren Verkehrsaufkommen an die V* Hellip-Str. und E* Hellipstr. weitergeben. Wie die Beklagte bereits im Verwaltungsverfahren (BA Bl. 35) und erneut schriftsätzlich nachvollziehbar ausgeführt hat, kommt der A* Hellip Straße im Abschnitt E* Hellip-Str. und A* …-/K* Hellipstraße die Funktion als (Haupt-) Sammelstraße für die umliegenden Wohngebiete zu. Dem widerspräche es, den der A* Hellip Str. zugewiesenen Verkehr als ortsunüblichen Durchgangsverkehr einzustufen. Auch aus diesen beiden weiteren eigenständig tragenden Gründen ist der Beweisantrag als ungeeignet abzulehnen. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass die Kläger bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung – wie sie es ausweislich der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung zugestehen – ausschließlich einen Durchgangsverkehr zwischen den Knoten der A* Hellip Straße zu der V* Hellip-Straße einerseits und der E* Hellipstraße andererseits problematisiert hatten.
2. Unter Zugrundelegung dieser zutreffenden tatsächlichen Feststellungen hat die Beklagte ihr Ermessen – unter Ergänzung in der mündlichen Verhandlung und ferner mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2018 (§ 114 Abs. 2 VwGO) – in einer rechtlich nicht zu beanstandenden Weise ausgeübt. Schon aufgrund der Berücksichtigungspflicht der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung stehen einer Ergänzung des Ermessens keine Bedenken entgegen.
Die Beklagte hat sämtliche ihr zur Verfügung stehenden Potentiale im Bereich geschwindigkeitsreduzierender und verkehrsberuhigender Maßnahmen, darunter insbesondere solcher zum verlässlichen Ausschluss bzw. zur Reduzierung des Durchgangsverkehrs, umfassend geprüft. Im Rahmen ihrer Ermessensentscheidungen hat die Beklagte unter Abwägung der öffentlichen Interessen und der klägerischen Parteiinteressen nachvollziehbar ausgeführt, dass angesichts des Allgemeininteresses an der Leichtigkeit und Sicherheit des Straßenverkehrs über die auf den Antrag der Kläger bereits erfolgte Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf Tempo 30 km/h hinaus keine weiteren verkehrsbeschränkenden straßenverkehrsrechtlichen oder straßenbaulichen Maßnahmen zum Schutz der Anwohner in Betracht gezogen werden können. Ein gerichtlich relevanter Ermessensfehler in Form der Ermessensdisproportionalität ist nicht zu erkennen.
Wie das Gericht bereits im vorangegangenen Urteil (VG München, U.v. 19.1.2016 – M 23 K 14.1931 – juris) ausgeführt hat, dürfen insbesondere lediglich vorübergehend wirkende bauliche Maßnahmen bis zur Realisierung des Ausbaus der A* Hellip Straße unberücksichtigt bleiben. Darauf, ob die geplante „Erstmalige Herstellung der A* Hellip Straße“ den gewünschten Erfolg einer Verkehrsberuhigung mit sich bringen wird, kommt es entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten nicht an, sodass die Beklagte insbesondere keine Änderung ihrer Ausbauplanungen in ihr Ermessen einbeziehen musste. Schließlich ist die Ermessensentscheidung aufgrund der Berücksichtigungspflicht der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung lediglich daraufhin zu untersuchen, ob sie den aktuellen Begebenheiten entspricht (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.2010 – 3 C 37/09 – juris Rn. 28). Hierzu zählen nicht erst zu realisierende Planungen.
Keineswegs ist das Urteil vom 19. Januar 2016 – entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten – dahingehend zu verstehen, dass die Beklagte ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Ermessensausübung erst mit der Vornahme einer zusätzlichen Regelung zum Ausschluss des Durchgangsverkehrs nachgekommen wäre (vgl. dort juris Rn. 78). Denn die von Beklagtenseite zu treffende erneute Ermessensentscheidung war ergebnisoffen (vgl. BayVGH v. 21.3.2012 – a.a.O. – juris Rn. 33) und begründet gerade keinen Anspruch auf Vornahme bestimmter Maßnahmen.
Das Gericht verkennt ebenso wenig wie die Beklagte, dass selbst nach Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung für die Kläger nachts weiterhin eine Überschreitung der Orientierungswerte besteht. Die Beklagte verstößt mit ihrer Entscheidung gegen weitere Maßnahmen aber nicht das Recht der Kläger auf gesundes Wohnen (Art. 2 Abs. 2 GG). Dabei ist durchaus berücksichtigt, dass gerade der Schutz der Nachtruhe für Anwohner eines allgemeinen Wohngebiets besondere Bedeutung zukommt (VG München, U.v. 24.7.2018 – M 23 K 17.4023 – juris Rn. 30; VG Ansbach, U.v. 21.6.2017 – AN 9 K 15.01072 – juris Rn. 42). Allerdings kann eine vollständige Erfüllung der klägerischen Ansprüche auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung bereits angenommen werden, wenn durch einzelne straßenverkehrsrechtliche und/oder bauliche Maßnahmen zumindest eine spürbare Lärmreduzierung der Anwohner bewirkt werden kann, worauf das Gericht im vorangegangenen Urteil bereits hingewiesen hat. Eine derart spürbare Lärmminderung ist vorliegend nach der Einführung der Geschwindigkeitsbeschränkung eingetreten, auch wenn für die Kläger gerade nachts weiterhin eine Überschreitung der Orientierungswerte festzustellen ist. Es ist geklärt, dass bei erheblichen Lärmbeeinträchtigungen die den verkehrsberuhigenden oder verkehrslenkenden Maßnahmen entgegenstehenden Gründe von einigem Gewicht sein müssen, wenn mit Rücksicht auf diese Belange ein Handeln der Behörde unterbleibt (BVerwG, U.v. 4.6.1986 – 7 C 76/84 – juris Rn. 15; BayVGH, U. v. 21.3.2012 – 11 B 10.1657 – juris Rn.25).
Die den verbleibenden Möglichkeiten zur weiteren Verkehrsberuhigung/Lärmreduzierung entgegenstehenden Gründe hat die Beklagte umfassend gewürdigt und mit nachvollziehbaren Gründen abgelehnt. Dies gilt gerade auch im Hinblick auf die von den Klägern nun in diesem Verfahren favorisierte Beschränkung des Durchgangsverkehrs.
Die weiterhin bestehende Überschreitung der Orientierungswerte der Verkehrslärmschutzverordnung steht der Erfüllung der klägerischen Ansprüche auf ermessensfehlerfreie Entscheidung daher nicht entgegen. Denn die Befugnis eines Gerichts zur Korrektur behördlicher Entscheidungen endet, wo eine Behörde – wie hier die Beklagte – ihr Ermessen ordnungsgemäß betätigt und damit rechtmäßig keine oder – wie hier – lediglich eine von mehreren Möglichkeiten zur rechtlichen Gestaltung gewählt hat (VG Saarlouis, U.v. 11.7.2007 – 10 K 38/07 – juris Rn. 57).
Im Übrigen wird auf die Ermessenserwägungen in den streitgegenständlichen Bescheiden Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Die Klagen waren daher unter der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO und dem Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO abzuweisen.


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