Europarecht

Verbot der Vereinigung „Freies Netz Süd“

Aktenzeichen  B 1 K 16.185

Datum:
7.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 28254
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VereinsG § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 10 Abs. 1, § 12 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Die Einziehung von im Eigentum eines Dritten stehenden Sachen zur Förderung verfassungswidriger Bestrebungen eines Vereins kommt auch bei vordergründig „neutralen“ Sachen in Betracht. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine zielgerichtete Förderung setzt nicht voraus, dass Geldmittel an den Verein fließen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Verfügung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die in Ziffer 7.2 der Verbotsverfügung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr verfügte Beschlagnahme und Einziehung der im Gesamthandeigentum der Gesellschafter des Final Resistance Versand stehenden und im Bescheid explizit genannten Gegenstände zugunsten des Freistaats Bayern ist nicht zu beanstanden.
Die Beschlagnahme und Einziehung beruht auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. § 10 und § 12 Abs. 2 VereinsG. Danach ist mit dem Vereinsverbot in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung von Sachen Dritter zu verbinden, soweit der Berechtigte durch die ÜberIassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind.
Die in Ziffer 7.2 des Bescheids verfügte Beschlagnahme und Einziehung ist danach nicht zu beanstanden. Nach der vorliegend zweiten Alternative des § 12 Abs. 2 VereinsG durften die im Eigentum des Final Resistance Versand stehenden und im Bescheid beispielhaft aufgezählten Agitations- und Propagandamaterialien beschlagnahmt und eingezogen werden.
Die Verfügung entspricht insbesondere dem Gebot hinreichender Bestimmtheit. Durch die beispielhafte Aufzählung, was in den Bereich der Agitations- und Propagandamittel fällt, wird hinreichend deutlich und zumindest bestimmbar, welche Sachen von der Beschlagnahme und Einziehung betroffen sein sollen. Wie sich aus der Begründung des Bescheids ergibt, wurde der Final Resistance Versand zu dem Zweck gegründet, die Mitglieder des FNS mit Informationsmaterial und sonstigen im Zusammenhang mit den Aktivitäten des Vereins stehenden Gegenständen zu versehen. Es ist damit hinreichend klar ersichtlich, dass sich die Beschlagnahme und Einziehung auf die Gegenstände beziehen sollte, die im Rahmen des Versandhandels angeboten wurden bzw. dort vorhanden waren und dem FNS zur Verfügung gestellt werden sollten.
Beim FNS handelt es sich um einen Verein i.S.d. § 2 Abs. 1 VereinsG, der als Nachfolgeorganisation der verfassungswidrigen F.A.F. bestandskräftig verboten ist nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 8 VereinsG.
In dem auch von den Gesellschaftern der Klägerin betriebenen Klageverfahren 4 A 14.1787 hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zwar nicht mit der Frage der Verfassungswidrigkeit des FNS als Nachfolgeorganisation der F.A.F. befasst, weil die Kläger des dortigen Verfahrens nicht als Vertreter des FNS geklagt hatten, sondern sich als Individualpersonen auf fehlende organisatorische Strukturen des FNS berufen und damit die Vereinseigenschaft nach § 2 Abs. 1 VereinsG in Frage gestellt hatten. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in den Gründen seiner Entscheidung ausführt, könne den Klägern des dortigen Verfahrens als individuell betroffene Personen vor dem Hintergrund einer möglichen Strafbarkeit nach § 85 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB die Klagebefugnis nicht abgesprochen werden. Demgemäß sei die gerichtliche Prüfung der Verbotsverfügung auf dieses Vorbringen der fehlenden Vereinseigenschaft beschränkt. Ob die sonstigen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen vorlägen, bleibe außer Betracht. Die Verbotsverfügung wurde, auch nachdem im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs die Vereinseigenschaft des FNS unter Benennung der maßgeblichen Führungspersonen bestätigt wurde, von diesem bzw. den zu seiner Vertretung befugten Personen nicht angefochten. Es steht damit bestandskräftig fest, dass das FNS als Nachfolgeorganisation der F.A.F. verboten ist. Dies wird auch von Klägerseite nicht in Frage gestellt.
Voraussetzung für die Beschlagnahme und nachfolgende Einziehung ist, dass die im Eigentum eines Dritten stehenden Sachen zur Förderung des verfassungswidrigen Zwecks der Vereinigung bestimmt sind. Als Dritte im Sinn des Gesetzes sind neben außenstehenden Personen auch die Vereinsmitglieder selbst anzusehen. § 12 Abs. 2 VereinsG erfasst Sachen Dritter, die objektiv geeignet und subjektiv dazu bestimmt sind, die verfassungswidrigen Bestrebungen eines Vereins zu fördern. In Betracht kommen insbes. Sachen, mit denen die verfassungswidrigen Bestrebungen des Vereins offensichtlich und unmittelbar unterstützt werden können, wie z.B. Propagandaschriften, Vervielfältigungsapparate, Druckereieinrichtungen, etc.. Unter die Norm fallen aber auch vordergründig „neutrale“ Sachen (vgl. Wache in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand April 2018, Rn. 9 zu § 12 VereinsG unter Bezugnahme auf BT-Drucks. IV/430 S. 21; Groh Vereinsgesetz, 1. Aufl., 2012, Rn. 7 zu § 12).
Die beiden Gesellschafter des Final Resistance Versands sind zwar Mitglieder des FNS Süd, betrieben aber außerdem den rechtlich – wenn auch nicht tatsächlich – vom FNS unabhängigen Versandhandel in der Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Die alleinige Aufgabe des Final Resistance Versands war, was den Behördenakten eindeutig zu entnehmen ist, die Förderung der Ziele des FNS, indem den Mitgliedern und Sympathisanten eine Plattform zur Verfügung gestellt werden sollte, auf der sie sich u.a. mit einschlägigem Informationsmaterial, Flyern, CDs und im Hinblick auf ein möglichst einheitliches Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit bei Veranstaltungen auch mit Kleidung mit einschlägigen Aufdrucken eindecken konnten. Es kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass der Final Resistance Versand völlig unabhängig und vom FNS losgelöst seinen Geschäften nachgegangen ist. Dies wurde im angefochtenen Bescheid unter Benennung zahlreichen Erkenntnismaterials in nicht zu beanstandender Weise herausgearbeitet und begründet.
Bereits die Entwicklung des Versandhandels für die verbotene F.A.F. bis zur Übernahme dieses Geschäfts durch die Gesellschafter der Klägerin belegt eine durchgängig verfolgte Strategie und das Geschäftsmodell, dass der Betrieb des Onlineversandhandels allein zur Unterstützung der Ziele der F.A.F. bzw. nunmehr des FNS betrieben wurde. Dass dabei auch Gegenstände verkauft worden sind, die „lediglich“ das Gedankengut des FNS propagiert haben ohne eine direkte Bezugnahme (z.B. in Form eines Aufdrucks), ist unerheblich.
Die Ermittlungsergebnisse belegen eindeutig den dargestellten Zusammenhang. Exemplarisch wird hierzu auf die Gründung des …unter der Wohnadresse des Gesellschafters … in T* … (Bl. 315 f. der Behördenakte II), die Anmeldung des Versands auf den Namen …, den Betrieb des Final Resistance Versands durch … … sowie den E-Mail-Verkehr des Gesellschafters … in Bezug auf den Final Resistance Versand verwiesen (vgl. hierzu Bl. 237 ff. der Behördenakten II). Insbesondere in den E-mails vom 10. und 17. März 2013 drückt er die Unzufriedenheit mit dem zunächst von … geführten Versand aus und kündigt einen eigenen Versandhandel an. Schließlich zeigt auch die vollständige Verlinkung des von … zunächst betriebenen Versandhandels …mit dem Internetauftritt des FNS (Bl. 269 ff der Behördenakte II) den Zusammenhang. In seiner E-Mail vom 10. März 2013 an … führt der Gesellschafter … zudem aus (Bl. 238 der Behördenakte II), dass man jetzt etwas eigenes plane, wenn von … nichts komme. Schließlich biete man ja das auf der Seite an, also sollte auch was da sein.
Hieraus hat die Behörde den zutreffenden Schluss gezogen, dass der Final Resistance Versand den alleinigen Zweck hatte, die Mitglieder des FNS mit einschlägigem Material zu versorgen, das diese über die Verlinkung der Internetseiten bestellen konnten. Durch den Betrieb und Vertrieb dieses Angebots an Propagandamaterial und sonstigen einschlägigen Utensilien hat der Final Resistance Versand das FNS zielgerichtet gefördert und unterstützt.
Unerheblich ist dabei, dass nach dem Klägervorbringen das Unternehmen mit eigenen Mitteln der Gesellschafter vom bisherigen Betreiber … käuflich erworben werden musste und zumindest in der Anfangszeit keinen Gewinn abgeworfen hat. Auch dass keinerlei Geldmittel an das FNS geflossen seien und dass der später erwirtschaftete Gewinn zur Deckung der Investitionskosten bei den Gesellschaftern verblieben sei, ändert an der Beurteilung nichts. Vielmehr spricht dies dafür, dass der Versand nicht als Erwerbsquelle zur Deckung des Lebensunterhalts angesehen und betrieben wurde.
Wie der Beklagte zu diesem Punkt zutreffend vorgetragen hat, kommt es auf die finanzielle Situation des Versands ebenso wenig an wie auf die Frage, ob der Versand für die Gesellschafter eine hinreichende Einkommensquelle darstellte. Nicht maßgeblich ist weiterhin auch, ob das FNS an den eingenommenen Geldern in irgendeiner Weise partizipiert hat. Entscheidungserheblich ist vielmehr, dass der Final Resistance Versand als „verlängerter Arm“ des FNS und seiner Mitglieder und Sympathisanten im Hinblick auf die Beschaffung von Informations- und sonstigem Material zu sehen war und er damit die verfassungswidrigen Zwecke zielgerichtet gefördert hat. Dies ist nach den in den Behördenakten gesammelten Ermittlungsergebnissen unzweifelhaft der Fall. Die vom Final Resistance Versand vertriebenen Artikel waren dazu gedacht, dass sie von den Aktivisten des FNS erworben werden sollten. Insbesondere auch die Anschaffung von Kleidung im Hinblick auf vom FNS geplanten Veranstaltungen mit dem Ziel, ein einheitliches Erscheinungsbild zu dokumentieren, oder der Vertrieb von Informationsmaterial, das über den Versand bezogen werden konnte, spricht eindeutig dafür. Unerheblich ist auch, dass nach Klägerangaben lediglich auf 5 bis 10% der angebotenen Gegenstände das Logo des FNS bzw. dessen Internetadresse aufgedruckt gewesen ist. Bereits durch die Zurverfügungstellung einschlägigen Materials auch ohne ausdrückliche Kennzeichnung des FNS lag eine Förderung der von diesem vertretenen Ziele vor.
Aus den obigen Darstellungen ergibt sich zugleich, dass die Gesellschafter der Klägerin mit Vorsatz gehandelt haben, wobei jede Form des Vorsatzes ausreichend ist. Der Betrieb des Versandhandels hatte den Zweck, die Ziele des FNS durch Beschaffung und Zurverfügungstellung von Propagandamaterial zu fördern und zu unterstützen. Ein eigenständiger, von den Interessen des FNS losgelöster Gewerbebetrieb, zur Erwirtschaftung des Lebensunterhalts der Gesellschafter, lag eindeutig nicht vor. Der Versand wurde deshalb von den Gesellschaftern gegründet bzw. vom ehemaligen Betreiber … übernommen, weil dieser den Erwartungen im Hinblick auf eine reibungslose und ausreichende Zurverfügungstellung von Agitationsmaterial nicht entsprochen hat, was vom Gesellschafter … in der E-Mail vom 4. März 2013 (Bl. 237 der Behördenakte II) moniert wurde und er deshalb angekündigt hatte, einen eigenen Versand aufzumachen, weil man „nichts richtiges habe und der … keine Alternative“ sei.
Sind somit die objektiven und subjektiven Voraussetzungen von § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 12 Abs. 2 VereinsG erfüllt, sieht das Gesetz als Rechtsfolge „in der Regel“ die Beschlagnahme und Einziehung der Sache vor. Vorliegend sind keine besonderen Umstände zu erkennen, die einen Ausnahmefall begründen könnten. Im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen auf die Verfügung vom 2. Juli 2014 (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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