Europarecht

Umsatzsteuer auf Beratungsleistungen hinsichtlich der Veräußerung eines Tochterunternehmens

Aktenzeichen  2 K 309/16

Datum:
23.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 18267
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
AktG § 291, § 292
UStG § 1 Abs. 1a, § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2,§ 4 Nr. 8 Buchst. f, § 14 Abs. 4, § 9 Abs. 1, § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1 u. 2
AO § 168
FGO § 100 Abs. 1 S. 1,§ 126 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 , § 135 Abs. 1
RL 2006/112/EG Art. 168 Buchst. a
MwStSystRL Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1, Art. 19

 

Leitsatz

Bei einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang zu einem Umsatz, der mangels wirtschaftlicher Tätigkeit nicht dem Anwendungsbereich der Steuer unterliegt oder der steuerfrei ist, ohne dass § 15 Abs. 3 UStG gilt, besteht keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug [EuGH-Urteile vom 13.03.2008 Securenta, Slg. 2008, I-1597 Rdnr. 30]. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Umsatzsteuerbescheid 2012 vom 25.06.2014 und die Einspruchsentscheidung vom 04.02.2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das Finanzamt hat die streitige Vorsteuer zu Recht nicht berücksichtigt, weil die Beratungsleistungen nicht im Zusammenhang mit einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Abs. 1a UStG, sondern für eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG steuerfreie Anteilsveräußerung erbracht wurden (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG).
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge von seiner eigenen Umsatzsteuerlast abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug für Lieferungen, die zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet werden (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG).
Diese Vorschriften setzten im Streitjahr Art. 168 Buchst. a der RL 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) in nationales Recht um, wonach der Steuerpflichtige u.a. berechtigt ist, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen erbracht wurden oder werden, abzuziehen, soweit die Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden. § 15 Abs. 1 und 2 UStG sind deshalb richtlinienkonform auszulegen (vgl. BFH-Urteile vom 08.03.2001 – V R 24/98, BFHE 194, 522, BStBl II 2003, 430, unter II., Rz 13; vom 16.05.2002 – V R 56/00, BFHE 199, 37, BStBl II 2006, 725, unter II.2.a, Rz 21; BFH-Beschlüsse vom 20.02.2013 – XI R 26/10, BFHE 240, 432, BStBl II 2013, 464, Rz 26; vom 13.03.2019 – …I R 28/17, BFHE 264, 367, BFH/NV 2019, 1034, Rz 28).
Der Vorsteuerabzug setzt einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang des Eingangsumsatzes zu einzelnen Ausgangsumsätzen voraus, die steuerpflichtig oder Umsätze i.S. von § 15 Abs. 3 UStG sind. Die für den Leistungsbezug getätigten Aufwendungen gehören dann zu den Kostenelementen seiner zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätze [EuGH-Urteil vom 29.10.2009 SKF, Slg. 2009, I-10413 Rz 57; BFH-Urteil vom 06.05.2010 V R 29/09, BFHE 230, 263, BStBl II 2010, 885, unter II.2.a aa (1), jeweils m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung].
Bei einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang zu einem Umsatz, der mangels wirtschaftlicher Tätigkeit nicht dem Anwendungsbereich der Steuer unterliegt oder der steuerfrei ist, ohne dass § 15 Abs. 3 UStG gilt, besteht keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug [EuGH-Urteile vom 13.03.2008 Securenta, Slg. 2008, I-1597 Rdnr. 30, und vom 29.10.2009 SKF, Slg. 2009, I-10413 Rdnr. 59, und BFH-Urteil vom 06.05.2010 V R 29/09, BFHE 230, 263, BStBl II 2010, 885, unter II.2.a aa (2) ].
Ausgaben für Dienstleistungen zur Durchführung einer Geschäftsveräußerung im Ganzen (GiG; § 1 Abs. 1a UStG) gehören jedoch zu den allgemeinen Kosten des Unternehmers und weisen damit einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zu seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit auf. Der Unternehmer kann daher den Teil der darin enthaltenen Mehrwertsteuer abziehen, der auf seine steuerpflichtigen Umsätze entfällt (EuGH-Urteil vom 22.02.2001 C-408/98 Abbey National, HFR 2001, 514, Rz 35; BFH-Urteil vom 13.12.2017 …I R 3/16, BFHE 261, 84, Rz 30).
Die Veräußerung der Anteile an der B fiel als wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer, ist also im Rahmen des Unternehmens der Klägerin erfolgt, § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Zum einen war das Halten der Anteile an der B mit steuerpflichtigen Leistungen der Klägerin als Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaft verbunden (entgeltliche und nachhaltige Vermietung der Betriebsgrundstücke). Zum anderen übte die Klägerin als Organträgerin der B – bis zum Ende der Organschaft durch Wegfall der finanziellen Eingliederung – zusammen mit der B als Organgesellschaft eine eigenunternehmerische Tätigkeit (Herstellung von Waren) aus. Die Vermietung war in Folge von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG ein nicht steuerbarer Innenumsatz (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26.11.1996 VII R 49/96, BFH/NV 1997, 537 Rz 16). Die Klägerin hat als Leistungsempfängerin die Beratungsleistungen und die weiteren Leistungen der Notarin als Eingangsleistungen auch bezogen und ist deshalb personell zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Nach den vorgenannten Grundsätzen kann die Klägerin aus den Beratungsleistungen zur Durchführung der Anteilsveräußerung keine Vorsteuer abziehen, weil diese sonstigen Leistungen in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit der steuerfreien Veräußerung der Anteile an der B an die Erwerberin und der Einbringung der Anteile an der B in die Erwerberin gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten stehen und den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausschließen.
a) Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG die Umsätze (und die Vermittlung der Umsätze) von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen. Dies setzt Art. 135 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL in nationales Recht um, wonach die Mitgliedstaaten die Umsätze, die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen, von der Mehrwertsteuer befreien.
Bei den Anteilen i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG, Art. 135 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL handelt es sich um Papiere, die ein Eigentumsrecht an juristischen Personen begründen (vgl. EuGH-Urteil Granton Advertising vom 12.06.2014 C-461/12, ECLI:EU:C:2014:1745, HFR 2014, 756, Rz 27). Dazu gehören insbesondere die Anteile an einer GmbH (Abschn. 4.8.10 Abs. 1 Satz 1 UStAE). Die vorliegende Veräußerung der Anteile an der B stellt einen Umsatz i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG dar (vgl. BFH-Urteil vom 04.02.2015 – …I R 14/14, BFHE 250, 240, BStBl II 2015, 908, Rz 40), da sie die rechtliche und finanzielle Lage zwischen den Parteien ändert und außerdem geeignet ist, Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf die Anteile zu begründen, zu ändern oder zum Erlöschen zu bringen (vgl. EuGH-Urteil DTZ Zadelhoff vom 05.07.2012 C- 59/11, ECLI:EU:C:2012:423, UR 2012, 672, Rz 23 f.). Entsprechendes gilt für die Einbringung (Sacheinlage) der Anteile an der Erwerberin gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen (vgl. BFH-Urteil vom 06.10.2005 – V R 7/04, BFH/NV 2006, 834, Rz 15), da auch sie sowohl die rechtliche und finanzielle Lage der am Geschäft beteiligten Parteien als auch die Rechte und Pflichten in Bezug auf die Anteile ändert.
Die Klägerin hat auf diese Steuerbefreiung auch nicht gemäß § 9 Abs. 1 UStG verzichtet.
Die von der Klägerin bezogenen Eingangsleistungen für die Anteilsveräußerung zählten auch nicht zu deren allgemeinen Aufwendungen, da sie keine Kostenelemente der von ihr mit Hilfe der B gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen darstellten (vgl. EuGH-Urteile SKF, ECLI:EU:C:2009:665, BFH/NV 2009, 2099, Rz 58 und 62 und Sveda vom 22.10.2015 – C-126/14, ECLI:EU:C:2015:712, UR 2015, 910, Rz 28 und 30; BFH-Urteil vom 27.01.2011 V R 38/09, BFHE 232, 278, BStBl II 2012, 68 Rz 48 und 50).
b) Ein Fall des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b UStG liegt nicht vor. Ein unmittelbarer Bezug zu einer Ausfuhr in das Drittlandsgebiet ist nicht erkennbar.
Die Veräußerung der Anteile steht auch nicht deswegen im direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit steuerpflichtigen Umsätzen, weil es sich um eine GiG gemäß § 1 Abs. 1a UStG gehandelt hätte.
a) Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nach § 1 Abs. 1a UStG nicht der Umsatzsteuer. Die Vorschrift setzt voraus, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. § 1 Abs. 1a UStG dient der Umsetzung von Art. 19 MwStSystRL in nationales Recht und ist entsprechend dieser Bestimmung richtlinienkonform auszulegen. Nach Art. 19 Abs. 1 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten die Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens, die entgeltlich erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung vorliegt.
b) Die Bestimmung erfasst somit die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 27.11.2003 Zita Modes C-497/01, Slg 2003, I-14393, Rz 40; vom 10.11.2011 Schriever C-444/10, BStBl II 2012, 848, Rz 25; vom 29.10.2009 SKF, BFH/NV 2009, 2099, Rz 37; BFH-Urteile vom 18.01.2012 …I R 27/08, BFHE 235, 571, und vom 27.11.2011 V R 38/09, BFHE 232, 278, BStBl II 2012, 68).
c) Übertragen werden muss ein Gesamt- oder Teilvermögen. Bei Letzterem handelt es sich um einen autonomen unionsrechtlichen Begriff, der eine einheitliche Auslegung finden muss, um eine unterschiedliche Anwendung der Mehrwertsteuerregelung in den Mitgliedstaaten zu verhindern (vgl. EuGH-Urteile Zita Modes, ECLI:EU:C:2003:644, UR 2004, 19, Rz 32 und 34 f., und Schriever, ECLI:EU:C:2011:724, BStBl II 2012, 848, Rz 22). Er bezieht sich auf eine Kombination von Bestandteilen eines Unternehmens, die zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausreicht, auch wenn diese Tätigkeit nur Teil eines größeren Unternehmens ist, von dem sie abgespalten wurde (vgl. BFH-Urteile vom 19.12.2012 – XI R 38/10, BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, Rz 35; vom 04.02.2015 – XI R 14/14, BFHE 250, 240, BStBl II 2015, 908 Rz 26; zum Teilbetrieb s. BFH-Beschluss vom 16.11.2009 – V B 37/09, BFH/NV 2010, 450, Rz 8). Dies ist aus der Sicht des Erwerbers zu bestimmen (vgl. BFH-Urteile vom 29.08.2012 – …I R 10/12, BFHE 239, 359, BStBl II 2013, 221, Rz 27; vom 19.12.2012 – …I R 38/10, BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, Rz 45).
d) Der Erwerber muss außerdem beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben; nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit (EuGH-Urteil vom 27.11.2003 Zita Modes, Slg 2003, I-14393, Rz 44; BFH-Urteil vom 30.04.2009 V R 4/07, BFHE 226, 138, BStBl II 2009, 863, Rz 25). Der Erwerber darf den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb z.B. aus betriebswirtschaftlichen oder kaufmännischen Gründen in seinem Zuschnitt ändern oder modernisieren (vgl. BFH-Urteil vom 29.08.2012 XI R 10/12, BFHE 239, 359, BStBl II 2013, 221, Rz 22).
e) Ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht, und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln, ist von den nationalen Gerichten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 232, 278, BStBl II 2012, 68, Rz 53) im Rahmen einer Gesamtwürdigung (vgl. BFH-Urteile vom 05.06.2014 – V R 10/13, BFH/NV 2014, 1600, Rz 10; in BFHE 250, 240, BStBl II 2015, 908, Rz 27) zu entscheiden. Dabei ist der Art der wirtschaftlichen Tätigkeit, deren Fortführung geplant ist, besondere Bedeutung beizumessen (vgl. EuGH-Urteil Schriever, ECLI:EU:C:2011:724, BStBl II 2012, 848, Rz 32; BFH-Urteil vom 12.08.2015 – XI R 16/14, BFHE 251, 275, BFH/NV 2016, 346, Rz 25).
f) Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH reicht die Inhaberschaft von Anteilen an einem Unternehmen im Gegensatz zur Inhaberschaft von Vermögenswerten dieses Unternehmens nicht, um eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortführen zu können (EuGH-Urteil … vom 30.05.2013, ECLI:EU:C:2013:346, UR 2013, 582, Rz 35). Eine bloße Veräußerung von Anteilen ohne gleichzeitige Übertragung von Vermögenswerten versetzt den Erwerber danach nicht in die Lage, eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit als Rechtsnachfolger des Veräußerers fortzuführen. Anders ist es aber, wenn die Beteiligung mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergeht, an der die Beteiligung erworben worden ist, sofern die Eingriffe die Durchführung von Transaktionen einschließen, die der Mehrwertsteuer unterliegen (EuGH-Urteil …, ECLI:EU:C:2013:346, UR 2013, 582, Rz 37). Der Gesellschaftsanteil muss Teil einer eigenständigen Einheit sein, die eine selbständige wirtschaftliche Betätigung ermöglicht, und diese Tätigkeit muss vom Erwerber fortgeführt werden (EuGH-Urteil …, ECLI:EU:C:2013:346, UR 2013, 582, Rz 38).
g) Der BFH hat im Revisionsverfahren XI R 33/18 zum vorliegenden Verfahren im Anschluss an diese neuere Rechtsprechung des EuGH mit Urteil vom 18.09.2019 entschieden, dass auch die Inhaberschaft aller Anteile an einer GmbH (im Gegensatz zur Inhaberschaft von Vermögenswerten dieser GmbH) für sich genommen nicht hinreicht, um eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit der Veräußerin fortführen zu können (unter II.4 g aa der Gründe). Bei isolierter Betrachtung der Veräußerung der Anteile scheidet eine GiG aus, da die Beteiligung an einem Unternehmen kein „hinreichendes Ganzes“ im Sinne eines Teilvermögens ist.
Etwas anders gilt jedoch bei der Übertragung der Beteiligung einer Organgesellschaft, wenn auch zwischen dem Anteilserwerber und der bisherigen Organgesellschaft eine umsatzsteuerliche Organschaft besteht bzw. begründet wird und der Anteilserwerber als neuer Organträger die aufgrund der bisherigen Organschaft bestehende eigenunternehmerische Tätigkeit (Herstellung von Waren) des Veräußerers unverändert fortführt. In diesem Fall kann es sich bei der Beteiligung an der Organgesellschaft um ein hinreichendes Ganzes bzw. Teilvermögen im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG handeln [unter II 4 g bb (3) der Gründe]. Da die für die Fortführung des Geschäftsbetriebs insoweit notwendigen Betriebsgrundstücke vom Erwerber auch angemietet werden können, ist der Erwerber als Organträger auch ohne deren Übertragung umsatzsteuerrechtlicher Leistungsempfänger der Vermietungsleistung des Veräußerers. Für eine Geschäftsveräußerung müssen die bestehenden Rechtsverhältnisse insoweit nicht mit „übertragen“ werden. Ebenso wie bei der organisatorischen Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG (bzw. den i.S. des Art. 11 Abs. 1 MwStSyst-RL genannten organisatorischen Beziehungen) kann sich auch die wirtschaftliche Eingliederung (bzw. die gegenseitigen wirtschaftlichen Beziehungen) aus Leistungen des Organträgers ergeben, die im Rahmen der Veräußerung nicht auf den Erwerber der Anteile übertragen werden können, wie z.B. Beratungsleistungen eines Angehörigen einer bestimmten Berufsgruppe.
h) Vorliegend wurde jedoch im Zuge der Anteilsübertragung auf der Seite der Erwerberin keine Organschaft mit der B begründet, da es an der erforderlichen organisatorischen Eingliederung der B in das Unternehmen der Erwerberin fehlt.
Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft).
Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.
Die Eingliederungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dienen der Feststellung, ob das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis vorliegt, das zur Verschmelzung zu nur einem einzigen Steuerpflichtigen führt (vgl. BFHUrteil vom 07.07.2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218 Rz 17).
(1) Finanziell muss der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22.11 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; vom 30.04.2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFH/NV 2009, 1734, unter II.2.b aa; in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581, unter II.2., und vom 01.12.2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2.).
(2) Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 05.12.2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.2.; vom 14.02.2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.f aa; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.b, und vom 28.10.2010 V R 7/10, BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, unter II.2., m.w.N.). Hierfür war nach früherer Auffassung des BFH ausreichend, wenn durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft sichergestellt war, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28.10.2010 V R 7/10, BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391 Rz 22). Seit dem Jahr 2013 hält es der V. Senat des BFH überdies für erforderlich, dass der Organträger (positiv) seinen Willen bei der Organgesellschaft durchsetzen können muss (vgl. BFH-Urteil vom 8.8.2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, BStBl II 2017, 543, Rz 27 ff).
(3) Für die wirtschaftliche Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG müssen die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft miteinander verflochten sein. Dabei kann die wirtschaftliche Eingliederung auf entgeltlichen Leistungen des Mehrheitsgesellschafters (Organträger) gegenüber seiner Tochtergesellschaft (Organgesellschaft) beruhen, wenn diesen für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche (geringfügige) Bedeutung zukommt (vgl. BFH-Urteil vom 06.05.2010 V R 26/09, BFHE 230, 256, BStBl II 2010, 1114, Rz 28).
Im Streitfall war die B nur finanziell und wirtschaftlich, nicht aber auch organisatorisch in die Erwerberin eingegliedert. Denn die Erwerberin war nicht in der Lage, die für sie aufgrund ihrer Mehrheitsbeteiligung bestehende Beherrschungsmöglichkeit in der Geschäftsführung der B auszuüben.
Die organisatorische Eingliederung besteht zwischen zwei GmbHs insbesondere bei einer Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen der beiden Gesellschaften (BFH-Urteile vom 17.01.2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, Rz 33; vom 05.12.2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451 Rz 24). Darüber hinaus kann sich die organisatorische Eingliederung auch aus einer (teilweisen) personellen Verflechtung über diese Geschäftsführungsorgane ergeben (BFH-Urteil vom 17.01.2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, Rz 33), wenn dem Organträger eine Willensdurchsetzung in der Geschäftsführung der Organgesellschaft möglich ist.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Zwischen den Geschäftsführungsorganen der erwerbenden GmbH und der B bestand keine Personalunion, da die jeweils einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Erwerberin, C oder D weder im Zeitpunkt der Anteilsübertragung am 04.12.2012 noch in den Folgejahren zugleich in der B geschäftsführungsbefugt waren. Dass die Erwerberin als alleinige Gesellschafterin in der Gesellschafterversammlung der B gegenüber der Geschäftsführung der B weisungsbefugt war, reicht ohne zusätzliche personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der B nicht aus (BFH-Urteile vom 14.02.2008 V R 12-13/06, BFH/NV 2008, 954 Tz. 24; vom 07.07.2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, Rz 25). Gegen diese Anforderungen bestehen auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EuGH-Urteil vom 16.07.2015 C-108/14 und C-109/14, HFR 2015, 901, BStBl II 2017, 604ECLI:EU:C:2015, 496) keine Bedenken in unionsrechtlicher Hinsicht; auch das Erfordernis einer in organisatorischer Hinsicht bestehenden Durchgriffsmöglichkeit dient insbesondere der rechtssicheren Bestimmung der Eingliederungsvoraussetzungen, der Verwaltungsvereinfachung und der Missbrauchsverhinderung (vgl. BFH-Urteil vom 02.12.2015 V R 15/14, BFHE 252, 158, BStBl II 2017, 553 Rz 44).
Es liegen auch keine sonstigen Umstände vor, aus denen sich für die Erwerberin aufgrund anderer organisatorischer Maßnahmen eine Möglichkeit zur Willensdurchsetzung ergab.
Zwar können im Einzelfall auch institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung eine organisatorische Eingliederung bewirken (BFH-Urteile vom 03.04.2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, Rz 41; vom 02.12.2015 V R 15/14, BFHE 252, 158, BStBl II 2017, 553 Rz 43). Davon ist – trotz fehlender Personenidentität in den Leitungsgremien – unter anderem auszugehen, wenn der Organträger durch schriftlich fixierte Vereinbarungen (z.B. Geschäftsführerordnung, Konzernrichtlinie) ein Letztentscheidungsrecht in Angelegenheiten der laufenden Geschäftsführung gegenüber Dritten nachweisen oder das Geschäftsleitungsgremium bei Verstößen gegen eine Anweisung haftbar machen kann (vgl. BFH-Urteile vom 05.12.2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, Rz 25; vom 12.12.2016 XI R 30/14, BFHE 255, 467, BStBl II 2017, 597). Dabei können weder das mit der finanziellen Eingliederung einhergehende Weisungsrecht durch Gesellschafterbeschluss noch eine vertragliche Pflicht zur regelmäßigen, auch täglichen Berichterstattung über die Geschäftsführung die organisatorische Eingliederung begründen (BFH-Urteile vom 03.04.2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, Rz 41 und vom 28.10.2010 V R 7/10, BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, Rz 24). Auch Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Gesellschafterversammlung z.B. aufgrund einer Geschäftsführungsordnung sind als bloße Verpflichtung zur Einholung von Weisungen unbeachtlich (vgl. BFH-Urteile vom 20.02.1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, Rz 25; vom 03.04.2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, Rz 41; BFH, Urteil vom 07.07.2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, Rz 30). Das bloße Recht zur Bestellung oder Abberufung von Geschäftsführern ohne weitergehende personelle Verflechtung über das Geschäftsführungsorgan ist hierfür ebenfalls nicht ausreichend (BFH, Urteil vom 07.07.2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, Rz 30).
Auch diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben.
(1) Die Erwerberin war weder aufgrund der ihr als alleiniger Gesellschafterin der B zustehenden Weisungsrechte (Ziffer 8 der GO) noch infolge der monatlichen, vierteljährlichen oder jährlichen Informations- bzw. Berichtspflichten der Geschäftsführung (Ziffern 4 und 5 der GO) in der Lage, die Geschäftsführung der Erwerberin zu beherrschen. Die Pflicht zur Information und Berichterstattung bzw. Abstimmung der Geschäftsplanung allein gewährt keinen rechtlich verbindlichen Einfluss auf die laufende Geschäftsführung der B. Im Hinblick auf das Erfordernis, anhand der Eingliederungsvoraussetzungen das Bestehen einer Organschaft rechtssicher feststellen zu können, kann es auf derartige Umstände nicht ankommen (BFH-Urteil vom 28.10.2010 V R 7/10, BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, Rz 24).
(2) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vorgesehen Zustimmungsvorbehalten für über den gewöhnlichen Umfang des Geschäftsbetriebs hinausgehende Handlungen zugunsten der Gesellschafterversammlung (Ziffer 6 der GO und § 5 Abs. 3 der Satzung). Denn diese Regelungen betreffen außergewöhnliche Geschäftsvorfälle. Sie greifen damit gerade nicht in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung ein und begründen keine Weisungsabhängigkeit, so dass die Geschäftsführer der B die gewöhnlich anfallenden Geschäfte selbständig zu führen und dabei eigenverantwortlich die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden hatten (vgl. BFH-Urteil vom 20.02.1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133 Rz 24). Dass eine organisatorische Eigenständigkeit der Geschäftsführung von den Gesellschaftern gewollt war, bestätigt auch die Regelung unter Ziffer 6.1.3 Abschnitt 7 der GO, wonach die Zustimmungsbedürftigkeit riskanter Rahmenverträge nach Einarbeitung der neuen Geschäftsführung auf ein sinnvolles Maß anzupassen war, um dieser eine selbständige Leitung der operativen Geschäfte zu ermöglichen.
(3) Weiter ergeben sich auch aus dem zwischen der Erwerberin und der B am 04.12.2012 abgeschlossenen Ergebnisabführungsvertrag keine umfassenden Weisungsrechte. Dieser sieht lediglich Pflichten zur Gewinnabführung bzw. Verlustübernahme vor. Auf den Abschluss eines zunächst nach der Vorbemerkung in der Gründungsurkunde vom 27.11.2012 geplanten Beherrschungsvertrages, der eine organisatorische Eingliederung begründen könnte (vgl. BFH-Urteil vom 10.05.2017 V R 7/16, BStBl II 2017, 1261 Rz 19), haben die Beteiligten verzichtet. Auch eine Aufwärtsverschmelzung der B auf die Erwerberin war nach dem Unternehmenskaufvertrag frühestens zum 01.01.2018, also fünf Jahre später möglich. Die mit der finanziellen Eingliederung einhergehende Stellung als Mehrheitsgesellschafter gemäß § 46 Nr. 6 GmbHG zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung des beherrschten Unternehmens und in Vollzug dieses Rechts zur Erteilung von Weisungen zwecks Ausführung der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung erfüllt nach ständiger Rechtsprechung das selbständige Tatbestandsmerkmal der organisatorischen Eingliederung nicht (vgl. BFH-Urteil vom 10.05.2017 V R 7/16, BStBl II 2017, 1261 Rz. 19 m.w.N.).
(4) Die Geschäftsordnung enthält auch keine Vereinbarung zwischen der Erwerberin und der B hinsichtlich eines Letztentscheidungsrechts, die den Nachweis eines unmittelbaren Einflusses der Erwerberin auf die laufende Geschäftsführung der B gegenüber Dritten ermöglichen würde. Bei Meinungsverschiedenheiten wäre die Erwerberin daher nicht in der Lage gewesen, ihr Letztentscheidungsrecht gegenüber Dritten nachzuweisen oder die Geschäftsführer der B bei Verstößen haftbar zu machen. Eine allenfalls mündlich getroffene Absprache reicht nicht aus, um eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter auszuschließen (BFH-Urteil vom 05.12.2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, Rz 25). Auch eine bloß faktische Geschäftsführung ist nicht ausreichend (BFH-Urteil vom 12.10.2016 XI R 30/14, BFHE 255, 467, BStBl II 2017, 597, Rz 28).
(5) Auf die Frage, ob für eine organisatorische Eingliederung der Organträger neben der Möglichkeit, eine abweichende Meinungsbildung in der Organgesellschaft zu verhindern, auch positiv seinen Willen bei der Organgesellschaft durchsetzen können muss (vgl. BFH-Urteil vom 8.8.2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, BStBl II 2017, 543, Rn. 28 – 30), kommt es vorliegend nicht an. Denn sowohl nach der bisherigen als auch nach der neueren Rechtsprechung des BFH reichen die von der Klägerin angeführten Rechte zur Erteilung von Weisungen, zur Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern sowie die vorgesehenen Berichtspflichten jeweils nicht aus, um eine organisatorische Eingliederung zu begründen (vgl. BFH-Urteil vom 02.12.2015 V R 15/14, BFHE 252, 158, BStBl II 2017, 553 Rz 43 unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 03.04.2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905 und vom 07.07.2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218).
Soweit sich die Klägerin darauf beruft, es sei nach dem Revisionsurteil des BFH vom 18.9.2019 (XI R 33/18) schon ausreichend, dass auf Seiten der Erwerberin eine Organschaft beabsichtigt gewesen sei, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Der BFH stellt in seinem Urteil unter II.4 g bb und II.5 der Gründe wiederholt fest, dass die Frage, ob „eine Organschaft besteht“, noch zur Prüfung offen sei. Die für das Vorliegen einer GiG erforderliche Absicht des Erwerbers, den übertragenen Geschäftsbetrieb fortzuführen, ist hiervon zu trennen. Es reicht daher auch nicht, dass nach dem Unternehmenskaufvertrag eine Verschmelzung der B auf die Erwerberin beabsichtigt war und die Klägerin dieser bereits vorab zugestimmt hat; dies gilt umso mehr, als diese Verschmelzung nicht vor dem Jahr 2018 erfolgen sollte.
i) Soweit sich die Klägerin auf Vertrauensschutz gemäß § 176 AO beruft, da sie die Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2012 bereits am 13.02.2013 und damit vor dem Urteil des EuGH in der Rechtsache … am 30.05.2013 eingereicht habe und deshalb noch die bis dahin geltende Rechtsprechung anzuwenden sei, verkennt sie das Verhältnis einer Umsatzsteuervoranmeldung zur Jahressteueranmeldung. Da das Ergehen des Umsatzsteuerjahresbescheides (§ 18 Abs. 3 UStG) zu einer anderweitigen Erledigung des Bescheides über den Umsatzsteuer-Voranmeldungszeitraum (§ 18 Abs. 1 und 2 UStG) i.S. von § 124 Abs. 2 AO führt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29.11.1984 V R 146/83, BFHE 143, 101, BStBl II 1985, 370 Rz 12), kommt es durch den Erlass des Umsatzsteuerjahresbescheides nicht zu einer Änderung des Bescheides über den Umsatzsteuer-Voranmeldungszeitraum i.S. von § 176 Abs. 1 AO (vgl. BFH-Beschluss vom 23.04.2010 V B 89/09, BFH/NV 2010, 1782, Rz. 3; Rüsken in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 176 Rz 9a; Treiber in Sölch/Ringleb, UStG, § 18 Rz 354).
Soweit die Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung noch auf die Veröffentlichung des EuGH-Urteils vom 30.05.2013 im Amtsblatt der Europäischen Union erst am 03.08.2013 und damit nach Einreichung ihrer erstmaligen Steueranmeldung am 17.07.2013 verwies, war dieser Zeitpunkt im Hinblick auf die bereits am 07.06.2013 bzw. 12.07.2013 erfolgte Veröffentlichung in den Fachzeitschriften Deutsches Steuerrecht (DStR 2013, 1166) bzw. Der Betrieb (DB 2013, 1531) nicht mehr maßgeblich. Denn die Änderung der Rechtsprechung ist eingetreten, sobald sie bekannt wird (vgl. auch Rüsken in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 176 Rz 18).
Es liegt somit kein Fall des § 176 AO vor.
j) Soweit sich die Klägerin wie schon im ersten Rechtsgang auf die Übergangsregelung der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 11.12.2013 (BStBl I 2013, 1625 letzter Absatz) beruft, hat der BFH in seinem Revisionsurteil vom 18.09.2019 (XI R 33/18) bereits festgestellt, dass eine solche Berufung im Festsetzungsverfahren nicht möglich ist (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 11.02.2014 V B 103/13, BFH/NV 2014, 739 Rz 3). Der Senat ist nach § 126 Abs. 5 FGO an diese rechtliche Beurteilung durch den BFH gebunden.
Mangels Organschaft liegt keine GiG vor. Die streitigen Beratungskosten sind daher nicht als Vorsteuer abziehbar. Die Klage war deshalb abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Hat ein Beteiligter zunächst im Revisionsverfahren obsiegt und eine Zurückverweisung an das Finanzgericht erreicht, unterliegt dann aber vor dem FG endgültig im zweiten Rechtsgang, so hat er auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Denn die dem FG übertragene Kostenentscheidung umfasst die Kosten des gesamten Verfahrens (BFH-Beschluss vom 21.10.1986 – VII E 8/86, BFH/NV 1987, 319 Rz 4).


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