Europarecht

Widerruf der Apothekenbetriebserlaubnis wegen Unzuverlässigkeit

Aktenzeichen  Au 1 S 19.1849

Datum:
20.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2019, 31098
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3, Abs. 5
GG Art. 12 Abs. 1
ApoG § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 4 Abs. 2 S. 1, § 11b Abs. 2 S. 1, § 12a Abs. 1 S. 1
ApBetrO § 6 Abs. 1
AMG § 5 Abs. 1, § 8 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Betriebserlaubnis für eine Apotheke kann unter Anordnung des Sofortvollzugs widerrufen werden, wenn ein Betreiber unter desolaten hygienischen Verhältnissen Arzneimittel hergestellt und in den Verkehr gebracht hat, wobei zwei bedenkliche Arzneimittel verwendet wurden und die Arzneimittel zum Teil erheblich in ihrer Qualität gemindert bzw. irreführend bezeichnet waren. (Rn. 33 – 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen einen Bescheid des Landratsamts … vom 20. September 2019, mit dem unter Anordnung des Sofortvollzugs u.a. die Betriebserlaubnis für die von ihm betriebene Apotheke sowie die Erlaubnis zum Betrieb eines Versandhandels und elektronischen Handels mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln widerrufen wurde.
Er ist Apotheker und besitzt seit 31. Januar 2011 die Erlaubnis zum Betrieb der …-Apotheke in …
Am 18. Juli 2019 durchsuchte die Kriminalpolizeiinspektion … mit Unterstützung der Ermittlergruppe und Pharmazeuten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) im Auftrag der Staatsanwaltschaft … die Apotheke des Antragstellers sowie sein privates Wohnhaus in … u.a. wegen des Verdachts des vorsätzlichen Inverkehrbringens von Arzneimitteln ohne Zulassung bzw. Registrierung. Im Rahmen der Durchsuchung wurden im privaten Wohnhaus des Antragstellers Kellerräumlichkeiten entdeckt, die den zuständigen Behörden bisher nicht bekannt waren und dementsprechend auch nicht als Herstellungsräume für Arzneimittel oder Lebensmittel registriert und zugelassen waren.
Ausweislich der sich in der Behördenakte befindenden Lichtbilder sowie der Feststellungen des LGL befand sich auf der linken Seite im Kellerflur des Wohnhauses ein Bauernschrank, der den Durchgang zu weiteren Kellerräumen versperrte. Über die Doppelgarage konnte man auf der Rückwandseite über eine Tür auf der linken Seite in den Garten des Grundstücks gelangen. Rechts davon führte eine Treppe in weitere Kellerräume, die über das Treppenhaus des Wohnhauses aufgrund des vor die Verbindungstür geschobenen Bauernschranks nicht zugänglich waren. Bereits in dem Bereich der Doppelgarage wurde von den Durchsuchungspersonen ein intensiver, unangenehmer, süßlich-beißender Geruch wahrgenommen. Im Keller gelangte man zunächst ohne weitere Barriere in einen Flur, in dem zwei Regale standen, die mit zahlreichen diversen Kanistern und Flaschen mit medizinischen Extrakten und Flüssigkeiten gefüllt waren. Alle Behältnisse und Regalböden waren stark verstaubt und deutlich altverschmutzt. In einem der beiden Kellerräume befanden sich diverse weiße 5-10 l Eimer mit medizinischen Rohstoffen sowie weitere Behältnisse oder Drehtonnen mit medizinischen Rohstoffen. An der Rückwand dieses Kellerraums stand außerdem der Waffenschrank des Antragstellers. In einem Regal lagen zwei Packungen Schrotkugeln bzw. Platzpatronen, die nicht weiter gegen unbefugten Gebrauch gesichert waren. Auf dem Boden des Raumes stand ein großer Pappkarton mit leeren Gelatinekapseln. In dem zweiten Kellerraum fiel auf, dass der Boden von einer mehrere Millimeter dicken, klebrig braunen bis schwarzen, undefinierbaren Substanz überzogen war, an dem die Schuhsohlen und auch die Schuhüberzieher bei jedem Schritt deutlich festklebten. Nach einem längeren Stehenbleiben am selben Fleck führte der nächste Schritt unmittelbar zu einem Zerreißen der Schuhüberzieher. Insgesamt war dieser Raum von einem noch intensiveren, äußerst unangenehmen, süßlich-beißenden Geruch erfüllt. Auf und um alle raumhohen Regale und den dort lagernden Substanzen und Gerätschaften lag eine an verschiedenen Stellen mehrere Millimeter hohe klebrige Staubschicht. In diesem Raum stand ein stark verschmutzter Kühlschrank, der als Ablage für diverse Betäubungsmittel und andere Gegenstände diente. Die hier abgelegten Betäubungsmittel waren nicht weiter gegen unbefugten Gebrauch gesichert und wurden sichergestellt. Zudem befanden sich dort zwei weitere Tresore, in denen überwiegend Munition gelagert wurde. Darüber hinaus wurden in diesem Raum weitere medizinische Stoffe in beschrifteten Eimern, Büchsen, ehemaligen Keksdosen und anderen Behältnissen gelagert. Außerdem befanden sich dort zwei Werkbänke mit Abzügen, mindestens eine Kapselfüllmaschine, Fertigarzneimittel, Herstellungsutensilien, Folienbeutel, Etiketten, eine verschmutzte Waage, ein stark verschmutztes Sieb und ein stark verschmutzter Stößel. Bei der verschmutzten Waage war das Sichtfeld nur in einem kleinen Bereich notdürftig freigewischt.
Zu diesem Raum stellte das LGL fest, dass der Raum aus hygienischer Sicht in einem katastrophalen Zustand sei. Eine hygienisch einwandfreie Herstellung und Lagerung von Produkten jeglicher Art (Nahrungsergänzungsmittel oder Arzneimittel) könne in derartigen Räumlichkeiten nicht gewährleistet werden. Der Zustand der Räumlichkeiten sowie der Gerätschaften weise auf jahrelange erhebliche Reinigungs- und Desinfektionsdefizite hin. Die in diesem Raum hergestellten oder bevorrateten Produkte und Substanzen seien nicht verkehrsfähig.
Im Rahmen der weiteren Durchsuchung wurden in einer Garage des Antragstellers mindestens zwei Kartons mit Leerkapseln sowie ca. 72 Kartons mit blauen Verpackungsdosen (rund 18.000 Verpackungen) aufgefunden.
Mit Bescheid des Antragsgegners vom 23. August 2019 wurde dem Antragsteller das Inverkehrbringen sämtlicher selbst hergestellter Nahrungsergänzungsmittel und Arzneimittel sowie das Inverkehrbringen sämtlicher selbst hergestellter Lebensmittel als Lebensmittelunternehmer ohne die dafür erforderlichen behördlichen Zulassungen/Genehmigungen/Registrierungen mit sofortiger Wirkung untersagt. Weiter wurde ihm die Nutzung sämtlicher illegaler Räumlichkeiten, welche nicht von der betriebsbezogenen Apothekenzulassung vom 31. Januar 2011 erfasst sind, für den Apothekenbetrieb mit sofortiger Wirkung untersagt. Hinsichtlich dieser Verfügungen ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung an und drohte jeweils Zwangsgelder an. Hiergegen legte der Antragsteller kein Rechtsmittel ein, sodass der Bescheid vom 23. August 2019 bestandskräftig geworden ist.
Am 3. September 2019 veröffentlichte der Antragsgegner eine Warnung vor selbst hergestellten Produkten aus der …-Apotheke in … und warnte eindringlich vor der Einnahme der Arzneimittel „…“ und „…“, die aufgrund ihrer Zusammensetzung (fehlerhafte Dosierung der Inhaltsstoffe) als gesundheitlich bedenklich eingestuft würden. Der Antragsgegner wies weiter darauf hin, dass aufgrund der im Rahmen einer Überprüfung der Herstellungsbedingungen vorgefundenen Umstände auch bei anderen in der Apotheke selbst hergestellten Arzneimittel nicht zweifelsfrei gewährleistet sei, dass diese nicht bedenklich oder in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert seien. Vorsorglich sollte deshalb auch von der Einnahme anderer, in der Apotheke selbst hergestellter und abgegebener Arzneimittel abgesehen werden. Kunden würden gebeten, noch vorhandene, in der Apotheke selbst hergestellte Arzneimittel bei der nächstgelegenen Polizeidienststelle abzugeben. Über die Apotheke abgegebene Fertigarzneimittel anderer Anbieter seien von dieser Warnung ausdrücklich nicht betroffen.
Mit Bescheid des Antragsgegners vom 9. September 2019 wurde der Antragsteller verpflichtet, die Aushänge der erfolgten Warnung vom 3. September 2019 in der …-Apotheke in … zu dulden und die Warnung auf seiner Internetseite zu veröffentlichen (Ziffern 1 und 2). Darüber hinaus wurde er aufgefordert, sämtliche in nicht zugelassenen Apothekenräumlichkeiten hergestellten und in den Verkehr gebrachten Produkte unverzüglich von den Abnehmern zurückzurufen. Hierbei seien die Kunden darauf hinzuweisen, dass die Produkte bei den örtlichen Polizeidienststellen abzugeben seien (Ziffer 3). Hinsichtlich dieser Verfügungen ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung an und drohte jeweils Zwangsgelder an. Hiergegen legte der Antragsteller wiederum kein Rechtsmittel ein, sodass auch der Bescheid vom 9. September 2019 bestandskräftig geworden ist.
Nach erfolgter Anhörung, im Rahmen derer sich der Antragsteller nicht äußerte, widerrief der Antragsgegner mit Bescheid vom 20. September 2019 die dem Antragsteller erteilte Erlaubnis vom 31. Januar 2011 zum Betrieb der …-Apotheke in … (Ziffer 1). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Betriebserlaubnis innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheids an den Antragsgegner zurückzugeben, die Tätigkeit in der Apotheke einzustellen und diese zu schließen (Ziffer 2). Die Erlaubnis zum Betrieb eines Versandhandels und elektronischen Handels mit apothekenpflichtigen, auch verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in den Betriebsräumen der …-Apotheke in … wurde ebenfalls widerrufen (Ziffer 3) und der Antragsteller aufgefordert, die Versandhandelserlaubnis innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheids an den Antragsgegner zurückzugeben und die Tätigkeit einzustellen (Ziffer 4). In Ziffer 5 des Bescheids wurde die Genehmigung des Versorgungsvertrags vom 11. Dezember 2012 zwischen der …-Apotheke und der Gesellschaft „… GmbH“ zur Versorgung von Heimbewohnern des …zentrums … mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten widerrufen und der Antragsteller aufgefordert, den Genehmigungsbescheid an den Antragsgegner zurückzugeben, die Tätigkeit einzustellen und den Vertrag zu kündigen (Ziffer 6). Hinsichtlich der getroffenen Verfügungen ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung an (Ziffer 7) und drohte jeweils Zwangsgelder an (Ziffern 8.1 bis 8.6). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller aufgrund der Feststellungen und der schwerwiegenden Verstöße gegen das Gesetz über das Apothekenwesen, die Apothekenbetriebsordnung und das Arzneimittelgesetz nicht mehr die für den Betrieb einer Apotheke erforderliche Zuverlässigkeit besitze. Die Nutzung der Kellerräumlichkeiten im Privathaus des Antragstellers zu Apothekenzwecken sei dem Landratsamt nicht angezeigt worden. Zudem wäre eine Erweiterung der Betriebserlaubnis erforderlich gewesen. Die Räumlichkeiten im Keller sowie die dazugehörigen Waren und Gerätschaften seien aus hygienischer Sicht in einem katastrophalen Zustand gewesen. Eine hygienisch einwandfreie Herstellung von Produkten jeglicher Art könne in derartigen Räumlichkeiten nicht gewährleistet werden. Der Zustand der Räumlichkeiten und Gerätschaften weise auf jahrelang andauernde erhebliche Reinigungs- und Desinfektionsdefizite hin. Der Antragsteller hätte zudem das Inverkehrbringen von Nahrungsergänzungsmitteln als Hersteller oder Einführer beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit anzeigen müssen. Es sei weiter nachzuweisen, dass die Herstellung der Defekturarzneimittel nach den Vorgaben der Apothekenbetriebsordnung erfolgt sei. Die Produkte seien als nicht zugelassene Fertigarzneimittel zu beurteilen und demnach nicht verkehrsfähig. Außerdem seien weitere Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz festgestellt worden, die straf- und bußgeldbewährt seien. So habe der Antragsteller die Produkte „…“ und „…“ in den Verkehr gebracht, mit deren Einnahme Gesundheitsrisiken verbunden seien. Auch seien Arzneimittel in den Verkehr gebracht worden, die aufgrund der großen Abweichung des proklamierten Gehalts als nicht unerheblich qualitätsgemindert zu beurteilen seien. Bei dem Produkt „…“ liege hinsichtlich des deklarierten Kapselgewichts eine Abweichung von etwa 40% vor. Der Kapselinhalt sei mit 300 mg Gesamtgewicht angegeben worden. Jedoch hätten sich im Durchschnitt 418,025 mg darin befunden. Daher habe der Antragsteller Arzneimittel mit irreführenden Angaben in den Verkehr gebracht. Insgesamt sei die Gesundheit der Kunden des Antragstellers durch das Einnehmen der selbst hergestellten Arzneimittel, insbesondere durch die Produkte mit der Bezeichnung „…“ und „…“, gefährdet worden. In einer Gesamtschau biete das Verhalten des Antragstellers nicht die Gewähr, dass er zukünftig seinen Apothekenbetrieb ordnungsgemäß ausüben werde und dem Vertrauen entspreche, das einem Apotheker entgegengebracht werde. Es liege nicht nur ein einmaliges grobes Fehlverhalten vor, sondern mehrere selbstständige und andauernde beharrliche Verstöße. Es könne vorausgesetzt werden, dass dem Antragsteller als Apotheker die einschlägigen Vorschriften und die daraus resultierenden Pflichten bekannt gewesen seien und deswegen die Verstöße als besonders gröblich zu bewerten seien. Aufgrund der Art und Schwere der von ihm begangenen Verstöße sei die Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke zwingend zu widerrufen. Dass die Ermittlungen im Strafverfahren noch nicht abgeschlossen seien und eine strafrechtliche Verurteilung noch ausstehe, hindere das Landratsamt nicht, die im Rahmen der Durchsuchungen vorgefundenen Zustände und feststehenden Verstöße als strafrechtliche Verfehlung anzusehen, aus der sich seine Unzuverlässigkeit in Bezug auf das Betreiben einer Apotheke ergebe. Der Widerruf der Apothekenbetriebserlaubnis habe keinen Strafcharakter, sondern sei als Maßnahme zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung einzustufen. Da dem Antragsteller die Betriebserlaubnis widerrufen werde, könnten auch die Versandhandelserlaubnis und die Genehmigung des Versorgungsvertrags aufgrund der Akzessorietät keinen Bestand mehr haben. Die Verpflichtung zur Rückgabe der Bescheide stütze sich auf Art. 52 Satz 1 BayVwVfG. Es bestehe ein besonderes öffentliches Interesse an der Rückforderung, um die missbräuchliche Vorlage der Dokumente durch den Antragsteller zu verhindern. Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 bis 6 des Bescheids sei im öffentlichen Interesse anzuordnen gewesen. Die im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen vorgefundenen Tatsachen seien ausreichend, um einen hinreichenden Tatverdacht anzunehmen. Gleichzeitig seien diese so schwerwiegend, dass der Antragsteller als unzuverlässig einzustufen sei und ein weiterer Betrieb der Apotheke durch den Antragsteller zeitnah zu unterbinden sei. Die Unzuverlässigkeit in der Person des Antragstellers und die daraus bestehende Gefahr für den Gesundheits- und Verbraucherschutz duldeten keinen klagebedingten Aufschub der Vollziehung der mit diesem Bescheid getroffenen Entscheidungen. Das rein wirtschaftliche Interesse an der weiteren Ausübung der Tätigkeiten durch den Antragsteller müsse zurücktreten. Die drohende Gefahr eines Existenzverlustes werde erkannt, allerdings sei der Schutz der Allgemeinheit demgegenüber vorrangig. Das vom Antragsteller gezeigte Verhalten lasse aufgrund der Rechtsverstöße und der Geheimhaltung der Herstellung vor den Behörden eine kriminelle Energie erkennen. Aufgrund der Unzuverlässigkeit des Antragstellers müsse im Rahmen seines Apothekenbetriebs befürchtet werden, dass eine weitere Gefahr für die Gesundheit seiner Kunden bestehe, wenn er weiter Rezepturen etc. an diese abgebe. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 25. September 2019 zugestellt.
Gegen den Bescheid vom 20. September 2019 ließ der Antragsteller Klage erheben, über welche noch nicht entschieden ist (Au 1 K 19.1632). Vorliegend begehrt der Antragsteller mit seinem Antrag vom 30. Oktober 2019 einstweiligen Rechtsschutz. Zur Begründung ist ausgeführt, dass der zugrunde liegende Sachverhalt vom Antragsgegner zum Teil verzerrt dargestellt worden sei. Die Apotheke sei seit dem Erlass der Apothekenbetriebserlaubnis mehrfach kontrolliert worden. Bei all diesen Kontrollen hätte es keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Zuverlässigkeit des Antragstellers zu hinterfragen sei. Die räumlichen Verhältnisse in der Apotheke selbst seien äußerst beengt, sodass ein Lagern größerer Arzneimittelbestände und Arzneimittellieferungen nicht möglich sei. Ebenfalls sei ein Lagern abgelaufener oder zurückgegebener Medikamente aufgrund der angespannten räumlichen Situation in der Apotheke selbst nicht möglich. Mit seinen Ausführungen im Bescheid erwecke der Antragsgegner den Eindruck, als habe der Bauernschrank den Durchgang zu weiteren Kellerräumen verbergen, also geheim halten sollen. Tatsächlich sei es so, dass der Bauernschrank den Durchgang habe versperren sollen, damit ein Zugang in diese Räumlichkeiten von der Hausseite her nicht möglich sei. Es habe verhindert werden sollen, dass die Kinder des Antragstellers vom Haus aus in diesen Keller gelangen könnten. In die besagten Kellerräume gelange man über eine in der Doppelgarage befindliche Treppe. Die Garage verfüge über stets geschlossene Tore. Somit sei nicht konkret davon auszugehen, dass es zu einem Zugriff Dritter auf die Betäubungsmittel habe kommen können. Der Fliesenboden im Keller sei sauber gewesen, was deutlich dafür spreche, dass die Räumlichkeiten, die von dem Flur abzweigten, schon länger nicht mehr betreten worden seien. Andernfalls hätten sich auf dem hellen Fliesenboden sichtbare Fußspuren finden lassen müssen, die von der klebrigen Substanz herrührten, die den Boden in den weiteren Kellerräumlichkeiten bedecke. Die im Flur selbst befindlichen Regale und die in den Regalen befindlichen Behältnisse seien laut Bescheid stark verstaubt und deutlich altverschmutzt gewesen. Dies sei deshalb geschehen, weil die in den Regalen befindlichen Behältnisse und deren Inhalt schon seit Jahren nicht mehr in Verwendung gewesen seien und letztlich nur auf ihre Entsorgung warteten. Anzumerken sei dabei allerdings, dass sich der Antragsteller nur schwer von irgendwelchen Gegenständen trennen könne und auch dazu neige, eine Vielzahl von Anschaffungen des täglichen Lebens in großer Zahl zu tätigen. Bei den Betäubungsmitteln habe es sich um Medikamente gehandelt, die von den Heimbewohnern des …zentrums zurückgegeben worden seien. Auf den Verpackungen seien Etiketten mit den Patientendaten aufgeklebt. Die Betäubungsmittel seien in dem Keller gelagert worden, weil die räumliche Situation in der Apotheke eine Lagerung nicht zugelassen habe. Eine Entsorgung der Medikamente über die Restmülltonne der Apotheke sei zu keinem Zeitpunkt vorgenommen worden, weil es immer wieder vorkomme, dass Passanten am Leerungstag der Mülltonne einen Blick in die Tonne der Apotheke werfen. Daher habe der Antragsteller zurückgegebene Medikamente stets im privaten Keller gelagert und en bloc entsorgt. Die Werkbänke hätten über keine funktionierenden Abzüge verfügt. Sie seien, wie alles andere auch, abgestellt gewesen. Die Abzüge seien nicht angeschlossen gewesen. Somit werde zwar in dem Bescheid zum wiederholten Male der Anschein geschaffen, es habe eine Produktion in dem Keller stattgefunden. Tatsächlich habe es sich aber um einen Abstellraum gehandelt. Es sei ebenfalls nicht korrekt, dass sich in dem Raum zwei Kapselfüllmaschinen befunden hätten. Es handele sich um eine Kapselfüllmaschine für 300 Kapseln und um einen Kapselsortierer. Bei den Werkbänken, Abzügen, der Kapselfüllmaschine und dem Kapselsortierer handele es sich samt und sonders um Gerätschaften aus der alten Apotheke des Antragstellers, von denen sich dieser nicht habe trennen können. Diese seien aber tatsächlich schon seit Jahren nicht mehr in Gebrauch gewesen. Die Produktion sei vielmehr in der Apotheke erfolgt. Dort befänden sich bis heute zum Beispiel mehrere Kapselfüllmaschinen. In dem Raum hätten sich auch zwei Tiefkühltruhen für den privaten Gebrauch befunden. So erkläre sich auch das notdürftig frei gewischte Einwaagesichtfeld. Der Antragsteller habe diese Waage zum Wiegen des Gefriergutes verwendet, bevor er dieses in die Gefriertruhen gegeben habe. Richtig sei, dass in der Garage ca. 72 Kartons mit blauen Verpackungsdosen aufgefunden worden seien. Auch hier manifestierte sich wieder die Neigung des Antragstellers zum Einkauf in großen Einheiten. Es sei festzuhalten, dass zu keinem Zeitpunkt in den privaten Kellerräumlichkeiten irgendetwas produziert worden sei. Es habe sich ausschließlich um ein Lager gehandelt. Für die Verschmutzungen gebe es einen einfachen Grund. Die im Bescheid genannte Staubschicht und rühre daher, dass in dem Keller schon seit langem nur noch Material abgestellt worden sei. Dies gelte auch für die Produkte, die laut Etikett in 2019 hergestellt worden seien. Die Produktion sei in der Apotheke in beschränktem Umfang erfolgt. Überschüssige Rohstoffe und Endprodukte seien im Keller des privaten Wohnhauses abgestellt worden. Die klebrige und unangenehm riechende Schmutzschicht rühre von einem Wassereinbruch her. Der im Bescheid als kleiner, verwinkelter Kellerraum bezeichnete Raum verfüge über ein Kellerfenster. Außerhalb des Kellerfensters befände sich ein Lichtschacht. Bei einem Starkregenereignis im Jahr 2019 sei es zu einem erheblichen Eintritt von Niederschlagswasser in diesen Raum gekommen. Das in dem Raum befindliche Süßholzwurzelextrakt habe unmittelbar mit Eintritt des Wassers reagiert und die aufgefundene klebrige Masse gebildet. Seit diesem Zeitpunkt sei der Raum überhaupt nicht mehr benutzt worden. Eine Reinigung sei aufgrund der Klebrigkeit der Masse unmöglich gewesen. Zum Zweck der Reinigung sei ein Lufttrockner aufgestellt worden, mit dem Ziel, den Raum und die klebrige Masse so weit zu trocknen, dass der Raum überhaupt gereinigt werden könne. Der Antragsteller habe mit einem Schmutzschieber versucht, die klebrige Masse zu entfernen, was allerdings aufgrund der noch zu starken Durchfeuchtung nicht gelungen sei. Im Hinblick auf das gefundene „…“ sei auszuführen, dass der Antragsteller zum Zwecke des Selbstversuchs drei Verpackungseinheiten hergestellt habe. Eine Verpackungseinheit habe der Antragsteller selbst konsumiert. Nachdem sich das Produkt als unbrauchbar herausgestellt habe, seien die übrigen zwei Verpackungseinheiten in den Kellerraum der Apotheke zur baldigen Entsorgung verbracht worden. Fakt sei also, dass das Produkt „…“ niemals in Verkehr gebracht worden sei und deshalb von ihm auch keine Gefahr habe ausgehen können. Im Hinblick auf das Produkt „…“ sei auszuführen, dass dieses Produkt in Verkehr gebracht worden sei. Es stehe aufgrund der Analyse auch fest, dass die angegebene Wirkstoffkonzentration nicht der tatsächlichen Wirkstoffkonzentration entsprochen habe. Allerdings könne von einer potentiellen Gesundheitsgefährdung keine Rede sein, weil es im Hinblick auf die enthaltenen Statine keine toxische Höchstdosis gebe, mit anderen Worten gar nicht so viel eingenommen werden könne, dass sich daraus eine Gesundheitsgefährdung ergeben könnte.
In rechtlicher Hinsicht führte der Bevollmächtigte des Antragstellers aus, dass der Antragsgegner mit keinem Wort erwähne, dass der Antragsteller bis zu dem Zeitpunkt der Durchsuchung nicht negativ in Erscheinung getreten sei, sondern sämtliche Überprüfungen der Apotheke ohne Beanstandungen geblieben seien. Es habe keine Abwägung mit subjektiven Rechten des Antragstellers stattgefunden, was einen Abwägungsausfall darstelle. Die Räumlichkeiten im Keller seien dem Antragsgegner zwar nicht bekannt gewesen und hätten ihm bekannt gemacht werden müssen, weil auch Arzneimittel sowie deren Ausgangsstoffe in ihnen gelagert worden seien. Die Annahme, es hätte in dem privaten Kellerraum eine wie auch immer geartete Produktion stattgefunden, sei jedoch bei näherem Hinsehen durch nichts begründet. Es habe weder jüngere noch ältere Benutzungsspuren gegeben. Sämtliche Gerätschaften seien verstaubt und altverschmutzt gewesen. Die Begutachtung in den Produkten habe keine Spuren von Staub oder Altverschmutzungen nachgewiesen. Sämtliche Produkte seien stets in der Apotheke unter hygienisch ordnungsgemäßen Zuständen hergestellt worden. Bis zum Eintritt des Wasserschadens seien nicht benötigte Produkte vom Antragsteller aufgrund der räumlichen Enge in der Apotheke im privaten Keller bis zur Entsorgung zwischengelagert worden. Sämtliche Verstöße gegen die §§ 8 und 10 AMG beträfen selbst hergestellte Produkte. Es sei nicht verhältnismäßig, dem Antragsteller deshalb die Apothekenbetriebserlaubnis zu widerrufen. Eine notwendige Abwägung zwischen dem behaupteten Vollzugsinteresse der Allgemeinheit und dem Suspensionsinteresse des Antragstellers habe im Bescheid nicht stattgefunden. Im vorliegenden Fall ergebe sich durch den angeordneten Sofortvollzug die Folge, dass der Antragsteller seine Apotheke schließen müsse, seine Existenzgrundlage entfalle, acht Angestellte ihren Arbeitsplatz verlören, aus wirtschaftlichen Gründen der Mietvertrag der Apothekenräumlichkeiten gekündigt werden müsse, er seinen langjährigen treuen Kundenstamm verlöre und sein Ruf dauerhaft geschädigt werde. Der Widerruf der Apothekenbetriebserlaubnis stelle einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG dar, der nicht erforderlich sei. Zur Erreichung des verfolgten Zwecks, die Öffentlichkeit vor selbst hergestellten Produkten zu schützen, genüge es, dem Antragsteller zu untersagen, bereits selbst hergestellte Produkte in Verkehr zu bringen (wie geschehen), bereits selbst hergestellte Produkte unter Aufsicht der Behörde zu entsorgen, weitere unangemeldete Nachschauen der Behörde in sämtlichen Räumlichkeiten zu dulden und es dem Antragsteller zu untersagen, weiterhin Produkte selbst herzustellen. Damit wäre der Antragsteller darauf beschränkt gewesen, Fertigarzneimittel an seine Kunden abzugeben, die von den selbst hergestellten Produkten angeblich ausgehenden Gefahren wären aber dadurch gebannt gewesen. Gleichzeitig wäre es dem Antragsteller aber möglich gewesen, seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften und sein Personal weiter zu beschäftigen.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der am 04.10.2019 erhobenen Klage (Az.: Au 1 K 19.1632) gegen den Bescheid des Beklagten vom 20.09.2019, Az. … wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
Der Antrag wird abgewiesen.
Bei der Durchsuchung am 18. Juli 2019 seien keine Anhaltspunkte und Gerätschaften festgestellt worden, die zur Herstellung der gegenständlichen Produkte in der Apotheke dienten, insbesondere sei keine Kapselfüllmaschine gesichtet worden. Das Landratsamt sei ebenfalls der Auffassung, dass im Keller der …-Apotheke keine Herstellung stattgefunden habe. Der Raum habe jedoch als Lagerraum, unter anderem für Homöopathika sowie deren Ausgangsstoffe und die selbst hergestellten Produkte gedient. Besonders zu erwähnen sei, dass sich die Produkte in blauen Dosen in diesem Raum säuberlich sortiert in einem Regal befunden hätten, das sogar mit Beschriftungen versehen gewesen sei. Hinsichtlich der Kellerräume im privaten Wohnhaus sei zu entgegnen, dass sich Fußspuren auf dem sauberen Fliesenboden ganz einfach verhindern ließen, indem bei Betreten des klebrigen Bodens andere Schuhe genutzt werden. Auf dem Foto mit dem Lufttrockner seien weiße Schuhe zu sehen, die gegebenenfalls hierfür benutzt worden sein könnten. Da laut der Ausweisung auf den Etiketten teilweise sehr aktuelle Herstellungsdaten vorgelegen hätten, werde auch bezweifelt, dass die Räumlichkeiten tatsächlich schon seit längerem nicht mehr betreten worden seien. Die Produkte Eisengluconat (17.06.2019), Allergie Spezial (21.06.2019), Boswelia plus Hyaluron (10.07.2019, 16.07.2019), seien laut Sicherstellungsverzeichnis im Kellerraum 2, der die starken Verschmutzungen aufgewiesen habe, sichergestellt worden. Insgesamt erscheine aufgrund der Menge (u.a. 5 kg, 10 kg) und Vielfalt der im privaten Keller vorgefundenen Ausgangssubstanzen eine reine Lagerung äußerst unplausibel. Die Einrichtung des Kellers mit den entsprechenden Gerätschaften (Kapselfüllmaschine, Kompressor, Waage, Stößel, Sieb, Dunstabzüge, Gelatine-Leerkapseln) spreche dafür, dass die Räumlichkeiten für den Zweck der Herstellung eingerichtet und auch genutzt worden seien. Für die Herstellung der Kapseln seien funktionierende Dunstabzüge nicht zwingend erforderlich. Auf der Arbeitsplatte und dem Boden seien einzelne Kapseln gelegen. Hätte wirklich nur eine reine Lagerung abgelaufener und überschüssiger Produkte stattgefunden, stelle sich die Frage, wie die einzelnen Kapseln auf die Arbeitsplatte gelangen konnten. Die weißen Schüsseln auf der Arbeitsplatte wirkten relativ sauber und wiesen keine Altverschmutzungen auf. Der Karton mit Gelatine-Leerkapseln und Schöpfbehälter habe offen gestanden. Eine Rückfrage bei der im Strafverfahren ermittelnden Kriminalpolizeiinspektion … und dem LGL habe ergeben, dass das Produkt „…“ nach Auswertung der Verkaufslisten der …-Apotheke von Juli 2018 bis Juni 2019 insgesamt fünf Mal verkauft und somit auch tatsächlich in Verkehr gebracht worden sei. Hinsichtlich des Produkts „…“ werde nochmals auf die Ausführungen im Gutachten des LGL und die darin beschriebenen Risiken bei der Aufnahme von Lovastatin verwiesen. Als schwere Nebenwirkungen seien Schädigungen der Skelettmuskulatur bis hin zu Rhabdomyolysen und Lebertoxizität anzuführen. Die Feststellung des Prozessbevollmächtigten, aus der Einnahme des Produkts könne sich keine Gesundheitsgefährdung ergeben, erschließe sich daher nicht. Der Antragsteller hätte bei einer Herstellung in der Apotheke zudem entsprechende Dokumente wie Herstellungsanweisungen, Herstellungs- und Prüfprotokolle zu führen gehabt. Ferner hätten die Produkte teilweise erhebliche Qualitätsmängel aufgewiesen. Die Antragsbegründung des Prozessbevollmächtigten lasse erkennen, dass es sich zum Großteil um Schutzbehauptungen des Antragstellers handele, die sich entkräften ließen oder wenigstens in Frage zu stellen seien. Außerdem seien in den privaten Kellerräumlichkeiten diverse Arzneimittel sichergestellt worden, die unter das Betäubungsmittelrecht fielen und nicht weiter gegen unbefugten Gebrauch geschützt gewesen seien. Eine Verbringung der Betäubungsmittel in die privaten Kellerräumlichkeiten und eine dortige Lagerung hätte überhaupt nicht stattfinden dürfen. Dass der Antragsteller sich nicht an die Rechtsordnung halte, habe sich auch bei der Durchsuchung dahingehend gezeigt, dass in waffenrechtlicher Sicht Verstöße festgestellt worden seien. In den privaten Kellerräumlichkeiten sei Kleinkaliber-Munition gefunden worden, die der Antragsteller ohne die erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis besessen habe.
Mit Telefax vom 19. November 2019 führte der Bevollmächtigte des Antragstellers ergänzend aus, dass sich der Antragsgegner keinerlei Gedanken dazu gemacht habe, welche Argumente für eine Zuverlässigkeit des Antragstellers sprechen könnten. Abgesehen davon hätte es vollkommen genügt, dem Antragsteller zu untersagen, selbst irgendwelche Produkte herzustellen und diese in den Verkehr zu bringen. Diese Anordnung sei übrigens schon mit bestandskräftigem Bescheid vom 23. August 2019 ergangen. Dies zugrunde gelegt könne aber vom Antragsteller keine Gefahr ausgehen, sodass die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht rechtmäßig sein könne. In diesem Zusammenhang sei ebenfalls zu berücksichtigen, dass es das Landratsamt vorgerichtlich abgelehnt habe, die Verbescheidung bis zum Abschluss des Strafverfahrens zurückzustellen. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich aus der strafrechtlichen Entscheidung auch Erkenntnisse für die Zuverlässigkeit ergeben, sei dies für die Entscheidung im Eilverfahren auch entscheidungserheblich. Der Behörde gehe es offensichtlich nicht um eine objektive Sachbehandlung. Es dürfe zudem darauf hingewiesen werden, dass im Rahmen des Eilverfahrens unter Einhaltung der vom Verwaltungsgericht avisierten Fristen eine seriöse Sachbehandlung angesichts des Umfangs der Verwaltungsakte von ca. 800 Seiten nicht möglich sei. Hierzu gehöre insbesondere die Rücksprache mit dem Antragsteller.
Ergänzend wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten sowie der Gerichtsakte (auch im Verfahren Au 1 K 19.1632).
II.
Der Antrag ist zum Teil bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet und hat damit keinen Erfolg.
1. Gegenstand des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO sind einerseits die gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärten Verpflichtungen in den Ziffern 1. bis 6. des streitgegenständlichen Bescheids, deren Sofortvollzug in Ziffer 7. des Bescheids ausgesprochen worden ist, sowie andererseits die Androhung von Zwangsgeldern (Ziffer 8, 8.1 bis 8.6), die als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung von Gesetzes wegen ebenso sofort vollziehbar ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG).
2. Der Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist weitgehend zulässig, aber unbegründet.
a) Soweit der Antrag (nach wie vor) auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die im Bescheid vom 20. September 2019 in den Ziffern 8.2, 8.4 und 8.6 angedrohten Zwangsgelder gerichtet ist, ist der Antrag bereits unzulässig, nachdem der Antragsgegner mit Telefax vom 14. November 2019 erklärt hatte, dass diese Zwangsgeldandrohungen aufgehoben werden. Insoweit fehlt dem Eilantrag das Rechtsschutzbedürfnis, weil die angedrohten Zwangsgelder nach der Aufhebung durch den Antragsgegner den Antragsteller nicht mehr belasten. Es wäre Sache des Antragstellers gewesen, den Eilantrag insoweit für erledigt zu erklären, um ein Unterliegen und eine dementsprechende Kostentragung zu verhindern.
b) Im Übrigen hat der ansonsten zulässige Antrag keinen Erfolg, weil er unbegründet ist.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist vorliegend formell rechtmäßig. Sie ist den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend begründet.
In Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, bei denen die Behörde die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes im öffentlichen Interesse anordnet, ist dieses besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Das besondere Interesse muss hierbei über das Interesse hinausgehen, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt, und in der schriftlichen Begründung zum Ausdruck kommen. Diesem Erfordernis ist nicht bereits dann genügt, wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird. Es bedarf vielmehr einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, weshalb aus der Sicht des Antragsgegners gerade im vorliegenden Fall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht und das Interesse des Antragstellers am Bestehen der aufschiebenden Wirkung einer Klage ausnahmsweise zurückzutreten hat (st. Rspr.; vgl. etwa BayVGH, B.v. 9.12.2013 – 10 CS 13.1782 – juris Rn. 16).
Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt. So wird vom Antragsgegner ausgeführt, dass ein Zuwarten mit der Vollziehung des Bescheids bis zu seiner Unanfechtbarkeit seitens der Behörde nicht verantwortet werden könne. Die im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen vorgefundenen Tatsachen seien ausreichend, um einen hinreichenden Tatverdacht anzunehmen. Gleichzeitig seien diese so schwerwiegend, dass der Antragsteller nach Ansicht der Behörde als unzuverlässig einzustufen sei und ein weiterer Betrieb einer Apotheke durch ihn zeitnah zu unterbinden sei. Die Unzuverlässigkeit in seiner Person und die daraus bestehende Gefahr für den Gesundheits- und Verbraucherschutz duldeten keinen klagebedingten Aufschub der Vollziehung der mit diesem Bescheid getroffenen Entscheidungen. Seine wirtschaftlichen Interessen an der weiteren Ausübung der Tätigkeiten sowie die drohende Gefahr eines Existenzverlustes würden zwar erkannt werden, allerdings sei der Schutz der Allgemeinheit demgegenüber vorrangig. Das vom Antragsteller gezeigte Verhalten lasse aufgrund der Rechtsverstöße und der Geheimhaltung der Herstellung vor den Behörden eine kriminelle Energie erkennen. Die Gefahr für die Allgemeinheit, insbesondere im Hinblick auf die Volksgesundheit und die Einhaltung der Rechtsordnung wiege zu schwer, als dass ihm weiter eine Plattform geboten werden dürfe, bei der auch künftig Verstöße befürchtet werden müssten. Bei dem Apothekerberuf handele es sich um eine Tätigkeit, die mit viel persönlicher Verantwortung verbunden sei. Der Antragsteller gebe Medikamente und Rezepturen an Kunden ab. Wie Gutachten über seine selbst hergestellten Produkte zeigten, seien diese dabei teilweise als gesundheitsgefährdend einzustufen. Aufgrund der Unzuverlässigkeit seiner Person müsse hier auch im Rahmen seines Apothekenbetriebs befürchtet werden, dass eine weitere Gefahr für die Gesundheit seiner Kunden bestehe, wenn er weiter Rezepturen etc. an diese abgebe. Damit nimmt der Antragsgegner in seiner Begründung insoweit auf den Einzelfall Bezug, als auf die vom Antragsteller begangenen Rechtsverstöße abgestellt wird und unter Bezugnahme auf die Gutachten zu den vom Antragsteller selbst hergestellten Produkte, die teilweise als gesundheitsgefährdend einzustufen seien, das Interesse der Gesundheit der Kunden des Antragstellers besondere Berücksichtigung findet. Der Antragsgegner stellt weiter einzelfallbezogen auf die aus der Sicht der Behörde gezeigte kriminelle Energie des Antragstellers ab, die sich durch die begangenen Rechtsverstöße und die Geheimhaltung der Herstellung vor den Behörden gezeigt habe.
c) Überwiegende Interessen des Antragstellers sind nach Auffassung des Gerichts nicht gegeben.
Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung aufgrund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei die Interessen des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung gegeneinander abzuwägen. Besondere, wenn auch keine abschließende Bedeutung, kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu, soweit sie im Rahmen der hier nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung bereits beurteilt werden können.
Gemessen an diesen Grundsätzen fällt die vom Gericht anzustellende Interessensabwägung vorliegend zu Ungunsten des Antragstellers aus. Nach derzeitigem Kenntnisstand bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der im Bescheid getroffenen Anordnungen. Die diesbezüglich in der Hauptsache erhobene Klage wird voraussichtlich erfolglos sein.
aa) Der in Ziffer des Bescheids erfolgte Widerruf der Erlaubnis zum Betrieb der …-Apotheke in … gegenüber dem Antragsteller ist nach derzeitigem Stand rechtmäßig.
(1) Rechtsgrundlage für den Widerruf der Betriebserlaubnis ist § 4 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Apothekenwesen (ApoG). Danach ist die Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich eine der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, 6 oder 7 weggefallen ist. § 2 ApoG normiert dabei die Voraussetzungen, unter denen die Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke zu erteilen ist. Unter anderem wird nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 ApoG gefordert, dass der Antragsteller die für den Betrieb einer Apotheke erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Dies ist nicht der Fall, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Antragstellers in Bezug auf das Betreiben einer Apotheke dartun. Maßgeblich sind insbesondere strafrechtliche oder schwere sittliche Verfehlungen, die den Antragsteller für die Leitung einer Apotheke ungeeignet erscheinen lassen oder wenn er sich durch gröbliche oder beharrliche Zuwiderhandlung gegen dieses Gesetz, die aufgrund dieses Gesetzes erlassene Apothekenbetriebsordnung oder die für die Herstellung von Arzneimitteln und den Verkehr mit diesen erlassenen Rechtsvorschriften als unzuverlässig erwiesen hat. Der Schutz der Allgemeinheit, insbesondere vor Gesundheitsgefahren, gebietet daher, einem unzuverlässigen Apotheker die Betriebserlaubnis zu widerrufen. Maßgeblich ist dabei, dass nach den für die Vergangenheit festgestellten Tatsachen künftig weitere Verstöße wahrscheinlich, d. h. dass sie zu befürchten sind (BVerwG, U.v. 16.09.1975 – I C 44.74 – juris Rn. 21). An die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (VGH BW, B.v. 26.07.1993 – 14 S 1311/93 – juris Rn. 6). Wenn – wie beim Betrieb einer Apotheke – hochrangige Rechtsgüter wie das Leben und die Gesundheit zahlreicher Menschen gefährdet werden können, ist bereits eine geringe Eintrittswahrscheinlichkeit ausreichend, um eine hinreichend gewichtige Gefährdung und damit eine Unzuverlässigkeit anzunehmen und dementsprechend den Widerruf der Betriebserlaubnis zu erlassen. Nachdem es sich um eine präventive Maßnahme zum Schutz der Bevölkerung handelt, kommt es auf ein Verschulden des Apothekenbetreibers nicht an (vgl. zum Gewerberecht Marcks, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 81. EL März 2019, § 35 Rn. 47). Genauso wenig ist es erforderlich, dass der Apotheker bereits strafrechtlich verurteilt worden ist.
(2) Dies zugrunde gelegt hat der Antragsgegner vorliegend rechtsfehlerfrei angenommen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Widerruf vorliegen. Beim Antragsteller liegen Tatsachen vor, die die Unzuverlässigkeit zum Betreiben einer Apotheke nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 ApoG dartun. Bereits die nachfolgend zur Überzeugung des Gerichts feststehenden, schwerwiegenden Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften führen zur Bewertung des Antragstellers als unzuverlässig zum Betreiben einer Apotheke. Aus diesen Gründen kann dahingestellt bleiben, ob auch die weiteren dem Antragsteller vorgehaltenen Verstöße gegeben sind (wofür aber vieles spricht). Das Gericht ist zudem der Überzeugung, dass der Antragsteller aufgrund der vorliegenden Tatsachen für die Zukunft nicht die Gewähr bietet, die von ihm betriebene Apotheke ordnungsgemäß zu führen. Vielmehr ist – auch aufgrund seiner Uneinsichtigkeit und seines weitgehenden Leugnens – davon auszugehen, dass er weitere Verstöße begehen würde und damit eine konkrete Gefahr für die Gesundheit seiner Kunden darstellt.
(a) Der Antragsteller hat in schwerwiegender Weise gegen § 6 Abs. 1 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (ApBetrO) verstoßen. Nach § 6 Abs. 1 ApBetrO müssen Arzneimittel, die in der Apotheke hergestellt werden, die nach der pharmazeutischen Wissenschaft erforderliche Qualität aufweisen. Sie sind nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln herzustellen und zu prüfen. Insbesondere für Arzneimittel, die oral eingenommen werden, versteht sich von selbst, dass diese auf jeden Fall unter hygienisch einwandfreien Verhältnissen hergestellt werden müssen. Dies war bei den vom Antragsteller hergestellten Arzneimitteln nicht der Fall. Aufgrund der nachfolgend aufgeführten Umstände und des Ergebnisses der staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungen hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass der Antragsteller in den Kellerräumlichkeiten seines privaten Wohnhauses unter desolaten hygienischen Verhältnissen Arzneimittel hergestellt und anschließend auch in den Verkehr gebracht hat. Im Rahmen der Durchsuchung wurden ausweislich der Bilddokumentation mindestens eine Kapselfüllmaschine, ein Kompressor, eine Waage, ein Stößel, ein Sieb, Dunstabzüge, eine erhebliche Menge an Gelatine-Leerkapseln sowie Ausgangs- und Rohstoffe in großem Umfang vorgefunden. Darüber hinaus lagerten in einer zu seinem Privatanwesen gehörenden Garage zwei Kartons mit Gelatine-Leerkapseln sowie 72 Kartons mit Verpackungsdosen im Umfang von ca. 18.000 Verpackungen. In den Kellerräumlichkeiten waren die Stecker der Geräte in den Steckdosen eingesteckt. Zudem befand sich in den Räumlichkeiten ein offen stehender Karton mit Gelatine-Kapseln und einem Schöpfgefäß. Auf dem Boden des Raums und der Arbeitsfläche lagen zahlreiche Gelatine-Kapseln. Dass der Raum und die sich dort befindlichen Geräte und Ausgangsstoffe in einem hygienisch untragbaren Zustand (verdreckt, verstaubt und verschmutzt) waren, bedarf keiner näheren Ausführungen und ist auf Grund der dem Gericht vorliegenden Bilddokumentation offenkundig (Seiten 38 ff. der Gerichtsakte). Dies wird vom Antragsteller auch nicht in Frage gestellt. In den Herstellungsräumlichkeiten wurden zudem einige selbst hergestellte und etikettierte Arzneimittel sichergestellt. Zum Teil wiesen die Etiketten ein Herstellungsdatum auf, das kurz vor der Durchsuchung liegt (Herstellungsdaten aus Juni und Juli 2019). Diese selbst hergestellten Arzneimittel hat der Kläger zur Überzeugung des Gerichts auch in den Verkehr gebracht (beispielhaft sei nur auf das Produkt „…“ verwiesen, das ausweislich der Verkaufslisten der Apotheke zwischen Juli 2018 und Juni 2019 fünf Mal verkauft und in den Verkehr gebracht worden ist, Seite 33 ff. der Gerichtsakte; siehe zudem den Bestellkatalog auf den Seiten 16 ff. der Behördenakte). Soweit der Antragsteller behauptet, dass in den privaten Kellerräumlichkeiten keine Herstellung von Arzneimitteln stattgefunden habe, sondern lediglich eine Lagerung von Geräten, Ausgangsstoffen und Produkten, die auf eine Entsorgung gewartet hätten, erfolgt sei, ist das Vorbringen nicht glaubhaft. Die Einlassung des Antragstellers wirkt angesichts der oben vorgefundenen Situation konstruiert und lebensfremd. Hinzu kommt, dass seine Angabe, die Herstellung habe lediglich in der …-Apotheke stattgefunden, wenig glaubhaft ist, nachdem im Rahmen der strafrechtlichen Durchsuchung in der Apotheke nicht einmal eine Kapselfüllmaschine vorgefunden worden ist (siehe hierzu auch das Foto zur Rezeptur in der …-Apotheke, Seite 37 der Gerichtsakte). Darüber hinaus sind seine Angaben zum Teil auch offenkundig unwahr. So will der Antragsteller suggerieren, dass der verschmutzte Kellerraum schon seit einiger Zeit nicht mehr betreten worden sein soll, weil sich ansonsten im Flur Fußabdrücke hätten finden lassen müssen. Dies ist bereits schon deswegen widerlegt, weil sich in dem verschmutzten Raum Produkte aktuellen Herstellungsdatums befanden. Zudem ist es – wie der Antragsgegner zutreffend festgestellt hat – ohne weiteres möglich, den Raum durch einen Wechsel der Schuhe zu betreten, ohne anschließend Schmutzspuren im Flur zu hinterlassen. Bezeichnender Weise finden sich auch unmittelbar im Eintrittsbereich des Raums Schuhe, die hierfür verwendet worden sein könnten (Rückseite der Seite 45 der Gerichtsakte).
(b) Der Antragsteller hat auch gegen § 5 Abs. 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG) verstoßen. Danach ist es verboten, bedenkliche Arzneimittel in den Verkehr zu bringen. Mit den beiden Produkten „…“ und „…“ hat der Antragsteller Arzneimittel in den Verkehr gebracht, die als bedenklich zu beurteilen sind. Hinsichtlich des Produkts „…“ hat der Antragsteller selbst zugestanden, dass er dieses in Verkehr gebracht hat. Das Inverkehrbringen des Produkts „…“ bestreitet der Antragsteller zwar nach wie vor, ausweislich der Verkaufslisten der …-Apotheke ist das Produkt aber fünf Mal verkauft worden (Seite 33 ff. der Gerichtsakte). Die beiden vom Antragsteller hergestellten Produkte sind aufgrund der Herstellungsbedingungen und des Inhalts bzw. der Zusammensetzung als bedenkliche Arzneimittel zu bewerten. Nach dem Untersuchungsbefund des LGL vom 6. August 2019 enthielt das in der …-Apotheke sichergestellte Produkt „…“ den Arzneimittelwirkstoff Lovastatin. Der Kapselinhalt war mit 300 mg Gesamtgewicht angegeben. Im Durchschnitt fanden sich aber 418,025 mg Inhalt je Kapsel. Dies entspricht 139,3% des deklarierten Kapselinhalts. Der Wirkstoff Lovastatin war dabei nicht als relevanter pharmakologisch wirksamer Bestandteil deklariert worden, sodass die Anwender vermutlich nicht über die Risiken informiert worden sind. Mit der Einnahme von Lovastatin sind Gesundheitsrisiken verbunden. In erster Linie sind hier Schädigungen der Skelettmuskulatur bis hin zu schweren Rhabdomyolysen und eine Lebertoxizität anzuführen. Aufgrund dieses Untersuchungsbefundes bewertete das LGL das Produkt nachvollziehbar als mit erheblichen Risiken verbundenes und dementsprechend bedenkliches Arzneimittel. Gleiches gilt für das ebenfalls in der Apotheke des Antragstellers sichergestellte Produkt „…“. Dem Gutachten des LGL vom 8. August 2019 ist zu entnehmen, dass eine analytische Untersuchung einen durchschnittlichen Gehalt von 451,7 mg … je Kapsel ergeben habe, obwohl das Etikett pro Kapsel lediglich 200 mg … ausgewiesen habe. Das auf dem Etikett als Inhaltsstoff angegebene Natriumascorbat konnte hingegen nicht nachgewiesen werden. Bei empfehlungskonformer Anwendung (laut Etikett drei Mal täglich eine Kapsel) würden demnach statt 600 mg … mehr als 1200 mg … aufgenommen werden. Hierzu führt das LGL aus, dass diese Dosierung als gesundheitsgefährdend und deshalb bedenklich einzuschätzen sei, zumal den Anwendern die hohe Dosis auch nicht bewusst sei. In einem Schreiben des LGL an die Gesundheitsämter vom 4. September 2019 wird ergänzend ausgeführt, dass die mit der oralen Einnahme von … verbundenen Risiken und Nebenwirkungen mangels klinischer Studien kaum abzuschätzen seien. Es fänden sich Nebenwirkungen wie Blasenbildung der Schleimhäute, Übelkeit, Durchfall und Erbrechen bis hin zu einem schweren allergischen Schock. Das Gericht hat keinen Anlass, diese fachkundigen Beurteilungen des LGL in Zweifel zu ziehen.
(c) Zuletzt liegt auch ein Verstoß des Antragstellers gegen die Vorschrift des § 8 Abs. 1 AMG vor. Nach § 8 Abs. 1 AMG ist es verboten, Arzneimittel oder Wirkstoffe herzustellen oder in den Verkehr zu bringen, die durch Abweichung von den anerkannten pharmazeutischen Regeln in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert sind (Nr. 1) oder mit irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung versehen sind (Nr. 2). Dabei liegt eine Irreführung insbesondere dann vor, wenn zur Täuschung über die Qualität geeignete Bezeichnungen, Angaben oder Aufmachungen verwendet werden, die für die Bewertung des Arzneimittels oder Wirkstoffs mitbestimmend sind (Nr. 2 c). Entsprechend der Legaldefinition in § 4 Abs. 15 AMG ist Qualität die Beschaffenheit eines Arzneimittels, die nach Identität, Gehalt, Reinheit, sonstigen chemischen, physikalischen, biologischen Eigenschaften oder durch das Herstellungsverfahren bestimmt wird. Vorliegend ist hinsichtlich des Produkts „…“ eine nicht unerhebliche Qualitätsminderung anzunehmen, weil der tatsächliche Gehalt an … mehr als doppelt so hoch wie angegeben ist. Darüber hinaus ist eine erhebliche Qualitätsminderung auch deswegen gegeben, weil der angegebene Inhaltsstoff Natriumascorbat überhaupt nicht nachgewiesen werden konnte. Hinsichtlich des Produkts „…“ liegt jedenfalls eine irreführende Angabe i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 2 c AMG vor, weil der durchschnittliche Kapselinhalt von 418 mg je Kapsel erheblich von den deklarierten 300 mg Gesamtgewicht je Kapsel abweicht.
(3) Der vom Antragsgegner verfügte Widerruf der Betriebserlaubnis ist auch verhältnismäßig. Zwar ist der Widerruf der Betriebserlaubnis mit einem erheblichen Eingriff in die grundrechtlich gewährleistete Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verbunden und hat – worauf der Bevollmächtigte des Antragstellers zu Recht hinweist – außerordentlich weit reichende Konsequenzen für den Antragsteller. Allerdings hat das vom Antragsteller an den Tag gelegte Verhalten gezeigt, dass er nicht willens oder in der Lage ist, die von ihm betriebene Apotheke so zu führen, dass Gesundheitsgefahren für seine Kunden ausgeschlossen werden können. Nach der Auffassung des Gerichts sind auch die vom Bevollmächtigten des Antragstellers vorgebrachten milderen Maßnahmen nicht gleich geeignet, um den vom Antragsteller ausgehenden Gefahren durch den Betrieb der Apotheke vollständig zu begegnen. Angesichts der Schwere der begangenen Verstöße und mit Blick auf die bereits dargestellten Umstände des Einzelfalls kann beim Antragsteller nicht einmal die Zuverlässigkeit dahingehend angenommen werden, dass er ordnungsgemäß und ohne Gefährdung seiner Kunden Fertigarzneimittel verkauft. Denn schon allein der Verkauf von Fertigarzneimitteln und die in diesem Zusammenhang zu erfolgende ordnungsgemäße Beratung der Kunden erfordert das Erfüllen von Sorgfaltsanforderungen, die beim Antragsteller angesichts seines gezeigten Verhaltens nicht mehr angenommen werden können.
bb) Die in Ziffer 2 des Bescheids erlassenen Anordnung ist ebenfalls rechtmäßig. Demnach muss der Antragsteller die Betriebserlaubnis vom 31. Januar 2011 innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheids dem Antragsgegner zurückgeben, die Tätigkeit der Apotheke einstellen und diese schließen. Dass im Falle eines rechtmäßigen Widerrufs der Betriebserlaubnis der Antragsgegner anordnen kann, die Betriebserlaubnis herauszugeben, um auf diese Weise zur Sicherheit des Rechtsverkehrs einen eventuellen Missbrauch zu verhindern, ergibt sich aus Art. 52 BayVwVfG. Zwar setzt der Wortlaut der Vorschrift grundsätzlich die Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts voraus. Allerdings muss dies nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift im Falle des Sofortvollzugs auch schon vor Eintritt der Unanfechtbarkeit möglich sein, um einen durch ein Dokument zum Ausdruck kommenden unzutreffenden Rechtsschein zu beseitigen und den Rechtsverkehr entsprechen zu schützen (so auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 52 Rn. 7). Hinsichtlich der vom Antragsgegner eingeräumten Abwicklungsfrist von sechs Wochen ab Bescheidserlass bestehen keine rechtlichen Bedenken. Mit Blick auf die vom Antragsteller ausgehenden Gefahren und unter Abwägung seiner berechtigten Interessen an einem Übergangszeitraum bis zur Schließung der Apotheke hält das Gericht eine Frist von sechs Wochen für angemessen. Dass er die bisher verstrichene Zeit eventuell nicht genutzt hat, entsprechende Vorbereitungen zu treffen, weil er vom Erfolg seines Eilantrags ausging, ist unerheblich, weil diese Untätigkeit in seinen Risikobereich fällt und er nicht zwingend vom Erfolg seines Eilrechtsschutzes ausgehen konnte.
cc) Der Widerruf der Erlaubnis zum Betrieb eines Versandhandels und elektronischen Handels mit apothekenpflichtigen, auch verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in den Betriebsräumen der Apotheke des Antragstellers (Ziffer 3 des Bescheids) ist aller Voraussicht nach ebenfalls rechtmäßig. Nach § 11b Abs. 2 Satz 1 ApoG ist die Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln zu widerrufen, wenn nachträglich eine der Voraussetzungen nach § 11a ApoG weggefallen ist. Nachdem die Erlaubnis nach § 11a ApoG voraussetzt, dass der Betroffene Inhaber einer Erlaubnis nach § 2 ApoG ist, hat der Antragsgegner im Wege der gebundenen Entscheidung nach § 11b Abs. 2 Satz 1 ApoG auch die Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln rechtmäßig widerrufen. Gleiches gilt für die Genehmigung zur Versorgung von Heimbewohnern (Ziffer 5 des Bescheids), weil diese gemäß § 12a Abs. 1 Satz 1 ApoG ebenfalls in akzessorischer Weise voraussetzt, dass der Betroffene auch Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke ist. Hinsichtlich der Rückgabepflicht der Versandhandelserlaubnis (Ziffer 4 des Bescheids) und des Genehmigungsbescheids für den Heimbewohnerversorgungsvertrag (Ziffer 6) und die auch in diesem Zusammenhang eingeräumte Abwicklungsfrist von sechs Wochen wird bezüglich der Rechtmäßigkeit auf die Ausführungen zur Ziffer 2 des Bescheids verwiesen, die hier in gleicher Weise zutreffen.
dd) Auch die Androhung der Zwangsgelder (Ziffern 8.1, 8.3 und 8.5), soweit sie nicht durch den Antragsgegner selbst aufgehoben worden sind (Ziffern 8.2, 8.4 und 8.6), ist voraussichtlich rechtmäßig. Die Zwangsgeldandrohung wurde zutreffend auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG gestützt. Auch hinsichtlich der Höhe des angedrohten Zwangsgeldes bestehen keine rechtlichen Bedenken. Der Antragsteller hat im Übrigen auch keine konkreten Einwände gegen die Androhung der Zwangsgelder erhoben, sondern lediglich auf die Rechtswidrigkeit der Primäranordnungen und die Anordnung des Sofortvollzugs verwiesen.
d) Überwiegende Interessen des Antragstellers, die gleichwohl eine Entscheidung zu seinen Gunsten rechtfertigten, bestehen zudem nicht. Zwar ist es im Falle der Verhängung eines vorläufigen Berufsverbots nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht schon ausreichend, dass das Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zum gleichen Ergebnis führen wird wie die summarische Prüfung im Eilverfahren. Vielmehr setzt ein vorläufiges Berufsverbots – dem der vorliegende Sofortvollzug des Widerrufs der Betriebserlaubnis für die Apotheke des Antragstellers recht nahe kommt – gemäß Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsgebot die zusätzliche Feststellung aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls voraus, dass sie schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, B.v. 2.3.1977 – 1 BvR 124/76 – BVerfGE 44, 105 ; B.v. 24.10.2003 – 1 BvR 1594/03 – juris Rn.12 ff.). Ob dies der Fall ist, hängt insbesondere davon ab, ob ein weiterer Betrieb der Apotheke durch den Antragsteller konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (BVerfG, B.v. 2.3.1977 – 1 BvR 124/76 – BVerfGE 44, 105 ; B.v. 24.10.2003 – 1 BvR 1594/03 – juris Rn.16). Dies ist – wie bereits oben ausführlich dargelegt – vorliegend der Fall.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Teil hat der Antragsteller die Verfahrenskosten zu tragen. Die Streitwertfestsetzung folgt den Vorgaben der §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Ziffern 1.5 und 14.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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