Europarecht

Vergnügungsstätte in Form eines Wettbüros – Zwangsgeldfestsetzung nach Verstoß gegen die bestandskräftige Nutzungsuntersagung

Aktenzeichen  AN 9 K 18.00807

Datum:
10.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27763
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 43, § 101 Abs. 2
VwZVG Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1, Abs. 2, Art. 36, Art. 37 Abs. 4 S. 2
AEUV Art. 56
GKG § 52 Abs. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

1. Eine Vergnügungsstätte und nicht lediglich eine Wettannahmestelle, die darauf angelegt ist, Wetten entgegenzunehmen und weiterzuleiten sowie Gewinne auszuzahlen, liegt dann vor, wenn die Kunden durch die konkrete Ausgestaltung, insbesondere durch das unmittelbare Nebeneinander von Wettannahmestelle und Liveübertragung von Sportereignissen mit gastronomischem Angebot dazu animiert werden, sich dort länger aufzuhalten, die Sportereignisse, auf die sie gewettet haben, in Liveübertragungen auf Fernsehmonitoren zu verfolgen und weiter an den angebotenen Wettspielen teilzunehmen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zwangsgeld soll nach Art. 31 Abs. 2 VwZVG so bemessen werden, dass der Pflichtige keinen Vorteil aus der Nichterfüllung der Anordnung ziehen kann. Hierbei steht der Behörde innerhalb des gesetzlichen Rahmens ein weiter Entscheidungsspielraum zu, bei dem die Umstände des Einzelfalles und die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigen sind. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Aufgrund der beiderseitigen Verzichtserklärungen des Klägervertreters mit Schriftsatz vom 25. Juni 2019 sowie mit Schriftsatz der Beklagten vom 27. Juni 2019 konnte durch das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung getroffen werden, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die von der Klägerin angeregte Verbindung des vorliegenden Verfahrens (§ 93 Satz 1 VwGO) mit dem Verfahren AN 9 K 19.01532, in dem die Klägerin die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach Art. 37 Abs. 4 VwZVG beantragt hat, ist nicht erforderlich, da es sich vorliegend um zwei getrennt zu betrachtende Klagegegenstände handelt und der Klägerin durch die gesamte Entscheidung der beiden Verfahren kein Nachteil entsteht.
Die zulässige Feststellungsklage, dass das fällig gestellte Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR nicht fällig geworden ist, hat keinen Erfolg.
Das mit der Zwangsgeldfestsetzung als Fälligkeitsmitteilung im Schreiben der Beklagten vom 16. April 2016 zur sofortigen Zahlung fällig gestellte Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR ist fällig geworden.
Die Klägerin hat nach Überzeugung des Gerichts gegen die bestandskräftige Nutzungsuntersagung aus dem Bescheid vom 12. Oktober 2017 verstoßen, so dass das in dem bestandskräftigen Bescheid der Beklagten angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR verbunden mit einer Nachfristsetzung von einem Monat ab Zustellung des Bescheides verwirkt war, weshalb die Feststellung der Fälligkeit dieses Zwangsgeldes in dem Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2017 rechtmäßig ist, Art. 31 Abs. 3 Satz 3, 23 Abs. 2 BayVwZVG. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die rechtlichen Ausführungen in den Entscheidungen der 9. Kammer jeweils vom 13. August 2019 (AN 9 K 18.00895 und AN 9 K 17.02189) Bezug genommen.
Die Klägerin ist ausweislich der im Rahmen der Ortseinsicht durch die Bauordnungsbehörde der Beklagten am 21. März 2018 getroffenen Feststellungen und der hierbei angefertigten Lichtbilder der Nutzungsuntersagungsverpflichtung aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 12. Oktober 2017 ersichtlich nicht nachgekommen.
Die Nutzungsuntersagung im Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2017 betrifft die Nutzung der Räumlichkeiten des Anwesens* … in … als Vergnügungsstätte in Form eines Wettbüros. Die Nutzungsuntersagung beruht darauf, dass die betriebene Nutzung als Wettbüro im Hinblick auf die ursprünglich genehmigte Ladennutzung eine baugenehmigungspflichtige Nutzungsänderung darstellt und die Nutzung als Wettbüro in Form einer Vergnügungsstätte im vorliegenden Fall wegen bauplanungsrechtlicher Unzulässigkeit nicht offensichtlich genehmigungsfähig ist. Vergnügungsstätten sind durch den rechtswirksamen Bebauungsplan Nr. …, in dem das streitgegenständliche Anwesen … liegt, ausgeschlossen.
Die Nutzung wurde durch die Klägerin als Betreiberin des Wettbüros auch nicht vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 12. Oktober 2017 aufgegeben. Dies ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen und angefertigten Lichtbildern durch Mitarbeiter der Bauordnungsbehörde der Beklagten im Rahmen der Ortstermine am 09. Juli 2017, 10. August 2017 und am 05. Oktober 2017 in dem streitgegenständlichen Anwesen.
Vergnügungsstätten sind besondere Gewerbebetriebe, die in unterschiedlicher Weise unter Ansprache des Geselligkeitsbedürfnisses, des Spiel- und Sexualtriebs der kommerziellen Freizeitgestaltung und der Zerstreuung dienen (vgl. Röser in König/Röse/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 7 Rn. 16). Eine Vergnügungsstätte und nicht lediglich eine Wettannahmestelle, die da-rauf angelegt ist, Wetten entgegenzunehmen und weiterzuleiten sowie Gewinne auszuzahlen, liegt demnach dann vor, wenn die Kunden durch die konkrete Ausgestaltung, insbesondere durch das unmittelbare Nebeneinander von Wettannahmestelle und Liveübertragung von Sportereignissen mit gastronomischem Angebot dazu animiert werden, sich dort länger aufzuhalten, die Sportereignisse, auf die sie gewettet haben, in Liveübertragungen auf Fernsehmonitoren zu verfolgen und weiter an den angebotenen Wettspielen teilzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2016 – 9 ZB 14.1146 – juris; B.v. 21.5.2015 – 15 CS 15.9 – juris Rn. 14; B.v. 25.4.2013 – 15 ZB 13.274 – juris).
Wie die Feststellungen der Beklagten bei den Ortseinsichten am 9. Juni 2017, 10. August 2017, 05. Oktober 2017 und am 21. März 2018 zeigen, wurde die Nutzung als Wettbüro durch die Klägerin unverändert fortgesetzt. In den verschiedenen Ebenen des Anwesens … befanden sich diverse Wettterminals, eine Theke, an der augenscheinlich Wetten abgegeben werden konnten, sowie zahlreiche Monitore, an denen Liveübertragungen von Sportereignissen stattfanden. Die verschiedenen Ebenen stellten ausweislich der angefertigten Bilder eine Nutzungseinheit dar, da sie im hinteren Bereich durch eine offene Treppe mit Glaseinheiten verbunden gewesen sind.
Das zum Zeitpunkt der Baukontrollen in den gegenständlichen Räumen betriebene Unternehmen stellte nach Überzeugung des Gerichts ein Wettbüro in Form einer Vergnügungsstätte dar, da sowohl die Gelegenheit zur Wettannahme in Form der Wettannahmeterminals, um Tippscheine auszufüllen, abzugeben oder um Gewinne abzuholen, bestand, als auch ein Anreiz zum Verbleiben in Form der Sitzgelegenheiten und Theke, aber auch auf Grund der vorhandenen Unterhaltung durch Sportübertragungen auf den Monitoren. Zudem waren ohne Veränderung die Außenbeklebungen der Schaufenster im Erdgeschoss des Anwesens mit den Aufschriften „…“ angebracht, die die Kunden unmissverständlich zur Abgabe von Wetten einluden.
Die Mitteilung der Fälligkeit des angedrohten Zwangsgeldes vom 16. April 2018 wahrt auch im Hinblick auf die Verwendung des Aktenzeichens …den Anforderungen an die Bestimmtheit nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG, ungeachtet des klägerischen Vortrags, dass der zugrunde liegende Verwaltungsakt das Aktenzeichen … beinhaltet. Aus dem Gesamtzusammenhang, dass beide Schreiben der Beklagten vom 16. April 2018 – die Mitteilung der Fälligkeit der Zwangsgeldfestsetzung in Höhe von 10.000,00 EUR sowie die zeitgleich mit einer Anfechtungsklage zum Verwaltungsgericht Ansbach (AN 9 K 18.00895) angefochtene erneute Zwangsgeldandrohung in Höhe von 20.000,00 EUR – an die Klägerin gerichtet sind, sich auf das Vorhaben „Nutzungsänderung von Geschäftshaus mit Ladenfläche und Büro zu Wettbüro/Wettannahme“ beziehen und das Anwesen „…, Gemarkung/FlurNr.: …- …“ bezeichnen, ergibt sich zweifelsfrei und eindeutig, dass sie sich auf den zugrunde liegenden Bescheid vom 12. Oktober 2017 mit dem Aktenzeichen … beziehen. In der Ziffer 1 des Bescheides vom 16. April 2018 ist zudem explizit auf den Bescheid vom 12. Oktober 2017 und das dazugehörige Aktenzeichen … für die Nutzungsuntersagung Bezug genommen worden.
Auch ist für das Gericht keine Verletzung von europäischen Grundfreiheiten, insbesondere der Niederlassungs- bzw. der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV ersichtlich. Da der Fälligstellung des Zwangsgeldes keine offene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zugrunde liegt, könnte allenfalls eine bloße Beschränkung der Grundfreiheiten in Betracht kommen. Eine solche kann aber nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufgrund zwingender Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sofern die Beschränkung geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (EuGH, U.v. 24.3.2011 – Kommission Spanien – C-400/08 – juris Rn. 73 ff). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierzu auf das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. November 2018 – AN 9 K 17.2507 – verwiesen, worin umfassend ausgeführt wird, dass der in der Rechtsprechung von der Klägerin gerügten unterschiedlichen bauplanungsrechtlichen Behandlung ausschließlich nutzungstypische Unterschiede zugrunde liegen, die mithin auch als Gründe der Raumordnung zur Beschränkung der Grundfreiheiten zulässig sind.
Die Zwangsgeldandrohung ist auch nach Überzeugung des Gerichts – entgegen der Auffassung der Klägerin – weder unverhältnismäßig noch stellt sie eine für die Klägerin unbillige Härte dar.
Substantiierte Einwendungen wurden hierzu nicht vorgetragen. Insbesondere ist weder die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes noch die gesetzte Frist zur Aufgabe der untersagten Nutzung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu beanstanden. Das Zwangsgeld soll nach Art. 31 Abs. 2 VwZVG so bemessen werden, dass der Pflichtige keinen Vorteil aus der Nichterfüllung der Anordnung ziehen kann. Hierbei steht der Behörde innerhalb des gesetzlichen Rahmens ein weiter Entscheidungsspielraum zu, bei dem die Umstände des Einzelfalles und die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2010 – 1 CS 10.1803 – juris). Gemessen an diesen Vorgaben erscheint das vorliegend angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR als angemessen.
Soweit sich die Klägerin auf eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Betreibern von Wettannahmestellen oder Wettbüros beruft und hierzu vorträgt, dass in zahlreichen anderen Verfahren die Beklagte das angedrohte Zwangsgeld nicht beigetrieben habe und aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung dies auch im vorliegenden Falle zu unterlassen habe, kann sie damit nicht durchdringen. Die zugrunde liegenden Sachverhalte der von der Klägerin genannten Klageverfahren vor dem Verwaltungsrecht Ansbach sind schon inhaltlich nicht vergleichbar, sie ähneln sich einzig darin, dass es um die Genehmigungsfähigkeit eines illegal betriebenen Wettbüros bzw. einer illegal betriebenen Wettannahmestelle geht. Die einzelnen zugrundeliegenden Voraussetzungen sind jedoch stets unterschiedlicher Natur. In den zahlreichen Verfahren ist gerade kein bestimmtes Ausübungsmuster der Beklagten dahingehend ersichtlich, dass generell davon abgesehen wird, ein angedrohtes Zwangsgeld nicht beizutreiben.
Aufgrund dessen ist die hier angefochtene Feststellung der Fälligkeit des Zwangsgeldes in dem Bescheid der Beklagten vom 16. April 2018 rechtmäßig.
Damit war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Absatz 1 VwGO.


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