Europarecht

Unzulässige Klage wegen versäumter Klagefrist

Aktenzeichen  W 6 K 18.32438

Datum:
11.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 1972
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 5 Abs. 5, § 10 Abs. 4, § 44, § 53
VwZG § 7 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

10 Abs. 4 AsylG erfasst nur Zustellungen in (Erst-)Aufnahmeeinrichtungen iSd § 5 Abs. 5, § 44 AsylG, nicht hingegen in Gemeinschaftsunterkünften iSd § 53 AsylG. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO.
1. Die Klage hat keinen Erfolg, da sie bereits unzulässig ist.
Der verfahrensgegenständliche Bescheid des Bundesamtes vom 8. November 2018 ist zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits bestandskräftig gewesen. Der Klägerin wurde der Bescheid am 20. November 2018 durch Einlegung in den zur Wohnung, hier Aufnahmeeinrichtung, gehörenden Briefkasten zugestellt, wie die Postzustellungsurkunde beweist. Aufgrund der ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:betrug vorliegend die Klagefrist eine Woche (§ 71a Abs. 4, § 74 Abs. 1 i.V.m. § 36 AsylG) und begann mit der Zustellung an die Klägerin zu laufen. Insbesondere war vorliegend keine Zustellung an die Bevollmächtigten der Klägerin geboten, auch wenn die Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung am 14. August 2018 mitteilte, dass sie die Rechtsanwaltskanzlei A* als ihre Bevollmächtigten hat (BA, Bl. 281). In der gesamten Behördenakte findet sich weder eine Mandatsanzeige der Kanzlei noch eine durch die Klägerin auf sie ausgestellte Vollmacht. Folglich greift die Zustellungsvorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG nicht, die Zustellung konnte ordnungsgemäß an die Klägerin persönlich ergehen. Ausweislich der Postzustellungsurkunde wurde der Klägerin der Bescheid am 20. November 2018 zugestellt, somit endete die Klagefrist am 27. November 2018 um 24 Uhr, mit der Folge, dass die Klagefrist bereits vor Klageerhebung am 30. November 2018 abgelaufen war. Ob die Klägerin von dieser Zustellung bereits zu dem in der PZU vermerkten Datum Kenntnis genommen hat, ist unerheblich.
Soweit die Klageschrift von einer Zustellung am 23. November 2018 spricht, wird vermutlich auf § 10 Abs. 4 Satz 4 2. Halbsatz AsylG abgestellt, wonach Zustellungen an den Ausländer mit der Aushändigung, spätestens am dritten Tag nach Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung als bewirkt gelten. Dieser findet jedoch vorliegend keine Anwendung, denn gemeint sind in § 10 Abs. 4 AsylG nur die (Erst-)Aufnahmeeinrichtungen i.S.d. § 5 Abs. 5, § 44 AsylG, nicht hingegen die Gemeinschaftsunterkünfte i.S.d. § 53 AsylG (BeckOK AuslR/Preisner, 20. Ed. 1.11.2018, AsylG § 10 Rn. 33). Die Unterkunft der Klägerin in der O*straße in M* ist hingegen eine dezentrale Unterkunft der Kreisverwaltungsbehörde, daher erfolgt die Zustellung nach allgemeinen Grundsätzen, mit der Folge, dass die Klägerin die Beweiswirkung der Postzustellungsurkunde gegen sich gelten zu lassen hat. Diese wurde durch die Klägerin nicht erschüttert, es wurde im Übrigen trotz des gerichtlichen Hinweises nichts Konkretes zum Zustellungszeitpunkt vorgetragen.
Gründe für eine Wiedereinsetzung nach § 60 VwGO sind weder dargelegt noch ersichtlich.
2. Ungeachtet der fehlenden Zulässigkeit wäre die Klage auch unbegründet, da der Asylantrag zu Recht gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig abgelehnt wurde (vgl. auch VG Würzburg, B.v. 4.12.2018 – W 6 S 18.31439).
Das Bundesamt ist vorliegend zutreffend von einem Zweitantrag nach § 71a AsylG ausgegangen, da die Klägerin zuvor in einem Mitgliedstaat der EU, nämlich dem Königreich Niederlande, einen erfolglosen Asylantrag gestellt hatte (§ 26a AsylG). Auch wenn dies in der Klageschrift mit Nichtwissen bestritten wird, ergibt sich dies eindeutig aus der Behördenakte (vgl. Bl. 283 ff.). Die Klägerin hat in den Niederlanden ein Asylverfahren erfolglos durchlaufen. Demnach ist ein weiteres Asylverfahren in Deutschland u.a. nur durchzuführen, wenn im Hinblick auf das vorangegangene erfolglose Asylverfahren in dem anderen Staat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG und des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG zu bejahen ist. Der Zweitantragsteller wird hinsichtlich des Wiederaufgreifens dabei im Ergebnis so behandelt wie ein Folgeantragsteller nach § 71 AsylG (BeckOK AuslR, Schönenbroicher AsylG § 71a Rn. 1). Vorliegend hat die Klägerin keine Umstände im Sinne von § 51 Abs. 1 VwVfG vorgetragen, da es sich bei dem im Verfahren vor dem Bundesamt Vorgebrachten um keine neuen Beweismittel gehandelt hat und sich insoweit die Sach- und Rechtslage nicht nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hatte. Insbesondere gab die Klägerin bei ihrer Anhörung selbst an, nur deshalb nach Deutschland gekommen zu sein, weil sie mit ihrem Sohn und dessen Familie gereist ist und nicht alleine in der Ukraine bleiben konnte; dies hat sie bereits den Behörden in den Niederlanden erzählt (vgl. Niederschrift der Anhörung, BA Bl. 284). Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens sind weder ersichtlich noch wurden sie vorgetragen.
Die gesetzte Ausreisefrist entspricht den gesetzlichen Vorgaben (vgl. § 36 Abs. 1 AsylG).
Das Gericht folgt im Übrigen den Feststellungen und der Begründung im angefochtenen Bescheid und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
3. Damit war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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