Europarecht

Zum Vertretenmüssen der Ertragsminderung nach § 33 Abs. 1 S. 1 GStG

Aktenzeichen  M 10 K 17.5153

Datum:
8.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 32275
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GrStG § 33

 

Leitsatz

Ist die Ertragsminderung durch einen Leerstand bedingt, hat sie der Steuerpflichtige nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Klägerinnen haben die Kosten ihres jeweiligen Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung jeweils in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit jeweils in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässigen Klagen haben in der Sache keinen Erfolg. Die ablehnenden Bescheide vom 19. Oktober 2016 und die Widerspruchsbescheide vom 28. September 2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerinnen als jeweilige Adressatinnen nicht in ihren Rechten.
Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG wird die Grundsteuer in Höhe von 25 Prozent erlassen, wenn bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag des Steuergegenstandes um mehr als 50 Prozent gemindert ist und der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat.
Ein Steuerpflichtiger hat die Ertragsminderung nicht zu vertreten, wenn sie auf Umständen beruht, die außerhalb seines Einflussbereichs liegen, d.h. wenn er die Ertragsminderung weder durch ein ihm zurechenbares Verhalten herbeigeführt noch ihren Eintritt durch geeignete und ihm zumutbare Maßnahmen hat verhindern können (BVerwG, U.v. 25.6.2008 – 9 C 8/07, NVwZ-RR 2008. 814/815; BayVGH, B.v.. 18.1.2010 – 4 ZB 09.1962 – juris). Ist die Ertragsminderung durch einen Leerstand bedingt, hat sie der Steuerpflichtige nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat (BFH, U. V. 4 20.10.2007 – II R 5/05 – juris). Der Begriff des Vertretenmüssens ist weit auszulegen und greift weiter als eine bloße Vermeidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit in Bezug auf die zur Ertragsminderung führenden Ursachen. Bei der Auslegung des § 33 GrStG ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt, die mit Rücksicht auf die Eigenart der Grundsteuer als grundsätzlich ertragsunabhängige Objektsteuer eng auszulegen ist. Je schwieriger ein Objekt zu vermieten ist, desto intensiver und nachhaltiger haben die Vermietungsbemühungen zu sein (VG Augsburg, U.v. 30.10.2013 – Au 6 K 13.596 – juris). Eine Grenze ist erreicht, wenn die Kosten für Werbemaßnahmen nicht mehr in einem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur Vermietungschance stehen. Der Grundstückseigentümer, der in den Genuss einer Vergünstigung des § 33 GrStG gelangen will, ist daher grundsätzlich gehalten, einen Makler mit der Vermarktung zu beauftragen oder sich herkömmlicher Medien zu bedienen, das Objekt am Markt anzubieten (BayVGH, B.v. 18.1.2010 – 4 ZB 09.1962 – juris; VG München, U.v. 18.6.2009 – M 10 K 09.1205 – juris; VG Dresden, U.v. 31.1.2012 – 2 K 1344/10 – juris; VG Ansbach, U.v. 17.8.2011 – AN 11 K 10.02420 – juris; VG Augsburg, U.v. 30.10.2013 – Au 6 K 13.596 – juris). Die Feststellung, dass fehlende Vermietungsbemühungen keine Auswirkungen auf die Ertragsminderung gehabt haben, ist nur möglich, wenn der Grundeigentümer bzw. die von ihm beauftragten Personen versucht haben, den Kreis möglicher Interessenten möglichst umfassend zu erreichen (OVG NRW, B.v. 25.11.2016 – 14 A 1636/15 – juris). Maßgeblich für die Bewertung sind dabei die Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Im Einzelnen können etwa der Objektcharakter, das jeweilige Marktsegment sowie die Marktsituation vor Ort berücksichtigt werden (BVerwG, B.v. 13.2.2017 – 9B 37/16 – juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann fallübergreifend die Frage beantwortet werden, ob ein Gewerbeobjekt immer im Internet anzubieten ist. Es läge allerdings gerade bei gewerblich genutzten Immobilien nahe, diese im Internet anzubieten (BVerwG, B.v. 13.2.2017 – 9B 37/16 – juris).
Nach alledem geht das Gericht nicht davon aus, dass die Klägerinnen ausreichende Vermietungsbemühungen nachgewiesen haben und damit die Ertragsminderung nicht zu vertreten hätten. Die folgenden Bemühungen lassen sich den vorgelegten Nachweisen entnehmen: Das Maklerunternehmen … GmbH hat das Objekt „Ende 2015/Anfang 2016“ angeboten. Es habe zwei Besichtigungen gegeben. Das Maklerunternehmen … & … hat eine Übersicht von Vermarktungsaktivitäten für verschiedene Gebäudeteile der …straße 51 vorgelegt. Danach wurde das Gebäude 1713/1714 am 20. März 2015 sowie ein weiteres Mal in Jahr 2015 (Datum unleserlich) angeboten. Für das Gebäude 1752 ist eine Terminvereinbarung am 19. Januar 2015 notiert. Das Gebäude „…“ wurde im Jahr 2015 siebenmal Interessenten angeboten. Zudem sind die Klägerinnen gesellschaftsrechtlich mit einem Maklerunternehmen verbunden, welches Kontakt im September und Oktober 2015 zur Beklagten gesucht hat.
Diese Bemühungen genügen nicht. Es fehlt am Merkmal der Nachhaltigkeit der Bemühungen, darüber hinaus auch an der Intensität. Die nachgewiesenen Bemühungen beziehen sich mit wenigen Ausnahmen auf den Zeitraum Herbst/Winter 2015 und decken nicht das gesamte Steuerjahr ab. Es ist nicht nachgewiesen, dass die Klägerinnen sich den gesamten Zeitraum um eine Vermietung bemühten.
Zudem genügen die Information zweier Maklerunternehmen und das eigene Ansprechen nur sehr weniger Kunden nicht den Anforderungen an die Nachhaltigkeit. Es ist auf diese Weise nicht nachweislich gewährleistet, dass jeder potentielle Kunde von dem Angebot erfahren konnte. Weder ist nachgewiesen, dass die beiden beauftragten oder das konzerneigene Maklerunternehmen so zentral im Markt sind, dass ein Kunde sie sicher ansprechen würde, noch ist die Art und Weise ihrer Vermarktungsbemühungen nachgewiesen. So ist unklar, mit welchen Mitteln sie das Objekt angeboten und beworben haben und welcher Medien sie sich dazu bedienten. Bei den vorgelegten Nachweisen fehlt auch die Information, ob das Objekt zu einem marktüblichen Preis angeboten wurde und welche Nutzungsformen und Flächenzuschnitte angeboten wurden. Die Klägerseite hat selbst vorgetragen, bei Großobjekten würden die größeren Maklerunternehmen informiert, hat aber versäumt nachzuweisen, dass dies hinsichtlich des streitgegenständlichen Objektes auch erfolgte. Auch wenn bei Gewerbeimmobilien in der Größenordnung des streitgegenständlichen Objektes (30.000 m²) nicht üblich sein sollte, über ein Immobilienportal oder eine Zeitungsannonce Mieter zu finden, haben die Klägerinnen offensichtliche Möglichkeiten ungenutzt gelassen, das Objekt bekannt zu machen. Auch für große Gewerbeflächen besteht ein Angebot auf einschlägigen Internetportalen, dementsprechend ist auch von einer Nachfrage auf diesem Weg auszugehen, zumal die Klägerinnen auch Teilflächen hätten anbieten können. Auch wenn in anderen Fällen ein am Objekt angebrachtes Schild erfolgversprechend sein mag, spricht die Größe des Objektes gegen die Wahrscheinlichkeit eines zufälligen Fundes.
Entgegen der Ansicht der Klägerseite geht das Gericht nicht davon aus, dass die erfolgreiche Vermietung eine nachhaltige Vermietungsbemühung im Jahr 2015 nachweist. Vielmehr kann sie auch auf späteren Bemühungen, Zufall oder punktuellen Bemühungen beruhen.
Nach alledem war die Klage unbegründet und abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben