Europarecht

Zinserhebung nach Widerruf landwirtschaftlicher Subventionen

Aktenzeichen  3 A 125/19 MD

Datum:
25.4.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Magdeburg 3. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:VGMAGDE:2022:0425.3A125.19MD.00
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

Zinserhebung nach Widerruf landwirtschaftlicher Subventionen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.656,15 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Zinsbescheid des Beklagten.
Mit Bescheid vom 21.5.2012 widerrief der Beklagte – gestützt auf § 49 VwVfG – teilweise seinen im Rahmen des Programmes „Förderung einer markt- und standortangepassten Landwirtschaft“ ergangenen Bewilligungsbescheid vom 30.6.2008, zuletzt geändert am 5.7.2011, wegen festgestellter Flächendifferenzen, forderte geleistete Subventionszahlungen in Höhe von 14.902,72 von der Klägerin zurück und verfügte unter Ziff. 3. des Bescheides: „Für den Rückforderungsbetrag unter Punkt 2 werden Zinsen erhoben, für den nationalen Anteil für den Zeitraum der jeweiligen Zahlung und der Rückzahlung durch den Begünstigten, für den EU-Anteil für den Zeitraum zwischen der Übermittlung des Rückforderungsbescheides und der Rückzahlung jährlich für den Berechnungszeitraum bis 30.11.2005 mit 3 % und ab dem 1.12.2005 mit 5 % über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank. Nach Eingang des Rückforderungsbetrages auf das angegebene Konto erhalten Sie einen entsprechenden Zinsbescheid.“
Der Bescheid erwuchs nach durchgeführtem Klageverfahren in Bestandskraft (VG Magdeburg, Urt. v. 24.6.2015 – 3 A 477/13 MD -, rechtskräftig aufgrund des Beschl. des OVG Sachsen-Anhalt v. 10.8.2017 – 1 L 198/15 -).
Mangels Zahlungseingang verrechnete der Beklagte den Betrag der Hauptforderung in Höhe von 14.902,72 € am 19.12.2017 mit einem von der Klägerin zu beanspruchenden Ausgleichszulage-Betrag in Höhe von 2.282,10 € und am 28.12.2017 mit weiteren 12.620,62 € aus der landwirtschaftlichen Direktzahlung für 2017.
Mit Bescheid vom 12.10.2018 setzte der Beklagte den Zinsbetrag auf der Grundlage des Bescheides vom 21.5.2012 auf 3.656,15 € fest. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird gem. § 117 Abs. 3 S. 2 VwGO auf den Bescheid verwiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.2.2019 wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt den Widerspruch der Klägerin vom 11.11.2018 gegen den Zinsbescheid als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus: Aufgrund der Bestandskraft des Rückforderungsbescheides vom 21.5.2012 könne sich die Klägerin nur noch gegen die Höhe der Zinsforderung aus dem Bescheid vom 12.10.2018 wenden. Dort seien jedoch auch der Zinszeitraum, die Zinstage und die Verrechnungsbeträge als Berechnungsgrundlage korrekt ermittelt worden. Auch sei in Bezug auf den Zinszeitraum die ab dem 5.5.2014 geltende günstigere Regelung berücksichtigt worden. Eine getrennte Berechnung nach EU-Anteil und nationalem Anteil erfolge nicht mehr. Zinsen würden einheitlich auf den Gesamtrückforderungsbetrag unter Berücksichtigung des Zinszeitraums berechnet. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 1.3.2019 zugestellt.
Am 1.4.2019 hat die Klägerin Klage erhoben.
Die Klägerin trägt vor: Die Verzinsung von Rückforderungsansprüchen folge der Intention, den Liquiditätsvorteil des zur Rückzahlung Verpflichteten im Zeitraum vom Entstehen der Rückzahlungsverpflichtung bis zur Zahlung respektive Verrechnung auszugleichen. Dem werde der der streitgegenständlichen Zinsforderung zugrundeliegende Zinssatz von zunächst 5,12 % p.a. im Jahr 2012 bis zu 4,12 % p.a. im Jahr 2017, im Durchschnitt über die Laufzeit 4,39 % p.a., nicht gerecht. Seit 2012 lägen die Kapitalmarktzinsen deutlich unter 3 % p.a. mit weiter sinkender Tendenz, weshalb eine Verzinsung mit 2 % p.a. durch sie, die Klägerin, als angemessen angesehen werde. Sie berufe sich auf die verfahrensgegenständlichen Bedenken in den beim BVerfG anhängig gewesenen Verfahren, in denen zwei Verfassungsbeschwerden gegen die Verzinsung von Steuernachzahlungen nach § 238 Abs. 1 AO mit faktisch 6 % p.a. ab dem 16. Monat nach Entstehen des Steueranspruchs stattgegeben worden sei (BVerfG, Urt. v. 8.7.2021 – 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 -). Nichts Anderes könne für die Verzinsung des Anspruchs auf Rückzahlung gewährter Fördermittel gelten. Zur weiteren Begründung werde auf die Stellungnahme des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. an das BVerfG v. 26.4.2019 (Bl. 46-55 der Akte) verwiesen.
Nur rein hilfsweise und für den Fall, dass das Gericht auf einen höheren als den im Klageantrag benannten Zinssatz von 2 % p.a. erkennen sollte, erkläre sie, die Klägerin, die Aufrechnung gegenüber dem Land Sachsen-Anhalt aus über 15 Jahre lang vorenthaltener Jagdpacht zzgl. einer angemessenen Verzinsung. Im Jagdbezirk F. in der Gemarkung K. übe das Land Sachsen-Anhalt auf klägerischen Ackerflächen die Jagd als Verwaltungsjagd aus. Ihr, der Klägerin, stehe daher gegenüber dem Land Sachsen-Anhalt die Zahlung einer jährlichen Jagdpacht in angemessener Höhe zu, was sich über 15 Jagdjahre auf 1.523,85 € summiere.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 12.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 25.2.2019 aufzuheben
sowie
die Zinsforderung des Beklagten für den Zeitraum ab 1.1.2014 auf eine Verzinsung von 2 % über die gesamte Laufzeit herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte erwidert: Die Regelung zum Zinssatz und zum Zinszeitraum sei mit dem Bescheid vom 21.5.2012 bestandskräftig geworden. Dies könne die Klägerin nicht mehr in zulässiger Weise angreifen. Unzulässig sei auch, dass die Klägerin erstmalig mit Schriftsatz vom 25.6.2020 einen Antrag auf Herabsetzung des Zinssatzes auf 2 % p.a. stelle. Darüber sei bisher in keinem Verwaltungsverfahren entschieden worden. Es bestehe auch kein Anspruch, den Zinssatz zu ändern, und kein Grund, den bestandskräftig festgesetzten Zinssatz zu überprüfen oder herabzusetzen.
Die Verzinsungspflicht von nachzuzahlenden Steuern und die Verzinsung von Rückforderungen aus Zuwendungsverfahren aufgrund dort nicht eingehaltener freiwillig eingegangener Verpflichtungen beträfen zwei vollkommen unterschiedliche Sachverhalte, die jeweils auf der Grundlage von voneinander abweichenden gesetzlichen Regelungen (einerseits § 238 Abs. 1 AO, andererseits Art. 2 der EU-Verordnung Nr. 1975/2006 i.V.m. Art. 73 Abs. 1 der EU-Verordnung Nr. 796/2004 i.V.m. § 49 a VwVfG) zu entscheiden seien. Die Verzinsung der Steuernachzahlung erfolge mit starrem Zinssatz, wohingegen der Zinssatz auf den Rückforderungsbetrag variabel sei und den Schwankungen der Zinssätze bereits Rechnung trage, die auf dem Kapitalmarkt für die Wiederbeschaffung von Finanzmitteln für die öffentliche Hand gälten. Insofern diene die Verzinsung von Rückforderungen entgegen der Annahme der Klägerin nicht allein dem Abschöpfen von Liquiditätsvorteilen, sondern berücksichtige auch die Aufwendungen der Kapitalbeschaffung. Aufgrund der Koppelung des variablen Zinssatzes an den Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank komme es auch nicht zu dem im Mittelpunkt der Verfassungsbeschwerden stehenden zunehmenden Entfernen des Zinssatzes von der tatsächlichen Zinsentwicklung. Auf die von der Klägerin aufgeführten Verfassungsbeschwerden komme es daher nicht an. Der Beschluss des BVerfG v. 8.7.2021 verhalte sich nicht zu § 49 a Abs. 3 VwVfG. Zu §§ 233 a, 238 AO habe das BVerfG entschieden, dass die Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab 2014 mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sei, aber das bisherige Recht für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume weiter anwendbar sei. Die im Verfahren der Klägerin streitige Zinsforderung umfasse einen Verzinsungszeitraum vom 25.2.2012 bis zum 28.12.2017. Selbst wenn die Unvereinbarkeitserklärung zu berücksichtigen wäre, würde daher das bisherige Recht anzuwenden sein.
Der von der Klägerin erklärten Aufrechnung der Zinsforderung mit einer lediglich behaupteten angeblich ihr zustehenden Jagdpachtforderung werde widersprochen. Eine Aufrechnungserklärung sei bedingungsfeindlich und könne nicht „rein hilfsweise und für den Fall“ erklärt werden. Er, der Beklagte, könne überdies die Jagdpachtforderung nicht prüfen. Sie wäre an den Landesforstbetrieb zu richten. Sie sei teilweise verjährt. Das für eine Aufrechnung notwendige Gegenüberstehen von Forderungen liege im vorliegenden Fall nicht vor.
Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte, der Gerichtsakte 3 A 477/13 MD und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 12.10.2018 in der Gestalt, die er gem. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO durch den Widerspruchsbescheid des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 25.2.2019 erhalten hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Der Bescheid beruht auf § 49 a Abs. 3 S. 1 VwVfG (i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG LSA). Danach ist der gem. Abs. 1 zu erstattende Betrag vom Eintritt der Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes an mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Diese Vorschrift ist im vorliegenden Fall nach Maßgabe folgender europarechtlichen Vorschriften anwendbar:
Nach Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1975/2006 (ABl. L 368 v. 23.12.2006, S. 74) gilt bezüglich Kontrollverfahren und Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen bei Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums, zu denen die Vorschriften zur Förderung einer markt- und standortangepassten Landbewirtschaftung nach der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 (ABl. L 277 S. 1) gehören, u.a. Art. 73 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 (ABl. L 141 v. 30.4.2004, S. 18), nach dessen Abs. 1 bei zu Unrecht gezahlten Beträgen der Betriebsinhaber zur Rückzahlung dieser Beträge zuzüglich der gemäß Abs. 3 berechneten Zinsen verpflichtet ist. Gemäß Art. 73 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 werden die Zinsen für den Zeitraum zwischen der Übermittlung des Rückforderungsbescheids an den Betriebsinhaber und der tatsächlichen Rückzahlung bzw. dem Abzug berechnet. Der anzuwendende Zinssatz wird nach Maßgabe der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften festgesetzt, darf jedoch nicht niedriger sein als der bei der Rückforderung von Beträgen nach einzelstaatlichen Vorschriften geltende Zinssatz.
Gem. Art. 81 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 gilt diese Verordnung für Beihilfeanträge, die sich auf ab dem 1.1.2005 beginnende Wirtschaftsjahre oder Prämienzeiträume beziehen – mithin für die Förderung der Klägerin auf deren Antrag vom 15.5.2008 (Bl. 2 ff. der Beiakte).
Gegenstand der Vorschrift des § 49 a Abs. 3 S. 1 VwVfG ist ein variabler Zinssatz, welcher den Schwankungen der Zinssätze Rechnung trägt, die auf dem Kapitalmarkt für die Wiederbeschaffung von Finanzmitteln durch die öffentliche Hand gelten, und welcher auch der bei Zuwendungen problematischen Möglichkeit entgegenwirken kann, dass Leistungsempfänger überzahlte Subventionsbeträge etwa zweckwidrig zinsbringend anlegen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 9. Aufl., § 49 a Rn. 77). Letztere Möglichkeit ist nicht etwa dadurch ausgeschlossen, dass die realen Zinssätze im Kreditwesen im Laufe der Jahre deutlich gesunken sind, denn Liquiditätsvorteile können auch durch weiterhin bestehende Anlageformen (etwa Investitionen in Risikokapital oder die Hingabe von Privatdarlehen) außerhalb des Zuwendungszwecks erhalten bleiben und daher für eine Abschöpfung durch behördliche Zinserhebung in Betracht kommen.
Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass aufgrund der eingetretenen Bestandskraft des Bescheides des Beklagten vom 21.5.2012 infolge des unanfechtbaren Abschlusses des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit dem Beschluss des OVG Sachsen-Anhalt vom 10.8.2017 – 1 L 198/15 -, das den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg v. 24.6.2015 – 3 A 477/13 MD – abgelehnt hat, auch der Zinssatz von der Klägerin nicht mehr angefochten werden kann. Denn Ziff. 3. des verfügenden Teils des Bescheides vom 21.5.2012 enthält für die Klägerin die Zinsgrund- und Zinshöheentscheidung, für den Zeitraum ab 1.12.2005 mit 5 % über dem Basiszinssatz. Dadurch ist eine Bindungswirkung (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar,19. Aufl. § 43 Rn. 31 m.w.N.) beim späteren Zinserhebungsbescheid vom 12.10.2018 eingetreten. Eine Absenkung des Zinssatzes auf 2 % – wie von der Klägerin beantragt – kommt daher nicht in Betracht. Im Übrigen ist nach dem klaren Wortlaut der Norm („ist … mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz … zu verzinsen“) für ein Ermessen zur behördlichen Absenkung des Zinssatzes kein Raum (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 27.12.2021 – 2 L 92/20.Z -, zit. nach juris, Rn. 2).
Gegen die Verzinsung in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz vermag sich die Klägerin nicht auf das Vorbringen der Beschwerdeführer in den Verfahren beim BVerfG – 1 BvR 2237/14, 1BvR 2422/17 – und die sie stützende Stellungnahme des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. vom 26.4.2018 (Bl. 46 ff. der Akte, BVerfG, Beschl. v. 8.7.2021, zit. nach juris, Rn. 70) zu berufen, denn dort geht es um die Verzinsung im Steuerrecht nach § 238 AO, und es fehlt auch sonst an der Vergleichbarkeit.
Das BVerfG hat mit Beschl. v. 8.7.2021 – 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 -, zit. nach juris) entschieden, dass § 233 a i.V.m. § 238 Abs. 1 S. 1 AO umfassend und für alle Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2014 wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, soweit der Zinsberechnung ein Zinssatz von 0,5 % für jeden Monat zugrundegelegt wird (Tenor Ziff. 1, Rn. 239). § 238 Abs. 1 S. 1 AO normiert diesen festen Zinssatz von 6 % p.a. Dies wurde von den Beschwerdeführern problematisiert für den Fall von Nachzahlungen nach steuerlichen Außenprüfungen, da dann regelmäßig ein längerer – zinspflichtiger – Zeitraum zwischen dem Entstehen der Steuerschuld und ihrer Festsetzung durch einen Steuerbescheid liegt und der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung als Ausprägung des Gleichheitsgrundrechts nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr gewahrt ist, da eine nicht mehr zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zwischen zinszahlungspflichtigen und nicht zinszahlungspflichtigen Steuerschuldnern vorliegt (BVerfG, a.a.O., Rn. 104 f.). Im vorliegend zu entscheidenden Fall der Klägerin fehlt es an einer derartigen Ungleichheit. Die Zinserhebung nach § 49 a Abs. 3 S. 1 VwVfG knüpft immer an die Erstattungspflicht erbrachter Leistungen an, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen, zurückgenommen oder infolge Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist (§ 49 a Abs. 1 S. 1 VwVfG). § 49 a (und hier allein des Bayerischen VwVfG, BayVwVfG) wird im Beschluss des BVerfG überhaupt nur an einer Stelle erwähnt, nämlich in der Stellungnahme des Deutschen Industrie- und Handelskammertages zur Verfassungsbeschwerde (a.a.O., Rn. 79) und vom BVerfG in den Entscheidungsgründen und sonst an keiner Stelle aufgegriffen, da Gegenstand des Verfahrens allein das Steuerrecht ist. Die Unvereinbarkeitserklärung zu § 238 Abs. 1 S. 1 AO hat das BVerfG erstreckt auf alle von § 233 a Abs. 1 S. 1 AO erfassten Steuerarten (Einkommen-, Körperschaft-, und Umsatzsteuer) und ausdrücklich betont, eine Erstreckung der Unvereinbarkeitserklärung auf die anderen Verzinsungstatbestände nach der AO zu Lasten der Steuerpflichtigen, namentlich auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen nach den §§ 234, 235 und 237 AO komme nicht in Betracht (BVerfG, a.a.O., Leitsatz 5. c, Rn. 241 f.). Erst recht ist nicht über eine Erstreckung auf Verzinsungspflichten nach anderen Gesetzen als der AO entschieden worden. Wörtlich führt das BVerfG (a.a.O., Rn. 153) aus, es sei „nicht seine Aufgabe zu entscheiden, wie hoch ein Zinssatz zu bemessen ist“.
Hinzu kommt, dass der Verzinsungszeitraum des von der Klägerin angefochtenen Bescheides vom 12.10.2018 (Anlage „Berechnungsnachweis Zinsen“) laut Tabelle (Bl. 11 der Akte) am 25.5.2012 beginnt und am 28.12.2017 endet. Dieser Zeitraum liegt innerhalb des vom BVerfG zur Unvereinbarkeit des § 238 Abs. 1 AO mit Art. 3 Abs. 1 GG gleichwohl festgelegten Fortgeltungszeitraums der Norm vom 1.1.2014 bis 31.12.2018, für den der Gesetzgeber nicht verpflichtet wäre, auch für diesen Zeitraum rückwirkend eine verfassungsgemäße Regelung zu schaffen (BVerfG, a.a.O., Rn. 249).
Anders als vom BVerfG im Beschl. v. 8.7.2021 (a.a.O.) zur Zinshöhe nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO (vgl. dazu nur: VG München, Beschluss v. 2.9.2020 – M 10 S 20.3480 -, zit. nach juris) entschieden, gibt es daher bei der Zinshöhe nach § 49 a Abs. 3 Satz 1 VwVfG keine verfassungsrechtlich durchgreifenden Bedenken (vgl. bereits VG Magdeburg, Urt. v. 25.3.2021 – 3 A 284/19 MD -, zit. nach juris). Der danach in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich anzusetzende Zinssatz entspricht dem Verzugszinssatz nach § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB und verstößt weder gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen das Übermaßverbot. Der Basiszinssatz (§ 247 BGB) ist seit dem 1.1.2013 allerdings unter Null gesunken (vgl. Toussaint, in: jurisPK-BGB, 8. Aufl 2017, § 247 BGB Rn. 12; https://www.bundesbank.de/de/bundesbank/organisation/agb-und-regelungen/basiszinssatz-607820), sodass der Zinssatz seither im Ergebnis unterhalb des Wertes von 5 % liegt (vgl. Seichter, in: jurisPK-BGB, 8. Aufl 2017, § 288 BGB Rn. 11). Auch dies hat der Beklagte zutreffend berücksichtigt. Vergleiche zu dem sonst niedrigen Zinsniveau verbieten sich. Denn die Verzinsung soll auch als Druckmittel zur Einhaltung und Durchsetzung der Förderrichtlinien – wie hier der MSL-Richtlinie – beitragen sowie dem Umstand Rechnung tragen, dass durch den verspäteten Rücklauf erstattungspflichtiger Subventionsbeträge diese Mittel anderen Förderzwecken wie auch dem Staatshaushalt gerade nicht mehr zur Verfügung stehen. Dem kann nur pauschaliert begegnet werden. Berechnungsfehler werden seitens der Klägerin nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Die Klägerin ist mit ihrem Subventionsantrag vom 15.5.2008 freiwillig die Verpflichtung zur Einhaltung ökologischer Anbauverfahren auf den von ihr gemeldeten Flächen und in Kenntnis der ihr bekannten Sanktionsvorschriften, die im Fall der Nichteinhaltung greifen, eingegangen. Durch die Inanspruchnahme der beantragten Zuwendung hat sich die Subventionsnehmerin zugleich den im Förderantrag und im Bewilligungsbescheid vom 30.6.2008 (vgl. Ziff. 8.4, S. 3 des Bescheides: „Der Erstattungsbetrag ist nach Maßgabe des § 1 VwVfG LSA i.V.m. § 49 a Abs. 3 VwVfG jährlich mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB zu verzinsen.“) enthaltenen Regelungen unterworfen, denn wer eine Subvention beantragt, die eine freiwillige Leistung von aus öffentlichen Steuermitteln bzw. aus Haushaltsmitteln der EU stammenden Einnahmen beinhaltet, unterwirft sich den damit zusammenhängenden Vergabebedingungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.2.1983, DVBl. 1983, 810 zur Rechtsfigur des Verwaltungsakts auf Unterwerfung im Subventionsrecht).
Der Zinssatz unter Anbindung an den Basiszins und die dadurch für die Klägerin entstandene Zinshöhe ist in Zeiten spürbar gefallener Zinssätze im Kreditwesen auch deshalb nicht verfassungswidrig oder unverhältnismäßig, weil es ein zur Verzinsung aufgeforderter, von einem bestandskräftigen Rückforderungsbescheid betroffener Subventionsnehmer in der Hand hat, sich die aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 S. 1 VwGO) einer Klage zunutze zu machen und während dieses Zeitraums Liquiditätsvorteile zu haben oder durch Befriedigung der Hauptforderung das Auflaufen weiterer Zinsen zu verhindern (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.3.2013 – 3 C 13/12 -, zit. nach juris, Rn. 23; BVerfG, Beschl. v. 8.7.2021 a.a.O., Rn. 243). Mit der Verzinsung der Erstattungsforderung wird bei einem Zuwendungsempfänger der Vorteil abgeschöpft, der ihm aus der Zurverfügungstellung des Geldbetrages erwachsen ist (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 4.12.2013 – 1 L 119/13 -, zit. nach juris). Gleichzeitig wird durch die behördliche Zinserhebung der Nachteil ausgeglichen, der dem Zuwendungsgeber dadurch entstanden ist, dass er in dem maßgebenden Zeitraum die Mittel nicht selbst zinsbringend oder anderweitig fördernd einsetzen konnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.6.2002 – 8 C 30/01 -, zit. nach juris, Rn. 33). Bei dem Zinsanspruch des § 49 a Abs. 3 S. 1 VwVfG handelt es sich folglich nicht um eine den steuerlichen Nebenleistungen (vgl. § 3 Abs. 4 AO) vergleichbare, von einer Primärschuld abhängige Forderung, sondern um ein eigenständiges “Druckmittel“ zur Einhaltung des Subventionszwecks (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.2005 – 8 C 5/04 -, zit. nach juris).
Die Zinsforderung des Beklagten ist nicht durch Aufrechnungserklärung der Klägerin gem. § 389 BGB erloschen. Die von der Klägerin pauschal gegenüber dem „Land Sachsen-Anhalt“ erklärte Aufrechnung mit einem – behaupteten – Jagdpachtanspruch für die Nutzung von Ackerflächen in den vergangenen 15 Jahren zur Jagd geht ungeachtet weiterer erhobener Bedenken des Beklagten (Bedingungsfeindlichkeit der Aufrechnungserklärung, Verjährungsfrage) ins Leere. Zwar ist eine Aufrechnung grundsätzlich auch im öffentlichen Recht möglich. Gemäß § 395 BGB ist jedoch die Aufrechnung gegen eine Forderung des Bundes oder eines Landes sowie gegen eine Forderung einer Gemeinde oder eines anderen Kommunalverbands nur zulässig, wenn die Leistung an dieselbe Kasse zu erfolgen hat, aus der die Forderung des Aufrechnenden zu berichtigen ist. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Die Klägerin macht selbst nicht geltend, dass der Beklagte (die Landesbehörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, vgl. § 8 AG VwGO LSA) ihm die Zahlung von Jagdpacht schulde.
Zur Vermeidung von Wiederholungen stellt das Gericht fest, dass es ergänzend den Feststellungen und der Begründung des Bescheides des Beklagten vom 12.10.2018 und des Widerspruchsbescheides vom 25.2.2019 folgt, und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gem. § 117 Abs. 5 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.


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