Europarecht

Voraussetzungen für die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bei Ansprüchen auf Gerätevergütung

Aktenzeichen  6 Sch 57/18 WG

Datum:
11.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 15050
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 707 Abs. 1, § 719 Abs. 1 S. 1, § 335 Abs. 1 Nr. 1
VGG § 92 Abs. 1 Nr. 2, § 128 Abs. 1 u. 2 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

Werden mit der Klage Ansprüche auf Gerätevergütung (§ 92 Abs. 1 Nr. 2 VGG) geltend gemacht, muss nur dann ein Verfahren vor der Schiedsstelle vorausgehen, wenn die Anwendbarkeit oder die Angemessenheit des Tarifs bestritten ist (§ 128 Abs. 2 Satz 1 VGG). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

6 Sch 57/18 WG 2020-01-30 Versäumnisurteil OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Senats vom 30.1.2020 – 6 Sch 57/18 WG – wird gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 2.440.000,- durch die Beklagte einstweilen eingestellt.
2. Der weitergehende Antrag der Beklagten vom 18.2.2020 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Gerätevergütung für CD- und DVD-Rohlinge in Anspruch. Sie stützt sich auf den mit dem Informationskreis AufnahmeMedien abgeschlossenen Gesamtvertrag (Anlage K 1), dem die Beklagte mit Erklärung vom 23.5.2018 beigetreten ist. Aufgrund der von der Beklagten erteilten Auskunft hat die Klägerin unter Berücksichtigung einer von der Beklagten geleisteten Zahlung einen Betrag in Höhe von € 4.072.884,65 in Rechnung gestellt, auf den die Beklagte einen Betrag in Höhe von € 1.949.908,20 gezahlt hat. Die Differenz bildet die Klagesumme.
Am 30.1.2020 erging gegen die Beklagte ein Versäumnisurteil, mit dem sie zur Zahlung von € 2.122.976,45 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.2018 verurteilt wurde. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gegen das ihr am 5.2.2020 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte am 18.2.2020 Einspruch eingelegt. Sie beantragt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung, hilfsweise mit Sicherheitsleistung. Sie ist der Auffassung, das Versäumnisurteil sei nicht in gesetzlicher Weise ergangen. Zwar sei der Klagevortrag schlüssig, wenn das Tatsachenvorbringen der Klägerin als wahr unterstellt werde. Unstreitig sei aber der Klage kein Schiedsstellenverfahren vorausgegangen, was von Amts wegen zu berücksichtigen sei, sodass kein Versäumnisurteil hätte ergehen dürfen. Jedenfalls hätte das Verfahren ausgesetzt werden müssen. Zudem sei der Senat gehalten gewesen, vorab über die im Schriftsatz vom 28.1.2020 gestellten Verfahrensanträge zu entscheiden, die außerhalb der mündlichen Verhandlung hätten gestellt werden können und entsprechend anhängig geworden seien. Insbesondere hätte die Verweisung an den zuständigen Kartellsenat erfolgen müssen.
Die Beklagte beantragt,
die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 30.1.2020 ohne Sicherheitsleistung einstweiligen einzustellen,
hilfsweise:
die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 30.1.2020 gegen eine angemessene Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen.
Die Klägerin tritt dem Antrag entgegen; insbesondere komme keine einstweilige Einstellung ohne Sicherheitsleistung in Betracht (Schriftsatz vom 9.3.2020).
II.
Gemäß § 719 Abs. 1 Satz 1, § 707 Abs. 1 ZPO kann im Falle des Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil die Zwangsvollstreckung einstweilen bis zur Entscheidung über den Einspruch eingestellt werden, wobei eine Einstellung ohne Sicherheitsleistung nur in Betracht kommt, wenn das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist (§ 719 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 ZPO). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, sodass nur eine einstweilige Einstellung gegen Sicherheitsleistung anzuordnen war. Das Versäumnisurteil ist aufgrund des schlüssigen Tatsachenvortrags der Klagepartei ergangen. Die Klage war nicht wegen eines fehlenden Schiedsstellenverfahrens als unzulässig abzuweisen (§ 128 Abs. 1 VGG). Ebenso wenig bestand Veranlassung, das Verfahren auszusetzen (§ 128 Abs. 2 Satz 2 VGG). Auch bestand keine Veranlassung, vorab über die im Schriftsatz der Beklagten vom 28.1.2020 gestellten Verfahrensanträge zu entscheiden.
1. Der Klage steht nicht das von Amts wegen (§ 335 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) zu berücksichtigende Erfordernis des Schiedsstellenverfahrens (§ 128 Abs. 1 VGG) entgegen. Nach dieser Bestimmung ist die Erhebung der Klage erst zulässig, wenn ein Verfahren vor der Schiedsstelle vorausgegangen ist. Werden mit der Klage – wie hier – Ansprüche auf Gerätevergütung (§ 92 Abs. 1 Nr. 2 VGG) geltend gemacht, gilt dies jedoch nur dann, wenn die Anwendbarkeit oder die Angemessenheit des Tarifs bestritten ist (§ 128 Abs. 2 Satz 1 VGG). Die Anwendbarkeit oder die Angemessenheit eines Tarifs steht nicht in Streit. Gegenstand der Klage ist, wie unter I. ausgeführt, ein auf den Gesamtvertrag gestützter vertraglicher Anspruch.
2. Der Senat war nicht verpflichtet, vorab über die im Schriftsatz vom 28.1.2020 (Seite 3 f.) gestellten Verfahrensanträge zu entscheiden. Ist die beklagte Partei im Termin zur mündlichen Verhandlung säumig, so hat auf Antrag des Klägers ein Versäumnisurteil zu ergehen, wenn der als zugestanden zu behandelnde Tatsachenvortrag die Klage rechtfertigt. Der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils kann nur in den Fällen des § 335 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden bzw. kann die Klage nur dann als unzulässig abgewiesen werden, wenn es an einer von Amts zu berücksichtigenden Prozessvoraussetzung fehlt. Inwiefern diese Voraussetzungen vorlagen, ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten nicht, noch ist dies sonst ersichtlich. Soweit die Beklagte u.a. die Zuständigkeit des Senats in Frage stellt, wird dies mit den vorgebrachten kartellrechtlichen Einwendungen begründet. Dieses Vorbringen hatte der Senat im Hinblick auf die Säumnis der Beklagte jedoch nicht zu berücksichtigen.
3. Die zu erbringende Sicherheitsleistung bemisst der Senat nach dem Hauptsachebetrag und den bis zur Entscheidung über den Einspruch voraussichtlich anfallenden Zinsen (1 Jahr 9 Monate).


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