Europarecht

Umschreibung eines tschechischen Führerscheins in eine deutsche Fahrerlaubnis

Aktenzeichen  Au 7 K 17.1836

Datum:
18.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 42255
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Richtlinie 91/439/EWG Art. 7 Abs. 1 lit. b
FeV § 7 Abs. 1 S. 2, § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Die Tatsache, dass ein Fahrerlaubnisinhaber im Zeitpunkt der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis noch keine 185 Tage in Tschechien gewohnt hat, ist unschädlich, da die Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes nicht zwangsläufig voraussetzt, dass die 185-Tage-Frist bereits bei Erteilung der EU-Fahrerlaubnis verstrichen sein muss (vgl. VGH München, BeckRS 2013, 49640 Rn. 41; BeckRS 2010, 22594 Rn. 29-36; a. A. aber BVerwG, BeckRS 2019, 29034). (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird verpflichtet, den am 10. März 2008 ausgestellten Führerschein mit der Nummer * in eine deutsche Fahrerlaubnis der Klassen A1, A und B umzuschreiben.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig und hat in der Sache mit dem maßgeblich in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Umschreibung des tschechischen Führerscheins in eine deutsche Fahrerlaubnis Erfolg.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Umschreibung seiner am 10. März 2008 erworbenen tschechischen Fahrerlaubnis in eine deutsche Fahrerlaubnis.
Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 6. Oktober 2017 (BGBl I S. 3549/3553) ist eine EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt oder berechtigt hat, unter erleichterten Bedingungen in eine deutsche Fahrerlaubnis umzutauschen. Dieser Fall ist vorliegend gegeben. Entgegen der Auffassung des Beklagten hatte der Kläger im Zeitpunkt der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis am 10. März 2008 einen Wohnsitz in der Tschechischen Republik begründet.
Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV – abgesehen von einer hier nicht einschlägigen Ausnahme für Studierende oder Schüler (hierzu später) – gilt die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland nicht für Inhaber einer EU- oder EWRFahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten.
Ein ordentlicher Wohnsitz im Inland wird nach § 7 Abs. 1 Satz 2 FeV angenommen, wenn der Betroffene wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – bei fehlenden beruflichen Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen ihm und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d.h. während mindestens 185 Tagen im Jahr, im Inland wohnt. Ein Bewerber, dessen persönliche Bindungen im Inland liegen, der sich aber aus beruflichen Gründen in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten der EU (oder EWR) aufhält, hat seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland, sofern er regelmäßig dorthin zurückkehrt (§ 7 Abs. 1 Satz 3 FeV). Die Voraussetzung entfällt, wenn sich der Bewerber zur Ausführung eines Auftrags von bestimmter Dauer in einem solchen Staat aufhält (§ 7 Abs. 1 Satz 4 FeV).
Der gemeinschaftsrechtliche Maßstab ergibt sich im vorliegenden Fall aus der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein (nachfolgend: 2. EU-Führerscheinrichtlinie). Dagegen ist die Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein, die sog. 3. EU-Führerscheinrichtlinie, nicht anwendbar. Nach ihrem Art. 18 gilt Art. 11 Abs. 1 und 3 bis 6 mit den Regelungen über den Entzug, die Ersetzung und die Anerkennung von Führerscheinen erst ab dem 19. Januar 2009. Aus dem 5. Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt sich, dass vor dem Beginn der Anwendung dieser Richtlinie erworbene Fahrerlaubnisse unberührt bleiben sollen. Damit beansprucht die 3. Führerscheinrichtlinie keine Geltung für die hier in Rede stehende Fahrerlaubnis, die bereits am 10. März 2008 erteilt worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 25.8.2011 – 3 C 9/11 – juris Rn. 13).
Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der 2. EU-Führerscheinrichtlinie darf ein Führerschein nur an Bewerber ausgestellt werden, die im Hoheitsgebiet des den Führerschein ausstellenden Mitgliedstaates während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten ihren ordentlichen Wohnsitz haben oder aber – was im Fall des Klägers nicht in Rede stand – nachweisen können, dass sie während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten dort studiert haben. Nach Art. 9 dieser Richtlinie (wortgleich § 7 Abs. 1 Satz 2 FeV) gilt als ordentlicher Wohnsitz der Ort, an dem ein Führerscheininhaber wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – im Falle eines Führerscheininhabers ohne berufliche Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen dem Führerscheininhaber und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d.h. während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt. Die Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung von durch EU-Mitgliedstaaten erteilten Fahrerlaubnissen gemäß Art. 1 Abs. 2 der 2. EU-Führerscheinrichtlinie gilt nicht, wenn entweder Angaben im zugehörigen Führerschein oder andere vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührende unbestreitbare Informationen vorliegen, nach denen das Wohnsitzerfordernis nicht eingehalten wurde. In der Rechtsprechung ist seit Jahren geklärt, dass diese Voraussetzung zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis erfüllt sein muss (vgl. BVerwG, B.v. 22.10.2014 – 3 B 21/14 – DAR 2015, 30-31, juris Rn. 6; u.a. EuGH, U.v. 26.6.2008 – C-329/06 und C-343/06 – juris Rn. 72, C-334/06 bis C336/06 C-343/06 – juris Rn. 69 und 72: „…die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 91/439/EWG des Rates über den Führerschein vom 29. Juli 1991 aufgestellte Wohnsitzvoraussetzung zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins nicht erfüllt war“; EuGH, B.v. 9.7.2009 – Rs. C-445/08, Wierer – NJW 2010, 217 Rn. 51: „zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins“). Auch § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV geht davon aus.
Somit ist in Bezug auf das Wohnsitzerfordernis auf den 10. März 2008 abzustellen.
Im vorliegenden Fall waren die o.g. Anforderungen an das Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung der EU-Fahrerlaubnis am 10. März 2008 erfüllt. Der Kläger hatte nach Auffassung des Gerichts in der Zeit vom 9. Januar 2008 bis 31. Dezember 2008 und damit im Zeitpunkt der Führerscheinausstellung am 10. März 2008 einen ordentlichen Wohnsitz in Tschechien begründet.
Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung, wie bereits oben angeführt, zwei nebeneinander stehende Erkenntnisquellen herausgearbeitet, auf die sich ein Mitgliedstaat stützen kann, um die Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins zu verweigern. Danach kann sich der Umstand, dass das Wohnsitzerfordernis nicht beachtet worden ist, entweder aus den Angaben im Führerschein selbst ergeben oder aufgrund anderer vom Ausstellermitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen (EuGH, U.v. 1.3.2012 – C467/10 – Akyüz – NJW 2012, 1341, juris; U.v. 26.4.2012 – C-419/10 – Hofmann – DAR 2012, 319).
Die Prüfung, ob Informationen über den Wohnsitz des Fahrerlaubnisinhabers zum Zeitpunkt der Erteilung als vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührend und unbestreitbar eingestuft werden können, obliegt den Behörden und Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats (vgl. EuGH, U.v. 1.3.2012 – Akyüz, C-467/10 – NJW 2012, 1341, juris Rn. 73 und 74). Dabei muss die Begründung eines Scheinwohnsitzes aufgrund der vom Ausstellungsmitgliedstaat stammenden Informationen nicht bereits abschließend erwiesen sein. Vielmehr reicht es aus, wenn diese Informationen darauf „hinweisen“, dass der Inhaber des Führerscheins im Gebiet des Ausstellungsmitgliedstaats einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck begründet hat, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen (vgl. EuGH, U.v. 1.3.2012 a.a.O. Rn. 75). Insoweit wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung (z.B. BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 11 ZB 16.2004 – juris; OVG NW, B.v. 8.2.2107 – 16 B 534/17 – juris Rn. 14 – 18; NdsOVG, B.v. 20.3.2018 – 12 ME 15/18 – juris Rn. 15) davon ausgegangen, dass eine mehrstufige Prüfung der Zuständigkeitsvoraussetzungen vorzunehmen ist, wobei auf der ersten Stufe ausschließlich Verlautbarungen aus dem Ausstellungsmitgliedstaat zu würdigen sind. Soweit unbestreitbare Informationen des Ausstellungsmitgliedstaats vorliegen, aus denen sich die Möglichkeit ergibt oder die darauf hinweisen, dass die Wohnsitzvoraussetzung nicht gegeben war, sind zur endgültigen Beurteilung dieser Frage die Umstände des gesamten Falles in einem zweiten Prüfungsschritt heranzuziehen, also ergänzend auch die „inländischen Umstände“ (EuGH, U.v. 1.3.2012 – Akyüz, C-467/10 – NJW 2012, 1341, juris Rn. 75; stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 11 ZB 16.2004 – juris; B.v. 23.1.2017 – 11 ZB 16.2458 – juris Rn. 12 m.w.N.; BayVGH, B.v. 12. Januar 2018 – 11 CS 17.1257 – juris Rn. 8).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass im vorliegenden Fall keine unbestreitbaren Informationen des Ausstellungsmitgliedstaats im oben dargelegten Sinn vorliegen.
Zum einen ist in dem tschechischen Führerscheindokument in Feld 8 ein Wohnort in Tschechien, nämlich, eingetragen.
Zum anderen liegen aber keine unbestreitbaren Informationen vom Ausstellungsmitgliedstaats vor, aus denen sich die Möglichkeit ergibt oder die darauf hinweisen, dass die Wohnsitzvoraussetzung nicht gegeben war, auch wenn der Kläger ununterbrochen in Deutschland mit seinem Hauptwohnsitz gemeldet war.
Maßgeblich ergibt sich aus der vom Beklagten zuletzt eingeholte Auskunft des Gemeinsamen Zentrums der deutsch – tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit (nachfolgend: Gemeinsames Zentrum) vom 8. Mai 2018, dass der Kläger in dem Zeitraum vom 9. Januar 2008 bis 2. März 2008 einen Wohnsitz in * und im Zeitraum vom 3. März 2008 bis 31. Dezember 2008 in * hatte. Danach hatte der Kläger nahezu im gesamten Jahr 2008, jedenfalls im Zeitpunkt der Erteilung der EU-Fahrerlaubnis seinen ordentlichen Wohnsitz in Tschechien.
Die Tatsache, dass der Kläger im Zeitpunkt der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis am 10. März 2008 entsprechend § 7 Abs. Satz 2 FeV noch keine 185 Tage in Tschechien gewohnt hat, ist unschädlich, da die Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes nicht zwangsläufig voraussetzt, dass die 185-Tage-Frist bereits bei Erteilung der EU-Fahrerlaubnis verstrichen sein muss (BayVGH, B.v. 19.3.2013 – 11 CS 13.407 – juris Rn. 41; B.v. 22.2.2010 – 11 CS 09.1934 Rn. 29-36). Wie sich aus den melderechtlich referierten Daten des Gemeinsamen Zentrums vom 8. Mai 2018 ersehen lässt, war der Kläger nach Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis bis Ende 2018 mit einem Wohnsitz in Tschechien gemeldet.
Die Auskunft des Gemeinsamen Zentrums erfüllt das Kriterium einer aus dem Ausstellungsmitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Information, da aus dem Schreiben klar hervor geht, dass die dort enthaltenen Angaben aufgrund von Ermittlungen gewonnen wurden, die von einem tschechischen Polizeibeamten durchgeführt wurden. Die Mitteilung des Gemeinsamen Zentrums, dass die erbetenen Überprüfungen durch die „Beamten der tschechischen Polizei“ durchgeführt wurden, kann nämlich nur bedeuten bzw. heißt, dass ein tschechischer Polizeibeamter die referierten Daten (Zeitraum, in dem ein Wohnsitz gemeldet war) in den entsprechenden tschechischen Registern ermittelt hat. Wenn – wie vorliegend – die vom Gemeinsamen Zentrum an deutsche Stellen weitergegebenen Erkenntnisse ihrerseits auf Informationen beruhen, die von Behörden des Ausstellermitgliedstaates stammen, bestehen keine Zweifel an deren Verwertbarkeit (st.Rspr.: BVerwG, U.v. 25.8.2011 – 3 C 9/11 – juris; VGH BW, B.v. 27.10.2009 – 10 S 2024/09 – juris; EuGH, U.v. 1.3.2012 – Akyüz, C-467/10 – NJW 2012, 1341 Rn. 71). Die Mitteilung des Gemeinsamen Zentrums vom 8. Mai 2018 ist, auch wenn sie erst während des gerichtlichen Verfahrens im Ausstellungsmitgliedstaat eingeholt wurde, sowohl nach dem Unionsrecht als auch nach dem innerstaatlichen deutschen Recht für die Entscheidung über die Anerkennung der ausländischen EU-Fahrerlaubnis verwertbar (EuGH, B. v. 9.7.2009 – Rs. C-445/08, Wierer – NJW 2010, 217 Rn. 58; BVerwG, U.v. 25.2.2010 – 3 C 15.09 – BVerwGE 136, 149 Rn. 10 m.w.N).
Mit dem Inhalt dieser Auskunft stimmt auch die Antwort mit „Yes“ in dem von dem tschechischen Verkehrsministerium übersandten und ausgefüllten Fragebogen vom 16. Februar 2018 zu der Frage: „Existence of accommodation“ überein. Daraus ergibt sich, dass im Fall des Klägers eine „Unterkunft“ in Tschechien, die eine Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes ist, im maßgeblichen Zeitpunkt vorgelegen hat.
An diesem Ergebnis ändert auch nichts, dass in dem Fragebogen vom 16. Februar 2018 zu der Frage: „Place of normal residence according to our information“ kein Eintrag erfolgte. Daraus kann nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass der Kläger nicht bei der Meldebehörde registriert ist, da jedenfalls im tschechischen Führerscheindokument ein tschechischer Wohnsitz eingetragen wurde.
In den Fällen, in denen in einem Mitgliedstaat eine Meldepflicht besteht – und hierzu gehört die Tschechische Republik – darf ungeachtet dessen, dass es nach der Legaldefinition des ordentlichen Wohnsitzes in Art. 9 der 2. EU-Führerscheinrichtlinie auf die in dieser Bestimmung genannten tatsächlichen Bedingungen ankommt, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise vermutet werden, dass die in einer Auskunft des Ausstellungsmitgliedstaates wiedergegebene melderechtliche Situation auch der tatsächlichen Situation entspricht (vgl. BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 3 C 18.12 – BVerwGE 146, 377, juris Rn. 29; VG München, B.v. 6.3.2018 – M 26 S 18.382 – juris Rn. 20 m.w.N.) und sofern eine von den Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats auf dieser Grundlage erteilte Aufenthaltsbescheinigung den Aufenthaltsstaus des Betroffenen zutreffend wiedergibt.
Die Frage, ob der Kläger – wie in dem Fragebogen angegeben – tatsächlich Student in Tschechien war oder nicht – kann für die Entscheidung des vorliegenden Falles dahingestellt bleiben. Der Wohnsitzeintrag im tschechischen Führerschein des Klägers spricht gegen einen Erwerb der Fahrerlaubnis als Studierender oder Schüler. Der Besuch einer Universität oder Schule in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat keine Verlegung des ordentlichen Wohnsitzes zur Folge (Art. 9 Satz 4 der Richtlinie 91/439/EWG). Ist jedoch – wie hier – ein Wohnsitz des Ausstellungsmitgliedstaats im Führerschein eingetragen, wird damit gleichzeitig beurkundet, dass die Berechtigung des Ausstellungsmitgliedstaats zur Erteilung des Führerscheins an den ausländischen EU-Bürger aus einem angegebenen Wohnsitz im Ausstellungsmitgliedstaat abgeleitet wurde.
Entsprechend der oben dargelegten mehrstufigen Prüfung der Zuständigkeitsvoraussetzungen sind mit den obigen Ausführungen die Verlautbarungen aus dem Ausstellungsmitgliedstaats vom Gericht gewürdigt worden, mit dem Ergebnis, dass vorliegend gerade keine unbestreitbaren Informationen vorliegen, die darauf hinweisen, dass die Wohnsitzvoraussetzung nicht gegeben war.
Damit kommt es zu keiner weiteren Beurteilung der Wohnsitzvoraussetzung auf einer zweiten Stufe (vgl. EuGH, U.v. 1.3.2012 -a.a.O.) unter Heranziehung der Umstände des gesamten Falles bzw. auch der „inländischen Umstände“; vielmehr ist der gemeinschaftsrechtliche Anerkennungsgrundsatz zu beachten.
Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Ausstellung der tschechischen Fahrerlaubnis am 10. März 2008 im Besitz einer polnischen Fahrerlaubnis vom 5. Juni 2007 war.
Da die polnische Fahrerlaubnis unstreitig gegen das Wohnsitzprinzip verstoßen hat, hat diese Fahrerlaubnis den Kläger zu keinem Zeitpunkt berechtigt, in Deutschland von dieser Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen. Auf den Zeitpunkt des Widerrufs dieser Fahrerlaubnis durch die polnischen Behörden kommt es daher für die Beurteilung dieser Fahrerlaubnis im Inland nicht an.
Nach alledem ist das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass vorliegend keine unbestreitbaren Informationen des Ausstellungsmitgliedstaats darauf hindeuten, dass der Inhaber des Führerscheins im Gebiet des Ausstellungsmitgliedstaats einen Scheinwohnsitz begründet hat. Damit hat die streitgegenständliche tschechische Fahrerlaubnis den Kläger berechtigt, in der Bundesrepublik Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen mit der Folge, dass der Beklagte zu verpflichten ist, die tschechische Fahrerlaubnis in eine deutsche Fahrerlaubnis gemäß § 30 Abs. 1 FeV umzuschreiben.
Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung und die Abwendungsbefugnis hat seine Rechtsgrundlage in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO.


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