Europarecht

Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung eines gefährlichen Tieres einer wildlebenden Art (hier: Serval), Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens in Abgrenzung zu einem Neuantrag, Sachentscheidung durch die Behörde trotz rechtskräftigem Urteil, Prüfungsmaßstab des Gerichts

Aktenzeichen  AN 15 K 21.01683

Datum:
27.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13324
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 51
LStVG Art. 37 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist insgesamt unbegründet und hat somit keinen Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig.
Insbesondere ist die Klage nicht wegen § 121 Nr. 1 VwGO unzulässig, da der Klägerin insoweit nicht die Rechtskraft des Urteils vom 29. August 2019 (AN 15 K 18.00764) entgegengehalten werden kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Klagen auf Wiederaufgreifen des Verfahrens und erneute Sachentscheidung – um eine solche handelt es sich in diesem Fall – zulässig, da Art. 51 Abs. 1 BayVwVfG das Wiederaufgreifen ermöglicht, ohne nach dem Grund der Unanfechtbarkeit zu differenzieren, es sich nicht um zwei identische Streitgegenstände handelt und der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) zu sichern ist (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 51 Rn. 79 ff.).
2. Der Hauptantrag erweist sich als unbegründet.
Die Klage richtet sich gegen die richtige Beklagte (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Denn bei der Erteilung einer Erlaubnis auf der Grundlage des Art. 37 LStVG handelt die Gemeinde grundsätzlich im übertragenen Wirkungskreis (vgl. Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 37, Rn. 45). Dies hat zur Folge, dass, wenn die Gemeinde einer Verwaltungsgemeinschaft angehört, gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 VGemO die Verwaltungsgemeinschaft sachlich zuständig und die Klage gegen diese zu richten ist.
Losgelöst von den Fragen, ob die Voraussetzungen des Art. 51 Abs. 1 BayVwVfG zu prüfen und hier gegeben sind und inwieweit die Kammer aufgrund des vorangegangenen Urteils vom 29. August 2019 überhaupt und in welchem Umfang eine erneute Entscheidung in der Sache treffen darf, kann die Klägerin jedenfalls nicht die Erlaubniserteilung gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 1 LStVG beanspruchen.
Zunächst ist anzumerken, dass das Gericht die Beklagte nur dann zur Vornahme eines Verwaltungsaktes verpflichten darf, wenn sich dem im Zeitpunkt der Verurteilung geltenden Recht ein Anspruch hierauf entnehmen lässt (§§ 42 Abs. 1, 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Für das Bestehen eines solchen Anspruchs müssen alle Voraussetzungen der Rechtsgrundlage durch das Gericht bejaht werden – auch die des Art. 51 Abs. 1 BayVwVfG. Hat die Behörde ihre Entscheidung für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens mit der ablehnenden Sachentscheidung in einem Bescheid verbunden, darf das Verwaltungsgericht sie nur dann zum Erlass des begehrten Verwaltungsakts verpflichten, wenn neben dessen Voraussetzungen auch diejenigen für das Wiederaufgreifen gegeben sind (BVerwG, U.v. 7.7.2021 – 8 C 5/20 – juris Rn. 16). Die Klägerin begehrt im Rahmen ihres Antrags auf Wiederaufgreifen des Verfahrens die Erlaubniserteilung gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 1 LStVG. Grundsätzlich müssen hierfür die Voraussetzungen für das Wiederaufgreifen nach Art. 51 BayVwVfG und diejenigen gemäß Art. 37 Abs. 2 LStVG gegeben sein.
Ob über einen erneut gestellten Antrag auf Erlass eines bereits abgelehnten Verwaltungsaktes neu zu entscheiden ist, nach Art. 51 Abs. 1 BayVwVfG das abgeschlossene Verfahren wieder aufzugreifen ist oder ob ein solcher Antrag als unzulässig abzulehnen ist, richtet sich nach der Regelungswirkung des früheren Ablehnungsbescheides. In der Regel entfalten ablehnende Verwaltungsakte lediglich Wirkung in Bezug auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung und nicht darüber hinaus, sodass mangels Dauerwirkung grundsätzlich keine Durchbrechung der Bestandskraft im Wege des Wiederaufgreifens erfolgen kann (OVG Münster, B.v. 2.2.2018 – 6 A 2055/17 – BeckRS 2018, 951 Rn. 5 f.), sondern über solche Anträge jedenfalls dann eine neue Entscheidung außerhalb des Art. 51 Abs. 1 BayVwVfG erfolgt, wenn neue und entscheidungsrelevante Umstände eingetreten sind (Falkenbach in BeckOK VwVfG, Stand: 1.10.2021, § 51 Rn. 7). Die Abgrenzung zwischen einem Neuantrag und einem Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens richtet sich nicht danach, wann eine neue Tatsache oder ein neues Beweismittel entstanden ist. Maßgebend sind vielmehr Inhalt und Ziel des Antrags. Das Verfahren nach Art. 51 BayVwVfG dient dazu, einen unanfechtbaren Ablehnungsbescheid erneut einer Überprüfung zu unterziehen, weil die tatsächliche Entscheidungsgrundlage, von der bei Erlass des Bescheids ausgegangen wurde, zweifelhaft geworden ist. Ein nach Art. 51 Abs. 1 BayVwVfG zu beurteilendes Begehren liegt somit vor, wenn der Antrag an den ursprünglich gestellten Antrag und den mit diesem geltend gemachten Sachverhalt anknüpft, um eine neue, positive Entscheidung über den seinerzeit gestellten Antrag zu erreichen. Dementsprechend sind neue Tatsachen solche, durch die der frühere zur Begründung des Begehrens vorgetragene Sachverhalt nachträglich erhärtet, ergänzt oder verändert wird, neue Beweismittel solche, durch die bereits früher vorgetragene („alte”) Tatsachen nachträglich bewiesen werden sollen. Ein Neuantrag ist hingegen dadurch gekennzeichnet, dass ein völlig neuer Lebenssachverhalt, der sich mit dem der ablehnenden Entscheidung zugrundeliegenden allenfalls am Rande berührt, vorgebracht und daraus erstmals ein Anspruch aus Gründen hergeleitet wird, über die bisher noch nicht entschieden worden ist (BVerwG, U.v. 26.6.1984 – 9 C 875/81 – NVwZ 1985, 899). Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen ist der Antrag vom 29. Januar 2021 als Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens und nicht als Neuantrag zu bewerten. Ziel ist jeweils die Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung von Servalen gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 1 LStVG. Der Antrag vom 29. Januar 2021 knüpft an den Antrag vom 18. Oktober 2017 an, indem hinsichtlich der Sachkunde der Klägerin zur Haltung von Servalen auf ihre Seminarteilnahme und das Zertifikat vom 20. Dezember 2019 abgestellt wird. Bereits im ersten Antrag wurde auf das Wissen der Klägerin verwiesen, welches das vorgelegte Zertifikat nun bestätigen soll. Im Übrigen wird erneut die beabsichtigte Haltung im bereits gebauten Gehege beschrieben und hinsichtlich des berechtigten Interesses i.S.d. Art. 37 Abs. 2 Satz 1 LStVG die Punkte genannt, welche großteils dem ablehnenden Bescheid vom 22. März 2018 und dem diesen bestätigenden verwaltungsgerichtlichen Urteil vom 29. August 2019 zugrunde lagen. Damit macht die Klägerin keinen völlig neuen Lebenssachverhalt geltend, über den noch nicht entschieden worden ist.
Bei einem Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens entscheidet die Behörde darüber, ob sie das Verfahren wiederaufnimmt oder nicht und im Falle des Wiederaufgreifens eine neue Sachentscheidung trifft oder nicht. Die Entscheidungsoptionen sind Folgende: Die Ablehnung des Antrags auf Wiederaufgreifen des Verfahrens mittels einer sog. wiederholenden Verfügung, das Aufgreifen des Verfahrens und Ablehnung in der Sache (negativer Zweitbescheid) oder das Aufgreifen des Verfahrens und Stattgabe des Sachbegehrens (positiver Zweitbescheid) (Schoch in Schoch/Schneider, VwVfG, Stand: Juli 2020 § 51 Rn. 81). Vorliegend ist vom Erlass eines negativen Zweitbescheids auszugehen. Die Beklagte hat sich im Bescheid vom 18. August 2021 mit den Voraussetzungen der Erlaubniserteilung gemäß Art. 37 Abs. 1 und 2 LStVG auseinandersetzt und den Antrag der Klägerin abgelehnt, somit eine ablehnende Sachentscheidung getroffen.
Weiter ist darauf hinzuweisen, dass im erneuten Rechtsstreit um denselben Anspruch das angerufene Gericht keine von einem rechtskräftigen Urteil abweichende Entscheidung treffen darf, es sei denn, dass die Sach- oder Rechtslage sich inzwischen in entscheidungserheblicher Weise geändert hat. Das in der Rechtskraft des Urteils vom 29. August 2019 möglicherweise zu erblickende Hindernis für eine erneute – abweichende – gerichtliche Entscheidung konnte die Beklagte bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht dadurch beseitigen, dass sie ungeachtet der Rechtskraft aufgrund neuer Sachprüfung durch neuen Sachbescheid die Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung von zwei Servalen wiederum ablehnte. Der Behörde steht es zwar im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens grundsätzlich frei, einen durch rechtskräftiges Gerichtsurteil für unbegründet erklärten Anspruch auch ohne inzwischen eingetretene Änderung der Sach- oder Rechtslage erneut zu prüfen, ihn erneut abzulehnen oder ihn ganz oder teilweise zu erfüllen, falls ihr dies in rechtmäßiger Weise – z.B. auf Grund einer günstigeren Sachwürdigung oder Rechtsauffassung – angemessen erscheint. Sie kann aber nicht durch Erteilung eines solchen neuen Sachbescheides unter Verzicht auf die materielle Rechtskraft des zu ihren Gunsten ergangenen Sachurteils den Verwaltungsrechtsweg für eine von dem rechtskräftigen Urteil abweichende gerichtliche Entscheidung über den Anspruch neu eröffnen, soweit sich nicht inzwischen die Sach- oder Rechtslage entscheidungserheblich geändert hat (BVerwG, U.v. 4.6.1970 – II C 39.68VG – BeckRS 1970, 30438929; BVerwG; B.v. 18.2.1982 – 1 WB 41/81 – BeckRS 1982, 31319631; Rennert in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 121 Rn. 33).
In Anwendung dieser allgemeinen Rechtsgrundsätze hat die Klägerin auch unter Berücksichtigung der in diesem Verfahren nunmehr vorgebrachten Argumente keinen Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung zweier Servale (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Als Grundlage für den geltend gemachten Anspruch kommt nur Art. 37 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 LStVG in Betracht. Nach dieser Vorschrift bedarf, wer ein gefährliches Tier einer wildlebenden Art halten will, der Erlaubnis der Gemeinde, soweit das Bundesrecht nichts anderes vorschreibt. Die Erlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse nachweist, gegen seine Zuverlässigkeit keine Bedenken bestehen und Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz nicht entgegenstehen.
Vorliegend unterliegt die beabsichtigte Haltung von Servalen der Erlaubnispflicht i.S.d. Art. 37 Abs. 1 LStVG. Denn bei einem Serval handelt es sich um ein gefährliches Tier einer wildlebenden Art. Servale als kleine Wildkatzen gelten nach der Beispielsliste (Stand: März 2017, abgedruckt u.a. in der LT-Drs. 17/23595, S. 5 ff.), die in Ergänzung zu der Vollzugsbekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 1. Januar 2015 zu Art. 37 LStVG erstellt wurde, einschließlich deren Kreuzungen mit Hauskatzen bis einschließlich der vierten Nachzuchtgeneration als gefährliche Tiere wildlebender Art. Zwar weisen diese Vollzugshinweise keine Gesetzesqualität auf, sondern sind zur Herstellung eines einheitlichen Verwaltungsvollzugs an die Verwaltung gerichtet mit der Folge, dass sich eine Bindungswirkung für das Gericht hieraus nicht ergibt. Dennoch hat das erkennende Gericht keinen Anlass die Richtigkeit dieser Beispielsliste in Frage zu stellen. Die Klägerseite selbst stellt die Einstufung des Servals durch die Beklagte als gefährliches Tier einer wildlebenden Art nicht in Frage. Anzumerken bleibt, dass die Erlaubnispflichtigkeit der Tierhaltung nur davon abhängt, dass ein Tier seiner allgemeinen Art nach, also unabhängig von individuellen Eigenschaften gefährlich ist. Somit ist es vorliegend für die Frage der Erlaubnispflicht unbeachtlich, dass die Klägerin bereits ein ausbruchsicheres Tiergehege errichtet hat. Die Klägerin beabsichtigt auch nicht die Haltung einer Kreuzung zwischen einem Serval und einer Hauskatze, sodass die Frage, ab welcher Nachzuchtgeneration die Erlaubnispflicht entfällt, nicht näher erörtert werden muss.
Die beabsichtigte Tierhaltung der Klägerin ist nicht erlaubnisfähig, da die Klägerin kein berechtigtes Interesse an der Haltung von Servalen besitzt. Der Begriff des berechtigten Interesses ist im Interesse der öffentlichen Sicherheit restriktiv auszulegen (BayVGH, B.v. 15.10.2018 – 10 CS 18.102 – BeckRS 2018, 28773 Rn. 26). Den sicherheitsrechtlichen Zielen der Vorschrift entsprechend soll die Zahl der Erlaubnisse nach Art. 37 LStVG gering bleiben. Die Haltung gefährlicher Tiere wildlebender Arten beinhaltet nämlich auch dann noch ein Restrisiko, wenn die Zuverlässigkeit des Halters und die sachgerechte und sichere Unterbringung gegeben sind (vgl. Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 37, Rn. 47). Daher muss mit der Haltung des gefährlichen Tiers ein Zweck verfolgt werden, der es rechtfertigt, das beschriebene Restrisiko für die in Art. 37 Abs. 2 Satz 1 LStVG genannten Rechtsgüter hinzunehmen. Ein Verweis auf die von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Allgemeine Handlungsfreiheit genügt dafür nicht (BayVGH, B.v. 18.1.2010 – 10 CS 09.3017 – BeckRS 2010, 9574 Rn. 9). In Anwendung dieser allgemeinen Erwägungen können die von der Klägerseite nunmehr vorgetragenen Gründe ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Haltung von Servalen nicht begründen. So genügt ein Liebhaberinteresse an der Haltung von Tieren für die Annahme eines berechtigten Interesses nicht, da ansonsten das Tatbestandsmerkmal des berechtigten Interesses – entgegen der Absicht des Gesetzgebers – seine beschränkende Funktion in der Praxis weitgehend verlieren würde (BayVGH, B.v. 15.10.2018 – 10 CS 18.102 – BeckRS 2018, 28773 Rn. 29). Auch die Absicht der Klägerin, das Gehege von außen zur Ansicht zu Informations- und Bildungszwecken für andere Menschen zugänglich zu machen und Aufnahmen für Werbe- oder Fotostrecken zu ermöglichen, kann vor dem Hintergrund der vorstehend dargestellten restriktiven Auslegung des Art. 37 LStVG ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Serval-Haltung nicht begründen. Denn ließe man die bloße Behauptung des potentiellen Tierhalters – wie sie hier erfolgt ist – er wolle die Tierhaltung der Öffentlichkeit zugänglich machen und das Erstellen von Bildaufnahmen ermöglichen, für die Annahme eines berechtigten Interesses genügen, wäre die Erlaubnisvoraussetzung des berechtigten Interesses bei einer entsprechenden Behauptung des Tierhalters stets erfüllt mit der Folge, dass der mit der Regelung des Art. 37 LStVG verfolgte gesetzgeberische Zweck, die Haltung von gefährlichen Tieren wildlebender Art nur in Ausnahmefällen zuzulassen, konterkariert wäre. Nichts anderes gilt hinsichtlich der Haltung der Tiere zu Forschungszwecken. Nach dem Willen des Gesetzgebers und mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 GG kann ein wissenschaftliches Forschungsinteresse zwar zur Bejahung des berechtigten Interesses führen (Schwabenbauer in BeckOK PolR, Bayern, Stand: 1.9.2021, LStVG Art. 37 Rn. 69). Unter Zugrundelegung des Ausgeführten genügt die bloße Behauptung für diese Annahme nicht. So bleibt bereits unklar, ob von Seiten der Wissenschaft überhaupt ein Interesse an der Forschung mit Servalen besteht und ob die Haltung der Servale durch die Klägerin für diese Zwecke an sich geeignet ist. Im Einzelfall vermag außerdem die Verwendung gefährlicher Tiere zur Nachzucht ein berechtigtes Interesse zwar begründen, wenn auf diese Weise zur Erhaltung einer bedrohten Tierart beigetragen werden kann (vgl. Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 37, Rn. 50). Im vorliegenden Fall kann sich die Klägerin, die die Servale zur Zucht verwenden will, jedoch nicht auf ein berechtigtes Interesse berufen, weil Servale nicht zu den bedrohten Tierarten gehören. Die Weltnaturschutzorganisation IUCN stuft den Serval (Leptailurus serval) lediglich als am wenigstens besorgniserregend (least concern) ein (https://www.iucnredlist.org/species/11638/156536762, zuletzt aufgerufen am 1.2.2022 um 14:48 Uhr). Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ist das berechtigte Interesse selbst bei als gering gefährdet (near threatened) eingestuften Arten zu verneinen, da bedrohte Tierarten als gefährdet (vulnerable), stark gefährdet (endangered), vom Aussterben bedroht (critically endangered) oder in freier Wildbahn ausgestorben (extinct in the wild) anzusehen sind (BayVGH, B.v. 18.1.2010 – 10 CS 09.3017 – BeckRS 2010, 9574 Rn. 9). Nach Nr. 37.4.1 VollzBekLStVG (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 8.8.1986, Az. IC2-2105- 1/16 zum Vollzug des LStVG in der Fassung vom 5.6.2021 (BayMBl. Nr. 456, Nr. 476)) kann der Wunsch, mit der Haltung oder einem hierauf gestützten Handel von gefährlichen Tieren Geld zu verdienen – gleich ob haupt- oder nebengewerblich -, ein wirtschaftliches Interesse für sich nicht begründen. Es ist mindestens erforderlich, dass für die Behörde eindeutig belegt ist, dass die gehaltenen Tiere in einer bestimmten Anzahl und in einem zeitlich sachgerechten Rahmen legal abgegeben werden können. Denn mit Blick auf die gebotene restriktive Auslegung reicht jedenfalls die vage Aussicht, mit der Haltung (und anschließendem Handel) Geld zu verdienen, zur Begründung eines berechtigten Interesses nicht aus (Schwabenbauer in BeckOK PolR, Bayern, Stand: 1.9.2021, LStVG Art. 37 Rn. 72). Das Gericht kann unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags bereits nicht erkennen, dass diese Mindestanforderungen erfüllt sind. Mit Blick auf die Intention des bayerischen Gesetzgebers, die Anzahl der nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 LStVG erteilten Erlaubnisse gering zu halten, bestehen jedenfalls in Bayern für Servale kaum – wenn nicht sogar keine – Absatzmöglichkeiten. Diese Ansicht verstößt auch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Denn mit der Erlaubnispflicht beschränkt Art. 37 LStVG subjektiv den Zugang zum Beruf des Züchters, was jedoch angesichts der von der Tierhaltung ausgehenden Gefahren gerechtfertigt ist. Eine subjektive Berufswahlregelung liegt vor, wenn subjektive Voraussetzungen für die Berufsaufnahme normiert werden, das heißt der Zugang zum Beruf nur den in bestimmter, meist formaler Weise qualifizierten Bewerbern möglich ist (seit BVerwG, U.v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56 – NJW 1958, 1035 (1038)). Aufgrund des Art. 37 Abs. 1 Satz 1 LStVG kann nur derjenige ein gefährliches Tier einer wildlebenden Art halten, der die notwendige Erlaubnis besitzt. Die Erlaubnisfähigkeit knüpft dabei an persönliche Voraussetzungen wie etwa das berechtigte Interesse oder die Zuverlässigkeit des Antragstellers an (Art. 37 Abs. 2 Satz 1 LStVG). Hier möchte die Klägerin zwei Servale halten, um sich als Züchterin ein zweites berufliches Standbein aufzubauen. Mit der Versagung der Erlaubnis wird ihr die Serval-Haltung und damit der Zugang zum Beruf des Züchters verwehrt. Eingriffe in die subjektive Berufswahl sind nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, der auch für Maßnahmen gilt, die die Freiheit der Berufswahl betreffen, nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung erlaubt, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Zur Rechtfertigung subjektiver Berufswahlbeschränkungen ist es erforderlich, das Ziel, ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut zu schützen, zu verfolgen (BVerwG, B.v. 3.7.2007 – 1 BvR 2186/06 – BeckRS 2007, 33074 Rn. 72 ff.). Allgemein müssen subjektive Zulassungsvoraussetzungen in angemessenem Verhältnis zu den von der Tätigkeit möglicherweise ausgehenden Gefahren stehen (Manssen in von Mangoldt/Klein/Stark, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 147). Hier erfolgt die Versagung der Erlaubnis auf Grundlage des Art. 37 Abs. 2 Satz 1 LStVG, von dessen Verfassungsmäßigkeit ausgegangen werden kann. Auch erscheint die Negation der Tatbestandsvoraussetzungen dieser Rechtsgrundlage als angemessen. Zwar wird dadurch die klägerische Serval-Zucht unmöglich gemacht, jedoch dient die restriktive Handhabung der Erlaubnisvoraussetzungen – wie sich schon aus dem Wortlaut des Art. 37 Abs. 2 Satz 1 LStVG ergibt – dem Lebens- und Gesundheitsschutz und damit ebenfalls hochrangigen Verfassungsgütern (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG).
Weiter wird der Klägerin durch die Erlaubnisversagung nicht die Schaffung ihrer wirtschaftlichen in Gänze unmöglich gemacht, da sie die Serval-Zucht unbestritten als zweites berufliches Standbein betreiben möchte. Außerdem ist Sinn und Zweck des Sicherheitsrechts die effektive Gefahrenabwehr. Dieser dient der Ausschluss jeglichen Restrisikos, welches von einer ServalHaltung möglicherweise ausgeht. Mit der Rüge der Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG aufgrund der in der Gemeinde … bzw. mit Bescheid der Verwaltungsgemeinschaft … vom 22. September 2017 erteilten Haltungserlaubnis dringt die Klägerin schon deshalb nicht durch, weil es sich bei der Beklagten einerseits und der Verwaltungsgemeinschaft … andererseits um zwei verschiedene Hoheitsträger handelt (vgl. Art. 28 Abs. 2 GG). Denn der Gleichheitsanspruch besteht nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret zuständigen Träger öffentlicher Gewalt. Eine Gemeinde ist daher nur verpflichtet, in ihrem Bereich den Gleichheitssatz zu wahren (BVerwG, B.v. 21.12.1966 – 1 BvR 33/64 – NJW 1967, 545 (547)).
Den persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen der Klägerin kommen erst bei dem zweiten Tatbestandsmerkmal des Art. 37 Abs. 2 Satz 1 LStVG („gegen seine Zuverlässigkeit keine Bedenken bestehen“) Bedeutung zu und setzen das Vorliegen des ersten Tatbestandsmerkmals des berechtigten Interesses voraus (BayVGH, B.v. 15.10.2018 – 10 CS 18.102 – BeckRS 2018, 28773 Rn. 27). Entsprechendes gilt für die Unterbringung der Servale in dem bereits errichteten Gehege, davon gegebenenfalls ausgehender Gefahren oder Belästigungen für die Nachbarschaft sowie die Möglichkeit des Abschlusses einer Tierhalterhaftpflichtversicherung (Art. 37 Abs. 2 Satz 2 LStVG). Ob die weiteren Voraussetzungen des Art. 37 Abs. 2 Satz 1 LStVG gegeben sind, bedarf daher keiner weiteren Erörterung.
3. Da dem Hauptantrag kein Erfolg beschieden ist, tritt die innerprozessuale Bedingung der Erfolglosigkeit des Hauptantrags ein mit der Folge, dass nunmehr über den Hilfsantrag entschieden werden kann. Der Hilfsantrag ist zwar zulässig und richtet sich gegen die richtige Beklagte, stellt sich aber deshalb als unbegründet dar, da die Klägerin auch keinen Anspruch auf die begehrte Erlaubnis unter Erteilung von Auflagen besitzt (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Gemäß Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Da hier die Voraussetzungen für die erlaubte Serval-Haltung (noch) nicht vorliegen, kommt es einzig auf die zweite Alternative des Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG an. Der Wortlaut des Art. 36 Abs. 1 Alt. 2 BayVwVfG („… sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden.“) bringt den Zweck der Bestimmung zum Ausdruck. Die Behörde soll eine Nebenbestimmung beifügen dürfen, die es ihr ermöglicht, einen begünstigenden Verwaltungsakt zu erlassen, obwohl noch nicht sämtliche vom Fachrecht hierfür aufgestellten Voraussetzungen erfüllt oder nachgewiesen sind. Die Nebenbestimmung ist ein Mittel, das Fehlen von Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsakts zu überbrücken. Im Interesse des betroffenen Bürgers eröffnet sich so ein Weg, Gründe für eine Versagung auszuräumen. Einen begünstigenden Verwaltungsakt unter Beifügung einer Nebenbestimmung zu erteilen, ist vielfach das mildere Mittel gegenüber seiner sonst erforderlichen Ablehnung. Die Funktion der zweiten Alternative des Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG liegt darin, vom Erfordernis der gesonderten fachrechtlichen Ermächtigungsgrundlage dort eine Ausnahme zuzulassen, wo dieses Erfordernis zum Nachteil des Bürgers ausschlagen, nämlich sich als Hindernis für den Erlass eines Verwaltungsakts auswirken könnte, der unter Beifügung einer Nebenbestimmung bereits erlassen werden könnte (BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 6 C 37/14 – NVwZ 2016, 699 Rn. 18 f.). Jedoch dürfen die Tatbestandsmerkmale einer Anspruchsgrundlage nicht derart weit durch eine Nebenbestimmung ausgeklammert werden, dass deren Vorliegen in eine Nebenbestimmung „abgeschoben“ werden (OVG MV, B.v. 24.7.2014 – 3 M 56/14 – NordÖR 2014, 485 (486)). Eine Nebenbestimmung zur Vermeidung einer Ablehnung des Verwaltungsakts kommt daher nicht in Betracht, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erkennbar nicht erfüllbar sind oder ihre Erfüllbarkeit völlig ungewiss ist (Schröder in Schoch/Schneider, VerwaltungsR, 1. EL August 2021, VwVfG § 36 Rn. 124).
So liegen die Dinge hier: Der Anspruch auf die Erlaubniserteilung ist deshalb zu versagen, weil das berechtigte Interesse i.S.d. Art. 37 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG nicht gegeben ist. Eine Auflage müsste daher sicherstellen, dass ein solches vorliegt. Die Klägerin konnte ein berechtigtes Interesse aber trotz Nennung zahlreicher Gründe für die Serval-Haltung nicht substantiiert darlegen. Weder seitens der Beklagten noch seitens des Gerichts besteht daher die Möglichkeit, an einen der genannten Gründe anzuknüpfen und dessen Erfüllung durch den Erlass einer Auflage sicherzustellen. Jegliche Vorgaben würden die Negation des Tatbestandsmerkmals des berechtigten Interesses ausklammern und sämtliche Punkte, auf die eine Bejahung des berechtigten Interesses gestützt werden könnte, auf die Ebene einer Nebenbestimmung verschieben. Denn streitgegenständlich ist nicht, ob die von der Klägerin angeführten Interessen für die Bejahung des berechtigten Interesses i.S.d. Art. 37 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG gerade noch ausreichen, sondern ob sie ein solches überhaut begründen können.
Nach alldem ist die Klage daher abzuweisen.
4. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgen aufgrund der §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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