Europarecht

Teilweiser Widerruf und Rückforderung von Fördermitteln nach zweckfremder Verwendung

Aktenzeichen  AN 4 K 16.02032

Datum:
21.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHO BayHO Art. 7
BayVwVfG BayVwVfG Art. 48 Abs. 4, Art. 49 Abs. 2, Abs. 2a
GKG GKG § 52 Abs. 3
HGB HGB § 246 Abs. 1
VwGO VwGO § 67 Abs. 2 S. 2, § 113 Abs. 1 S. 1, § 154 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Jahresfrist des Art. 49 Abs. 2a S. 2 iVm Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG ist eine Entscheidungsfrist, die erst zu laufen beginnt, wenn sowohl die vollständige Kenntnis des für die Entscheidung über den Widerruf erheblichen Sachverhalts als auch die Erkenntnis der zweckwidrigen Verwendung bei dem zum Widerruf innerbehördlich zuständigen Bediensteten vorliegt; hierzu gehören auch die für die Ermessensausübung wesentlichen Umstände. (redaktioneller Leitsatz)
2 Beim Widerruf der Bewilligung öffentlicher Zuschüsse ist anerkannt, dass die Bewilligung regelmäßig (im Sinne eines intendierten Ermessens) zu widerrufen ist.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Widerrufsbescheid vom 26. Oktober 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Beklagte durfte vorliegend zu Recht den teilweisen Widerruf der gewährten Zuwendungen hinsichtlich des Anteils für die Betriebsleiterwohnung und für die Abbruchkosten erklären.
I.
Der Widerrufsbescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2015 findet seine Rechtsgrundlage in Art. 49 Abs. 2a BayVwVfG. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung (…) nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird (…). Der Widerruf ist innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, zu dem die Behörde von den Tatsachen Kenntnis erhält, welche die Rücknahme des Verwaltungsaktes rechtfertigen (Art. 49 Abs. 2a Satz 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG).
Die Jahresfrist des Art. 49 Abs. 2a Satz 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG wurde eingehalten. Sie ist eine Entscheidungsfrist, die erst zu laufen beginnt, wenn sowohl die vollständige Kenntnis des für die Entscheidung über den Widerruf erheblichen Sachverhalts als auch die Erkenntnis der zweckwidrigen Verwendung bei dem zum Widerruf innerbehördlich zuständigen Bediensteten vorliegt. Hierzu gehören auch die für die Ermessensausübung wesentlichen Umstände (BVerwG B.v. 19.12.1984 – Gr. Sen. 1, 2/84 – NJW 1985, 819, 821; BayVGH B.v. 24.10.2008 – 9 ZB 05.3209 – BayVBl 2010, 543).
Die Kenntnis aller Umstände liegt grundsätzlich erst nach Anhörung des Betroffenen vor. Die Notwendigkeit einer Anhörung impliziert, dass auch neue Erkenntnisse für die Entscheidung, insbesondere für die Ausübung des Ermessens, gewonnen werden können. Der mit der Jahresfrist zum Ausdruck kommende Vertrauensschutz kann konsistent mit den sonstigen Normen des Verwaltungsverfahrens erst dann zu laufen beginnen, wenn der Betroffene Gelegenheit hatte, sich zu dem geplanten Widerruf im Rahmen der durchzuführenden Anhörung zu äußern. Die Klägerin wurde vorliegend erstmals im Mai 2015 zum geplanten Widerruf angehört. Der Bescheid vom 26. Oktober 2015 ist damit jedenfalls innerhalb der Jahresfrist erlassen worden.
Ein aus sonstigen Gründen möglicherweise unzulässiges Hinauszögern der Entscheidung kann vorliegend nicht erkannt werden. Vielmehr konnte der Beklagte bewusst auch auf Erkenntnisse anderer Fachbehörden zuwarten, die im Rahmen der Widerrufsentscheidung berücksichtigungsfähig waren.
II.
Der bestandskräftige Zuwendungsbescheid vom 28. April 2008 in der Fassung des Kürzungsbescheids vom 4. November 2009 konnte durch Widerruf teilweise unter den Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 2 a BayVwVfG rückwirkend aufgehoben werden. Die Voraussetzungen lagen hinsichtlich der nicht aktivierbaren Abrisskosten und der nachträglich festgestellten Betriebsleiterwohnung vor, da insoweit der durch Bescheid festgelegte Zuwendungszweck nicht erreicht wurde.
1. Die Voraussetzungen für den Widerruf hinsichtlich des Kostenanteils für die Abrisskosten lagen vor. Die Förderfähigkeit der Abrisskosten wurde nicht selbständig zugesichert (a). Hinsichtlich ihrer Förderfähigkeit hat der Beklagte in seiner Zuwendungsentscheidung auf die Aktivierung der entsprechenden Kostenpositionen in der (sogenannten) Steuerbilanz abgestellt (b). Eine Prüfung, ob dies steuerrechtlich überhaupt möglich ist, war nicht Gegenstand der Zuwendungsentscheidung (c).
a) Der Zuwendungsbescheid enthält keine Zusicherung dahingehend, dass die Abrisskosten unabhängig von der Frage ihrer Aktivierung förderfähig sind. Im Übrigen wäre eine solche Zusicherung auch rechtswidrig, da sie gegen die zugrunde liegenden Förderrichtlinien verstoßen würden.
Im Bescheid vom 28. April 2008 in der Fassung des Kürzungsbescheids vom 4. November 2009 wird unter Zuwendungszweck unter Ziffer 1 insbesondere folgendes festgelegt: „Gebrauchte sowie nicht aktivierte Wirtschaftsgüter können nicht gefördert werden“.
Dem steht nicht die Bezeichnung des Projekts entgegen, das mit „Abriss des bestehenden Gasthauses und Ersatz durch einen Neubau“ umschrieben wird. Zu Recht weist der Beklagte insoweit daraufhin, dass sich im 1. Teil des Satzes die Einschränkung „Mitfinanzierung der förderfähigen Kosten“ findet und sich allein aus der Bezeichnung im Übrigen keine verbindliche und unwiderrufliche Zusage für einen einzelnen Projektabschnitt unabhängig von den sonstigen Aussagen zum Förderzweck ergibt. Denn in jedem Fall bleibt für die einzelnen Kostenpositionen die Frage der Förderfähigkeit entscheidend.
Aber selbst wenn man in dem Zuwendungsbescheid unabhängig von den allgemeinen Aussage zur Förderfähigkeit aufgrund des Widerspruchs zu den steuerlichen Vorschriften mangels Erwerb des Grundstücks von Anfang bestehenden rechtlichen Unmöglichkeit der Aktivierbarkeit eine Zusicherung der Einzelposition „Abrisskosten“ sehen würde, hätte dies aufgrund der inhaltlich ebenfalls die Aktivierung voraussetzende Richtlinie zur Durchführung der bayerischen regionalen Förderprogramme für die gewerbliche Wirtschaft vom 22. Februar 2002 (Ziffer I 2.1.5), auf die der Zuwendungsbescheid beruht, nur die Rechtswidrigkeit des Zuwendungsbescheides zur Folge. Ein rechtswidriger Bescheid könnte aber sogar unter geringeren Voraussetzungen zurückgenommen werden, da der Vertrauensschutz des Zuwendungsempfängers insoweit ebenfalls vermindert ist.
b) Die Abrisskosten wurden nicht aktiviert. Für die Frage der Förderfähigkeit ist vorliegend maßgeblich, dass Gebrauchte sowie nicht aktivierte Wirtschaftsgüter ausdrücklich als nicht förderfähig bezeichnet wurden.
Damit wurde erkennbar auf eine steuerrechtliche Beurteilung abgestellt, ohne dass durch die nachträgliche sprachliche Präzisierung in den Richtlinien vom 1. Juli 2014 eine Veränderung eingetreten ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass der steuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsgutes verwendet wurde. Der handelsrechtliche Parallelbegriff des Wirtschaftsgutes wäre der des Vermögensgegenstandes, der sich für die Rechnungslegung nach dem Handelsgesetzbuch etwa aus § 246 Abs. 1 HGB ergibt. Der Begriff des Vermögensgegenstandes wurde gerade nicht gewählt. Daher ist die im Rahmen der (steuerlichen) Betriebsprüfung festgestellte fehlende Aktivierbarkeit der Abbruchkosten entscheidend, ohne dass hier nochmals auf die steuerrechtlichen Grundlagen gesondert eingegangen werden muss.
Der Zuwendungsbescheid vom 28. April 2008 in der Fassung des Kürzungsbescheids vom 4. November 2009 berücksichtigt die Abrisskosten in der Tabelle unter Ziffer 1 mit den gesamten übrigen Baukosten als förderfähig. Durch den streitgegenständlichen Bescheid wird diese Kostenposition in der tatsächlich geltend gemachten Höhe widerrufen. Die nunmehr festgestellte Zweckwidrigkeit ergibt sich aus der nicht vorgenommenen Aktivierung. Eine solche kann aber erst mit Abschluss der maßgeblichen Veranlagungszeiträume in Betracht kommen, impliziert also eine ex-post-Sichtweise.
c) Die ex-post Sichtweise impliziert zugleich, dass eine gesonderte Prüfung steuerrechtlicher Voraussetzungen nicht stattfindet. Der Beklagte ist kein steuerlicher Berater, sondern setzt lediglich die Voraussetzungen der Zuwendung auf Grundlage der allgemeinen Regeln fest. Die für die nicht aktivierten Abrisskosten angesetzte Höhe wurde von der Klägerin nicht bestritten. Der entsprechende Betrag konnte daher bei einem Teilwiderruf der Förderung in Ansatz gebracht werden.
2. Ebenfalls lagen die Voraussetzungen für den Widerruf hinsichtlich des Kostenanteils für die Betriebsleiterwohnung vor. Es war Inhalt des Zuwendungsbescheides, dass das Gasthaus vollständig zugunsten des touristischen Betriebs entweder als Gästezimmer oder als Fremdenverkehrszimmer ausgebaut werden sollte. Der Entschluss zum Einbau einer privaten Betriebsleiterwohnung ist auf Basis des Vorbringens des steuerlichen Beraters der Klägerin erst nachträglich entstanden (Vgl. z.B. Bl. 185 d.A.). Der nachträgliche Einbau einer Betriebsleiterwohnung war damit unabhängig von der Frage ihrer grundsätzlichen Förderfähigkeit eine zweckwidrige Verwendung der Zuwendungsmittel.
Nichts anderes ergibt sich aus dem klägerischen Vortrag, nach dem der Innenausbau der betroffenen Flächen ausschließlich aus privaten Mitteln des Klägers getragen wurde. Denn von dieser Argumentation bleibt unberührt, dass ein bestimmter Anteil der mit Fördergeldern errichteten Nutzfläche nunmehr nicht mehr dem Förderzweck zur Verfügung steht.
Das Ausscheiden der entsprechenden Kosten über einen nach Quadratmetern berechneten Anteil der geförderten und errichteten Nutzfläche wurde durch den steuerlichen Berater auch im Rahmen der Rückzahlung des Vorsteuerabzugs vorgenommen und erscheint auch unter dem Aspekt der Rückforderung der Zuwendung als taugliches Mittel zur Bestimmung des Anteils. Ferner wurde in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass für besondere Kosten der Gaststätte, wie z.B. der Küche, ein Abzug nicht erfolgt ist. Die Berechnung über Quadratmeter ist eine Vereinfachung, die lediglich den Baukostenanteil betrifft. Auch mit Blick auf die Höhe der Rückforderung bestehen daher keine Bedenken mit Blick auf die Rechtmäßigkeit.
III.
Der Widerruf steht, wie sich aus dem Wortlaut des Art. 49 Abs. 2 a Satz 1 BayVwVfG („kann“) ergibt, im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Beim Widerruf der Bewilligung öffentlicher Zuschüsse ist anerkannt, dass die Bewilligung regelmäßig (im Sinne eines intendierten Ermessens) zu widerrufen ist. Dies folgt aus den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (Art. 7 BayHO). Neben der Frage des Entschließungsermessens, also „Ob“ widerrufen wird, steht der Beklagten nach Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG ein Auswahlermessen zu über das Wie“ des Widerrufs (Abel, BeckOK VwVfG Stand Januar 2016, § 49 Rn. 9).
Es bestehen keine Zweifel an der rechtmäßigen Ausübung des Ermessens. Insbesondere hat der Beklagte auch die Frage berücksichtigt, ob eine Betriebsleiterwohnung grundsätzlich förderfähig gewesen wäre.
Die Rückforderung war auch nicht unverhältnismäßig. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass verschiedene Besprechungen bei der Regierung als „Beratungen“ verstanden wurden. Im Übrigen hatte die Klägerin einen eigenen steuerlichen Berater.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
IV.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.


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