Aktenzeichen AN 14 K 17.50567
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Das Gericht entscheidet durch den Einzelrichter, dem das Verfahren durch Beschluss der Kammer vom 1. August 2018 übertragen worden ist (§ 76 Abs. 1 AsylG).
1. Die Klage ist zulässig.
Die Klage wurde insbesondere fristgerecht erhoben gemäß § 74 Abs. 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
Die Klage ist unbegründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 15. März 2017 rechtmäßig ist, und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Grundlage für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens ist das Asylgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2780) geändert worden ist.
Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 AsylG) sind die Ablehnung der Asylanträge als unzulässig (Nummer 1 des streitgegenständlichen Bescheides), die Feststellung, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Aufenthaltsgesetz bestehen (Nummer 2) und die unter Nummer 3 angeordnete Abschiebung nach Italien rechtlich nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die Befristungsentscheidung unter Nummer 4 des Bescheides.
Die Beklagte hat den Asylantrag der Kläger zu Recht als unzulässig abgelehnt (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 1a i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylG).
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat a) nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 S. 31) – Dublin III-VO – oder b) aufgrund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
Der Asylantrag der Kläger ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG unzulässig, weil nach zutreffender Auffassung der Beklagten im vorliegenden Fall Italien für die Behandlung des Asylgesuchs der Kläger zuständig ist (Art. 3 Abs. 1 Satz 2, Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO).
Nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Abl. L 180 v. 19. Juni 2013, S.31 – „Dublin IIIVO“), wird der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Hier ist Italien für die Prüfung der Asylanträge zuständig.
Nachdem die italienischen Behörden auf das Aufnahmegesuch Deutschlands nicht innerhalb der Frist von zwei Monaten (Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO) reagierten, ist gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung Italiens nach sich zieht, die Kläger aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für ihre Ankunft zu treffen.
Die Zuständigkeit Italiens ist nicht auf die Beklagte übergegangen. Ein Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte ergibt sich insbesondere nicht wegen Ablaufs der sechsmonatigen Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO.
2.1. Die (zunächst 6-monatige) Überstellungsfrist ist zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht abgelaufen. Denn die Beklagte hat von der Möglichkeit gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO Gebrauch gemacht. Danach kann die Überstellungsfrist auf höchstens 18 Monate verlängert werden, wenn die betreffende Person flüchtig ist.
Die Prozessbevollmächtigte der Kläger hat zwar detailliert und engagiert dargelegt, dass die Kläger in einer längeren Zeitspanne, in die auch der 9. und 10. Mai 2017 fallen, gearbeitet und ihr Essen eingenommen hätten, konnte die Anwesenheit der Kläger in der ihnen zugewiesenen Unterkunft aber für den 9. und 10. Mai 2017 im Besonderen nicht beweisen. Allgemeine Arbeitsbescheinigungen für die Kläger über mehrere Monate, beim Kläger zu 1) im Übrigen erst ab dem 13. Mai 2017, sind nicht hinreichend. Essensteilnahme-Kreuzchen sind ebenso kein verwertbarer Beleg für eine Anwesenheit, ebenso wenig die Tatsache, dass die Kläger jeweils ihre Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz entgegengenommen haben (Letzteres wurde zumindest nicht dargelegt für den 9. und 10. Mai 2017). Wird aber eine Person zu einem Zeitpunkt, in der sie sich üblicherweise in der zugewiesenen Unterkunft aufhält, nicht angetroffen, so ist es aufgrund der Mitwirkungspflicht nach § 15 AsylG an ihr, plausibel darzulegen, dass sie nicht flüchtig war, indem sie konkret darlegt, „wann sie sich wo zu welchem Zweck aufgehalten hat“ (vgl. VG Minden, B.v. 16.3.2018 – 10 L 258/18.A -, juris). Daran fehlt es hier.
Der Umstand, dass die Kläger im relevanten Zeitpunkt, 9. und 10. Mai 2017, unabgemeldet abwesend gewesen waren, steht fest, wie sich aus den von der Beklagten unter dem 13. Dezember 2017 vorgelegten Unterlagen ergibt. Zumindest waren die Kläger in der Zeit vom 9. bis 10. Mai 2017 für die Behörden nicht auffindbar. Im fraglichen Zeitrahmen galt die staatliche Zuweisung an die Unterkunft, in der die Kläger nicht anwesend waren.
Unter Beachtung von Sinn und Zweck der Vorschrift des Art. 29 Abs. 2 Satz 2, Alt. 2 Dublin III-VO konnte die Verlängerung der Überstellungfrist durch die Beklagte erfolgen. Die Fristenregelungen der Dublin III-VO begründen zwar zweifellos nach der neuen Rechtsprechung des EuGH (U.v. 25.10.2017, Rs. C-201/16 , juris: 6-monatige Überstellungsfrist des Art. 29 Dublin III-VO ist drittschützend und bewirkt nach Verstreichen Zuständigkeitsübergang) subjektive Rechte des Asylbewerbers. Wenn hier die Überstellungsfrist abgelaufen wäre und der ursprünglich zuständige Mitgliedsstaat nicht mehr zur Übernahme bereit wäre, bestünde für das Asylverfahren die Zuständigkeit der Beklagten.
Die Beklagte hat aber von der Möglichkeit der Verlängerung der Überstellungsfrist Gebrauch gemacht. Dabei ist dies – und das genügt mangels entgegenstehenden Unionsrechts – dadurch bewirkt und dokumentiert, dass die Beklagte den italienischen Behörden mitgeteilt hat, dass die Kläger flüchtig sind, und dass die Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO bis zum 13. September 2018 verlängert wird, und zwar innerhalb des Laufs der zunächst geltenden 6-monatigen Überstellungsfrist. Die Beklagte hat Italien über die Flüchtigkeit der Kläger und die daraus folgende Unmöglichkeit der Überstellung informiert. Das Erfordernis der Information des Zielstaates vor Ablauf der Überstellungsfrist folgt aus Art. 9 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 in der Fassung von Art. 1 Nr. 5 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 i.V.m. Art. 29 Abs. 4 Dublin III-VO. Dem hat die Beklagte mit ihrem Schreiben an die italienischen Behörden genügt. Darin liegt auch eine – jedenfalls konkludente getroffene – nach dem Wortlaut von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO („Die Frist […] kann verlängert werden […]“) erforderliche Entscheidung der Beklagten über die Fristverlängerung (vgl. zur Notwendigkeit einer Entscheidung der Beklagten über die Fristverlängerung VG Dresden, U.v. 12.06.2015 – 7 K 2951/14.A -, juris). Nach der VO (EU) Nr. 118/2014 vom 30. Januar 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 erhielt Artikel 9 Absatz 2 folgende Fassung: „(2) Ein Mitgliedstaat, der aus einem der in Artikel 29 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 genannten Gründe die Überstellung nicht innerhalb der üblichen Frist von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Annahme des Gesuchs um Aufnahme oder Wiederaufnahme der betroffenen Person oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese aufschiebende Wirkung hat, vornehmen kann, unterrichtet den zuständigen Mitgliedstaat darüber vor Ablauf dieser Frist. Ansonsten fallen die Zuständigkeit für die Behandlung des Antrags auf internationalen Schutz bzw. die sonstigen Verpflichtungen aus der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 gemäß Artikel 29 Absatz 2 der genannten Verordnung dem ersuchenden Mitgliedstaat zu.“ Einen Verwaltungsakt mit Außenwirkung gegenüber den Klägern stellt die Verlängerung der Überstellungsfrist nach einhelliger Rechtsauffassung nicht dar.
Es kann dahinstehen, ob Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Var. 2 Dublin III-VO die Befugnis verleiht, die Höchstdauer der Verlängerung der Überstellungsfrist stets auszuschöpfen, zumal diese Frist nur einmal (aufgrund eines Fluchttatbestandes) verlängerungsfähig ist. Aus letzterem Grund ist auch aus keiner unionsrechtlichen Vorschrift die Pflicht der Beklagten zu erkennen, nach dem Wiederauftauchen der Kläger die rechtskonform verlängerte Frist zu begrenzen.
Die Kläger können sich mithin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Frist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO von 6 Monaten abgelaufen ist. Denn ein Asylbewerber ist bereits dann „flüchtig“, wenn er sich seiner sonst möglichen Überstellung durch sein Nichtdasein mit bedingtem Vorsatz entzieht. Die Kläger waren am 9. und 10. Mai 2017 vollziehbar ausreisepflichtig. „Erforderlich ist nicht, dass er seine Wohnung (dauerhaft) verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch dem Zugriff der Behörden entzieht. Die Formulierung ‚flüchtig ist‘ knüpft nämlich an die ‚Überstellung‘ an. In einem solchen Fall hat nicht der Mitgliedstaat, sondern der Asylbewerber den Ablauf der Frist zu vertreten“ (vgl. VG Regensburg, U.v. 20.02.2015 – RN 3 K 14.50264 -, juris, sowie VG Magdeburg, B.v. 11.12.2014 – 1 B 1196/14 m.w.N. -, juris).
Dies gilt insbesondere im Betrachte des § 10 Abs. 1 AsylG, über den die Kläger belehrt wurden, wonach der Asylbewerber („Ausländer“) während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen hat, dass ihn Mitteilungen des Bundesamtes, der zuständigen Ausländerbehörde und der angerufenen Gerichte stets erreichen können. Ein Asylbewerber ist „flüchtig“ im Sinne von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO bei jeder Form eines unbekannten Aufenthalts, mit der er sich vorsätzlich und unentschuldigt seiner Abschiebung entzieht (BayVGH, B.v. 29.04.2016 – 11 ZB 16.50024, juris). Dieses subjektive Moment im Sinne eines dolus eventualis (Inkaufnehmens) ergibt sich aus dem Wort „flüchtig“, das eben mehr voraussetzt als nur „abwesend“ oder “nicht erreichbar“, aber die Inkaufnahme einer vergeblichen Abschiebung genügen lässt.
Eine Stellungnahme des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages bringt es auf den Punkt: „Eine Verlängerung, weil der Asylbewerber flüchtig ist, ist dann möglich, wenn ein Überstellungsverfahren bereits gescheitert oder aussichtlos ist, weil die Person ohne Verschulden der Behörden nicht auffindbar ist oder rechtmäßigen Anordnungen, ihren Aufenthaltsort mitzuteilen oder sonstigen Pflichten zur Mitwirkung an einer Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat nicht nachkommt“ (wiss. Dienst des BT, AZ: WD 3 – 3000 – 115/15, vgl. auch Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, Anm. 49 zu § 29 AsylG).
Ebenso urteilte das VG Schwerin (B.v. 24.08.2016 – 3 B 2176/16 As SN -, juris): „…hat die Antragsgegnerin am 07.06.2016 vor Ablauf der Überstellungsfrist am 10.06.2016 einen Überstellungsversuch unternommen, dem sich der Antragsteller in zurechenbarer Weise entzogen hat mit der Folge, dass er als flüchtig im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO anzusehen war…Unter ‚flüchtig‘ sind alle Sachverhalte zu subsumieren, in denen der Antragsteller aus von diesem zu vertretenden Gründen für die Behörden des die Überstellung durchführen wollenden Staates nicht auffindbar ist oder sonst wie das Verfahren absichtlich behindert (Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, Stand: 01.02.2014, Art. 29 K12 m.w.N.). Erforderlich ist nicht, dass er seine Wohnung dauerhaft verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch den Zugriff der Behörden entzieht. Die Formulierung ‚flüchtig ist‘ knüpft nämlich an die ‚Überstellung‘ an. In einem solchen Fall hat nicht der Mitgliedstaat, sondern der Asylbewerber den Ablauf der Frist zu vertreten (vgl. VG Regensburg, U.v. 20.02.2015 – RN 3 K 14.50264 – Rn. 54 ff., juris m.w.N.).“
Ähnlich judiziert das Verwaltungsgericht Greifswald (U.v. 16.12.2016 – 3 A 231/16 As HGW, juris sowie Gerichtsbescheid v. 31.05.2016 – 3 A 256/16 As HGW -, juris): „Flüchtig … ist eine Person dann, wenn sie über einen erheblichen Zeitraum hinweg aus von ihr zu vertretenden Gründen nicht auffindbar ist.“
Im vorliegenden Fall hatten die Kläger ihre Unauffindbarkeit (und diese nicht nur über eine kurze Zeitspanne, etwa zum Einkaufen oder Abendbummel) auch zu vertreten. Sie hatten im Übrigen nichts dazu geäußert, woraus sich ergibt, dass auch der Beklagten oder der zuständigen Ausländerbehörde bzw. der Unterkunftsleitung ihr wirklicher Aufenthaltsort am 9. und 10. Mai 2017 bekannt gewesen ist.
Es ist mangels einer Abmeldung der Kläger nicht nachvollziehbar, wann und wo sie sich während des 9. und 10. Mai 2017 aufhielten. Ein Auszug aus der Unterkunft ist aufgrund des schlüssigen Vorbringens der Prozessbevollmächtigten der Kläger samt Anlagen zwar nicht anzunehmen, aber auch nicht erforderlich zur Annahme von „Flüchtigkeit“.
Auch das Sich-Entfernen von der Unterkunft ohne Abmeldung wie hier genügt, um zu verhindern, dass die Beklagte 6 Monate ununterbrochen zur Verfügung hat, um die Abschiebung zu planen, vorzubereiten und durchzuführen.
Die hier ausgeführten Grundsätze müssen übrigens auch unabhängig davon gelten, ob ein Überstellungsversuch – wie hier nicht – konkret stattgefunden hat oder nicht. Nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO kommt es bei der 2. Alternative nicht darauf an, ob ein Abschiebungsversuch unternommen wurde: „Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist.“ Es ist dem betreffenden abschiebewilligen Mitgliedstaat, so die ratio dieser unionsrechtlichen Vorschrift, nicht zuzumuten, mit ständigen Unwägbarkeiten zu rechnen, sondern ihm soll die 6-monatige Überstellungsfrist ununterbrochen zur Verfügung stehen (vgl. EuGH, U.v. 29.01.2009 – C-19/08, Petrosian – Rn. 43 ff., juris), um die Überstellung in Abstimmung mit dem zuständigen Mitgliedstaat vernünftig und für den Asylbewerber sozialverträglich zu organisieren. Dieser Wertung entspricht auch die gängige Rechtsprechung, dass durch einen Eilantrag und Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts die 6-Monatsfrist zur Überstellung unterbrochen wird. Die Überstellungsfrist beginnt mithin ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe eines ablehnenden Eilbeschlusses vollständig neu zu laufen (BVerwG, B.v. 27.4.2016 – 1 C 22.15 – und U.v. 26.05.2016 – 1 C15.15 -, juris; OVG NRW – B.v. 07.07.2016 – 13 A 2302/15.A -, juris).
Freilich begrenzt der auch europarechtlich fundierte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. statt vieler EuGH, U.v. 11.07.1989, C-265/87, Slg. 1989, 2237, zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts) die Möglichkeit der Verlängerung der Überstellungsfrist: ist der Ausländer nur für eine unerheblich kurze Zeit oder unverschuldet unangemeldet unauffindbar (Einkauf, sonstige private Erledigung, Arztbesuch, Unfall), ist selbstverständlich nicht von Flüchtigkeit auszugehen. Bei der hier streitgegenständlichen Zeitspanne des Fernbleibens verhält es sich jedoch anders.
Die Verlängerung der Überstellungsfrist war also rechtlich korrekt, da die Kläger für eine nicht unerheblich kurze Zeit unentschuldigt und ohne Abmeldung unauffindbar waren, und dies dem Bundesamt bekannt wurde. Mehr als die Abwesenheit festzustellen und die Kläger in die Abgangsliste einzutragen, wie geschehen, konnten die Beklagte respektive deren Hilfsbedienstete nicht unternehmen.
2.2. Besondere Umstände, die nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO zu einer Zuständigkeit der Beklagten führen würden, sind seitens der Kläger weder konkret vorgetragen noch ersichtlich. Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93 -, juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C 4 11/10 und C 493/10 -, juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Gefahr für die Kläger führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Grundrechtscharta bwz. Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O.). Der Asylbewerber kann der Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat mithin nur mit dem Einwand sogenannter systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten (so grundsätzlich EuGH, U.v. 10.12.2013 – 10-394/12 -, juris). So bestimmt Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO, dass im Falle systemischer Schwachstellen in einem Mitgliedsstaat für den Fall, dass keine anderen zuständigen Staaten gefunden werden können, der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat der zuständige Mitgliedsstaat wird. An die Feststellung systemischer Mängel sind hohe Anforderungen zu stellen. Einzelne Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Art. 3 EMRK der zuständigen Mitgliedstaaten genügen hierfür nicht. Von systemischen Mängeln ist vielmehr erst dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 -, juris; B.v. 6.6.2014 – 10 B 25/14 -, juris).
Ausgehend davon bestehen nach dem der Kammer vorliegenden Erkenntnismaterial im gegenwärtigen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte dafür, dass den Klägern im Falle der Rücküberstellung nach Italien auf Grund dort vorhandener systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber eine menschenunwürdige oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta (GRCh) bzw. Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EMRK) drohen würde. Die Kläger haben keine Argumente dafür vorgetragen, die auf systemische Mängel bzw. Schwachstellen im Asylverfahren in Italien schließen lassen, von denen sie individuell betroffen sein könnten. Solche sind dem Gericht auch nicht bekannt (vgl. zum Asylverfahren im Einzelnen Auswärtiges Amt, Auskunft an das OVG NRW vom 23.2.2016, 1.1). Die Verneinung systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Italien entspricht zudem der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Menschengerichtshofs (vgl. in unterschiedlichen Fallkonstellationen – EGMR, Urteil vom 30. Juni 2015 – 39350/13 -, Rn. 36, vom 13.1.2015 – 51428/10 -, juris, Rn. 35 und v. 4.11.2014 – 29217/12 -, juris, Rn. 114 f.) sowie der Rechtsprechung deutscher Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichte (vgl. BayVGH, U.v. 28.2.2014 – 13a B 14.30295 -, juris; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 -, juris; Hess.VGH, B.v. 28.2.2014 – 10 A 681/13.Z.A -, juris; OVG NRW, B.v. 16.2.2017 – 13 A 316/17.A -, juris; U.v.22.09.2016 – 13 A 2248/15.A -, juris; U.v. 18.7.2016 – 13 A 1859/14.A -, juris; OVG Lüneburg, U.v. 25.6.2015 – 11 LB 284/14 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 21.2.2014 – 10 A 10656/13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 14.11.2013 – 4 L 44/13 -, juris; VG Ansbach, U.v. 15.1.2016 – AN 14 K 15.50422 -, juris; VG Magdeburg, B.v. 23.1.2017 – 8 B 15/17 -, juris). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE) für das Projekt AIDA – Asylum Information Database erstellten aktuellen Länderbericht zu Italien vom Dezember 2016 (abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/ aida_it_2016update) oder dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom August 2016 (abrufbar unter https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/news/2016/160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedin-gungen-final.pdf; vgl. dazu auch VG Schwerin, U.v.26.09.2016 – 16 A 1757/15 As SN -, juris, Rn. 122). Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass in Italien keine generellen systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen mit der Folge gegeben sind, dass Asylbewerber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden. Grundsätzlich erhalten auch sog. Dublin-Rückkehrer eine Unterkunft, medizinische Behandlung und sonstige Versorgung, es wird ein Asylverfahren durchgeführt. Die Situation in Italien hat sich 2017 verbessert, zusätzliche Aufnahmezentren sind geschaffen worden (vgl. zur neueren Rechtsprechung VG Augsburg, Gerichtsbescheid v. 5.3.2018 – Au 5 K 18.50256 -, juris, VG Greifswald, B.v. 8.11.2017 – 6 B 2052/17 As HGW -, juris). Aus diesen Gründen bestand für die Beklagte auch keine Veranlassung, das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO wegen des Vorliegens außergewöhnlicher humanitärer Gründe auszuüben.
Ergänzend wird hierzu auf die ausführliche Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
2.3. Auch die Anordnung der Abschiebung nach Italien (Nummer 3 des streitgegenständlichen Bescheides) begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 AsylG. Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 2. Alt. AsylG ordnet das Bundesamt in den Fällen, in denen der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in den zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Italien ist – wie bereits ausgeführt – für die Prüfung des Asylantrages der Kläger zuständig. Die Abschiebung kann auch durchgeführt werden. Eine fehlende Übernahmebereitschaft Italiens ist nicht gegeben, da Italien innerhalb der vorgesehenen Zweimonatsfrist auf das Ersuchen um Übernahme nicht geantwortet hat und deshalb davon auszugehen ist, dass dem Übernahmeersuchen stattgegeben wird, was die Verpflichtung Italiens zur Aufnahme und zu entsprechenden Vorkehrungen für die Versorgung der Betreffenden nach sich zieht (vgl. Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO).
2.4. Die erfolgte Befristung des Einreiseverbots auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nummer 4 des Bescheides) begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Rechtsgrundlage hierfür ist § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG. Anhaltspunkte dafür, dass die im vorliegenden Fall festgesetzte Frist von sechs Monaten gegen die gesetzlichen Vorgaben verstößt, bestehen nicht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Befristungsentscheidung im vorliegenden Fall unzutreffende Erwägungen zu Grunde gelegt oder Belange der Kläger nicht ausreichend berücksichtigt wurden.
2.5. Die Klage ist auch insoweit unbegründet, als die Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid in nicht zu beanstandender Weise gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG festgestellt hat, dass zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse im Sinne von § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1
Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen. Abschiebungshindernisse, die einer Abschiebung der Kläger nach Italien entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich und wurden seitens der Kläger auch nicht vorgetragen. Dies gilt zum einen hinsichtlich zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse im Sinne von § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), deren Nichtvorliegen die Beklagte in Nummer 2 des angefochtenen Bescheides in nicht zu beanstandender Weise gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG festgestellt hat. Auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, die die Beklagte bei Abschiebungsanordnungen nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ebenfalls zu prüfen hat (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810, 10 C 15.813 -, juris Rn. 4), sind nicht ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.