Europarecht

Verwaltungsgerichte, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Soforthilfe, Kostenentscheidung, Liquiditätsengpass, Rechtsmittelbelehrung, Prozeßbevollmächtigter, Unternehmensberatung, Prozeßkostenhilfeverfahren, Gleichheitssatz, Verwaltungsverfahren, Maßgeblicher Zeitpunkt, Befähigung zum Richteramt, Solo-Selbstständige, Klageverfahren, Berufungszulassung, Streitwert, Bürokosten, Überbrückungshilfe, Einzelunternehmen

Aktenzeichen  M 31 K 20.2096

Datum:
30.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 42813
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
Richtlinien für die Gewährung von Überbrückungshilfen des Bundes für die von der Corona-Virus-Pandemie (SARS-CoV-2) geschädigten Unternehmen und Soloselbstständigen

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.  

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten (vgl. Schreiben vom 22.5.2020 und 3.9.2020) kann das Gericht über den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten den von ihm geltend gemachten Anspruch, gerichtet auf Verpflichtung zur Gewährung und Auszahlung der beantragten Corona-Soforthilfe, nicht inne (§ 113 Abs. 5 VwGO). Vielmehr erweist sich der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 11. Mai 2020 als rechtmäßig.
Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Richtlinien geregelt, müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig angewendet werden. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung der jeweiligen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung im zugrunde liegenden Haushaltsgesetz/Haushaltsplan gezogen ist, nicht beachtet worden ist. Entscheidend ist allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26).
Nur entsprechend den vorgenannten Grundsätzen kann ein Anspruch auf Förderung im Einzelfall bestehen. In den hier einschlägigen Förderrichtlinien für die Gewährung von Überbrückungshilfen des Bundes für die von der Corona-Virus-Pandemie (SARS-CoV-2) geschädigten Unternehmen und Soloselbstständigen des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie vom 3. April 2020 (BayMBl. 2020, Nr. 175) wird im Übrigen auch ausdrücklich klargestellt, dass die Förderung ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel als Billigkeitsleistung im Ermessenswege erfolgt.
Der Kläger muss gemäß Nr. 2.2 der Richtlinien versichern, dass er durch die Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist, die seine Existenz bedrohen, weil die fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb voraussichtlich nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten in den auf die Antragstellung folgenden drei Monaten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand (z. B. gewerbliche Mieten, Pachten, Leasingraten) zu zahlen (Liquiditätsengpass).
Einen solchen Liquiditätsengpass hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt – weder im Verwaltungsverfahren noch im Verwaltungsrechtsstreit – ausreichend dargelegt. Vor diesem Hintergrund kann vorliegend offenbleiben, ob und in welcher Weise der Beklagte in seiner Verwaltungspraxis im Vollzug der vorgenannten Richtlinien vom allgemeinen Grundsatz, wonach für die Frage der Vollständigkeit der Antragsunterlagen in einem Zuwendungsverfahren regelmäßig nur auf die bis zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung vorgelegten Unterlagen bzw. getätigten Auskünfte abzustellen ist (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 22.1.2019 – 22 ZB 17.1098 – juris Rn. 30 ff.; SächsOVG, U.v. 16.2.2016 – 1 A 677.13 – juris Rn. 67; VG München, U.v. 20.5.2020 – M 31 K 17.5726 – juris Rn. 37), abgewichen ist.
Im Antrag vom 6. April 2020 hat der Kläger lediglich angegeben, durch den Wegfall von Aufträgen im Bereich der Kontaktanbahnung für Finanzierungen sowie im Immobilienbereich sei mit Liquiditätsengpässen zu rechnen. Diese Darlegung reicht nach den o.g. Bestimmungen der Richtlinie und der darauf fußenden Förderpraxis des Beklagten, die dem Gericht aus einer Vielzahl anderer einschlägiger Zuwendungsverfahren bekannt ist, nicht aus, um einen Liquiditätsengpass annehmen zu können. Auch auf der Homepage des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, über die die Anträge auf Corona-Soforthilfen zu stellen waren, finden (bzw. fanden sich während der Antragsfrist der Corona-Soforthilfen, vgl. Nr. 6 der Richtlinie vom 3.4.2020) entsprechende Hinweise zum Zuwendungsverfahren. Dort wird bzw. wurde unter der Rubrik „Häufig gestellte Fragen“ im Übrigen erläutert, dass bei der Angabe der Gründe für die existenzbedrohliche Wirtschaftslage bzw. den Liquiditätsengpass ein pauschaler Verweis auf die Corona-Krise und die damit einhergehenden gravierenden Nachfrage- und Produktionsausfälle, unterbrochene Lieferketten, Stornierungswellen, massive Umsatzeinbußen und Gewinneinbrüche keinen ausreichenden Grund für eine Förderung darstellt.
Obwohl der Beklagte dem Kläger in seiner E-Mail vom 26. Mai 2020 im Rahmen der Bearbeitung des streitbefangenen Zuwendungsantrags und Prüfung einer Abhilfe Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat, hat er auch im Klageverfahren keinen substantiierten Aufschluss zu den gewerblichen Fixkosten der LE Consult Unternehmensberatung, die nicht aus den fortlaufenden Einnahmen des Unternehmens gedeckt werden können, gegeben. Die E-Mail des Klägers vom 27. Mai 2020 verhält sich hierzu nicht. Auch die Antwort-E-Mail des Klägers vom 9. Juni 2020 auf die weitere E-Mail-Anfrage des Beklagten vom 29. Mai 2020 (vgl. dort Frage Nr. 1) enthielt lediglich den pauschalen Hinweis auf laufende fixe Kosten (Miete, Kfz-Kosten, Kundenakquise, Verkaufsberater usw.) dieses klägerischen Einzelunternehmens. Schließlich ergeben sich auch aus dem daran anschließenden E-Mail-Verkehr des Beklagten mit dem Steuerberater des Klägers aus dem Juli 2020 keine weiteren Erkenntnisse dazu, weshalb die Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb voraussichtlich nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand des Klägers im Hinblick auf die LE Consult Unternehmensberatung zu zahlen. Zutreffend verweist der Beklagte in diesem Zusammenhang sinngemäß darauf, dass mit Blick auf die Vielzahl der vom Kläger als Geschäftsführer, Prokurist oder Einzelunternehmer verantworteten Unternehmen gerade der lediglich pauschal geltend gemachte monatliche Aufwand für Büro(miet) kosten ohne weitere Erläuterungen unschlüssig ist und dies auch im Lichte der Ausführungen im Klageverfahren blieb.
Zudem ist festzustellen, dass sich die Unschlüssigkeit des klägerischen Vortrags zum Liquiditätsengpass seines Einzelunternehmens LE Consult Unternehmensberatung – unabhängig vom Vorstehenden – gerade auch daraus ergibt, dass die vom Kläger neben der Büromiete und dem Bürokosten zur Begründung der monatlichen Ausgaben i.H.v. 6.000.- EUR in der Klage angeführten Gehaltsentnahmen keinen fortlaufenden betrieblichen Sach- und Finanzaufwand, sondern nicht förderfähige private Kosten darstellen. Die Corona-Soforthilfen sind im Rahmen des weiten Gestaltungsermessens der Zuwendungsgeber (vgl. BVerwG, U.v. 11.5.2006 – 5 C 10/05 – juris LS 1 und 2) auf die Deckung der laufenden betrieblichen Sach- und Finanzaufwendungen des Unternehmens beschränkt und nicht darauf ausgerichtet, auch ausfallenden Gewinn zu ersetzen, mit dem der Lebensunterhalt des Unternehmers bestritten wird (vgl. VG Würzburg, GB.v. 29.5.2020 – W 8 K 20.670 – juris Rn. 29). Mithin fehlt es gerade auch vor diesem Hintergrund hinsichtlich der – im Übrigen nicht konkret bezifferten – Position „Gehaltsentnahme“ an einer schlüssigen Darlegung i.S.d. Nr. 2.2 der Richtlinien.
Des weiteren führt der Beklagte zutreffend aus, dass mangels genauer Angaben zu den monatlichen Ausgaben der LE Consult Unternehmensberatung insgesamt nicht nachprüfbar war, ob ansonsten förderfähige Ausgabepositionen des Klägers inmitten standen. Auch zeigt sich schließlich in einer Zusammenschau der Ausführungen in der Klageschrift und in der E-Mail des Klägers vom 9. Juni 2020, dass die Angaben zum Sach- und Finanzaufwand insgesamt nicht ausreichend schlüssig sind. Dies deshalb, weil in der Klageschrift die Ausgaben der LE Consult Unternehmensberatung auf Büromiete, Gehaltsentnahmen und Bürokosten zurückgeführt werden, während sie in der vorgenannten E-Mail mit Miete, Kfz-Kosten, Kundenakquise und Verkaufsberater usw. begründet werden. Aus dieser keinesfalls unerhebliche Divergenz der Angaben ergibt sich ebenfalls eine unzureichende Darlegung i.S.v. Nr. 2.2 der Förderrichtlinien.
Der Kläger hat mithin die erforderlichen Darlegungen zum (angeblichen) Liquiditätsengpass weder im Verwaltungsverfahren gemacht noch diese trotz entsprechender Aufforderung durch den Beklagten im gerichtlichen Verfahren ausreichend ergänzt. Wie vorstehend ausgeführt, muss der Zuwendungsantragsteller nach den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinien und der Vollzugspraxis des Beklagten einen ausreichend schlüssigen und substantiierten Vortrag zum Vorliegen eines Liquiditätsengpasses dartun. Dies ist im Falle des Klägers indes nicht geschehen.
Nach alledem kann die weitere vom Beklagten aufgeworfene Frage, ob die LE Consult Unternehmensberatung Teil eines verbundenen Unternehmens des Klägers ist und sich daraus vorliegend der Ausschluss der Förderfähigkeit dieses Einzelunternehmens ergibt, mangels Entscheidungserheblichkeit offenbleiben.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben