Europarecht

Verwechslungsgefahr zwischen den Wort-/Bildmarken M und MTECHNIC in Bezug auf Fahrzeuge und Ladestationen für Fahrzeuge

Aktenzeichen  33 O 11904/18

Datum:
9.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2019, 14953
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 256 Abs. 1
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 6, § 14 Abs. 3, § 14 Abs. 5, § 19, § 52 Abs. 2, § 55 Abs. 1, § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2
MarkenG a.F. § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 26, § 49 Abs. 1, § 51 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Eine auf Löschung wegen Nichtigkeit gerichtete Klage kann nach Verzichtserklärung, die zum unmittelbaren Erlöschung der Marke ex nunc führt, bei besonderem Feststellungsinteresse, etwa aufgrund von Lizenzforderungen, dahin umgestellt werden, dass sie auf Feststellung der Nichtigkeit gerichtet ist. (Rn. 50 – 51) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zwischen den Waren Fahrzeuge und den Waren Ladestationen für Fahrzeuge besteht eine hohe Ähnlichkeit als einander ergänzende Produkte. (Rn. 80 – 81) (redaktioneller Leitsatz)
3. Fällt eine einzelne Ware, für die die Marke benutzt wird, unter mehrere Oberbegriffe des Warenverzeichnisses, wirkt die Benutzung für die einzelne Ware nur für einen von mehreren Oberbegriffen rechtserhaltend. Im Löschungsklageverfahren wegen Verfalls ist deshalb einer der Oberbegriffe ersatzlos zu löschen. Die Frage, welcher der beiden Oberbegriffe zu löschen ist, ist auf Grund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise und unter Berücksichtigung des berechtigten Interesses des Zeicheninhabers, in seiner geschäftlichen Bewegungsfreiheit nicht ungebührlich eingeengt zu werden, zu beantworten. Grundsätzlich kann nur der engere Oberbegriff verteidigt werden, welcher der fraglichen Ware schwerpunktmäßig am nächsten steht bzw. durch diese am meisten ausgefüllt wird. (Rn. 99) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die Zeichen
1) „M …“,
wie nachstehend:
und/oder
und/oder
2)
wie nachstehend:
und/oder
3) „M … GmbH“
wie nachstehend:
für Ladestationen für Elektroautos zu benutzen.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen Schaden zu erstatten, der ihr durch Handlungen gem. Ziffer I entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
III. Die Beklagten werden verurteilt, Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß Ziffer I durch Vorlage eines verbindlich unterzeichneten Verzeichnisses, das Angaben und Belege, namentlich Rechnungen zu enthalten hat über den Umfang der Benutzung von „M …“ und/oder
über
a) Angebotsumfang, Angebotszeiten, Angebotspreise und Angebotsempfänger;
b) den erzielten Gewinn und Umsatz;
c) Umfang der Verwendung des Zeichens in der Werbung.
IV. Die beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragene deutsche Wortmarke Nr. …
„M …“
sowie die deutsche Wort-/Bildmarke Nr. …
werden jeweils hinsichtlich der Waren „Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität“ für nichtig erklärt.
Es wird ferner festgestellt, dass ein Anspruch der Klägerin bestand, die Eintragung der deutschen Wort-/Bildmarke Nr. … für die Waren „Fahrzeuge, Apparate zur Beförderung auf dem Lande“ für von Anfang an nichtig zu erklären.
V. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin als Gesamtschuldner einen Betrag in Höhe von 4.299,50 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.09.2018 zu zahlen.
VI. Die beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragene deutsche Wortmarke Nr. …
„M …“
wird für die Waren „Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, photographische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente“, „Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität“ mit Ausnahme der Waren „Stromverteiler, Kabelbrücken, Ladestationen für Elektrofahrzeuge, Industrieleitungen, Leitungsroller und Transformatoren“ sowie für die Waren „Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild“; „Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate“; „Datenverarbeitungsgeräte und Computer“; „Feuerlöschgeräte“, „Beleuchtungs-, Heizungs-, Dampferzeugungs- Koch-, Kühl-, Trocken-, Lüftungs- und Wasserleitungsgerät sowie sanitäre Anlagen“ mit Ausnahme der Waren „technische Leuchten“ für verfallen erklärt.
VII. Die beim Deutschen Paten- und Markenamt eingetragene deutsche Wort-/Bildmarke Nr. …
wird für die Waren „Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, photographische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente“, „Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität“ mit Ausnahme der Waren „Stromverteiler, Kabelbrücken, Ladestationen für Elektrofahrzeuge, Industrieleitungen, Leitungsroller und Transformatoren“ sowie für die Waren „Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild“; „Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate“; „Datenverarbeitungsgeräte und Computer“; „Feuerlöschgeräte“, „Beleuchtungs-, Heizungs-, Dampferzeugungs- Koch-, Kühl-, Trocken-, Lüftungs- und Wasserleitungsgerät sowie sanitäre Anlagen“ mit Ausnahme der Waren „technische Leuchten“ für verfallen erklärt.
VIII. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IX. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
X. Das Urteil ist in Ziffer I.1., I.2. und I.3. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 50.000,- Euro vorläufig vollstreckbar. In Ziffer III. ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 Euro vorläufig vollstreckbar. In Ziffer V. und IX. ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A. Die Klage ist zulässig.
I. Die Klageerweiterungen vom 11.10.2018 und vom 25.04.2019 sind unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit sachdienlich im Sinne von § 263 ZPO, da die geltend gemachten Ansprüche an den bisherigen Prozessstoff anknüpfen und die Klageerweiterungen einem anderen sonst zu gewärtigenden Rechtsstreit zwischen den Parteien vorbeugen.
II. Soweit die Klägerin mit Klageantrag zu II. Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 1) und zu 2) und mit Klageantrag zu IV. Feststellung der Nichtigkeit der Wort-/Bildmarke … für „Fahrzeuge, Apparate zur Beförderung auf dem Lande“ (Ziffer IV. des Klageantrages) begehrt, liegen die besonderen Voraussetzungen der Feststellungsklage im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO vor.
1. Nach ZPO kann Gegenstand einer Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses sein. Unter Rechtsverhältnis ist eine bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu anderen Personen oder einer Person zu einer Sache zu verstehen (vgl. BGH GRUR 2001, 1036 – Kauf auf Probe). Prozessvoraussetzung für die Feststellungsklage ist neben den allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen einschließlich des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses das schutzwürdige Interesse des Klägers an alsbaldiger Feststellung. Ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 ZPO besteht grundsätzlich nur, wenn dem subjektiven Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte es ernstlich bestreitet oder er sich eines Rechts gegen den Kläger berühmt, und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen; außerprozessuales Bestreiten bzw. Berühmen reicht aus (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, § 256 Rdnr. 7).
2. Vorliegend ergibt sich das besondere Interesse an der begehrten Feststellung der Teilnichtigkeit der Wort-/Bildmarke … im Sinne von § 256 ZPO daraus, dass die Beklagten sich gegenüber der Klägerin älterer Rechte berühmt und Lizenzforderungen geltend gemacht haben (vgl. E-Mail des Beklagtenvertreters vom 16.08.2018, Anlage K 50a).
Zwar ist die Eintragung der Wort-/Bildmarke Nr. … für „Fahrzeuge, Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser“ aufgrund des von der Beklagten zu 1) erklärten Verzichts bereits erloschen. Der Verzicht führt jedoch zum unmittelbaren Erlöschen der eingetragenen Marke ex nunc (vgl. BGH, GRUR 2019, 527, 528 Rz. 17 – PUC II; BGH GRUR 2001, 337, 339 – EASYPRESS). Die von der Klägerin mit ihrem ursprünglich gestellten Löschungsantrag angestrebte Löschung wegen Nichtigkeit hätte indes gemäß § 52 Abs. 2 MarkenG auf den Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke zurückgewirkt. In einem solchen Fall kann der Kläger seinen Klageantrag bei vorliegendem besonderem Feststellungsinteresse dahin umstellen, dass er nunmehr die Feststellung der Nichtigkeit beantragt (vgl. BGH GRUR 2001, 337, 339 – EASYPRESS; Ströbele/Hacker/Thiering/Thiering, 12. Auflage, MarkenG, § 55 Rdn. 73).
3. Auch das für den Klageantrag Ziffer II. erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, weil der (behauptete) Anspruch auf Schadensersatz noch nicht beziffert werden kann (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 256 Rdnr. 7a). Dass der Kläger im Wege der Stufenklage auf Leistung klagen könnte, steht dem nicht entgegen. Denn die Schadensberechnung bereitet auch nach erteilter Auskunft im gewerblichen Rechtsschutz häufig Schwierigkeiten und erfordert eine eingehende Prüfung der Berechnungsmethode des Schadens. Zudem schützt die Feststellungsklage den Verletzten in stärkerem Maße vor Verjährung (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH GRUR 2008, 258, 259 Rz. 16 – INTERCONNECT/T-Interconnect m.w.N.).
B. Die Klage ist ganz überwiegend begründet.
I. Der Klägerin steht der mit Klageantrag Ziffer I. geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) aufgrund ihrer prioritätsälteren deutschen Wort-/Bildmarke Nr. …
gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 und 5 MarkenG zu.
1. Die Beklagten benutzen die Bezeichnungen „M …“, und „M … GmbH“ markenmäßig im Zusammenhang mit dem Angebot und dem Vertrieb von Ladestationen.
Bei der angegriffenen Benutzungsform der Bezeichnung „M … GmbH“ handelt es sich nicht um eine rein firmenmäßige, welche keine Benutzungshandlung im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG darstellen würde.
a) Eine „markenmäßige“ Verwendung setzt voraus, dass die beanstandete Bezeichnung im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer dient (vgl. EuGH GRUR 2003, 55 Rz. 51 – Arsenal FC; BGH GRUR 2012, 1040, 1041 Rz. 16 – pjur/pure; GRUR 2017, 520, 522 Rz. 26 – MICRO COTTON). Eine Benutzung „für Waren oder Dienstleistungen“ ist nicht gegeben, wenn das angegriffene Zeichen ausschließlich als Unternehmensbezeichnung verwendet wird. Dagegen ist die Benutzung eines Unternehmenskennzeichens zugleich eine markenmäßige Benutzung, wenn die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt wird oder werden kann. Das ist der Fall, wenn durch die Verwendung des Unternehmenskennzeichens – etwa durch die Anbringung auf Waren oder durch die Verwendung in der Werbung für die Waren oder Dienstleistungen beispielsweise in Katalogen oder im Rahmen eines Internetauftritts – der Verkehr veranlasst wird anzunehmen, dass eine Verbindung zwischen dem angegriffenen Unternehmenskennzeichen und den Waren oder Dienstleistungen besteht, die der Dritte vertreibt (vgl. EuGH GRUR 2007, 971, 972 Rz. 27 – Celine; BGH GRUR 2015, 1201, 1209 Rz. 71 – Sparkassen-Rot/Santander Rot; GRUR 2011, 1140, 1141 Rz. 17 – Schaumstoff Lübke).
b) Die Beklagte zu 1) verwendet das angegriffene Zeichen „M … GmbH“ im Rahmen ihres Internetauftritts zwar auch zur Bezeichnung ihres Unternehmens. Insoweit liegt ein rein firmenmäßiger Gebrauch vor, gegen den die deutsche Marke der Klägerin keinen Schutz gewährt und gegen den sich die Klägerin ausweislich des gestellten Antrags zu I. 3. auch nicht wendet. Die Beklagte zu 1) verwendet das Unternehmenskennzeichen indes auch, wie die beiden weiteren streitgegenständlichen Zeichen „M …“ und , zur Kennzeichnung ihrer Waren. Denn die Verwendung des Zeichens „M … GmbH“ erfolgt in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang mit der Beschreibung und Bewerbung der streitgegenständlichen Ladestationen der Beklagten auf der entsprechenden Unterseite der Homepage (vgl. Auszug aus der Internetseite der Beklagten zu 1), Anlage K 68). Der Verkehr wird hierdurch im Rahmen des Internetauftritts der Beklagten zu 1) zu der Annahme veranlasst, es bestehe eine Verbindung zwischen den angebotenen Waren der Beklagten zu 1) und dem angegriffenen Zeichen.
2. Zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen
einerseits und
„M …“, bzw. „M … GmbH“ andererseits besteht Verwechslungsgefahr.
a) Die Frage, ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder der Ähnlichkeit der Zeichen und der Identität oder der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur BGH GRUR 2019, 173 Rz. 17 – combit/Commit).
b) Die klägerische Wort-/Bildmarke DE …
verfügt über jedenfalls durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
aa) Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft auszugehen (BGH GRUR 2012, 930, 932 Rz. 27 – Bogner B/Barbie B). Auch Zeichen, die ausschließlich aus einem einzigen Buchstaben bestehen, ist die Kennzeichnungskraft nicht von vornherein abzusprechen (vgl. EuGH GRUR Int. 2017, 973 – XKing).
bb) Der Buchstabe „M“ in Alleinstellung hat für die Waren „Fahrzeuge“ keinen beschreibenden Aussagehalt (vgl. BPatG GRUR-RR 2013, 288, 290 – M; BPatG BeckRS 2018, 10202). Das Zeichen ist daher geeignet, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Der Buchstabe „M“ verfügt damit über jedenfalls durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
cc) Ob der Buchstabe „M“ darüber hinaus über gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt, kann dahinstehen, da aufgrund hoher Zeichenähnlichkeit und hoher Warenähnlichkeit (hierzu sogleich) bereits bei lediglich durchschnittlicher Kennzeichnungskraft von Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen auszugehen ist.
c) Die in Rede stehenden Zeichen
einerseits und „M …“ bzw. und „M … GmbH“ andererseits sind in hohem Maße ähnlich.
aa) Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-) Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche (BGH GRUR 2016, 382 Rz. 37 – BioGourmet). Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der jeweilige Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen zu berücksichtigen. Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (st. Rspr.; vgl. nur BGH GRUR 2009, 1055 Rz. 23 – airdsl).
bb) Zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen besteht hohe klangliche Zeichenähnlichkeit wegen Identität im allein prägenden Bestandteil „M“.
(1) Eine Ähnlichkeit im Klang scheidet nicht deshalb von vornherein aus, weil das Klagezeichen nicht benannt wird, wie dies etwa bei Bildzeichen regelmäßig der Fall ist (vgl. BGH GRUR 2012, 930, 934 Rz. 47 – Bogner B/Barbie B). Die Klagemarke wird mit dem Buchstaben „M“ benannt, welcher das Klagezeichen prägt.
(a) Hierbei ist zum einen vom dem Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr sich bei einer Kombination von Wort und Bild regelmäßig an dem Wortbestandteil orientiert, wenn er kennzeichnungskräftig ist, weil der Wortbestandteil einer solchen Marke die einfachste Möglichkeit der Benennung bietet (vgl. BGH GRUR 2009, 1055, 1057 Rz. 28 – airdsl). Dies gilt im vorliegenden Fall auch für den Einzelbuchstaben „M“. Anders als in der Entscheidung BGH GRUR 2012, 930 – Bogner B/Barbie B existiert keine weitere, „vollständige“ Kennzeichnung, auf welche der Verkehr ausweichen könnte. Der Einzelbuchstabe „M“ weist für die gekennzeichnete Ware „Fahrzeuge“ aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise keinen im Vordergrund stehenden Begriffsinhalt auf (vgl. BPatG GRUR-RR 2013, 288, 290 – M), als dessen Verkürzung er wahrgenommen werden könnte.
(b) Darüber hinaus erscheint dem Verkehr der Bestandteil „M“ als Folge der Präsentation und Bewerbung der Marke als besonders herkunftshinweisend (vgl. BGH GRUR 2009, 766, 770 Rz. 37 – Stoffähnchen).
Die seitens der Klägerin vorgelegten Unterlagen belegen die langjährige isolierte Verwendung des Einzelbuchstabens „M“ ohne grafische Ausgestaltung seitens der Klägerin bzw. ihres Tochterunternehmens (vgl. „Chronik aller BMW M Fahrzeuge“ aus Oktober 2009, Anlage K 9; Medieninformation der Klägerin aus Juli 2007, Anlage K 11; Pressemappe der Klägerin „Die BMW M Story. 40 Jahre B GmbH“ vom 16.05.2012, Anlage K 12; Auszug aus der Internetseite der Klägerin „Die M Automobile im Überblick“, Anlage K 14). Die Klägerin verwendet den Bestandteil „M“ (ohne grafische Ausgestaltung) unstreitig auch in der Firma ihres Tochterunternehmens B GmbH. Von der Beklagten unbestritten, verfügt die Klägerin über weitere eingetragene Wortmarken „M“ und ist der Werbespruch „M The most powerful letter in the world“ für sie unter UM 04945317 geschützt. Aufgrund der jahrzehntelangen Herausstellung des „M“ in der Unternehmenskommunikation der Klägerin wird die Klagemarke vom Verkehr als Buchstabe „M“ wahrgenommen (vgl. auch Presseberichterstattung Anlage K 7 „Kennen sie diese M-Modelle“, „Bist du ein M-Checker?“).
(2) Bei der Beurteilung des klanglichen Gesamteindrucks ist ferner zu berücksichtigen, dass Konsonanten phonetisch regelmäßig um Vokale ergänzt werden, um sie leichter aussprechen zu können (BGH GRUR 2015, 1004, 1007 Rz. 42 – IPS/ISP). Die Klagemarke wird deshalb mit dem Lautwert „em“, die angegriffenen Zeichen „emtechnic“ ausgesprochen. Dies wird auch von den Parteien nicht in Abrede gestellt.
(3) Da in den angegriffenen Zeichen „M …“, „M … GmbH“ und der Zusatz „Technic“ rein beschreibend für die angebotenen Waren ist, bestimmt er den Gesamteindruck des Zeichens nicht mit. Nichts anders gilt für den Rechtsformzusatz „GmbH“. Allein prägend ist auch in den angegriffenen Zeichen der Buchstabe „M“ („em“). Etwas anderes folgt auch nicht aus der graphischen Gestaltung des angegriffenen Zeichens . Zwar kann die klangliche Wiedergabe durch die graphische Gestaltung der Marke beeinflusst werden (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, § 9 Rdn. 295). Im vorliegenden Fall besteht indes kein Grund zu der Annahme, der angesprochene Verkehr, zu dem auch die Mitglieder der Kammer als normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher gehören, werde das angegriffene Zeichen, trotz des leicht erfassbaren beschreibenden Begriffsgehalts „TECHNIC“, klanglich in die schwer zu artikulierende und keinen Bedeutungsgehalt aufweisende Buchstabenkombination „MT“ und „ECHNIC“ zergliedern.
(4) Da die in Rede stehenden Zeichen
einerseits und „M …“ bzw. und „M … GmbH“ andererseits somit im allein prägenden Bestandteil „M“ identisch sind, ist von einer hochgradigen Zeichenähnlichkeit auszugehen.
d) Zwischen den von der Klagemarke geschützten Waren „Fahrzeuge“ und der von der Beklagten zu 1) unter den angegriffenen Zeichen angebotenen Ware „Ladestation für Elektroautos“ besteht eine hohe Ähnlichkeit.
aa) Eine Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Waren ist grundsätzlich anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblicher Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, wie insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierender oder einander ergänzender Produkte oder Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (BGH GRUR 2014, 488, 489 Rz. 14 – DESPERADOS/DESPERADO). Von einer Warenunähnlichkeit kann nur ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Marken die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Waren von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH NJW-RR 2007, 1186, 1188 Rz. 20 – COHIBA).
bb) Für die Frage der Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit ist bei eingetragenen Marken grundsätzlich auf die Waren oder Dienstleistungen abzustellen, für die die Marke eingetragen ist. Bei dem angegriffenen Zeichen sind demgegenüber diejenigen Waren oder Dienstleistungen einzubeziehen, für die es benutzt worden ist (vgl. BGH GRUR 2015, 1214, 1217 Rz. 28 – Goldbären).
cc) Die Klagemarke ist für den Oberbegriff „Fahrzeuge“ eingetragen.
Die Einrede der Nichtbenutzung haben die Beklagten lediglich für die (nicht streitgegenständliche) Markenanmeldung Anlage B 2 erhoben. Die Benutzung der Klagemarke für „Fahrzeuge“ ist dagegen unstreitig.
Unter den Oberbegriff „Fahrzeuge“ fallen auch Elektrofahrzeuge. Bei Elektrofahrzeugen und den unter den angegriffenen Zeichen angebotenen „Ladestationen für Elektroautos“ handelt es sich um einander ergänzende Produkte. Lademöglichkeiten sind unverzichtbare Voraussetzung für den Betrieb von Elektrofahrzeugen. Wenn auch nicht die Elektromobilität als solche, so ist doch der Markt für Elektrofahrzeuge noch relativ jung und insbesondere die Ladeinfrastruktur noch im Aufbau. Es liegt deshalb für den angesprochenen Verkehr, zu dem auch die Mitglieder der Kammer als normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher gehören, besonders nahe anzunehmen, dass sich ein Markeninhaber auch mit der Herstellung, mit dem Vertrieb und gegebenenfalls mit der Lizenzierung funktionell nahestehender Produkte – wie Ladesäulen bzw. Ladeinfrastruktur – befasst, um seine vorhandenen Erfahrungen, Marktkenntnisse und Kundenbeziehungen weitergehend nutzen zu können (vgl. BGH GRUR 2014, 488, 489 Rz. 15 – DESPERADOS/DESPERADO). Zumal, wie die Pressemeldungen und Internetauszüge in Anlage K 30, Anlage K 31, Anlage K 33 und Anlage K 33a illustrieren, Kooperationen zwischen Autoherstellern und Energiekonzernen und/oder Gemeinden in dem Bereich „Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge“ tatsächlich in nicht geringem Umfang bestehen und Ladestationen für den privaten Bereich auch seitens der Automobilhersteller angeboten werden (vgl. Internetauszüge, Anlage K 33c). Dabei ist dem angesprochenen Verkehr die gemeinsame betriebliche Herkunft von Elektrofahrzeugen und Ladeinfrastruktur insbesondere durch entsprechende Kennzeichnungen im öffentlichen Raum bekannt, so z.B. der „Tesla Supercharger“ (vgl. Ausdruck eines Auszuges der Internetseite www…com/de DE/supercharger, Anlage K 33c sowie www…com/findus/list/superchargers/Germany, Anlage K 84) und der „C Ladesäulen“ mit „BMW i“-Zeichen (vgl. Ausdruck eines Auszuges aus der Internetseite der Klägerin, Anlage K 33). Unerheblich ist insofern, dass die betriebliche Herkunft von Fahrzeugen und Ladestationen nicht ausschließlich eine gemeinsame ist, sondern Ladestationen auch von Unternehmen hergestellt werden, welche nicht Automobilhersteller sind.
Angesichts der engen Verbindung zwischen den in Rede stehenden Waren und der Tatsache, dass – wenn auch nicht ausschließlich – gemeinsame Produktionsstätten existieren, ist von einer hohen Warenähnlichkeit auszugehen.
dd) Dabei kann offen bleiben, ob es für das Vorliegen der die Ähnlichkeit beeinflussenden Tatsachen und für die Beurteilung der darauf beruhenden Verkehrsauffassung auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (so z.B. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, 12. Auflage, MarkenG, § 9 Rdn. 87) oder den der Anmeldung der angegriffenen Zeichen (so z.B. Ingerl/Rohnke, 3. Auflage, MarkenG, § 14 Rdn. 698) ankommt. Denn die Kooperationen zwischen Autoherstellern und Energiekonzernen und/oder Gemeinden in dem Bereich „Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge“ und das entsprechende Verkehrsverständnis existieren bereits seit März 2010 bzw. früher (vgl. Pressemeldungen vom 15.03.2010 und 16.12.2009, Anlage K 30; Pressemeldung vom 05.09.2008, Anlage K 33a). Die angegriffenen Marken wurden dagegen erst am 20. September 2010 und am 28. Juli 2010 angemeldet.
3. Prioritätsältere Gegenrechte stehen den Beklagten nicht zu. Die „M …“-Marken Nr. … und Nr. …, auf welche sich die Beklagten berufen, wurden am 20. September 2010 und am 28. Juli 2010 angemeldet. Die Klagemarke (Wort-/Bildmarke Nr. … ) genießt dagegen eine Priorität vom 01.08.1992.
4. Durch die erfolgten Verletzungshandlungen ist die für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben. Eine die Wiederholungsgefahr ausräumende strafbewehrte Unterlassungserklärung haben die Beklagten zu 1) und zu 2) nicht abgegeben.
5. Als alleiniger Geschäftsführer der Beklagten zu 1) haftet der Beklagte zu 2) für die streitgegenständliche Markenrechtsverletzung auch persönlich.
a) Eine persönliche Verantwortlichkeit des gesetzlichen Vertreters als Täter oder Teilnehmer setzt voraus, dass der gesetzliche Vertreter an der Markenverletzung entweder durch positives Tun beteiligt war oder er sie aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Thiering, MarkenG, 12. Auflage, § 14 Rdn. 469 m.w.N.). Eine Verantwortlichkeit aufgrund positiven Tuns liegt danach etwa dann vor, wenn positiv festgestellt ist, dass der gesetzliche Vertreter an der verletzenden Zeichenbenutzung selbst beteiligt war. Aber auch ohne solche positiven Feststellungen kann von einer Verantwortlichkeit als Täter oder Teilnehmer ausgegangen werden, wenn es um Maßnahmen der Gesellschaft geht, über die typischerweise auf Geschäftsführerebene entschieden wird. Dann kann nach dem äußeren Erscheinungsbild und vorbehaltlich abweichender Feststellungen im Einzelfall davon ausgegangen werden, dass die jeweilige Maßnahme von dem gesetzlichen Vertreter veranlasst worden ist (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Thiering, MarkenG, 12. Auflage, § 14 Rdn. 469 m.w.N.).
b) Von einem solchen typischen Geschehensablauf ist vorliegend auszugehen. Typischerweise wird der alleinige Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens entscheiden, welche Produkte unter welcher Kennzeichnung in das Produktportfolio des Unternehmens aufgenommen werden.
II. Als Folge der Markenrechtsverletzung der Beklagten zu 1) und zu 2) bestehen auch die geltend gemachten Folgeansprüche auf Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung gegen die zumindest fahrlässig handelnden Beklagten (vgl. zu den im Kennzeichenrecht anzulegenden strengen Maßstäben Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, Vor §§ 14-19d Rdnr. 219) gemäß § 19 MarkenG und § 242 BGB bzw. § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 6 MarkenG.
III. Der Klägerin steht ferner der geltend gemachte Anspruch auf Erklärung der Teilnichtigkeit der angegriffenen Marken der Beklagten zu 1) für „Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität“ aus §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 51 Abs. 1 MarkenG a.F., § 55 Abs. 1 und 2 Nr. 2 MarkenG n.F. zu. Der Eintragung stehen die älteren Rechte der Klägerin an ihrer deutschen Wort-/Bildmarke Nr. … entgegen, da Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen der Klagemarke und den angegriffenen Zeichen besteht. Insoweit gelten die Ausführungen zur Verwechslungsgefahr unter B. I. 2. für die Waren „Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität“ entsprechend, mit der Folge, der vollständigen Löschung des Oberbegriffs (vgl. BGH GRUR 2005, 326, 327 – il Padrone/II Portone; Ströbele/Hacker/Thiering/Thiering, 12. Auflage, MarkenG, § 51 Rdn. 34, § 55 Rdn. 35).
IV. Die Eintragung der Wort-/Bildmarke … in Klasse 12 für „Fahrzeuge, Apparate zur Beförderung auf dem Lande“ der Beklagten zu 1) war von Anfang an nichtig im Sinne von §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 51 Abs. 1, 52 Abs. 2 MarkenG.
Bis zur Teillöschung der Eintragung aufgrund des Verzichts der Beklagten zu 1) bestand zwischen der Wort-/Bildmarke … der Beklagten zu 1) und der deutschen Wort-/Bildmarke Nr. … der Klägerin Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Denn neben durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Klagemarke (vgl. Ziffer B. I. 2. b.) und hoher Zeichenähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken (vgl. Ziffer B. I. 2. c.) bestand auch Warenidentität. Diese bestand auch bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marken. Die Benutzung der Klagemarken für „Fahrzeuge“ bereits im Juli 2010 ist unstreitig. Der Klägerin stand deshalb bis zur Eintragung der Teillöschung aufgrund des Verzichts ein Anspruch auf Erklärung der Teilnichtigkeit aus §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 51 Abs. 1 MarkenG a.F., § 55 Abs. 1 und 2 Nr. 2 MarkenG n.F. gegen die Beklagte zu 1) zu.
V. Der Klägerin steht weiter ein Anspruch auf Erklärung des Verfalls der deutschen Wortmarke Nr. … „M …“ sowie der deutschen Wort-/Bildmarke Nr. … der Beklagten zu 1) im zugesprochenen Umfang zu. Der Anspruch ergibt sich aus §§ 26, 49 Abs. 1 MarkenG a.F., § 55 Abs. 1 und 2 Nr. 1 MarkenG n.F., weil die angegriffenen Marken in den letzten fünf Jahren für die Waren „Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, photographische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente“, „Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität“ mit Ausnahme von Stromverteilern, Kabelbrücken, Ladestationen für Elektrofahrzeuge, Industrieleitungen, Leitungsrollern und Transformatoren sowie für die Waren „Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild“; „Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate“; „Datenverarbeitungsgeräte und Computer“; „Feuerlöschgeräte“, „Beleuchtungs-, Heizungs-, Dampferzeugungs- Koch-, Kühl-, Trocken-, Lüftungs- und Wasserleitungsgerät sowie sanitäre Anlagen“ mit Ausnahme der Waren technische Leuchten nicht rechtserhaltend benutzt worden sind und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.
1. Nach § 49 Abs. 1 S. 1 MarkenG a.F. tritt Löschungsreife wegen Verfalls ein, wenn die Marke nach dem Tag der Eintragung innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nicht gemäß § 26 MarkenG a.F. benutzt worden ist. Eine rechtserhaltende Benutzung im Sinne von § 26 MarkenG a.F. setzt voraus, dass die Marke für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, im Inland ernsthaft benutzt worden ist. Die Benutzung der für Waren oder Dienstleistungen eingetragenen Marke wirkt nur dann rechtserhaltend, wenn die Verwendung der Hauptfunktion der Marke entspricht, dem Verkehr die Ursprungsidentität der Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden. Hierzu ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Marke in üblicher und wirtschaftlich sinnvoller Weise für die Ware oder Dienstleistung verwendet wird, für die sie eingetragen ist (vgl. EuGH GRUR 2003, 425, 428 Rz. 43 – Ansul/Ajax; BGH GRUR 2009, 53, 60 Rz. 22 – LOTTOCARD). Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Verfallsklage trifft die Klägerin. Den Beklagten einer Verfallsklage kann aber nach dem auch im Prozessrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB eine prozessuale Erklärungspflicht treffen (vgl. BGH GRUR 2009, 53, 60 Rz. 19 – LOTTOCARD).
2. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die deutsche Wortmarke Nr. … „M …“ und die deutsche Wort-/Bildmarke Nr. … – neben der angegriffenen Benutzung für Ladestationen – auch für diverse Verteiler, namentlich Unterflurverteiler, Wandverteiler, mobile Verteiler und Verteiler aus Gummi und Plastik sowie für Energiepoller, Kabelbrücken, Industrieleitungen, Leitungsroller, Transformatoren sowie technische Leuchten, und Trafowagen benutzt werden bzw. im maßgeblichen Zeitraum benutzt worden sind.
3. Der prozessualen Beweislastverteilung entsprechend hat die Klägerin weiter vorgetragen, dass sie eine über die unter Ziffer 2. genannten Waren hinausgehende (rechtserhaltende) Benutzung der angegriffenen Marken in Deutschland nicht habe feststellen können und verweist hinsichtlich dieser Erkenntnis u.a. auf das Ergebnis einer als Anlage K 62 vorgelegten Benutzungsrecherche der Fa. C. Damit hat die Klägerin ihrer primären Darlegungslast Genüge getan (vgl. dazu Ströbele/Hacker/Thiering/Thiering, MarkenG, 12. Auflage, § 55 Rdnr. 45).
Die Beklagte zu 1) hat hierauf erwidert, dass die durch die Beklagte – unstreitig – hergestellten und vertriebenen Unterflurverteiler mit Wasser- und Abwasserleitungen, Druckluftanschlüssen wie auch mit Heizungsanschlüssen ausgestattet seien (vgl. Screenshots der Produktseiten der Beklagten zu 1), Anlage B 6) und hat hierin eine rechtserhaltende Benutzung der Waren auch der Klasse 11 gesehen. Weiterer Vortrag in tatsächlicher Hinsicht zu Benutzungshandlungen erfolgte nicht.
4. Eine im maßgeblichen Zeitraum bereits erfolgte bzw. zumindest unmittelbar bevorstehende Benutzung der Wortmarke Nr. … „M …“ und der Wort-/Bildmarke Nr. … für die eingetragenen Waren „Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungsphotographische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente“, „Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild“, „Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate“, „Datenverarbeitungsgeräte und Computer“ sowie „Feuerlöschgeräte“, ist damit von der Beklagten zu 1) weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, so dass die genannten Marken insoweit in jedem Fall wegen Verfalls zu löschen sind.
5. Eine im maßgeblichen Benutzungszeitraum erfolgte Benutzung der angegriffenen „M …“-Marken für die Waren „Beleuchtungs-, Heizungs-, Dampferzeugungs-, Koch-, Kühl-, Trocken-, Lüftungs- und Wasserleitungsgeräte sowie sanitäre Anlagen“ ist, mit Ausnahme der unstreitigen Benutzung der angegriffenen Zeichen für technische Leuchten (s.o.), ebenfalls nicht ersichtlich. Die von der Beklagten zu 1) hierzu ins Feld geführte Funktionalität der (unstreitig) hergestellten und vertriebenen Unterflurverteiler mit Wasser- und Abwasserleitungen, Druckluftanschlüssen wie auch mit Heizungsanschlüssen reicht insoweit nicht aus. Denn die vertriebenen Unterflurverteiler sind bereits dem Oberbegriff „Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität“ zuzuordnen. Eine Zuordnung unter einen weiteren Oberbegriff scheidet damit aus.
a) Die einzelne Ware, für die eine Marke benutzt wird, kann durchaus unter mehrere Oberbegriffe des Warenverzeichnisses fallen. Denn die Oberbegriffe der amtlichen Klasseneinteilung schließen sich untereinander nicht notwendig aus, sondern überschneiden sich teilweise (vgl. BGH GRUR 2014, 662, 665 Rz. 14 – Probiotik). In solchen Fällen vermag die Benutzung für die einzelne Ware aber nur für einen von mehreren Oberbegriffen rechtserhaltend zu wirken (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Ströbele, 12. Auflage, MarkenG, § 26 Rdn. 285, 288). Im Löschungsklageverfahren wegen Verfalls nach §§ 49, 55 MarkenG ist deshalb einer der Oberbegriffe ersatzlos zu löschen (vgl. BGH GRUR 2015, 685, 688 Rz. 36 – STAYER; BGH GRUR 2013, 833, 839 Rz. 64, 66 – Culinaria/Villa Culinaria). Die Frage, welcher der beiden Oberbegriffe zu löschen ist, ist auf Grund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise und unter Berücksichtigung des berechtigten Interesses des Zeicheninhabers, in seiner geschäftlichen Bewegungsfreiheit nicht ungebührlich eingeengt zu werden, zu beantworten (BGH GRUR 2015, 685, 688 Rz. 39 – STAYER). Grundsätzlich kann nur der engere Oberbegriff verteidigt werden, welcher der fraglichen Ware schwerpunktmäßig am nächsten steht bzw. durch diese am meisten ausgefüllt wird (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Ströbele, 12. Auflage, MarkenG, § 26 Rdn. 285).
b) Sowohl Unterflurverteiler, welche mit Wasserleitungen ausgestattet sind, als auch solche, welche mit Abwasserleitungen, Druckluftanschlüssen oder Heizungsanschlüssen ausgestattet sind, lassen sich unter den Oberbegriff „Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität“ fassen. Denn allen Unterflurverteilern gemeinsam ist, dass sie (jedenfalls auch) der Verteilung von Strom dienen (vgl. Screenshot der Produktseiten der Beklagten zu 1), Anlage B 6 und Ausdruck der Produktübersicht der Beklagten zu 1), Anlage K 64). Der Oberbegriff „Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität“ steht den fraglichen Unterflurverteilern schwerpunktmäßig am nächsten. Nur für diesen Oberbegriff vermag die Benutzung der angegriffenen Zeichen deshalb rechtserhaltend zu wirken. Eine Zuordnung unter einen weiteren Oberbegriff scheidet aus.
6. Durch die unstreitige Benutzung der angegriffenen Marken für die Waren Verteiler, namentlich Unterflurverteiler, Wandverteiler, mobile Verteiler und Verteiler aus Gummi und Plastik sowie Energiepoller, Kabelbrücken, Ladestationen für Elektrofahrzeuge, Industrieleitungen, Leitungsroller, Transformatoren sowie technische Leuchten können indes nur die nächstliegenden (engeren) Oberbegriffe „Stromverteiler“, „Kabelbrücken“, „Ladestationen für Elektrofahrzeuge“, „Industrieleitungen“, „Leitungsroller“ und „Transformatoren“ sowie „technische Leuchten“ verteidigt werden, nicht dagegen die weit gefassten Oberbegriffe „Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität“ sowie „Beleuchtungs-, Heizungs-, Dampferzeugungs-, Koch-, Kühl-, Trocken-, Lüftungs- und Wasserleitungsgeräte sowie sanitäre Anlagen“ welche eine Vielzahl sonstiger Waren umfassen, für welche die Marke nicht benutzt worden ist (vgl. BGH GRUR 2015, 685 Rz. 40 – STAYER).
a) Grundsätzlich gilt zwar, dass die Markeneintragung nicht auf die Waren oder Dienstleistungen zu beschränken ist, für die die Marke tatsächlich benutzt worden ist. Die gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise und das berechtigte Interesse des Zeicheninhabers, in seiner geschäftlichen Bewegungsfreiheit nicht ungebührlich eingeengt zu werden, rechtfertigen es vielmehr, darüber hinaus auch die Waren im Warenverzeichnis zu belassen, die nach Auffassung des Verkehrs gemeinhin als zum gleichen Warenbereich gehörend angesehen werden. Der Begriff der Warengleichartigkeit ist aus Rechtsgründen jedoch enger zu verstehen, als der Begriff der Warenähnlichkeit im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Zum gleichen Warenbereich gehören gemeinhin Waren, die in ihren Eigenschaften und ihrer Zweckbestimmung weitgehend übereinstimmen (vgl. BGH GRUR 2013, 833, 839 Rz. 61 – Culinaria/Villa Culinaria; BGH NJW-RR 2009, 53, 55 Rz. 32 – LOTTOCARD). Dadurch wird ein sachgerechter Ausgleich erzielt zwischen dem Interesse des Markeninhabers, in seiner geschäftlichen Bewegungsfreiheit nicht über Gebühr eingeengt zu werden, und dem Interesse an der Freihaltung des Registers von Marken, die für einen Teil der Waren und Dienstleistungen nicht benutzt werden (vgl. BGH GRUR 2014, 662, 665 Rz. 12 – Probiotik; BGH NJW-RR 2009, 53, 55 Rz. 33 – LOTTOCARD).
b) Bei sehr weiten, breit gefächerten und verschiedene selbständige Untergruppen umfassenden Oberbegriffen im Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen müssen danach grundsätzlich innerhalb des Oberbegriffs Untergruppen festgestellt werden, für die eine Anerkennung der Benutzung angemessen und gerechtfertigt erscheint (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Ströbele, 12. Auflage, MarkenG, § 26 Rdn. 283). Eine weitergehende Einschränkung ist indes nicht erforderlich. Es ist die betroffene Ware an sich zu Grunde zu legen und keine Beschränkung auf das jeweilige konkrete Erscheinungsbild vorzunehmen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Ströbele, 12. Auflage, MarkenG, § 26 Rdn. 284).
c) Eine rechtserhaltende Benutzung ist vorliegend deshalb für die Oberbegriffe „Stromverteiler“, „Kabelbrücken“, „Ladestationen für Elektrofahrzeuge“, „Industrieleitungen“, „Leitungsroller“ und „Transformatoren“ sowie „technische Leuchten“ anzunehmen, nicht jedoch für die weiten Oberbegriffe „Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität“ und „Beleuchtungs-, Heizungs-, Dampferzeugungs-, Koch-, Kühl-, Trocken-, Lüftungs- und Wasserleitungsgerät“.
Eine weitergehende Einschränkung auf die konkret angebotenen Produkte Unterflurverteiler, Wandverteiler, mobile Verteiler, Verteiler aus Gummi und Kunststoff, sowie Energiepoller, wie von der Klägerin beantragt, ist hingegen nicht vorzunehmen, da dies die Beklagte zu 1) zu stark in ihrer geschäftlichen Bewegungsfreiheit einschränken würde. Die Klage war insoweit abzuweisen.
7. Die in der Vergangenheit erfolgte, ebenfalls unstreitige Benutzung der angegriffenen Marken für „Trafowagen“ betrifft die inzwischen gelöschte Eintragung in Klasse 12 für „Fahrzeuge, Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser“ und wirkt sich auf die noch vorhandenen Eintragungen nicht rechtserhaltend aus.
IV. Der Klägerin steht der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagten gemäß §§ 683 S. 1, 670, 677 BGB in Höhe einer 1,5 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert vom 400.000,- Euro zzgl. Auslagenpauschale, mithin von 4.299,50 Euro, zu. Die Abmahnung der Klägerin vom 09.07.2018 (Anlage K 56) war nach dem oben Gesagten berechtigt und begründet. Die von der Klägerin angesetzte hälftige 1,5 Geschäftsgebühr ist ebenso wie der zugrunde gelegte Gegenstandswert in Höhe von EUR 400.000 nicht zu beanstanden. Die Abmahnkosten wurden von der Klägerin unstreitig bereits ausgeglichen. Der zuerkannte Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1 BGB.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
In den auf entsprechende gerichtliche Hinweise vorgenommenen Antragsumformulierungen in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2019 ist keine Teil-Antragsrücknahme zu sehen, denn insoweit ließ sich bereits der Begründung der ursprünglichen Klageanträge entnehmen, was angegriffen werden soll.
C. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 und 2 ZPO.


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