Europarecht

Tierseuchenrechtliche Gesundheitsbescheinigung – Tiertransporte

Aktenzeichen  RN 5 V 19.878

Datum:
16.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 9971
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierGesG § 16a, § 23 Abs. 1 S. 3, § 24, § 35
BmTierSSchV § 8, § 12 Abs. 3 S. 1
VwGO § 172

 

Leitsatz

1  §§ 23, 24, 35 TierGesG regeln allein eine Abstimmung und Unterrichtung der Behörden der europäischen Mitgliedstaaten untereinander. Für eine Anspruchsinhaberschaft des Antragstellers gibt es kein Anzeichen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der Vollstreckung gemäß § 172 VwGO die Ausstellung eines von ihr so bezeichneten „Vorlaufzeugnis für die Ausfuhr von Zuchtrindern aus der Bundesrepublik Deutschland nach Usbekistan.“ Dieses gehe inhaltlich über das hinaus, was der Antragsgegner infolge der Verpflichtung durch den Beschluss des VG Regensburg vom 08.05.2019, RN 5 E 19.828 ausgestellt habe, nämlich einen Vorlauftest nach dem Muster 1 des Anhang F der Richtlinie 64/432/EWG für den innergemeinschaftlichen Handel (nach dem Antragsgegner ein sogenanntes „kleines EU Attest“). Ein solches habe man ursprünglich beantragt entsprechend der bisherigen Praxis. Die zusätzlichen Angaben rühren daher, dass die Veterinärbehörde am Versandort über die Angaben aufgrund der Regelungen der §§ 8, 12 Abs. 3 BmTierSSchV die allgemeine Dienstpflicht zur Erteilung solcher Gesundheitszeugnisse trifft, die bei Ausfuhr von Tieren in Drittstaaten erforderlich seien. Auch der Antragsgegner sei dazu aus Sicht des Antragstellers verpflichtet. Dies ergebe sich aus allen bisher hierzu ergangenen Gerichtsentscheidungen sowie dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung. Die Verträge zwischen Antragsteller und Exporteur seien schließlich auch so gestaltet, dass die Tiere so in die Sammelstelle geliefert werden, dass die von der Veterinärbehörde am Sitz der Sammelstelle vorgegebenen Vorlaufzeugnisse vorhanden sind. Dem Antragsteller drohen daher Schadensersatzansprüche. Die Pflicht zur Ausstellung von tierseuchenrechtlichen Gesundheitsbescheinigungen ergebe sich ganz allgemein aus den Dienstpflichten der §§ 1 und 24 Abs. 1 Tiergesundheitsgesetz. § 24 Abs. 12 Tiergesundheitsgesetz regle eine Übermittlungspflicht. Die weitergehenden Angaben seien zwar nicht für den innergemeinschaftlichen Handel, wohl aber für die genehmigungsfreie Ausfuhr in Drittstaaten erforderlich.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg, der Antragsgegner ist der ihm mit Beschluss vom 08.05.2019 auferlegten Verpflichtung nachgekommen. Ob der Antrag darüber hinaus schon deswegen keinen Erfolg haben würde, weil er sich auf geforderte Angaben bezüglich der Verbringung auf eine Sammelstelle in Brandenburg und ein Schreiben über nötige Angaben aus dem Landkreis Teltow-Fläming in Brandenburg stützt, während im Verfahren RN 5 E 19.828 eine Quarantänestation in Vietgest-Lalendorf und ein zuständiges Veterinäramt in Güstrow (beides Mecklenburg-Vorpommern) Gegenstand waren und daher von verschiedenen Transporten und nicht einer Vollstreckung der ursprünglichen Entscheidung auszugehen ist, kann dahinstehen.
Es mangelt schon an der für § 172 VwGO nötigen Nichterfüllung des Beschlusses vom 08.05.2019. Gegenstand dessen war nur ein Attest mit Angaben infolge der Anwendung von § 8 und 12 BmTierSSchV und Muster 1 des Anhangs F der Richtlinie 64/432/EWG. Dies ergibt sich auch aus dem besagten Beschluss. Maßgebend ist bei gerichtlichen Entscheidungen als Vollstreckungstiteln in erster Linie der Tenor; bei Unklarheiten sind ergänzend Tatbestand und Entscheidungsgründe heranzuziehen (Eyermann/Kraft, 15. Aufl. 2019, VwGO § 172 Rn. 12). In dem Entscheidungstenor wird das zu erstellende Attest bezeichnet als: „auf seinen Antrag vom 30. April 2019 hin ein Vorlaufattest für Zuchtrinder nach Usbekistan“. Was hierunter zu verstehen ist, ist nicht aus sich heraus klar und daher sind ergänzend Tatbestand und Entscheidungsgründe des genannten Beschlusses heranzuziehen. Vorlaufattest (und Vorlaufzeugnis, beides wird in den verfahrensgegenständlichen Schriftsätzen verwendet, nach Dafürhalten der Kammer als Synonyme) sind keine gesetzlich definierten Begriffe und es ist nicht den Verfahren zu entnehmen, wofür sie sich genau in der Verwaltungspraxis herausgebildet haben mögen.
Aus den Gründen des Beschlusses vom 08.05.2019 ergibt sich klar, dass allein ein Attest mit Angaben infolge der Anwendung von § 8 und 12 BmTierSSchV und Muster 1 des Anhangs F der Richtlinie 64/432/EWG Verfahrensgegenstand war. Auf S. 3, vorletzter Absatz wird als Anspruchsgrundlage eindeutig die BmTierSSchV bezeichnet und in dem anschließend auszugsweise zitierten und übernommenen Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 27. Februar 2019 (1 B 16/19) § 8 und 12 BmTierSSchV und Muster 1 des Anhangs F der Richtlinie 64/432/EWG explizit benannt und subsumiert. Auf S. 6 2. Absatz des Beschlusses heißt es weiter: „Das begehrte Vorlaufattest enthält noch keine Aussage über die Zulässigkeit des endgültigen Transportes der Tiere nach Usbekistan.“ Dies spricht im Rahmen der Heranziehung der Gründe weiter dagegen, dass Verfahrensgegenstand eine über die genannten Rechtsvorschriften hinausgehende Bescheinigung für den Weitertransport nach Usbekistan war. Zwar heißt es auf S. 6 Mitte ebenfalls „Nach alledem hat der Antragsteller einen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Ausstellung des beantragten Vorlaufattestes im Wege der einstweiligen Anordnung.“ Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich jedoch, dass der Begriff Vorlaufattest in dem Beschluss vom 08.05.2019 nur auf aus den Vorschriften § 8 und 12 BmTierSSchV und Muster 1 des Anhangs F der Richtlinie 64/432/EWG folgendes Attest bezogen war. Dass es sich dabei, wie erst im vorliegenden Verfahren vorgetragen, nicht um ein Vorlaufattest, sondern um ein „kleines EU-Attest“ handeln soll, weil sich abseits des Gesetzes in der Verwaltungspraxis diese Terminologie herausgebildet haben mag, spielt keine Rolle. Die Rechtsgrundlagen, aus denen sich die Inhalte des Attests, zu deren Erstellung die Antragsgegner verpflichtet wurde, sind in der Entscheidung klar benannt gewesen. Anders als vom Antragsteller vorgetragen, ergibt sich auch nichts anderes aus dem mittleren Absatz auf S.7 des Beschlusses vom 08.05.2019: Demnach war von Antragsgegnerseite im Verfahren vorgetragen worden, man „wisse nicht“, worum es sich bei den zusätzlichen verlangten Angaben handle, selbst wenn aus § 12 Abs. 3 BmTierSSchV ein gewisses Attest beantragt sein sollte, wolle man dieses nicht ausstellen. Diesem Einwand hat der Beschluss vom 08.05.2019 entgegengehalten, dass der Antragsgegner den gestellten Antrag notfalls auszulegen habe und nicht jegliches Attest verweigern könne. Sollte der Antragsgegner vielmehr erkennen, dass das (nach Auslegung des Antrags) beantragte Attest seine Grundlage in § 12 Abs. 3 S. 2 Nr.1 oder Nr.2 BmTierSSchV (nunmehr wohl „kleines EU-Attest“) und nicht in § 12 Abs. 3 S. 1 BmTierSSchV (nunmehr wohl analog „großes EU-Attest“), so habe der Antragsgegner eben dieses kleine EU-Attest auszustellen und nunmehr unstreitig auch ausgestellt und damit seine Verpflichtung erfüllt. Mehr war nicht Gegenstand des Verfahrens RN 5 E 19.828.
Auch ist der von Antragstellerseite hier gestellte Antrag nach § 172 VwGO nicht in einen weiteren Antrag auf Erteilung des weitergehenden Attests nach § 123 VwGO auszulegen, da der Antragsteller anwaltlich vertreten ist und bewusst einen vollstreckungsrechtlichen Antrag gestellt hat. Zudem würde dies an den Erfolgsaussichten des Antrags nichts erkennbar ändern. Die für die weitergehenden Angaben benannten Rechtsgrundlagen §§ 23, 24, 35 TierGesG und die von der Antragstellerseite auszugsweise vorgelegt Entscheidung der Kommission vom 02.07.1998 (93/444/EWG) und die Richtlinie 90/425/EWG regeln allein eine Abstimmung/Unterrichtung der Behörden der europäischen Mitgliedstaaten untereinander, sprechen insofern von einem einzurichtenden System der Unterrichtung der betroffenen Behörden. Insb. § 24 Abs. 12 TierGesG spricht von der Übermittlung auf Anfrage einer Behörde von einer an die andere Behörde. Wie die Staaten „Sorge tragen“ in diesem Sinne, ist diesen freigestellt, die gesetzliche Entscheidung richtet sich insofern auf einen Austausch unmittelbar zwischen Behörden. Für eine Anspruchsinhaberschaft des Antragstellers gibt es daher kein Anzeichen. Dass, wie der Landkreis Teltow-Fläming in seinem Schreiben an den Zuchtverband vom 13.05.2019 schreibt, dieser und nicht der Landkreis Rottal-Inn aus § 23 Abs. 3 TierGesG verpflichtet wäre, ist nicht ersichtlich, da der Antragsteller sich im Inland befindet (§ 23 Abs. 3 S.4 TierGesG) und es um andere Angaben als nach Abs. 2 geht. Die Übermittlung von Daten an den Tierhalter nach § 23 Abs. 1 S. 3 TierGesG dient dabei nicht der Datenübermittlung an die Behörde am Ort der Sammelstelle, sondern hat wohl den rein datenschutzrechtlichen Hintergrund, den Antragsteller über die Datenübermittlung in Kenntnis zu setzen.
Eine (ggf. um größere Effizienz als nach der gesetzlichen Konstruktion bemühte) hiervon abweichende Verwaltungspraxis gibt jedoch dem Antragsteller selbst keinen entsprechenden Anspruch, auch nicht aus dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung. Jedenfalls mit Mail vom 01.02.2019 11:09 (Blatt 157 der Gerichtsakte RN 5 E 19.828) des Antragsgegners an den Antragsteller hat der Antragsgegner bekannt gegeben, eine eventuelle, von Antragsgegnerseite bestrittene, bisherige Verwaltungspraxis allgemein aufzugeben (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 40 Rn. 124). Daher waren jedenfalls 3 Monate Zeit für den Antragsteller, diese Entwicklung bei der Planung des gegenwärtigen Transportes zu berücksichtigen. Zudem bezieht sich die Selbstbindung nicht auf eine gesetzlich nicht vorgesehene Verwaltungspraxis (Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 40 Rn. 117), wie hier, wo der Datenaustausch offenbar über Dritte lief, ohne gesetzliche Grundlage.
Eine Verletzung von Grundrechtspositionen des Antragstellers ist noch nicht ersichtlich. Das für den innerdeutschen Transport nötige Dokument liegt ihm vor. Zivilrechtliche Vereinbarungen binden nur die Parteien und begründen keinen Anspruch gegenüber dem Antragsgegner. Ein gegebenenfalls hieraus entstandener Schaden des Antragstellers könnte allenfalls bei Vorliegen der weiteren nötigen Voraussetzungen im Rahmen eines Amtshaftungsanspruches Berücksichtigung finden. Die an der Sammelstelle zuständigen Veterinäre scheinen grundsätzlich um die Erstellung der für den weiteren Transport nötigen Unterlagen bemüht. Auch wenn seitens des Landratsamts Rottal-Inn mittels der Umstellung der Verwaltungspraxis trotz rechtlicher Bedenken ein Zeichen gesetzt werden sollte (so jedenfalls Presseberichte: https:/ …, ist noch nicht ausgeschlossen, dass diese ihren Verpflichtungen gegenüber der Veterinärbehörde am Ort der Sammelstelle nachkommen wird, sollte diese beim Landratsamt Rottal-Inn in und nicht bei dem Antragsteller anfragen. Schließlich sollte sich die Rechtslage durch die nunmehr geführten gerichtlichen Verfahren weiter aufgeklärt haben. Bereits im Beschluss vom 08.05.2019 hatte die erkennende Kammer dargelegt, dass Tierschutzbedenken wohl im Rahmen einer auf Tierschutzrecht gestützten (rechtmäßigen) Maßnahme, evtl. nach § 16a TierSchG zu berücksichtigen seien.
Als unterliegender Beteiligter hat der Antragsteller gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, dessen Empfehlungen die Kammer folgt. Gemäß Nr. 1.7.1 S.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist die Hälfte des angedrohten Zwangsgeldes heranzuziehen. Insofern war ein Betrag von 10.000 € beantragt worden, der Streitwert also auf 5.000 € festzusetzen.


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