Europarecht

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Aktenzeichen  12 O 9769/21

Datum:
9.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 53818
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. 
Der Streitwert wird auf 9.957,72 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet. Der Stichentscheid der Klägervertreter vom 13.07.2020 ist für die Beklagte nicht verbindlich. Im Übrigen bestehen nach der derzeitigen Rechtslage auch keine hinreichenden Erfolgsaussichten für die in Aussicht genommene Klage.
I.
1. Gemäß § 3 Abs. 2 Axilia ARB/2016 ist der Stichentscheid nicht verbindlich, wenn er offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage erheblich abweicht.
Dies erfordert, dass sich der Stichentscheid im Rahmen der rechtlichen Würdigung auch mit etwaigen Gegenargumenten auseinandersetzt und insbesondere erkennen lässt, in welchen Punkten der Anwalt die Ansicht des Versicherers für unrichtig hält. Dabei hängt der erforderliche Umfang von der Komplexität des Streitstoffs, von den schon bisher in der Korrespondenz mit dem Versicherer ausgetauschten Argumenten und dem Stadium ab, in dem sich die Interessenwahrnehmung gerade befindet (Prölss-Martin, ARB 2010, § 3a Rn. 35 mit weiteren Nachweisen).
a) Aus dem Schreiben der Beklagten vom 12.03.2020 ist ersichtlich, dass die Beklagte hier deshalb u.a. von mangelnder Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage ausging, weil die Verwendung des Thermofensters keinen Rechtsverstoß begründe. Zudem fehle es an einem Vorsatz des Herstellers, nachdem grundsätzlich Thermofenster nach den entsprechenden Verordnungen der EG erlaubt seien.
b) Mit dem ersten Argument setzt sich der Stichentscheid vom 13.07.2020 ausführlich auseinander. Es wird unter Bezugnahme auf Messwerte und Beweisbeschlüsse dargelegt, dass es darauf ankäme, ob das entsprechende Emissionskontrollsystem „notwendig“ sei, um den Motor vor einer Beschädigung oder Unfall zu schützen. Im Übrigen gebe es hinreichende Anhaltspunkte, dass der Motor im Fahrzeug des Klägers auch mit einem derartigen Thermofenster ausgestattet sei. Dies sei von einem Sachverständigen zu prüfen.
c) Zum zweiten Argument verhält sich der Stichentscheid jedoch nicht. Es wird einfach unterstellt, dass sich aus der Verwendung eines derartig konfigurierten Thermofensters ein Anspruch aus arglistiger Täuschung ergäbe. Es gehört jedoch zu einem schlüssigen Vortrag, auch die subjektive Seite, also den Vorsatz zur arglistigen Täuschung bei einem verantwortlichen Mitglied des Prozessgegners (Vorstand oder Repräsentant) darzulegen und unter Beweis zu stellen.
Damit ist der Stichentscheid nicht verbindlich.
2. Im Übrigen hat die beabsichtigte Klage nach der jetzigen Rechtslage keine Aussicht auf Erfolg.
a) Mit Beschluss vom 19.01.2021, AZ: VI ZR 433/19 hat der BGH festgestellt, dass seine Rechtsprechung zum „Dieselskandal“ nicht auf die Fälle übertragbar ist, bei denen es um die Verwendung eines möglicherweise gesetzwidrig programmierten Thermofensters geht. Die Abschalteinrichtung, um die es im „Dieselskandal“ geht, ist eine Motorsteuerungssoftware, die einzig und allein zu dem Zweck in das Fahrzeug eingebaut wurde, um den Prüfmodus zu erkennen. Sie funktioniert nur im Prüfmodus, nicht aber im realen Fahrbetrieb. Es handelte sich um eine evident strategische Frage der verantwortlichen Personen beim Fahrzeughersteller, mit welchen Maßnahmen sie auf die Einführung der – im Verhältnis zu dem zuvor geltenden Recht strengeren – Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm reagierten, die im eigenen Kosten- und Gewinninteresse dahin gehend entschieden wurde, von der Einhaltung dieser Grenzwerte im realen Fahrbetrieb vollständig abzusehen und dem KBA stattdessen zwecks Erlangung der Typgenehmigung mittels einer eigens zu diesem Zweck entwickelten Motorsteuerungssoftware wahrheitswidrig vorzuspiegeln, dass die von ihm hergestellten Dieselfahrzeuge die neu festgelegten Grenzwerte einhalten. Daraus ergab sich ein hinreichender Anschein dahingehend, dass die Verantwortlichen der Firma dies gewusst hatten. Hingegen ist die Verwendung von „Thermofenstern“ grundsätzlich nicht unzulässig und in gewissem Umfang notwendig, um bei sehr hohen oder niedrigen Temperaturen den Motor zu schützen. Damit ist der Einbau eines Thermofensters grundsätzlich auch nicht arglistig. Bei dieser Sachlage ist der Vorwurf der Sittenwidrigkeit nur gerechtfertigt, wenn zu dem behaupteten Verstoß gegen die entsprechende Bestimmung der EG weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der für BMW handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließe. Dies setzt voraus, dass die Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist nach dem oben genannten Beschluss des BGH bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt. Die Beweislast trägt der Anspruchsteller. Damit kann sich der Anspruchsteller auch zur Frage des Vorsatzes nach Beschluss des BGH jedenfalls nicht mehr auf eine sekundäre Darlegungslast des Prozessgegners berufen. Damit müssen mindestens gravierende Indizien dafür vorgetragen werden, dass gerade auch die Repräsentanten der Firma davon gewusst und gewollt haben, dass das Thermofenster ebenfalls aus Gewinnstreben heraus die fehlende Einhaltung der Grenzwerte verschleiert. Sonst besteht auch keine sekundäre Darlegungslast des Prozessgegners. Dazu hat die Klagepartei auch in ihrem letzten Schriftsatz nichts vorgetragen.
b) Damit ist der Vortrag der Klagepartei nicht schlüssig und nicht substantiiert. Unter diesen Voraussetzungen würde ihr für die entsprechende Klage auch keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden (Zöller, 33. Aufl., § 114 ZPO, Rn. 26, 29, 24).
Damit hat die beabsichtigte Klage keine Aussicht auf Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Deckung gegen die Beklagte.
Die Klage ist abzuweisen, was sich auch auf die Nebenforderungen bezüglich der Kosten des nicht verbindlichen Stichentscheids bezieht.
II.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gemäß § 709 ZPO.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 48 GKG, § 3 ZPO.


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