Europarecht

Zollaussetzung von eingeführten Vorderradgabeln

Aktenzeichen  14 K 1843/16

Datum:
19.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 31256
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
VO (EWG) Nr. 2658/87  Art. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

II.
Die Klage ist unbegründet.
Das HZA hat zu Recht die Anträge auf Erstattung des Zolls in Höhe von … € mit den Bescheiden vom 29. März 2016 und den hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen abgelehnt, weil für die eingeführten Waren keine Zollaussetzung bestand.
1. Nach Art. 2 der Verordnung Nr. 2658/87, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 254/2000 des Rates vom 31. Januar 2000 (ABl. Nr. L 28/16), ist die Kommission ermächtigt worden, auf der Grundlage der Kombinierten Nomenklatur (KN) einen TARIC zur erstellen. Der TARIC baut auf dem sogenannten HS und der KN auf und verschlüsselt in der neunten und zehnten Stelle der Codenummer unionsrechtliche Maßnahmen, wie zum Beispiel Antidumpingregelungen, Zollaussetzungen oder Zollkontingente. Der TARIC hat verwaltungstechnischen Charakter mit dem Ziel, die in selbständigen Rechtsnormen (Verordnungen des Rates) getroffenen Regelungen für die praktische Anwendung im Unionsgebiet aufzubereiten und darzustellen; er selbst ist keine Rechtsnorm.
2. Maßgebend für den Streitfall ist Artikel 1 der Verordnung (EU) Nr. 1387/2013 des Rates vom 17. Dezember 2013 (ABl. Nr. L 354/201) zur Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte landwirtschaftliche und gewerbliche Produkte, geändert durch Verordnung (EU) Nr. 722/2014 des Rates vom 24. Juni 2014 (ABl. Nr. L 192/9; nachfolgend: VO 1387/2013) und nochmals geändert durch Verordnung (EU) Nr. 1341/2014 des Rates vom 15. Dezember 2014 (ABl. Nr. L 363/10, nachfolgend: VO 1341/2014), die in Anhang I für „Vorderradgabeln, aus Aluminium, zur Verwendung bei der Herstellung von Fahrrädern“ des KN Codes ex 8714 9130 mit der TARIC-Codierung 23, 33 und 70 eine autonome Zollaussetzung vorsah.
Die von der Klägerin eingeführten Vorderradgabel sind nicht von dieser Zollaussetzung erfasst.
Eine Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs bezweckt, für einen begrenzten Zeitraum dem Bedarf der verarbeitenden Industrien der Europäischen Union Rechnung zu tragen. In diesem Zusammenhang ist bei der Anwendung und Umsetzung von Aussetzungen auch die Rechtssicherheit zu beachten sowie die Schwierigkeiten zu berücksichtigen, denen die einzelstaatlichen Zollverwaltungen bei der Bewältigung der umfangreichen und vielschichtigen Aufgaben auf dem Zollsektor gegenüberstehen. Daraus folgt, dass die Bezeichnung von Waren, für die eine Zollaussetzung gewährt worden ist, anhand objektiver Kriterien, die sich aus ihrer Formulierung ergeben, auszulegen sind und dass sie nicht entgegen ihrem Wortlaut auf andere Erzeugnisse angewandt werden können, selbst wenn diese Erzeugnisse sich in ihren Eigenschaften und ihrer Verwendung nicht von denjenigen unterscheiden, die unter die Aussetzungsregelung fallen, weil dies der Grundsatz der Rechtssicherheit und die praktische Umsetzung so erfordern (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union – EuGH – vom 18. März 1986, 58/85, Slg. 1986, 1131, und vom 17. Februar 2011 C-11/10, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern – ZfZ – 2011, 78).
Auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – (Urteile vom 31. Mai 2016 VII R 47/14, BFH/NV 2016, 1759, und vom 23. Mai 2019 VII R 33/17, ZfZ 2019, 278) sind Zollaussetzungsnormen entsprechend ihrem Wortlaut eng auszulegen, so dass sie nicht über ihren Wortlaut hinaus auf Erzeugnisse angewandt werden können, die in ihnen nicht genannt sind.
Die einleitenden Erwägungen der jeweiligen Änderungsverordnungen der VO 1387/2013, wie etwa die Nachfolge-Verordnung (EU) 2015/2449 des Rates vom 14. Dezember 2015 zur Änderung der hier maßgebenden VO 1341/2014 (ABl. L 354/11), zeigen gleichfalls, dass die Anforderungen der Industrie eine ständige Anpassung der Zollaussetzungen und ggf. Änderungen der Warenbezeichnungen erforderlich machen (vgl. dritter Erwägungsgrund). So ist es auch auf die Eingaben der Industrie zurückzuführen, dass sich die hier einschlägige Zollaussetzung erst ab der in 2016 gültigen Verordnung erweiternd auf „Vorderradgabeln mit Schenkeln aus Aluminium…“ bezieht, wobei offenbleiben kann, ob hierunter auch eine Ware wie die streitgegenständliche fällt, die nicht nur aus Vorderradgabeln mit Schenkeln aus Aluminium besteht, sondern darüber hinaus auch noch über ein Tauchrohr aus Magnesium verfügt. Der Senat teilt folglich nicht die Auffassung der Klägerin, dass die spätere Wortlautänderung bei der fraglichen Zollaussetzung eine bloße Klarstellung zur Reichweite der Vorschrift darstellt.
Für eine enge Auslegung spricht auch, dass die Ware, für die die Zollaussetzung (hier in der Anlage I als „ex 8714 9130 mit TARIC 23, 33, 70, Vorderradgabeln, aus Aluminium, zur Verwendung bei der Herstellung von Fahrädern“ bezeichnet) gelten soll, sehr detailliert beschrieben ist und mit der Verweisung „ex“ die Begünstigung für eine bestimmte Ware ausspricht, die in der Spalte 2 „Warenbezeichnung“ der jeweiligen Zollaussetzung aufgeführt ist (vgl. EuGH-Urteil vom 28. März 1996 C-99/94, Slg 1996, I-1791).
Aufgrund der engen Auslegung des Wortlauts der Zollaussetzungen besteht kein Raum für eine Anwendung der AV 3b) auf TARIC-Ebene, weil dies den Kreis der von einer Zollaussetzung erfassten Waren ebenso erweitern würde wie bei einer Ausdehnung einer Zollaussetzung durch Hereinnahme von vergleichbaren Waren (vgl. Nationale Entscheidungen und Hinweise zur AV 3 Randnr. 177.0; ebenso: FG Düsseldorf, Urteil 12. Juni 2019 4 K 754/18 Z, nv). Im Übrigen würde allenfalls eine analoge Anwendung der AV 3b) auf TARIC-Ebene in Betracht kommen, weil die AV 1 bis 5 nur für die Position, also die ersten vier Ziffern der Codierung, Gültigkeit besitzt und die AV 6 ihren originären Bezug auf die sechsstellige Unterposition des HS bzw. auf die Gesamtheit der Unterpositionen der KN hat.
Das Ergebnis entspricht auch der vom HZA vorgetragenen Sichtweise der EU-Kommission, die dem BMF im Februar 2016 erläutert hat, dass für die Einreihung in den zehnstelligen TARIC-Code die Ware dem genauen Wortlaut des diesbezüglichen TARIC-Codes entsprechen müsse (vgl. Bl. 128 FG-Akte).
Die Einreihung der französischen Zollbehörden (vZTA: FR-RTC-2015-008298) führt gleichfalls zu keinem anderen Ergebnis. Die Auskunft ist erst im Jahr 2016 zu vergleichbaren Vorderradgabeln erteilt worden und fußt daher bereits auf einer in der Warenbeschreibung geänderten Nachfolge-Verordnung zur Zollaussetzung der fraglichen Waren, die erst ab 1. Januar 2016 gültig war und nicht rückwirkend für den hier maßgebenden Zeitraum gilt (vgl. BFH-Urteil in ZfZ 2019, 278).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.


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