Europarecht

Wettbewerbsrechtliche und markenrechtliche Auseinandersetzung um die Nutzung der Marke “Butterfinger” für einen Schokoriegel

Aktenzeichen  33 O 12734/19

Datum:
1.6.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 4 Nr. 3 lit. a, Nr. 4
LMIV Art. 8 Abs. 1, Art. 39 Abs. 1 lit. b
MarkenG § 26 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Zur Frage der unlauteren Nachahmung eines Schokoriegels mit der Bezeichnung “Butterfinger” in einem bestimmten Verpackungsdesign. (Rn. 35 – 51) (redaktioneller Leitsatz)
2. Benutzungshandlungen, durch die lauterkeitsrechtliche Vorschriften verletzt werden, sind bei der Frage der rechtserhaltenden Benutzung im Sinne des § 26 Abs. 1 MarkenG dennoch zu berücksichtigen. (Rn. 74) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine bösgläubige Markenanmeldung liegt nicht vor, wenn diese am Tag des Auslaufens einer älteren Marke angemeldet wird und dem Anmelder positiv bekannt ist, dass der ursprüngliche Markeninhaber einen Vertrieb des ursprünglich angebotenen Produkts in Deutschland nicht mehr beabsichtigt. (Rn. 83) (redaktioneller Leitsatz)
4. Wird der Name des Lebensmittelunternehmens nicht vollständig zutreffend angegeben, liegt dennoch kein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 LMIV vor, wenn eine Kontaktaufnahme mit dem Lebensmittelhersteller ohne weiteres möglich ist. (Rn. 91) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die beim DPMA eingetragene Wortmarke DE 30 2010 056 026 „Butterfinger“ wird für folgende Waren für verfallen erklärt:
Klasse 29: „süße Snackgerichte, jeweils im Wesentlichen bestehend aus Milch und/oder Buttermilch, Sauermilch, Joghurt, Quark, Sahne, Milchpulver, Eiern, zubereiteten Früchten, Fruchtzubereitungen unter Zusatz von Gewürzen und/oder anderen geschmacksgebenden Zutaten“
sowie
Klasse 30: „Kakao und Kakaoerzeugnisse; Zucker; Mehl, Erzeugnisse aus Getreide und/oder Reis und/oder Mehl für die menschliche Ernährung; feine Backwaren, insbesondere Kekse, Waffeln, Biskuits, Kuchen und Plätzchen; Zucker, Getreide oder Getreidezubereitungen, Teigwaren, feinen Backwaren, Brot, Brötchen“
II. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen am jeweiligen Geschäftsführer, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland einen Schokoladenriegel anzubieten, zu bewerben, zu verkaufen und/oder in den Verkehr zu bringen, wenn dieser verpackt ist wie nachstehend eingeblendet:
 
III. Die Beklagte wird verurteilt, den in Ziff. II beschriebenen Schokoladenriegel zurückzurufen und endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen.
IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus Handlungen gem. Ziff. II entstanden ist oder künftig entstehen wird.
V. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin schriftlich Auskunft über Herkunft und Vertriebsweg des in Ziff. II bezeichneten Schokoladenriegels zu erteilen, nämlich Angaben zu machen über
1. Namen und Anschriften der Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
2. über die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie
3. über die Preise, die für die Erzeugnisse bezahlt wurden.
VI. Die Beklagte wird verurteilt, schriftlich gegenüber der Klägerin Auskunft zu erteilen über Art und Umfang von Handlungen gem. Ziff. II und zwar durch Vorlage eines nach Kalendervierteljahren aufgegliederten Verzeichnisses, aus dem sich folgende Informationen ergeben:
1. die erzielten Umsätze,
2. die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und
3. Art und Umfang der betriebenen Werbung, gegliedert nach Werbeträger, Auflagenzahl, Erscheinungszeit und Verbreitungsgebiet.
VII. Die Beklagte wird verurteilt, von ihr im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland angebotene, beworbene, verkaufte und/oder in den Verkehr gebrachte Schokoladenriegel zurückzurufen und endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen, wenn bei der Nährwertdeklaration eines solchen Schokoladenriegels ein Kohlenhydratanteil von 72,2 g je 100 g und/oder ein Eiweißanteil von 5,6 g je 100 g angegeben wird, sofern das Produkt tatsächlich einen Kohlenhydratanteil von weniger als 64,2 g je 100 g und/oder einen Eiweißanteil von mehr als 7,64 g je 100 g hat
VIII. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin schriftlich Auskunft über Herkunft und Vertriebsweg des in Ziff. VII bezeichneten Schokoladenriegels zu erteilen, nämlich Angaben zu machen über
1. Namen und Anschriften der Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
2. über die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie
3. über die Preise, die für die Erzeugnisse bezahlt wurden.
IX. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
X. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 3/5 und die Beklagte 2/5.
XI. Das Urteil ist in Ziffer II. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000 Euro, in Ziffern III., V., VI., VII. und VIII gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 25.000 Euro und im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
A. Die Klageerweiterungen sind analog § 263 ZPO zulässig, weil sie sachdienlich sind. Sachdienlichkeit nach Maßgabe des § 263 ZPO liegt dann vor, wenn der bisherige Streitstoff eine verwertbare Entscheidungsgrundlage bildet und die Zulassung der Änderung die endgültige Beilegung des Rechtsstreits fördert und einen neuen Prozess vermeidet (BGHZ 1, 65, 71; BGH NJW 2000, 800, 803). Dies ist der Fall. Die nachträglich erhobenen lauterkeitsrechtlichen Ansprüche beziehen sich auf ein Produkt, mit dem die Beklagte die rechtserhaltende Benutzung einer angegriffenen Bezeichnung nachzuweisen sucht. Zwischen beiden sich gegenüberstehenden Lebenssachverhalten besteht somit zumindest ein innerer Zusammenhang. Auch Gründe der Prozessökonomie gebieten vorliegend die Zulassung der Klageerweiterung, zumal ein weiterer Prozess dadurch vermieden wird.
B. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts folgt sachlich aus § 140 Abs. 1 MarkenG, 13 Abs. 1 UWG a.F., §§ 104 Abs. 1 UrhG, §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG. Die örtliche Zuständigkeit, die die Beklagte auch in Bezug auf die Klageansprüche Ziff. IV. – VII. nicht mehr in Frage stellt (Bl. 267 d.A.), folgt aus § 96 Abs. 2 S. 1 MarkenG, § 14 Abs. 2 UWG a.F., § 39 S. 1 ZPO.
C. Die Klage ist begründet, soweit sie sich gegen Anbieten, Bewerben, Vertreiben und Inverkehrbringen des mit Anlage B 13 vorgelegten „Butterfinger“-Riegels der Beklagten wendet (nachfolgend I. und II.). Die Klage ist ferner – allerdings nur teilweise – im Hinblick auf die im Zusammenhang mit unzutreffenden Nährwertangaben geltend gemachten Folgeansprüche begründet (nachfolgend III.). Die Klage ist auch teilweise begründet, soweit die Klägerin die Marke DE 30 2010 056 026 „Butterfinger“ wegen Verfalls angreift (nachfolgend IV.). Darüber hinaus ist die Klage unbegründet, weil der Klägerin weder weitergehende markenrechtliche noch lauterkeits- oder deliktsrechtliche Löschungsansprüche (nachfolgend V. und VI.) zustehen. Auch die nach Teilerledigterklärung noch rechtshängigen Folgeansprüche wegen behaupteter rechtswidriger Lebensmittelkennzeichnung bestehen nicht (nachfolgend VII.).
I. Der Klägerin steht der mit Klageantrag Ziffer IV. geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen des Vertriebs des Schokoladenriegels in dem beanstandeten Verpackungsdesign gem. § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 3 lit. a) und b) UWG zu.
1. Die Klägerin steht als Anbieterin von Süßwaren zur Beklagten in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis, ist also Mitbewerberin gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG und damit zur Geltendmachung von Ansprüchen aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz aktivlegitimiert (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG).
2. Angebot, Bewerbung, Verkauf und Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Schokoladenriegels durch die Beklagte erfüllen auch den Tatbestand einer geschäftlichen Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
3. Die angegriffenen Verhaltensweisen sind unlauter gem. § 4 Nr. 3 lit. a) und b) UWG.
a. Der Verpackung des „Butterfinger“-Riegels, wie sie von der Firma N. nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klageseite seit dem Jahr 2002 jedenfalls in den USA verwendet wurde, kommt wettbewerbliche Eigenart auch im Inland zu, und die Klägerin kann sich zur Begründung ihrer Ansprüche aus wettbewerblichem Leistungsschutz auch hierauf berufen
aa. Die Klägerin kann sich zunächst auf eine wettbewerbliche Eigenart der streitgegenständlichen Schokoladenriegelverpackung berufen. Zwar ist zur Geltendmachung von ergänzendem wettbewerblichem Leistungsschutz grundsätzlich nur der Hersteller des Originals, also derjenige, der das Produkt in eigener Verantwortung herstellt oder von einem Dritten herstellen lässt und über das Inverkehrbringen entscheidet, berechtigt; das wettbewerbsrechtlich geschützte Leistungsergebnis ist nicht wie ein Immaterialgut übertragbar (BGH GRUR 2016, 730 Rn. 21 f. – Herrnhuter Stern). Im Falle von Produktionskontinuität, also dann, wenn ein anderer Hersteller die Produktion des Originalprodukts mit Zustimmung des ursprünglichen Herstellers übernimmt, kann aber der Nachfolger im Produktionsprozess an die Stelle des Herstellers treten und die Ansprüche aus § 4 Nr. 3 UWG in seiner Person neu entstehen (BGH GRUR 2016, 730 Rn. 22 f. – Herrnhuter Stern).
So liegt es hier. Die Klägerin hat vorliegend unbestritten vorgetragen, Gegenstand ihres Erwerbs von Teilen des Süßwarengeschäfts von der Firma N. seien auch Rechte am „Butterfinger“ gewesen und sie verpacke den nunmehr von ihr produzierten Riegel in einem leicht abgewandelten Tradedress, der sich aber an das Original der Firma N. aus dem Jahr 2002 anlehne.
bb. Dem hier streitgegenständlichen Design kommt aus der maßgeblichen Sicht der inländischen Verkehrskreise (Harte/Henning/Sambuc, UWG, 4. Auflage, § 4 Nr. 3 Rn. 92) wettbewerbliche Eigenart zu.
(1) Wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (vgl. nur BGH GRUR 2010, 80 Rn. 23 – LIKEaBIKE). Die wettbewerbliche Eigenart muss sich gerade aus den übernommenen Gestaltungsmerkmalen des Erzeugnisses ergeben. Es müssen also gerade die übernommenen Gestaltungsmerkmale geeignet sein, im Verkehr auf eine bestimmte betriebliche Herkunft oder auf die Besonderheit des jeweiligen Erzeugnisses hinzuweisen (BGH GRUR 2007, 795 Rn. 32 – Handtaschen). Das ist immer dann der Fall, wenn sich das Produkt – unabhängig von der Anzahl der Merkmale – von anderen Produkten im Marktumfeld so abhebt, dass der Verkehr es einem bestimmten Hersteller zuordnet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die wettbewerbliche Eigenart eines Erzeugnisses aus seinen ästhetischen Merkmalen (Formgestaltung; Design) ergeben kann (BGH GRUR 1985, 876 877 – Tchibo/Rolex I), wobei es weder auf Neuheit noch auf schöpferische Eigentümlichkeit der Gestaltung ankommt. Entscheidend ist auch nicht, dass die zur Gestaltung eines Produkts verwendeten Einzelmerkmale originell sind. Auch noch nicht bzw. nicht mehr auf dem deutschen Markt erhältlichen Produkten kann wettbewerbliche Eigenart i.S.v. § 4 Nr. 3 UWG zukommen (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 39. Auflage, § 4 Rn. 3.25).
(2) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Die vorliegende Verpackung zeichnet sich durch folgende prägende Gestaltungsmerkmale aus: (1) die gelbe Grundfarbe mit orangefarbenem Strichmuster des Designs, auf welcher der Schriftzug „Butterfinger“ in leicht kursiv gehaltener, azurblaue schattierter Schrift prägnant hervortritt, (2) der Werbeslogan „crispety, crunchety, peanut-buttery!“, der unterhalb des „Butterfinger“-Schriftzugs und dort mittig, also noch vor der Unterlänge des Buchstabens „g“ angeordnet ist und (3) der Produkthinweis „bar barra“, der rechtsbündig unter dem Schriftzug „Butterfinger“ angeordnet ist. Diese Gestaltungsmerkmale sind in ihrer Kombination geeignet, im Verkehr auf die betriebliche Herkunft des in Frage stehenden Schokoladenriegels hinzuweisen, zumal sich die Gestaltungsmerkmale in ihrer Gesamtheit erheblich vom Marktumfeld abheben. Dabei ist unerheblich, ob auf dem Markt allgemein vergleichbare Waren in einem gelb/blauen Verpackungsdesign vertrieben werden, da auch die Beklagte nicht darzulegen vermochte (vgl. Übersicht der Beklagten, Anlage B 21), dass vergleichbare Produkte die oben dargestellten Merkmale in Kombination aufweisen, also etwa auch einen markanten Werbeslogan unterhalb der Riegelbezeichnung sowie einen rechtsbündigen Produkthinweis beinhalten.
Das Verständnis der insoweit angesprochenen Verkehrskreise konnte die Kammer dabei selbst aus eigener Sachkunde feststellen, da ihre Mitglieder als Durchschnittsverbraucher und damit Erwerber und Konsumenten von Schokoladenwaren zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören (BGH GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft). Im vorliegenden Zusammenhang war zu sehen, dass zwar der „Butterfinger“-Riegel mit der relevanten Verpackung seit längerer Zeit allein im Ausland vertrieben wird. Indes bleiben dem inländischen Durchschnittsverbraucher auch Entwicklungen und Trends gerade in den USA selten verborgen. Dies hat seinen Grund darin, dass regelmäßig in den USA bekannte und erfolgreiche Produkte zeitverzögert auch in Europa und der Bundesrepublik Deutschland auf den Markt gebracht werden. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die USA bei den inländischen Durchschnittsverbrauchern nach wie vor ein beliebtes Urlaubsland sind und daher dort bekannte Produkte auch hierzulande geläufig sind.
b. Bei der angegriffenen Gestaltung der Beklagten handelt es sich aus der maßgeblichen Sicht des angesprochenen Verkehrs um eine offensichtliche Nachahmung der Verpackung der Firma N.:
Die angegriffene Ausführungsform übernimmt fast sämtliche prägenden Merkmale der Original-Verpackung auf nahezu identische Weise, wodurch ein Gesamteindruck hervorgerufen wird, der vom Original nicht zu unterscheiden ist. Ebenso wie die vormalige Herstellerin verwendet die Gestaltung der Beklagten einen azurblau gehaltenen „Butterfinger“-Schriftzug, der sich von einem gelben Hintergrund mit orangefarbenen Streifen abhebt. Auch bei der von der Beklagten verwendeten Gestaltung ist direkt unter dem Markenschriftzug ein Werbeslogan angeordnet, der auf die auf die englischsprachigen Adjektive „crispy“, „crunchy“ und „peanut-buttery“ zurückgreift. Der einzige Unterschied zur Gestaltung der Firma N. besteht darin, dass diese statt „crispy“ und „crunchy“ die Adjektive „crispety“ und „crunchety“ verwendete. Zudem enthält auch die angegriffene Gestaltung einen rechtsbündigen Produkthinweis, der sich vom Original nur in der Weise unterscheidet, dass es anstatt „bar barra“ „candy bar“ heißt.
c. Die Produktnachahmung ist auch unlauter, weil sie zum einen zu einer vermeidbaren Herkunftstäuschung führt (§ 4 Nr. 3 lit. a) UWG), und zum anderen die Wertschätzung des Original-Produkts der Firma N. unangemessen ausnutzt (§ 4 Nr. 3 lit. b) UWG).
(1) Eine Herkunftstäuschung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck gewinnen können, die Nachahmung stamme vom Hersteller des Originals oder einem mit ihm geschäftlich oder organisatorisch verbundenen Unternehmen (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 39. Aufl. 2021, UWG § 4 Rn. 342). Dies ist hier bereits aufgrund der nahezu identischen Produktgestaltung der Fall. Die angesprochenen inländischen Verkehrskreise werden, wenn sie auf das Produkt der Beklagten treffen, jedenfalls annehmen, der in den USA bekannte „Butterfinger“-Riegel, der auch hierzulande zumindest eine gewisse Bekanntheit erlangt hat (Verkehrsgutachten, Anlage K 81, siehe ferner oben C., I., 3., a., bb, (2)), werde fortan auch in Deutschland vertrieben. Die Herkunftstäuschung ist auch vermeidbar, denn gerade im Hinblick auf die konkrete Produktgestaltung hätten der Beklagten zahlreiche Alternativen zur Verfügung gestanden.
(2) Eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung (Rufausnutzung) liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise die Wertschätzung für das Original („guter Ruf“; „Image“), also die Vorstellung von der Güte oder Qualität, auf die Nachahmung übertragen (BGH GRUR 2010, 1125 Rn. 42 – Femur-Teil), also eine Rufübertragung oder ein Imagetransfer stattfindet. Dies ist bei einer Herkunftstäuschung – wie hier – regelmäßig der Fall (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 39. Aufl. 2021, UWG § 4 Rn. 3.53). Für das Vorliegen einer Rufausbeutung spricht zudem der Umstand, dass die Beklagte in der angegriffenen Gestaltung nahezu sämtliche prägenden Merkmale auf fast identische Weise übernimmt.
4. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hat die Beklagte nicht abgegeben.
II. Der Klägerin stehen wegen der unlauteren Nachahmung er Verpackung des „Butterfinger“-Riegels auch die mit den Klageanträgen Ziffern VII. – X. geltend gemachten Folgeansprüche auf Rückruf, Auskunft und Schadensersatzfeststellung weitestgehend zu.
1. Der mit Ziffer VII. verfolgte Rückrufanspruch hat seine Grundlage in § 8 Abs. 1 UWG. Nach der jüngeren höchstrichterlichen Rechtsprechung verpflichtet bereits der Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG grundsätzlich im Rahmen des Zumutbaren zur Beseitigung eines fortdauernden Störungszustandes, mithin auch zum Rückruf und zur Entfernung von rechtsverletzenden Produkten aus den Vertriebswegen (BGH GRUR 2018, 292 Rn. 19 – Produkte zur Wundversorgung). Die gleiche Rechtsfolge folgt im Übrigen aus dem in § 8 Abs. 1 UWG enthaltenen Beseitigungsanspruch. Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit des Rückrufs sind auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht ersichtlich. Dabei ist auch zu sehen, dass die Anforderungen an die Annahme einer Unverhältnismäßigkeit hoch sind, zumal es sich bei der Ausführung der Beklagten um eine sklavische Nachahmung der Original-Produktverpackung handelt.
2. Die Auskunftsansprüche haben ihre Grundlage in § 242 BGB. In Fällen des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes kommt grundsätzlich ein sog. selbständiger Auskunftsanspruch in Betracht, der – wie im Fall von Klageantrag Ziff. IX. – darauf gerichtet ist, einen Anspruch gegenüber einen Dritten durchzusetzen (BGH GRUR 1994, 630, 633 – Cartier-Armreif). Keine Auskunft kann die Klägerin aber hinsichtlich der Person des Herstellers und der Menge der hergestellten Waren verlangen, weil nicht die Unterlassung der Herstellung der Nachahmung verlangt werden kann (BGH GRUR 2016, 730 Rn. 75 – Herrnhuter Stern). Soweit der Auskunftsanspruch der Bezifferung eines möglichen Schadensersatzanspruchs dient – wie im Falle von Klageantrag Ziff. X. – hat er seine Grundlage als unselbständiger Auskunftsanspruch ebenfalls in § 242 BGB. Ein Schadenseintritt erscheint vorliegend aufgrund des Bestehens einer unlauteren Nachahmung auch hinreichend wahrscheinlich.
Der Einwand der Beklagten der Erfüllung der Auskunftspflicht greift vorliegend nicht durch. Die Beklagte will vorliegend Auskünfte nach ihrem eigenen Vortrag alleine in den Schriftsätzen vom 09.12.2019, S. 20 ff. und 26.06.2020, S. 9 ff sowie in den Anlagenkonvoluten B 16 und B 17 erteilt haben. Erklärungen, die im Prozess nicht zum Zwecke der Auskunftserteilung, sondern unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten abgegeben worden sind, stellen aber noch keine Erfüllung dar (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 39. Aufl. 2021, § 9 Rn. 4.32). Im Übrigen hat die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung einer geordneten Auskunft und muss diese sich nicht mit Teilauskünften zufriedengeben (Cepl/Voß/Haft, Prozesskommentar zum gewerblichen Rechtsschutz, 2. Auflage, § 888 Rn. 23).
3. Der Schadensersatzanspruch hat seine Grundlage in § 9 S. 1 UWG. Die Beklagte handelte in Person ihrer gesetzlichen Vertreter (§ 31 BGB analog) auch schuldhaft. Aufgrund der nahezu identischen Übernahme der Wesentlichen Gestaltungsmerkmale ist von vorsätzlichem Handeln auszugehen.
III. Der Klägerin stehen auch Rückruf- und teilweise Auskunftsansprüche im Hinblick auf die ursprünglich mit Klageantrag Ziff. VI. verfolgte Rechtsverletzung wegen fehlerhafter Nährwertangaben zu.
1. Die Klägerin hatte wegen der beanstandeten Nährwertangaben auf der Verpackung des Schokoladenriegels der Beklagten einen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 UWG i.V.m. § 3a UWG i.V.m. Art. 30 Abs. 1 lit. b) LMIV, weil die abgedruckten Angaben zum Kohlenhydrat- und Eiweißanteil nach den von beiden Seiten vorgelegten Analysen (K 72 und K 73 bzw. B 25) in signifikanter Weise von den tatsächlich enthaltenen Nährwerten abweichen. Aufgrund der von der Beklagten abgegebenen Unterlassungserklärung ist aber die Wiederholungsgefahr für den Unterlassungsanspruch entfallen.
a. Die Vorschrift des Art. 30 Abs. 1 lit b.) LMIV ist eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG (vgl. allgemein zu den Vorschriften der LMIV Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 39. Aufl. 2021, § 3 a Rn. 1.203).
b. Die Angabe eines Kohlenhydratanteils von 72,2 g je 100 g und eines Eiweißanteils von 5,6 g je 100 g auf den von der Beklagten vertriebenen Schokoladenriegeln führen im Ergebnis selbst dann zu einem Verstoß, wenn man als relevanten Maßstab die Werte der von der Beklagten vorgelegten Lebensmittelanalyse zugrunde legt.
aa. Nach Art. 30 Abs. 1 lit b) LMIV enthält die Nährwertdeklaration verpflichtende Angaben über die Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz. Der Fall der fehlerhaften Angabe steht dabei einer gänzlich fehlenden Nährwertangabe gleich.
bb. Die auf dem Schokoladenriegel angegebenen Anteile von Kohlenhydraten und Eiweiß sind jedoch selbst unter Berücksichtigung der gem. Art. 31 Abs. 4 S. 2 LMIV i.V.m. dem „Leitfaden in Bezug auf die Festlegung für zuständige Behörden – Kontrolle der Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften“, welchem allerdings keine formale rechtliche Verbindlichkeit zukommt, zulässigen Schwankungen unzutreffend.
In Bezug auf den Kohlenhydratanteil wird gemäß den Toleranzangaben des 3. Abschnitts des vorgenannten EU-Leitfadens bei einem Kohlenhydratanteil von mehr als 40 g je 100 g eine Abweichung von +/- 8 g je 100g für zulässig erachtet. Bei dem von der Beklagten angegebenen Wert von 72,2 g folgt daraus ein maximaler Toleranzrahmen von 64,2 bis 80,2 g je 100 g. Für einen Eiweißanteil von weniger als 10 g beträgt die zulässige Abweichung +/- 8 g je 100, wodurch sich ein maximaler Toleranzrahmen von 3,55 g bis 7,64 g je 100 g ergibt. Dieser Toleranzrahmen ist aber für den angegebenen Kohlenhydrat- und Eiweißanteil selbst auf Grundlage der von der Beklagten vorgelegten Analyse (Anlage B 25) nicht eingehalten worden. Nach den Ergebnissen der von der Beklagten in Auftrag gegebenen Lebensmittelanalyse beinhaltet der streitgegenständliche Butterfinger-Riegel einen Kohlenhydratanteil von lediglich 64,0 g je 100 g und einen Eiweißanteil von 9,3 g je 100 g. Beide Werte liegen damit außerhalb des noch tolerierbaren Bereichs.
2. Wegen des Vorliegens einer lauterkeitsrechtlich relevanten Rechtsverletzung besteht folglich zunächst der geltend gemachte Anspruch auf Rückruf (Klageantrag Ziff. XVI.) gem. § 8 Abs. 1 UWG. Gründe, die den Rückruf wie von der Klägerin beantragt als unverhältnismäßig erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich.
3. Der Klägerin steht auch in Teilen der mit Klageantrag Ziff. XVII. geltend gemachte Auskunftsanspruch aus § 242 zu, allerdings nicht, soweit sie Auskunft über den Hersteller der vertriebenen Produkte begehrt. Dies hat seinen Grund darin, dass die Vorschrift des § 30 Abs. 2 lit. b) LMIV als Produktkennzeichnungsvorschrift an den Vertrieb eines Lebensmittels, nicht aber an seine Herstellung anknüpft. Mit anderen Worten kann sich ein etwaiges Verbot – wie im Falle des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes – allenfalls auf das Inverkehrbringen und den Verkauf eines auf ein mit falschen Angaben versehenes Lebensmittel beziehen, nicht aber auf seine konkrete Herstellung. Folglich kann auch keine Auskunft über den Hersteller verlangt werden, weil gegen diesen keine entsprechenden Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden können.
4. Keinen Erfolg hat die Klage allerdings im Hinblick auf die weitergehend verfolgten Ansprüche auf Auskunft- und Schadensersatzfeststellung (Klageanträge Ziffern XVI. und XVIII.). Voraussetzung sowohl des vorbereitenden Auskunftsanspruchs aus § 242 als auch des Schadensersatzfeststellungsanspruchs (§ 9 S. 1 UWG) ist das Bestehen einer Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts (vgl. BGH GRUR 2001, 849, 851 – Remailing-Angebot). Eine solche Wahrscheinlichkeit sieht die Kammer trotz Vorliegens einer Rechtsverletzung nicht und wurde von der hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin auch nicht vorgetragen, zumal die vorliegenden Nährwertangaben nur geringfügig außerhalb der zugestandenen Toleranzschwelle liegen.
IV. Die angegriffene Marke DE 30 2010 056 026 „Butterfinger“ war teilweise wegen fehlender rechtserhaltender Benutzung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gem. §§ 55 Abs. 1, 49 Abs. 1 MarkenG für verfallen zu erklären, weil der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten (vgl. nun BGH GRUR 2021, 736 Rn. 22 – STELLA im Anschluss an EuGH GRUR 2020, 1301 – Ferrari/DU [testarossa]) der Nachweis einer rechtserhaltenden Benutzung nicht gelungen ist. Soweit die Klägerin zusätzlich Löschung des Zeichens auf lauterkeitsrechtlicher Grundlage begehrt, blieb die Klage mangels Bestehens eines entsprechenden Anspruchs ohne Erfolg.
1. Nach § 49 Abs. 1 S. 1 MarkenG wird die Eintragung einer Marke auf Antrag wegen Verfalls gelöscht, wenn die Marke nach dem Tag der Eintragung innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nicht gem. § 26 MarkenG benutzt worden ist.
Eine rechtserhaltende Benutzung im Sinne von § 26 MarkenG setzt voraus, dass die Marke für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, im Inland ernsthaft benutzt worden ist. Die Benutzung der für Waren oder Dienstleistungen eingetragenen Marke wirkt nur dann rechtserhaltend, wenn die Verwendung der Hauptfunktion der Marke entspricht, dem Verkehr die Ursprungsidentität der Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden. Hierzu ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Marke in üblicher und wirtschaftlich sinnvoller Weise für die Ware oder Dienstleistung verwendet wird, für die sie eingetragen ist (vgl. EuGH GRUR 2003, 425 – Ansul/Ajax; BGH GRUR 2009, 60 – LOTTOCARD). Ernsthaft ist die Benutzung einer Marke mithin dann, wenn sie verwendet wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen und zu sichern. Ausgeschlossen sind die Fälle, in denen die Marke nur symbolisch benutzt wird, um die durch sie begründeten Rechte zu wahren. Die Ernsthaftigkeit der Benutzung der Marke ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu beurteilen, durch die die wirtschaftliche Verwertung der Marke im Geschäftsverkehr belegt werden kann. Dazu rechnen insbesondere der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke. Die Frage, ob eine Benutzung mengenmäßig ausreichend ist, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder hinzuzugewinnen, hängt somit von mehreren Faktoren und einer Einzelfallbeurteilung ab (vgl. EuGH GRUR 2003, 425 – Ansul/Ajax; BGH GRUR 2013, 925 – VOODOO; EuGH GRUR 2020, 1301 Rn. 33. – Ferrari/DU [testarossa]).
2. Die Beklagte hat vorliegend allein Benutzungshandlungen vorgetragen und durch Unterlagen belegt, die sich auf den Verkauf des streitgegenständlichen Schokoladenriegels (Anlage B 13), importierte „Butterfinger“-Cups, wobei es sich dem äußeren Eindruck nach um eine Art Cupcake oder Muffin handelt, und die Bewerbung eines Erdnussbutter-Likörs beziehen.
Keine spezifischen Benutzungsnachweise hat die Beklagte indes vorgelegt mit Blick auf die im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung gem. vorgelegtem Registerauszug Anlage K 87b ebenfalls noch geschützten Waren „süße Snackgerichte, jeweils im Wesentlichen bestehend aus Milch und/oder Buttermilch, Sauermilch, Joghurt, Quark, Sahne, Milchpulver, Eiern, zubereiteten Früchten, Fruchtzubereitungen unter Zusatz von Gewürzen und/oder anderen geschmacksgebenden Zutaten“ sowie „Kakao und Kakaoerzeugnisse; Zucker; Mehl, Erzeugnisse aus Getreide und/oder Reis und/oder Mehl für die menschliche Ernährung; feine Backwaren, insbesondere Kekse, Waffeln, Biskuits, Kuchen und Plätzchen; Zucker, Getreide oder Getreidezubereitungen, Teigwaren, feinen Backwaren, Brot, Brötchen“.
a. Nach § 26 Abs. 1 MarkenG muss eine Marke grundsätzlich für die Waren und Dienstleistungen benutzt werden, für die sie eingetragen ist. Eine Benutzung für lediglich ähnliche Waren ist irrelevant (Ströbele/Hacker/Thiering/Ströbele, MarkenG, 13. Aufl. 2021, § 26 Rn. 287). Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Benutzung für eine bestimmte Ware als Benutzung nur für diese Einzelware bzw. -leistung oder auch für weitere Waren bzw. Dienstleistungen, insbesondere für im Waren-/Dienstleistungsverzeichnis enthaltene Oberbegriffe gilt. Nach der Rechtsprechung sind neben der konkret benutzten Ware/Dienstleistung lediglich solche Waren oder Dienstleistungen zu berücksichtigen, die dem gleichen Bereich zugerechnet werden (BGH GRUR 2009, 60 Rn. 32 f. – LOTTOCARD; BGH GRUR 2015, 685 Rn. 39 – STAYER). Bei sehr weiten, breit gefächerten und verschiedene selbständige Untergruppen umfassenden Oberbegriffen im Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen müssen danach grundsätzlich innerhalb des Oberbegriffs Untergruppen festgestellt werden, für die eine Anerkennung der Benutzung angemessen und gerechtfertigt erscheint (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Ströbele, MarkenG, 13. Auflage 2021, § 26 Rn. 311).
b. Die vorgetragenen Benutzungshandlungen vermögen danach eine Benutzung für die Waren „süße Snackgerichte, jeweils im Wesentlichen bestehend aus Milch und/oder Buttermilch, Sauermilch, Joghurt, Quark, Sahne, Milchpulver, Eiern, zubereiteten Früchten, Fruchtzubereitungen unter Zusatz von Gewürzen und/oder anderen geschmacksgebenden Zutaten“ sowie „Kakao und Kakaoerzeugnisse; Zucker; Mehl, Erzeugnisse aus Getreide und/oder Reis und/oder Mehl für die menschliche Ernährung; feine Backwaren, insbesondere Kekse, Waffeln, Biskuits, Kuchen und Plätzchen; Zucker, Getreide oder Getreidezubereitungen, Teigwaren, feinen Backwaren, Brot, Brötchen“ nicht zu belegen. Bei den beanspruchten Waren handelt es sich im Vergleich zu Schokoladenriegeln und Cupcakes um bestenfalls verwandte, wenn nicht in Teilen sogar wesensverschiedene Produkte, die nicht dem gleichen Bereich zuzuordnen sind, sondern allenfalls der allgemeinen Überkategorie „Süßwaren“ oder gar „Lebensmittel“ unterfallen. Allein der Umstand, dass eine Ware, für die markenrechtlicher Schutz beansprucht wird, in einem Produkt als mögliche Zutat enthalten ist, auf dem das Zeichen tatsächlich benutzt wird, reicht für die Annahme einer rechtserhaltenden Benutzung der in Frage stehenden Einzelware nicht aus. Der insoweit abweichenden Auffassung des Landgerichts Mannheim im dortigen Verfahren 22 O 4/19 (B 19, dort S. 13/14) schließt sich die Kammer nicht an.
3. Soweit die Beklagte mit dem Vertrieb des Schokoladenriegels unter dem Zeichen „Butterfinger“, wie aus Anlage K 13 ersichtlich, Benutzungshandlungen behauptet und durch aussagekräftige Unterlagen zur Überzeugung der Kammer auch nachweist, sind diese geeignet, eine rechtserhaltende Benutzung im maßgeblichen Zeitraum der letzten fünf Jahre vor Erhebung der vorliegenden Klage (vgl. BGH GRUR 2021, 736 Rn. 12 – STELLA) für die beanspruchten Waren „Schokolade, Schokoladenwaren; nichtmedizinische Konditorwaren und Zuckerwaren“zu belegen. Somit kann dahinstehen, ob der Vertrieb der importierten Butterfinger-Cups der Firma N. ebenfalls zum Rechtserhalt geeignet ist.
a. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die behaupteten Benutzungshandlungen, nämlich der Vertrieb des mit Anlage B 13 vorgelegten Schokoladenriegels, sei unbeachtlich, weil die Beklagte dadurch lauterkeitsrechtliche Vorschriften verletze, mithin nicht rechtmäßig handele. Auf die Rechtmäßigkeit einer Benutzung kommt es bei der Frage nach dem Rechtserhalt einer eingetragenen Marke nicht an. Denn Sinn und Zweck der Vorschriften über den Verfall einer Marke (§§ 26, 49, 53 ff. MarkenG) bestehen in erster Linie in dem Allgemeininteresse, die Gesamtzahl der eingetragenen Marken, welche ihren Zweck tatsächlich nicht mehr erfüllen, zu verringern (Ströbele/Hacker/Thiering/Thiering, MarkenG, 13. Aufl. 2021 § 55 Rn. 28). Maßgeblich kann demnach allein eine tatsächliche Betrachtung, nicht aber eine rechtliche Bewertung der vorgetragenen Benutzungssachverhalte außerhalb der insoweit geltenden markenrechtlichen Kategorien sein. Wird eine Marke ernsthaft benutzt, liegt eine rechtserhaltende Benutzung folglich auch dann vor, wenn die konkrete Art der Benutzung gegen lauterkeitsrechtliche Vorschriften verstößt (vgl. BGH GRUR 1978, 46, 47 – Doppelkamp; BGH GRUR 1979, 707, 708 – Haller I). Derartige Rechtsverletzungen lösen ggf. allein die jeweils normspezifische Sanktion aus, hindern aber nicht die Annahme einer ernsthaften Benutzung im Sinne des § 26 Marken (OLG München PharmR 2011, 231, 233 – Sallaki).
b. Ohne Erfolg stellt die Klägerin vorliegend die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit der zur Beurteilung stehenden Benutzungssachverhalte in Frage.
Die mit dem Anlagenkonvoluten B 16 und B 17 belegten Benutzungshandlungen, die mehrere Verkäufe von Butterfinger-Riegeln in einem Zeitraum von knapp einem Jahr betreffen, und die diesbezüglichen von der Beklagten behaupteten Umsätze von etwa 50.000 Euro sind von einem solchen Gewicht, dass nicht angenommen werden kann, es habe sich lediglich um eine symbolische Benutzung allein zur Wahrung der durch die Marke begründeten Rechte gehandelt. Zu sehen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Beklagte den von ihr vertriebenen Schokoladenriegel bereits vor dem offiziellen Verkaufsstart in ihrem Gesamtkatalog (Anlage B 2) aufgenommen und in zahlreichen Flyern (Anlagen B 14, B 15 und B 18) beworben hat. Es ist somit davon auszugehen, dass es der Beklagten mit der Benutzung für die Ware „Schokoladenriegel“ darum geht, einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern; das genügt für eine ernsthafte Benutzung, zumal die Ernsthaftigkeit der Benutzung nicht mit Blick auf die Rentabilität oder Schlüssigkeit der Geschäftsstrategie zu beurteilen ist (BGH, Beschluss vom 18.05.2017, I ZR 178/16 – Glückskäse = BeckRS).
c. Der vorstehende Verkauf eines Schokoladenriegels stellt deshalb zunächst eine Benutzung für die Waren „Schokolade, Schokoladenwaren“ dar. Wegen seiner Zusammensetzung kann er ferner unter den Begriff „nichtmedizinische Konditorwaren; Zuckerwaren“ gefasst werden.
4. Soweit die Klägerin der Marke den Einwand bösgläubiger Anmeldung entgegenhält und hilfsweise auf lauterkeitsrechtlicher Grundlage (§ 8 Abs. 1 i.V.m. § 4 Nr. 4 UWG) die Löschung der deutschen Wortmarke Nr. 30 2010 056 026 „Butterfinger“ begehrt, vermag ihr auch dies nicht zum Erfolg zu verhelfen.
a. Eine eingetragene Marke ist wegen gezielter Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG löschungsreif, wenn sie bösgläubig angemeldet wurde (zur Anwendbarkeit des lauterkeitsrechtlichen Löschungsanspruchs neben markenrechtlichen Tatbeständen vgl. nur BGH GRUR 2000, 1032, 1034 – EQUI 2000). Die Annahme einer bösgläubigen Markenanmeldung und damit einer wettbewerbswidrigen Behinderung erfordert aber das Vorliegen besonderer Umstände.
Solche besonderen Umstände können darin liegen, dass der Zeicheninhaber in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstands des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitzstands des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Kennzeichen hat eintragen lassen (vgl. BGH GRUR 2009, 780 Rn. 13 – Ivadal; BGH GRUR 2008, 917 Rn. 20 – EROS).
Sie können aber auch darin liegen, dass der Zeichenanmelder die mit der Eintragung des Zeichens kraft Markenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt (vgl. BGH GRUR 2008, 917 Rn. 20 – EROS; BGH GRUR 2008, 621 Rn. 21 – AKADEMIKS). Die Schwelle der als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmenden Behinderung ist allerdings erst überschritten, wenn das betreffende Verhalten bei objektiver Würdigung der Umstände auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht in erster Linie auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist. Soweit eine Benutzungsabsicht vorliegt, dient die Markenanmeldung grundsätzlich auch dem eigenen Produktabsatz. Die Absicht, die Marke zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einzusetzen, braucht jedoch nicht der einzige Beweggrund zu sein; vielmehr reicht es aus, wenn diese Absicht ein wesentliches Motiv ist. Daher ist die Annahme einer Unlauterkeit nicht allein durch den eigenen Benutzungswillen ausgeschlossen (vgl. BGH GRUR 2008, 917 Rn. 23 – EROS; BGH GRUR 2008, 621 Rn. 32 – AKADEMIKS).
Die Unlauterkeit ist dabei stets umfassend unter Berücksichtigung aller im Einzelfall erheblichen Faktoren zu beurteilen. Maßgeblich ist die Absicht des Anmelders zum Zeitpunkt der Anmeldung, die anhand der objektiven Umstände zu bestimmen ist. (vgl. BGH GRUR 2015, 1214 Rn. 58 – Goldbären; GRUR 2009, 780 Rn. 18 – Ivadal; EuGH GRUR 2009, 763 Rn. 37 ff., 53 – Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth). Es können aber auch vor oder nach der Markenanmeldung liegende Umstände von indizieller Bedeutung für oder gegen eine zum Anmeldezeitpunkt vorliegende Behinderungsabsicht sein (vgl. BGH GRUR 2016, 38 Rn. 14 – GLÜCKSPILZ).
b. Ausgehend hiervon stellt sich die Anmeldung des angegriffenen Zeichens DE 30 2010 056 026 „Butterfinger“ nicht als unlauter dar. Hiergegen spricht schon der Zeitpunkt der Anmeldung, der auf den Tag des Auslaufens einer älteren Marke der Firma N. GmbH fällt. In diesem Zeitpunkt war der Beklagten aufgrund vorangegangener Korrespondenz mit der Firma N. (Schreiben, Anlagen B 8 und B 9, Anlage K 70) positiv bekannt, dass diese jedenfalls in Deutschland (zum Territorialitätsgrundsatz vgl. nur BGH GRUR 2008, 621 – Akademiks, Rn. 21) keinen weiteren Verkauf ihres vorwiegend in den USA vertriebenen Schokoladenriegels unter dem Zeichen „Butterfinger“ beabsichtigte. Somit liegt in diesem Zeitpunkt die Annahme, der Beklagten wäre es nur um die unlautere Behinderung der geschäftlichen Aktivitäten der Firma N. gegangen, bereits im Ansatz fern. Etwas anderes folgt auch nicht aus der zwischen der Firma N. und der Beklagten bestehenden Unterlassungsverpflichtung (Unterlassungserklärung, Anlage K 71), weil diese naturgemäß nur so lange Bestand haben kann, als die Firma N. überhaupt über einen Markenschutz im maßgeblichen Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verfügt (BGH GRUR 2014, 797 – fishtailparka). Auch der klägerseits behauptete Umstand, dass die Beklagte in der Vergangenheit solche Zeichen zur Eintragung gebracht hat, die sich an bekannte Marken anlehnen, vermag eine Bösgläubigkeit der Markenanmeldung nicht ohne Weiteres zu begründen.
V. Die Klage ist des Weiteren unbegründet, soweit die Klägerin Löschung der Marke DE 30 2016 004 335 „Butterfinger“ mit Schutz für „Bekleidungsstücke; alkoholfreie Getränke; Bier; alkoholische Getränke [ausgenommen Biere]“ (Registerauszug, Anlage K 35) begehrt. Der Klägerin steht auf Grundlage der unter IV., 4., a. dargestellten Voraussetzungen kein Löschungsanspruch gem. § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 4 UWG wegen gezielter Behinderung zu. Die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Behinderung aufgrund Anmeldung einer Sperrmarke kommt nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl. BGH GRUR 2009, 780 Rn. 13 – Ivadal) bereits deshalb nicht in Betracht, weil es an der Ähnlichkeit der von der Marke geschützten Waren und denjenigen Waren, für die der Vorbenutzer einen schutzwürdigen Besitzstand im Ausland geltend macht fehlt. Es sind keine Anhaltspunkte dahingehend ersichtlich, dass die Klägerin überhaupt andere Waren als Süßwaren in Form von Schokoladenriegeln oder Cupcakes unter dem Zeichen „Butterfinger“ im Ausland verkaufen würde. Diese Waren sind aber im Vergleich zu den von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren bereits ihrer Art nach verschieden (BGH GRUR 2014, 488 – DESPERADOS/DESPERADO). Gegen die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Behinderungsabsicht spricht auch, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Anmeldung im Jahr 2016 keine Kenntnis davon haben konnte, dass die hiesige Klägerin aufgrund des Erwerbs von Teilen des Süßwarengeschäfts der Firma N. in den USA erwägen könnte, einen Schokoladenriegel unter dem Zeichen „Butterfinger“ auch wieder in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreiben. Bereits nach dem eigenen Vortrag der Klägerin fand der Erwerb von N. erst im Januar 2018 und damit knapp zwei Jahre nach der Markenanmeldung durch die Beklagte am 16.02.2016 statt. Diese Gesichtspunkte sprechen auch entscheidend gegen die Annahme, die Beklagte habe die angegriffene Marke allein zu Spekulationszwecken erworben (vgl. BGH GRUR 2001, 242, 244 – Classe E).
VI. Der Klägerin steht wegen der Anmeldung der Marke DE 30 2018 005 898 „Baby Ruth“ kein Löschungsanspruch zu. Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 4 UWG, weil der Tatbestand der gezielten Behinderung nicht erfüllt ist.
1. In diesem Zusammenhang ist dabei zunächst von dem Grundsatz auszugehen, dass es wegen des im Markenrecht geltenden Territorialitätsgrundsatzes im Allgemeinen rechtlich unbedenklich ist, wenn im Inland ein Zeichen als Marke in Kenntnis des Umstands angemeldet wird, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbar ähnliches Zeichen im Ausland als Marke für gleichartige oder sogar identische Waren benutzt. Nur wenn zur Kenntnis von der Benutzung besondere Umstände hinzutreten, die das Verhalten des Anmelders als wettbewerbswidrig erscheinen lassen, steht der markenrechtliche Territorialitätsgrundsatz der Anwendung des UWG nicht entgegen (BGH GRUR 2008, 621 Rn. 21 – AKADEMIKS).
2. Solche besonderen Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich. Die Klägerin kann sich insbesondere nicht auf einen schutzwürdigen Besitzstand an dem Zeichen „Baby Ruth“ berufen. Die Klägerin hat das Zeichen „Baby Ruth“ im Inland unstreitig zu keiner Zeit selbst benutzt. Ein schutzwürdiger Besitzstand besteht auch nach Überzeugung der erkennenden Kammer nicht aufgrund einer überragenden Verkehrsgeltung im Ausland. Die Klägerin hat zwar vorliegend mit den Anlagen K 63 – K 69 Unterlagen vorgelegt, die den Schluss auf eine gewisse Bekanntheit des Schokoladenriegels „Baby Ruth“ im Ausland zulassen. Dass das Zeichen bei einem Großteil der in den USA angesprochenen Verkehrskreise bekannt wäre, ist den Unterlagen indes nicht zu entnehmen.
Allein der Umstand, dass das Zeichen am 11.03.2018 und damit etwa zwei Monate nach Bekanntwerden des Erwerbs des Süßwarengeschäfts von der Firma N. durch die Klägerin erfolgte, rechtfertigt die Annahme einer Behinderungsabsicht nicht, zumal auch aus den von der Klägerin vorgelegten Pressemitteilungen (Anlage K 1) und der vorgelegten Berichterstattung (Anlagen K 2 und K 3) nicht ersichtlich ist, dass mit dem Erwerb des US-Süßwarengeschäfts gleichzeitig die strategische Absicht einhergegangen wäre, das Zeichen „Baby Ruth“ auch außerhalb der USA zu platzieren. Die einschlägige Berichterstattung bezieht sich vielmehr ausschließlich auf den Erwerb des US-Süßwarengeschäfts.
Wie im Falle der Marke DE 30 2016 004 335 „Butterfinger“ fehlt es zudem auch im vorliegenden Zusammenhang jedenfalls teilweise an der für die Annahme einer Behinderungsabsicht grundlegend erforderlichen Warenähnlichkeit. Auch in Bezug auf das Zeichen „Baby Ruth“ sind keine Anhaltspunkte dahingehend ersichtlich, dass die Klägerin überhaupt andere Waren als Süßwaren im Ausland verkaufen würde. Das angegriffene Zeichen beansprucht aber auch Schutz für „süße Fertiggerichte jeweils im Wesentlichen bestehend aus Milch und/oder Buttermilch, Sauermilch, Joghurt, Quark, Sahne, Milchpulver, Eiern, zubereiteten Früchten, Fruchtzubereitungen und alkoholische Getränke [ausgenommen Biere]“ Die sich insoweit gegenüberstehenden Waren sind aber bereits ihrer Art nach verschieden (BGH GRUR 2014, 488 – DESPERADOS/DESPERADO).
VII. Der Klägerin steht ferner kein Anspruch wegen der auf dem Schokoladenriegel Anlage B 13 abgedruckten Angaben zum Lebensmittelunternehmer zu, und zwar weder aus §§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, 3a UWG i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. h) LMIV noch aus §§ 8 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG, weshalb die noch rechtshängigen Folgeansprüche nicht bestehen.
1. Die vorliegend angegriffene Angabe
„Ü. GmbH
6… B.
Tel. 0…-9…
www.b…info“
führt zu keinem Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 lit. h) LMIV. Nach dieser Vorschrift sind die Angabe des Namens oder der Firma und die Anschrift des Lebensmittelunternehmers nach Artikel 8 Absatz 1 LMIV verpflichtend. Grundsätzlich ist bei der Frage des Namens oder der Firma auf nationale Vorschriften, in diesem Fall also auf § 17 Abs. 1 HGB, abzustellen (Zipfel/Rathke LebensmittelR/Meisterernst, LMIV, 178. EL November 2020, Art. 9 Rn. 30. Danach firmiert die Beklagte zwar unter der Bezeichnung „Ü… G…-T… Vertriebsgesellschaft mbH“, weshalb die Angabe „Ü… GmbH“ den Namen der Firma nicht korrekt wiedergibt. Indes ist es vor dem Hintergrund des Sinn und Zwecks der Vorschrift, dem Verbraucher und der Lebensmittelüberwachung die hinreichend sichere Identifikation des Lebensmittelunternehmers zu ermöglichen, um mit diesem in Kontakt treten zu können, ausreichend, wenn die Identifikation in Kombination mit weiteren Angaben möglich ist. Dies ist hier der Fall, da jedenfalls der Ort, eine Internetseite und eine Telefonnummer angegeben sind. Vor diesem Hintergrund begegnet vorliegend auch der Verzicht auf die Angabe der genauen Adresse keinen durchgreifenden Bedenken. Grundsätzlich ist zwar nach überwiegender Auffassung vor dem Hintergrund des oben genannten Zwecks der Vorschrift eine vollständige Adressangabe mit Straße, Hausnummer und Postleitzahl notwendig. Im Einzelfall können aber auch unvollständige Angaben ausreichend sein, etwa bei Angaben ohne Straße und Hausnummer, wenn die Erreichbarkeit des Unternehmers gerechtfertigt ist, d.h. wenn an diese Post mit steter Regelmäßigkeit auch bei Fehlen der Straßenangabe zugestellt werden kann (Zipfel/Rathke LebensmittelR/Meisterernst, LMIV, 178. EL November 2020, Art. 9 Rn. 31; Voit/Grube/Grube, LMIV, 2. Auflage, Art. 9 Rdnr. 49; Streinz/Kraus/Kraus, Lebensmittelrechts-Handbuch, Stand: 41. EL Juli 2020, Kap. II Rdnr. 88a; Hasselblatt/Eggers, MAH Gewerblicher Rechtsschutz, 5. Auflage, § 33 Rdnr. 77). Dies ist hier der Fall. Bei der Ortschaft B… handelt es sich um eine kleine Gemeinde in Baden-Württemberg mit lediglich knapp 15.000 Einwohnern. Es ist deshalb davon auszugehen, dass Post an die Beklagte wie von ihr vorgetragen regelmäßig auch ohne genaue Adressangabe zugestellt werden kann.
2. In der angegriffenen Lebensmittelkennzeichnung liegt auch unabhängig von der genauen Herkunft des Schokoladenriegels keine Irreführung über die betriebliche Herkunft nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG. Denn die Kennzeichnung bezieht sich aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs, zu dem die Kammermitglieder als durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Verbraucher und zumindest potentielle Konsumenten derartiger Süßwaren gehören, allein auf den verantwortlichen Lebensmittelunternehmer als denjenigen, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel vermarktet wird (Art. 8 Abs. 1 LMIV), nicht aber auf den Hersteller des Riegels.
3. Weil im Zusammenhang mit der angegebenen Lebensmittelkennzeichnung schon keine Rechtsverletzung vorliegt, bestehen auch die mit Klageanträgen Ziffern. XI. – XIV. geltend gemachten Folgeansprüche auf Rückruf, Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung nicht.
VIII. Soweit die nachgereichten Schriftsätze der Klägerin vom 22.03.2021 und 26.03.2021 anderes als bloße Rechtsausführungen enthalten, waren sie gemäß § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 132 Rn. 4). Eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO hinsichtlich des neuen Vortrags war nicht geboten (vgl. auch BGH NJW 2000, 142 f. und Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 156 Rn. 4 und 5). Gleiches gilt für den Schriftsatz der Beklagten vom 25.03.2021.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 a, 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten der übereinstimmend für erledigt erklärten Klageanträge waren nach den Erfolgsaussichten der Hauptsache im Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereignisses zu verteilen. Danach trägt die Klägerin die Kosten des für erledigt erklärten Klageantrags Ziff. V., weil dieser bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung unbegründet war (vgl. oben Ziff. VII.), die Beklagte indes hat die Kosten des für erledigt erklärten Klageantrags Ziff. VI. zu tragen, weil insoweit im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit ein entsprechender Unterlassungsanspruch bestand (vgl. oben Ziff. III.). Soweit Erledigung in Ziff. I der Klage eingetreten ist, waren ebenfalls der Beklagten die Kosten aufzuerlegen, weil sie auch in diesem Verfahren unterlegen wäre. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 und 3 ZPO.


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