Europarecht

Unterlassungsanspruch bei Vertrieb von Kosmetikprodukten ohne hinreichende Kennzeichnung der Inhaltsstoffe

Aktenzeichen  1 HK O 11164/17

Datum:
9.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MD – 2018, 253
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 3a, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2
Kosmetik-VO Art. 19 Abs. 1 lit. g
LFGB § 5 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1 Die teilweise Überdeckung der Inhaltsstoffe auf einer Kartonumverpackung für Kosmetikprodukte durch die Faltung der Verpackung entspricht nicht den Anforderungen des Art. 19 Abs. 1 lit. g Kosmetik-VO. (Rn. 17) (red. LS Dirk Büch)
2 Sogenannte “Badetörtchen” (ein kosmetischer Badezusatz), die von der Form, der Größe, der Gestaltung, der Farbe und der Verpackung ohne Weiteres mit Pralinen und kleinen Tortenstückchen optisch zu verwechseln sind, dürfen gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 2 LFGB nicht in Verkehr gebracht werden.  (Rn. 22 – 27) (red. LS Dirk Büch)

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten,
zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr
1.das Produkt „ByeByeCellulite“ in den Verkehr zu bringen,
1.sofern die Liste der Bestandteile auf der Verpackung teilweise verdeckt ist, wie inAnlage K 3wiedergegeben;
2.das Produkt „3 D Bodylift“ in den Verkehr zu bringen,
2.sofern die Liste der Bestandteile auf der Verpackung teilweise verdeckt ist, wie inAnlage K 4wiedergegeben;
3.das Produkt „Bio Organic Badetörtchen“ in den Verkehr zu bringen,
3.sofern dies geschieht wie inAnlage K 5wiedergegeben;
4.das Produkt „Kinderbadetörtchen Bio Organic“ in den Verkehr zu bringen,
4.sofern dies geschieht wie inAnlage K 6wiedergegeben;
II. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 178,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.09.2017 zu zahlen.
III. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich Ziffer I.1. und 2. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 2.000,00 €, hinsichtlich Ziffer I. 3. und 4. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 5.000,00 €, im übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Gründe

Die Klage ist in vollem Umfang begründet. Der Kläger hat hinsichtlich der Cremes einen Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 a UWG in Verbindung mit Artikel 19 Abs. 1 g VO (EG) Nr. 1223/2009. Der Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Badetörtchen beruht auf § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 a UWG in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Nr. 2 LFGB. Der Kostenerstattungsanspruch beruht auf § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
1. Produkt „ByeBye Cellulite“
Die teilweise Überlappung der Inhaltsstoffe auf der Kartonumverpackung entspricht nicht Artikel 19 Abs. 1 g der KosmetikVO. Danach müssen die Behältnisse und Verpackungen kosmetischer Mittel „leicht lesbar und deutlich sichtbar“ u.a. eine Liste der Bestandteile enthalten. Diese Angabe braucht nur auf der Verpackung zu erscheinen und trägt die Überschrift „Ingredients“. Der Cremetiegel selbst enthält keine Liste der Bestandteile. Diese ist nur auf der Kartonverpackung auf der Unterseite wie abgebildet enthalten.
Ob in dem Online-Shop des Beklagten die Liste der Bestandteile aufgeführt ist, spielt für das hier streitgegenständliche Verfahren keine Rolle: Hier ist nur die Verpackung des Tiegels streitgegenständlich, nicht die Online-Werbung. Die KosmetikVO selbst unterscheidet nicht zwischen einem Online-Angebot und einem stationären Angebot oder einem Direktvertrieb. Sie schreibt nur vor, wie das kosmetische Mittel gekennzeichnet sein muss und welche Informationen es auf der Verpackung enthalten muss. Ein „Bereitstellen auf dem Markt“ (Artikel 19 Abs. 1) wird in Artikel 2 g der KosmetikVO definiert, nämlich als „jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines kosmetischen Mittels zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Gemeinschaftsmarkt im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit.“ Es kommt daher nicht darauf an, ob die Creme in der Verpackung direkt an den Verbraucher abgegeben wird, oder über eine Online-Bestellung an den Verbraucher versandt wird.
Nach den Erwägungsgründen der Verordnung Nr. 1223/2009 Ziffer 46 soll die Transparenz hinsichtlich der Bestandteile „durch Deklaration auf der Verpackung erreicht werden. Wenn dies aus praktischen Gründen nicht möglich sein sollte, so sollten diese Angaben dem Erzeugnis in der Weise beigefügt werden, dass die Unterrichtung des Verbrauchers gewährleistet sei.“ Im vorliegenden Fall ist die Angabe auf der Verpackung aufgrund der Größe und der Kartoneigenschaft möglich. Der Beklagte wäre daher verpflichtet gewesen, zumindest auf dem Karton die Liste der Bestandteile so abzudrucken, dass sie ohne Auffalten oder Eindrücken der Kartonverpackung lesbar wären. Die leichte Lesbarkeit wird auch dadurch beeinträchtigt, dass sich noch ein rundes Klebeetikett auf der Unterseite befindet, das zwar nicht an den verdeckten Stellen angebracht ist, jedoch ein Auffalten oder Aufdrücken ohne Beschädigung der Verpackung zusätzlich erschwert.
2. Produkt „3 D Bodylift“
Auch hier waren die Inhaltsstoffe auf der Unterseite der Verpackung teilweise durch die reguläre Faltung verdeckt. Dies verstößt gegen Artikel 19 Abs. 1 g der KosmetikVO, siehe unter Ziffer 1.
3. Produkt „Bio Organic Badetörtchen“
Diese zwei Badezusätze als Pflegeprodukte sind kosmetische Mittel im Sinne des § 2 Abs. 5 LFGB, da sie ausschließlich dazu bestimmt sind, äußerlich am Körper des Menschen zum Schutz, zur Erhaltung eines guten Zustands, zur Parfümierung angewendet zu werden. Nach der Produktbeschreibung sollen sie der Pflege der Haut dienen und nicht der Ernährung, auch wenn sie Lebensmittel als Inhaltsstoffe enthalten.
Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 2 LFGB dürfen mit Lebensmitteln verwechselbare Produkte nicht in den Verkehr gebracht werden. Die Badetörtchen sind von der Form, der Größe, der Gestaltung, der Farbe und der Verpackung ohne weiteres mit Pralinen und kleinen Tortenstückchen optisch zu verwechseln.
„Mit Lebensmitteln verwechselbare Produkte“ sind in § 3 Ziffer 10 LFGB definiert:
Produkte, bei denen aufgrund ihrer Form, ihres Geruchs, ihrer Farbe, ihres Aussehens, ihrer Aufmachung, ihrer Kennzeichnung, ihres Volumens oder ihrer Größe vorhersehbar ist, dass sie von den Verbraucherinnen und Verbrauchern, insbesondere von Kindern mit Lebensmitteln verwechselt werden und deshalb zum Mund geführt, gelutscht oder geschluckt werden, wodurch insbesondere die Gefahr des Erstickens, der Vergiftung, der Perforation oder des Verschlusses des Verdauungskanals entstehen kann.
Diese Definition entspricht den Erwägungsgründen Ziffer 10 zur KosmetikVO VO Nr. 1223/2009. Auch danach soll die Aufmachung kosmetischer Mittel nicht dazu führen, dass die Gesundheit und die Sicherheit der Verbraucher dadurch gefährdet wird, dass sie mit Lebensmitteln verwechselt werden.
Sämtliche Voraussetzungen sind für die streitgegenständlichen Badetörtchen erfüllt: Die optische Gestaltung entspricht 1 : 1 Pralinen oder kleinen Törtchen. Nach § 3 Nr. 10 LFGB müssen die Kriterien für die Verwechslungsgefahr nicht kumulativ vorliegen („oder“), so dass es nicht darauf ankommt, dass die Badetörtchen möglicherweise nicht nach Vanille riechen, sondern nach Parfüm. Es besteht auch die Gefahr, dass diese verführerischen Produkte aus den Schachteln, die ebenfalls wie Pralinenschachteln gestaltet sind, zum Mund geführt werden, jedenfalls von Personen, die z.B. aufgrund starken Schnupfens einen eingeschränkten Geruchssinn haben oder die dement sind oder sonst behindert oder möglicherweise durch kleine Kinder, deren Geruchssinn noch nicht so weit ausgeprägt ist, dass sie Zitronenseife von Zitronenbonbons unterscheiden können. Eine Gefährdung ist auch ohne weiteres bereits dadurch anzunehmen, dass das Produkt bei der Verbindung mit Speichel unstreitig stark schäumt. Je nachdem wie groß das Stück ist und wie lange es im Mund behalten wird, kann hier mehr oder weniger Schaum entstehen, was zu starkem Hustenreiz oder Spuckreflexen führen kann. Auch hier gilt wieder gerade für Kleinkinder oder alte demente Menschen, dass deren Spuckreiz noch nicht oder nicht mehr richtig ausgeprägt ist und es deshalb auch zu Verschlucken kommen kann, insbesondere auch in die Luftröhre. Es kommt also nicht darauf an, ob die enthaltenen Inhaltsstoffe wie die natürlichen Fette und Öle gesundheitsschädlich sind, wenn sie einmal in den Magen gelangt sind, sondern dass das starke Schäumen dieser Produkte bereits im Mund zu unangenehmen Husten- und Spuckreflexen führen kann.
Die von der Beklagten vorgelegte Sicherheitsbewertung vom 16.08.2016 (Anlage B 5) befasst sich nur mit den Inhaltsstoffen eines Produkts „Topline Badezusatz Erdbeere und Milch“. Der Gutachter kommt zu der Bewertung, dass alle Inhaltsstoffe für die Verwendung in kosmetischen Mitteln als zulässig beurteilt werden, besonders dann, wenn der vorhersehbare Gebrauch entsprechend den Empfehlungen des Herstellers berücksichtigt wird. Diese Begutachtung mag für die Inhaltsstoffe des getesteten Produkts richtig sein, sie gibt jedoch nichts für die streitgegenständlichen Badetörtchen her, da nicht klar ist, ob diese identisch mit dem „Topline Badezusatz Erdbeere und Milch“ sind. Ferner befasst sich die Sicherheitsbewertung nur mit der vorgesehenen Verwendung, nämlich mit der Verwendung als Badezusatz und nicht mit der Gefährdung durch Verschlucken oder Lutschen. Diese Sicherheitsbewertung ist daher für die Frage der Sicherheit der streitgegenständlichen Badetörtchen bei versehentlichem Verschlucken oder Lutschen nicht relevant.
4. Produkt „Kinderbadetörtchen Bio Organic“
Hier gilt das unter Ziffer 3 Ausgeführte.
5. Kostenerstattungsanspruch
Der Kläger macht nur eine Pauschale in Höhe von 178,50 € geltend unabhängig von der Zahl der beanstandeten Verstöße. Die Abmahnkosten sind daher nicht zu reduzieren, auch wenn der Kläger mit der jetzigen Klage nicht mehr alle Beanstandungen aus der Abmahnung vom 6.3.2017 verfolgt. Die Pauschale wird unabhängig von zugrunde zu legenden Gegenstandswerten erhoben.
Zinsen: §§ 288, 291 ZPO.
6. Kosten: § 91 ZPO
7. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Anlage K 3
Anlage K 4
Anlage K 5
Anlage K 6


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