Europarecht

Veräußerung von weggenommenen und anderweitig pfleglich untergebrachter Tierbestand

Aktenzeichen  W 8 S 20.864

Datum:
21.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 17821
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
TierSchG § 2, § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Herr … und Herr … werden zum Verfahren beigeladen.
II. Der Antrag wird abgelehnt.
III. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen eine Anordnung der Veräußerung des ihr weggenommenen und anderweitig pfleglich untergebrachten Tierbestandes.
1. Die Antragstellerin betrieb auf ihrem Anwesen in S. eine Tierhaltung mit Katzen, Hunden, Enten, Hähnen und Hühnern sowie einem Pferd.
Bei einer am 19. November 2019 durch das Veterinäramt des Landratsamtes Rhön-Grabfeld durchgeführten Vor-Ort-Kontrolle wurden neben mehreren gering- und mittelgradigen Mängeln auch wiederholte sowie grobe Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des § 2 TierSchG bei zahlreichen Tieren festgestellt.
Mit Bescheid vom 18. Dezember 2019 untersagte der Antragsgegner der Antragstellerin das Halten und Betreuen von Tieren und ordnete die sofortige Wegnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung sowie die Vermittlung des Tierbestands nach Erlass einer Veräußerungsanordnung, die einem oder mehreren gesonderten Bescheiden vorbehalten blieb, an. Am 19. Dezember 2019 wurden sämtliche Tiere weggenommen und anderweitig pfleglich untergebracht. Ein dagegen angestrengtes Sofortverfahren der Antragstellerin blieb erfolglos (siehe VG Würzburg, B.v. 6.2.2020 – W 8 S 19.1689). Gegen diesen Beschluss legte die Antragstellerin beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Beschwerde (Az. 23 CS 20.383) ein. Die Beschwerde wurden mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Juli 2020 – 23 CS 20.383 zurückgewiesen. Über die Klage im Verfahren W 8 K 19.1688 wurde noch nicht entschieden.
Mit Bescheid vom 25. Juni 2020 ordnete das Landratsamt Rhön-Grabfeld die Veräußerung der der Antragstellerin am 19. Dezember 2019 vom Haltungsanwesen K. … in S. fortgenommenen und bisher anderweitig pfleglich untergebrachten Tiere (109 Katzen – 7 Katzen davon bisher verstorben, vier Hunde, ein Pferd, 72 Hühner, 15 Hähne, fünf Enten) an (Nr. 1). Die sofortige Vollziehung der Nummer 1 dieses Bescheides wurde angeordnet (Nr. 2). Die Kosten des Verfahrens in Höhe von 100,00 EUR wurden der Antragstellerin auferlegt (Nr. 4 und Nr. 5). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Das Landratsamt Rhön-Grabfeld erlasse diese Veräußerungsanordnung, um die fortgenommenen und bisher pfleglich untergebrachten Tiere aus ihren Pflegestellen in ein neues und geeignetes Haltungsumfeld zu verbringen. Eine Rückgabe der Tiere an die Halter/Eigentümer scheide vorliegend aus, denn eine Wiederaufnahme der Betreuung der fortgenommenen Tiere durch die Antragstellerin/Herrn K. sei aus tierschutzrechtlicher und veterinärfachlicher Sicht nicht zu vertreten. Die Verfügung zur notwendigen Veräußerung aller fortgenommenen Tiere beruhe auf § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG. Diese Verfügung sei ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, der die rechtliche Befugnis zur Eigentumsübertragung auf die Behörde übergehen lasse. Die Veräußerung der fortgenommenen Tiere sei zulässig, wenn der Halter im weiteren Sinne innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgewiesen habe, eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung sicherzustellen, vgl. § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG. Von einer Fristsetzung habe vorliegend abgesehen werden können, da gegen die Antragstellerin als Tierhalterin im Bescheid des Landratsamts Rhön-Grabfeld vom 18. Dezember 2019 ein Tierhaltungsverbot nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG gleichzeitig mit der Fortnahmeverfügung verhängt und für sofort vollziehbar erklärt worden sei. Die Fortnahme in Nr. 1 des Bescheids des Landratsamts Rhön-Grabfeld vom 18. Dezember 2019 sei vorliegend rechtmäßig erfolgt. Die Vorfälle in der Vergangenheit sowie die bei der Vor-Ort-Kontrolle des Veterinäramtes am 19. November 2019 festgestellten groben Zuwiderhandlungen bei zahlreichen Tieren gegen die Vorschrift des § 2 TierSchG würden belegen, dass die Antragstellerin keine Haltung sicherstellen könne, die den Anforderungen des § 2 TierSchG entspreche. Bei dieser Kontrolle seien ausweislich der fachärztlichen Stellungnahme des Veterinäramtes des Landratsamtes Rhön-Grabfeld vom 5. Dezember 2019 schwerwiegende Verstöße gegen das Tierschutzgesetz sowohl in der Pferdehaltung als auch in der Geflügelhaltung, der Hundehaltung und der Katzenhaltung festgestellt worden. Angesichts wiederholter Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorgaben, der zweimaligen strafrechtlichen Verurteilung wegen tierquälerischer Tiermisshandlung und der bei der Kontrolle am 19. November 2019 festgestellten zahlreichen groben und wiederholten Verfehlungen habe laut Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 6. Februar 2020, Az. W 8 S 19.1689 ein vollständiges Haltungs- und Betreuungsverbot ermessensfehlerfrei ausgesprochen werden können. Inzwischen sei gegen die Antragstellerin am 18. Juni 2020 erneut ein Strafbefehl wegen Vergehens gegen das Tierschutzgesetz ergangen (Amtsgericht Bad Neustadt Az. * … …, über 180 Tagessätze à 50,00 Euro), dieser sei noch nicht rechtskräftig. Das Landratsamt Rhön-Grabfeld habe sich nach pflichtgemäßem Ermessen für die Anordnung der Veräußerung entschieden. Die Maßnahme sei auch erforderlich, weil ein milderes, weniger einschneidendes Mittel als die Veräußerung nicht ersichtlich sei. Die sofortige Vollziehung der Anordnung unter Nr. 1 des Bescheides sei nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse angeordnet worden. Die bisher entstandenen Kosten der Unterbringung würden bereits jetzt einen möglichen Verkaufspreis überschreiten. Es sei im Interesse eines effektiven Tierschutzes, die Tiere in ein Umfeld zu verbringen, in dem sie dauerhaft verbleiben können. Darüber hinaus bestehe ein öffentliches Interesse daran, wieder freie Kapazitäten in den Tierheimen zu Aufnahme anderer Tiere zu schaffen. Zudem solle auch präventiv Vorsorge getragen werden. Ohne Anordnung des Sofortvollzuges würde das Ziel der Maßnahmen, einen effektiven Tierschutz zu gewährleisten, verfehlt werden.
2. Mit Schriftsatz vom 1. Juli 2020, bei Gericht eingegangen am 3. Juli 2020, ließ die Antragstellerin gegen den Bescheid Klage erheben (W 8 K 20.863) und im vorliegenden Verfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. Juni 2020 – Az. … – wird wiederhergestellt.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der Bescheid unterschlage in doloser Übergehung des Vorschlages der Antragstellerin vom 10. Juni 2020 gerade den entscheidenden Passus jener im Rahmen der Anhörung der Antragstellerin übersandten Mail, der die hiesige Veräußerungsanordnung offensichtlich unverhältnismäßig sein lasse, denn es sei klar, dass im Falle tatsächlicher Veräußerung kraft Sofortvollziehbarkeit eine Rückgabe der geliebten Katzen an die Antragstellerin endgültig vereitelt werde, wenn sich im Hauptsacheverfahren die Rechtswidrigkeit von deren Wegnahme erweise. Dies käme de facto ihrer vollständigen Vorwegnahme der Hauptsache gleich. In der Mail vom 10. Juni 2020 sei dem Antragsgegner ausdrücklich der Vorschlag unterbreitet worden, dass die Antragstellerin selbst Pflegestellen benenne, in denen zumindest der größte Teil der Tiere bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache art- und tierschutzgerecht – jedoch deutlich kostengünstiger als aktuell – untergebracht werden könne. Eben dieser Vorschlag werde hier nochmals explizit erneuert und wiederholt, er nehme der beschiedenen Sofortveräußerung die Erforderlichkeit und erst recht jede Verhältnismäßigkeit.
Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2020 ließ die Antragstellerin aufgrund besonderer Dringlichkeit unter Hinweis auf die bereits erhobene Klage nebst Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragen, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 1. Juli 2020 (richtig: 3. Juli 2020) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. Juni 2020 – Az. … – durch sofortige Vorsitzendenentscheidung vorläufig wiederherzustellen. Ein berechtigtes Interesse am Sofortvollzug bestehe nicht. Die Kosten von angeblich über 150.000,00 Euro seien bereits nicht belegt. Darüber hinaus habe der Antragsgegner trotz wiederholter konkreter Aufforderungen und Appelle der Antragstellerin und ihres Bevollmächtigten schlichtweg unterlassen, auf deren Angebot einzugehen, über ihre Vermittlung kostenfreie freiwillige Pflegestellen für die Tiere zu bestimmen. Der Antragsgegner habe somit durch seine eigene Pflichtwidrigkeit erst Kosten ausgelöst, auf deren vorgebliches Ausmaß er nunmehr das vermeintliche Bedürfnis für die Sofortveräußerung gründe.
Mit Schriftsatz der Antragstellerin vom 15. Juli 2020 wurden bei Gericht weitere Unterlagen eingereicht.
Mit weiterem Schriftsatz vom 20. Juli 2020 wurde das Vorbringen ergänzt und vertieft, insbesondere zum „Fall F* …“, zur Veräußerung der Tiere als unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache, als nicht-erforderliche Verweigerung privater Pflegestellen und als Verschleierung pflichtwidrigen Behördenhandelns.
3. Mit Schriftsatz vom 7. Juli 2020 teilte das Landratsamt Rhön-Grabfeld mit, dass am 6. Juli 2020 seitens der Amtsleitung angeordnet worden sei, dass im Falle eines Eilantrages nach § 80 Abs. 5 VwGO bezüglich der Veräußerungsanordnung keine Aussetzung der Vollziehung zugesichert werde, weil die Tiere sich seit über sechs Monaten in den Pflegestellen bzw. den Tierheimen befänden und eine Veräußerung somit im Interesse des Tierwohls liege. Ferner beliefen sich die Kosten für die Unterbringung der Tiere mittlerweile auf mehr als 150.000 EUR, was den Wert der Tiere um ein Vielfaches übersteige.
Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2020 teilte das Landratsamt Rhön-Grabfeld mit, dass eine Weiterveräußerung der aufgrund des Bescheides vom 18. Dezember 2019 weggenommenen und pfleglich untergebrachten Tiere unterbleibe bis zu einer gerichtlichen Eilentscheidung im Verfahren W 8 S 20.864 längstens bis 21. Juli 2020. Der Antragsgegner lege Wert darauf, dass aufgrund der bisher angefallenen hohen Kosten für Unterbringung und tierärztliche Versorgung in Höhe von ca. 185.000 EUR, die letztlich aus der Vielzahl der Tiere, deren Zustand und der bisherigen Verfahrensdauer resultierten, eine zügige Entscheidung im Eilverfahren getroffen werde.
Das Landratsamt Rhön-Grabfeld beantragte mit Schriftsatz vom 14. Juli 2020 für den Antragsgegner, den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.
Zur Begründung wiederholt das Landratsamt Rhön-Grabfeld im Wesentlichen die im streitgegenständlichen Bescheid genannten Gründe und führte ergänzend aus: Durch die Anordnung des Sofortvollzugs solle verhindert werden, dass weiterhin Tiere tierschutzwidrig auf dem Haltungsanwesen F. gehalten werden. Seit der Wegnahme der insgesamt 206 Tiere am 19. Dezember 2019 seien für die medizinische Behandlung, Pflege und Unterbringung aller fortgenommenen Tiere Kosten von aktuell ca. 185.000,00 EUR entstanden. Ergänzend werde mitgeteilt, dass das Amtsgericht Bad Neustadt in den Strafbefehl gegen die Antragstellerin Az. * … … ein Haltungs- und Betreuungsverbot von Tieren jeder Art für die Dauer von drei Jahren mit aufgenommen habe. Dieser Strafbefehl sei jedoch noch nicht rechtskräftig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Hauptsacheverfahrens W 8 K 20.863, des Klageverfahrens W 8 K 19.1688 und des Sofortverfahrens W 8 S 19.1689) sowie die Akten betreffend den Lebensgefährten der Antragstellerin W 8 K 20.145, W 8 K 20.820 und W 8 K 20.876 sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Die Beiladung unter Nr. I des Beschlusses beruht auf § 65 VwGO.
2. Der Sofortantrag ist bei verständiger Würdigung des von der Antragstellerin offenbarten Begehrens unter Berücksichtigung ihres Interesses gemäß § 88 VwGO i.V.m. § 122 VwGO dahingehend auszulegen, dass sie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen Nr. 1 des Bescheides vom 25. Juni 2020 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO begehrt.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides entfällt im vorliegenden Fall, weil die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind und trifft im Übrigen eine eigene Abwägungsentscheidung. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung der Antragstellerin auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO im ausreichenden Maße schriftlich begründet. Maßgebend ist, dass der Antragsgegner mit seiner Begründung in hinreichender Weise zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Anordnung des Sofortvollzugs wegen der in zeitlicher Hinsicht und bezüglich seiner Gefährdungseinschätzung besonderen Situation im Einzelfall für unverzichtbar hält. Im Tierschutzrecht ist in Bezug auf eine Veräußerungsanordnung als Begründung des Sofortvollzugs in der Regel ausreichend, wenn bei einem Zuwarten bis zur Bestandskraft die Unterbringungs- und Pflegekosten den zu erwartenden Erlös deutlich übersteigen würden (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Auflage 2016, § 16a Rn. 30, 35; Lorz/Metzger, TierSchG, 7. Auflage 2019, § 16a Rn. 23 m.w.N.). Der Antragsgegner hat vorliegend zum Ausdruck gebracht, dass die bisher entstandenen Kosten der Unterbringung bereits jetzt einen möglichen Verkaufspreis übersteigen. Zudem sei es im Interesse eines effektiven Tierschutzes, die Tiere in ein Umfeld zu verbringen, in dem sie dauerhaft verbleiben könnten. Darüber hinaus bestehe ein öffentliches Interesse daran, wieder freie Kapazitäten in den Tierheimen zur Aufnahme anderer Tiere zu schaffen. Damit ist der Forderung, die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe für die Anordnung des Sofortvollzugs anzugeben, auch mit Blick darauf, dass die hier zur Begründung des Verwaltungsakts angestellten Erwägungen zugleich für die Dringlichkeit der Vollziehung sprechen, Rechnung getragen. Die weitere Frage, ob die vom Antragsgegner angeführte Begründung die Anordnung des Sofortvollzugs in der Sache trägt, ist eine Frage der inhaltlichen Richtigkeit und damit des materiellen Rechts (NdsOVG, B.v. 29.11.2017 – 11 ME 268/17 – juris; OVG LSA, B.v. 27.10.2017 – 3 M 240/17 – juris; BayVGH, B.v. 14.9.2017 – 9 CS 17.456 – juris).
Eine summarische Prüfung, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geboten, aber auch ausreichend ist, ergibt, dass der Rechtsbehelf der Antragstellerin – auch unter Berücksichtigung der Vorwegnahme der Hauptsache – voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Die getroffene Regelung ist rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog). Unabhängig davon ist ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung zu erkennen. Dass die Voraussetzungen der Veräußerungsanordnung gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG zur Beseitigung und Verhütung tierschutzwidriger Zustände (vgl. § 1 und 2 TierSchG) im vorliegenden Fall gegeben sind, hat der Antragsgegner in seinem Bescheid vom 25. Juni 2020, auf dessen Gründe, die sich das Gericht zu eigen macht, zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (§ 117 Abs. 5 VwGO analog), zutreffend begründet.
Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG kann die zuständige Behörde ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen; ist eine anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich oder ist nach Fristsetzung durch die zuständige Behörde eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung durch den Halter nicht sicherzustellen, kann die Behörde das Tier veräußern.
Das Gericht hat bereits in seinem Beschluss vom 6. Februar 2020 – W 8 S 19.1689 festgestellt, dass die sofortige Wegnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung der streitgegenständlichen Tiere von § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG gedeckt war. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerde gegen den genannten Beschluss mit Beschluss vom 6. Juli 2020 – 23 CS 20.383 zurückgewiesen. Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf die jeweiligen dortigen Ausführungen Bezug genommen.
Eine Fristsetzung zur Sicherstellung einer tierschutzgerechten Haltung der fortgenommenen und anderweitig untergebrachten Tiere ist durch die Antragstellerin nicht erfolgt, vorliegend jedoch entbehrlich. Denn gegen die Antragstellerin als Halterin im weiteren Sinn (vgl. BayVGH, B.v. 6. Juli 2020 – 23 CS 20.383 – Rn. 22 ff.) wurde mit Bescheid des Landratsamtes Rhön-Grabfeld vom 18. Dezember 2019 ein für sofort vollziehbar erklärtes Tierhaltungsverbot verfügt (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, § 16a Rn. 33). Ein dagegen angestrengtes Sofortverfahren der Antragstellerin blieb erfolglos (siehe VG Würzburg, B.v. 6.2.2020 – W 8 S 19.1689), ebenso wie die Beschwerde der Antragstellerin gegen diesen Beschluss beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Az. 23 CS 20.383). Einer Fristsetzung bedurfte es vorliegend ferner auch unter dem Gesichtspunkt nicht, dass unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ausgeschlossen erscheint, dass die Antragstellerin in der Lage ist, eine § 2 TierSchG entsprechende Haltung zeitnah sicherzustellen (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, § 16a Rn. 33). Auf die Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 6. Februar 2020 – W 8 S 19.1689 wird auch insofern Bezug genommen.
Soweit die Antragstellerin vorbringt, die Katzen hätten jetzt durch den Freigang weitaus mehr Platz als im Jahre 2016, ist dem entgegenzuhalten, dass dies nicht über die fehlende „Indoor Fläche“ (vgl. BayVGH, B.v. 6.7.2020 – 23 CS 20.383 – Rn. 47) hinweghilft. Zudem wird unabhängig davon die Feststellung, dass allein für die 108 Katzen rund 5,5 Vollzeit-Betreuer erforderlich wären (BayVGH, B.v. 6.7.2020 – 23 CS 20.383 – Rn. 46), diese aber vorliegend – erst recht nach dem sofort vollziehbaren Tierhaltungsverbot der Antragstellerin und angesichts der Tatsache, dass sich der getrennt lebende Ehemann der Antragstellerin in der überwiegenden Zeit andernorts aufhält – nicht gewährleistet sind, nicht entkräftet.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der mit Schriftsatz vom 15. Juli 2020 vorgelegten umfangreichen weiteren Unterlagen. Diese sind nicht geeignet, die Feststellung der insgesamt nicht tierschutzgemäßen Zustände und der nicht dem Tierwohl entsprechenden Haltungsbedingungen zu entkräften. Auf die insoweit entsprechend geltenden Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 6. Juli 2020 – 23 CS 20.383 – Rn. 36 wird ergänzend Bezug genommen. Soweit die Antragstellerin auf die Ausführungen des Bevollmächtigten der Antragsteller in den Parallelverfahren Bezug nehmen lässt, wird auf die Ausführungen in den Beschlüssen des Verwaltungsgerichts Würzburg jeweils vom 21. Juli 2020 – W 8 S 20.877 und W 8 S 20.884 Bezug genommen, zu denen die Antragstellerin jeweils beigeladen wurde.
Für sofort vollziehbar erklärte Duldungsanordnungen in Bezug auf die Veräußerung des Tierbestands wurden hinsichtlich der Eigentümer J.K. und L.F. mit Bescheiden des Landratsamtes Rhön-Grabfeld jeweils vom 25. Juni 2020 erlassen. Insoweit gestellte Sofortanträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der jeweiligen Klage wurde mit Beschlüssen des Verwaltungsgerichts Würzburg je vom 21. Juli 2020 – W 8 S 20.877 und W 8 S 20.884, zu denen die Antragstellerin jeweils beigeladen wurde, abgelehnt.
Die getroffene Maßnahme ist auch ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig. Es ist insbesondere kein geeignetes milderes Mittel ersichtlich, als die streitgegenständlichen Tiere zu veräußern. Die von der Antragstellerin vorgeschlagene Benennung von Pflegestellen durch sie selbst, in denen zumindest der größte Teil der Tiere bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache art- und tierschutzgerecht kostengünstiger untergebracht werden könne, ist kein gleich geeignetes Mittel. Denn laut Vorbringen der Antragstellerin soll diese anderweitige Unterbringung nur vorübergehend sein bis zur Entscheidung in der Hauptsache, da davon ausgegangen werde, dass sich die Wegnahme der Tiere als rechtswidrig erweise. Dass die Unterbringung auch dauerhaft möglich wäre, wird nicht dargelegt. Es liegt jedoch im Interesse eines effektiven Tierschutzes, die Tiere in einem Umfeld zu verbringen, in dem sie dauerhaft verbleiben können. Zudem wird nicht vorgebracht, dass gewährleistet wäre, dass die Antragstellerin, die wegen der mit Bescheid des Landratsamtes Rhön-Grabfeld vom 18. Dezember 2019 für sofort vollziehbar erklärten Haltungs- und Betreuungsverbots von Tieren, die Betreuung der Tiere von Rechts wegen nicht mehr übernehmen darf, keinen Zugriff auf die Tiere hätte und von der Betreuung dauerhaft ausgeschlossen wäre. Zudem fehlt es an einem substantiierten Vorbringen unter Benennung konkreter Pflegestellen. Insoweit ist die Antragstellerin nachweispflichtig. Dieser Pflicht kann sich die Antragstellerin nicht durch die bloße Aufforderung des Landratsamts, sich kurzfristig mit dem Bevollmächtigten der Antragstellerin zwecks Benennung anderer Pflegestellen in Verbindung zu setzen, entlasten. Die Antragstellerin hat keine belastbaren und konkreten Angaben über das etwaige Vorhandensein geeigneter Unterbringungsmöglichkeiten gemacht. Der lediglich allgemeine Vorschlag der Benennung von Pflegestellen durch die Antragstellerin selbst genügt insoweit nicht.
Der vom Antragsgegner gewährte Vorrang des in Art. 20a GG verfassungsrechtlich verbürgten und in § 1 TierSchG sowie den übrigen Regelungen des TierSchG einfachgesetzlich niedergelegten öffentlichen Interesses des Tierschutzes ist gegenüber den privaten Interessen der Antragstellerin nicht als unverhältnismäßig gewichtet anzusehen. Die Berücksichtigung der inzwischen durch die pflegliche Unterbringung des Tierbestands beim Antragsgegner aufgelaufenen Kosten steht der Verhältnismäßigkeit nicht entgegen. Es wurde seitens der Antragstellerin nicht dargelegt, dass die Kosten unberechtigt entstanden wären. Jedenfalls ist unabhängig von der konkreten Höhe der entstandenen Kosten ohne Weiteres nachvollziehbar, dass diese inzwischen den bei einer Veräußerung des Tierbestands zu erwartenden Erlös weit übersteigen. Die – wie oben dargelegt – bloße unsubstantiierte Behauptung, die Tiere könnten bei anderen Stellen kostengünstiger – unter Sicherstellung einer den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechenden Haltung – untergebracht werden, genügt insoweit nicht. Im Übrigen wurde neben dem Kosten in die Abwägung zur Begründung des öffentlichen Interesses auch weitere gewichtige Gründe eingestellt wie die Gewährleistung eines effektiven Tierschutzes und die Schaffung freier Kapazitäten in den betroffenen Tierheimen.
Nach alledem ist die streitgegenständliche Maßnahme rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten.
Abgesehen davon spricht auch eine reine Interessenabwägung für die Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs. Denn die sofortige Vollziehung der im streitgegenständlichen Bescheid getroffenen Maßnahmen ist im überwiegenden öffentlichen Interesse geboten. Im Rahmen der zu treffenden Güterabwägung ist der nicht zu verkennende Nachteil, den die getroffene Anordnung der Antragstellerin – auch unter Vorwegnahme der Hauptsache – auferlegt, nicht schwerer zu gewichten als das entgegenstehende öffentliche Interesse. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt entgegen dem anwaltlichen Vorbringen das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung der Klage. Die Sicherstellung einer den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechenden Tierhaltung durch die Antragstellerin ist nicht zu erwarten. Durch die anderweitige pflegliche Unterbringung der Tiere durch das Landratsamt sind Unterbringungs- und Pflegekosten entstanden, die einen zu erwartenden Verkaufserlös bei Weitem übersteigen. Nicht zuletzt liegt es im Interesse des Tierwohls die Tiere, die nun seit mehreren Monaten in Tierheimen untergebracht sind, möglichst bald dauerhaft an geeignete Interessenten zu vermitteln.
Das Vorbringen, es bestehe der Verdacht, dass der Antragsgegner durch die Veräußerung eigene Pflichtwidrigkeiten im Zusammenhang mit der Wegnahme der Tiere verschleiere, ist unsubstantiiert und im Übrigen nicht geeignet, die obigen Feststellungen zu entkräften. Dasselbe gilt mangels Entscheidungserheblichkeit für den Vortrag, mit der Veräußerung sei ein Beweismittelverlust für die Antragstellerin im anhängigen Strafprozess verbunden.
3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Beigeladenen haben ihre außergerichtlichen Kosten mangels Antragsstellung gemäß § 154 Abs. 3 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO selbst zu tragen.
4. Die Streitwertfestsetzung resultiert aus § 52 Abs. 1 GKG, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 35.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Abgesehen davon, dass dem Gericht Angaben zum gegenwärtigen Wert der streitgegenständlichen Tiere nicht vorliegen, geht es der Antragstellerin offensichtlich nicht allein um das wirtschaftliche Interesse, sondern auch um ein darüber hinausgehendes ideelles Interesse an den Tieren. Das Gericht hält einen Streitwert in Höhe des Auffangstreitwertes in Höhe von 5.000,00 EUR für angemessen. Für eine anderweitige Bestimmung des Streitwerts hat das Gericht keine genügenden Anhaltspunkte. Das Gericht legt dabei den Auffangstreitwert in voller Höhe zugrunde, weil die Entscheidung in der Sache die Hauptsache vorwegnimmt (Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).


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