Europarecht

Zur Reichweite des Beteiligungserfordernisses der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK)

Aktenzeichen  RO 3 K 18.15

Datum:
21.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 14920
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RStV § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 7,  § 38 Abs. 2, § 20 Abs. 1 S. 1
BayMG Art. 16 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Die ZAK ist nicht nur in Angelegenheiten zu beteiligen, die auf der Grundlage des Rundfunkstaatsvertrags zugelassene Veranstalter betreffen. Ihre Zuständigkeit bezieht sich auch auf Aufsichtsmaßnahmen. (Rn. 30 – 38) (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch »Laienjournalismus« kann journalistisch i. S. d. § 2 RStV sein, wenn ein gewisser Grad an organisatorischer Verfestigung erreicht ist.  (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 19. September 2014, Az. 4.24/6.2, wird aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die Anfechtungsklage hat Erfolg, da sie zulässig und begründet ist. Der Bescheid der Beklagten vom 19. September 2014 erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Beklagte stützte den Bescheidserlass allein auf die Norm des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Entwicklung, Förderung und Veranstaltung privater Rundfunkangebote und anderer Telemedien in Bayern (Bayerisches Mediengesetz – BayMG). Sie geht davon aus, dass die Regelungen der §§ 38 Abs. 2, 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 RStV vorliegend nicht einschlägig seien und deshalb eine Entscheidung der ZAK im Hinblick auf die konkret getroffene Maßnahme der Untersagung nicht erforderlich gewesen sei. Dem ist jedoch nicht zuzustimmen. Insofern fehlt es an der notwendigen Entscheidung der ZAK, die allein feststellte, dass es sich bei dem Angebot „…“ um Rundfunk ohne Zulassung handle, jedoch keine Entscheidung über die Untersagung traf.
Nach Ansicht der Beklagtenseite sei die ZAK nur in Angelegenheiten zu beteiligen, die Veranstalter beträfen. Als Veranstalter sei hierbei nur zu verstehen, wer eine Zulassung auf der Grundlage des Rundfunkstaatsvertrags besitze. Diese Systematik und grundlegende Weichenstellung liege auch der Norm des § 36 RStV zugrunde. Dies lasse sich der Regelung des § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RStV entnehmen, welche die Zuständigkeit der ZAK für die Zulassung normiere. Infolgedessen sei die ZAK nur bei Aufsichtsmaßnahmen zu beteiligen, wenn eine Zulassung vorliege. Die vorliegend durch die ZAK getroffene Entscheidung stelle eine so genannte „Bedenklichkeitsbescheinigung“ dar. Diese genüge der Landesmedienanstalt, um Maßnahmen nach dem Landesrecht, nicht nach dem RStV, zu ergreifen.
Der beklagtenseitigen Argumentation ist nicht zu folgen.
Gegen eine derartige Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 RStV spricht bereits der Wortlaut der Norm. Aus diesem ergibt sich eine Zuständigkeit der ZAK für „Aufsichtsmaßnahmen gegenüber privaten bundesweiten Veranstaltern, soweit nicht die KEK nach Absatz 4 zuständig ist“. Mithin ist im Normtext keine Einschränkung dergestalt enthalten, dass lediglich Aufsichtsmaßnahmen gegenüber zugelassenen bundesweiten Veranstaltern einer Entscheidung der ZAK bedürfen würden.
Auch ergibt sich eine derartige Einschränkung nicht bereits aus dem Begriff der „privaten bundesweiten Veranstalter[…]“. Dies wird zunächst durch einen Vergleich mit der in § 2 Abs. 2 Nr. 14 RStV enthaltenen Begriffsdefinition des Rundfunkveranstalters deutlich. Demnach ist Rundfunkveranstalter, wer ein Rundfunkprogramm – dieser Begriff wird wiederum in § 2 Abs. 2 Nr. 1 RStV definiert – unter eigener inhaltlicher Verantwortung anbietet. Abgestellt wird auch hierbei lediglich auf die faktische Handlung des Anbietens ohne Differenzierung danach, ob eine Zulassung hierfür vorliegt, oder nicht.
Schließlich ist in die Auslegung auch die Norm des § 20 Abs. 1 Satz 1 RStV mit einzubeziehen, nach der private Veranstalter zur Veranstaltung von Rundfunk einer Zulassung bedürfen. Diese Regelung statuiert für private Veranstalter von Rundfunk zwar eine Zulassungspflicht. Allerdings wird in der Norm gerade nicht geregelt, dass erst eine erfolgte Zulassung die Veranstaltereigenschaft begründen würde. Stattdessen werden auch diejenigen, welche noch einer Zulassung bedürfen, eine solche mithin noch nicht erhalten haben, als private Veranstalter bezeichnet. In Übereinstimmung hiermit regelt § 20 a RStV die „Erteilung einer Zulassung für Veranstalter von bundesweit verbreitetem Rundfunk“. Hierdurch wird nochmals verdeutlicht, dass der Veranstalterbegriff von der Zulassungserteilung unabhängig sein soll.
Überdies wird die vorliegende Auslegung des Veranstalter-Begriffs auch durch die in § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 RStV enthaltene Ordnungswidrigkeiten-Regelung gestützt. Danach handelt ordnungswidrig, wer als Veranstalter von bundesweit verbreitetem privatem Rundfunk vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 20 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1 RStV ohne Zulassung Rundfunkprogramme veranstaltet. Die Norm geht mithin implizit davon aus, dass es möglich ist, als Veranstalter Rundfunk ohne Zulassung zu veranstalten. Auch hierdurch wird deutlich, dass die Annahme der Veranstalter-Eigenschaft eine vorherige Zulassung nicht voraussetzt.
Auch Sinn und Zweck des § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 RStV entspricht es, die Norm nicht nur im Falle einer bereits erfolgten Rundfunk-Zulassung anzuwenden. Durch § 36 RStV werden abschließend die Zuständigkeiten und Aufgaben der bundesweiten Medienaufsicht für bundesweite Angebote geregelt (vgl. Schuler-Harms in Binder/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, § 36 Rn. 1). Die ZAK wurde im Rahmen der im Jahr 2008 mit dem 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag einhergehenden Strukturreform der Medienaufsicht zum Zwecke der weiteren Vereinheitlichung der Aufsicht über den bundesweiten Rundfunk geschaffen (vgl. Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 35 Rn. 2). Insofern dienen die in § 36 Abs. 2 Satz 1 RStV enthaltenen Regelungen der effektiveren Gestaltung der Medienaufsicht über bundesweite Anbieter unter anderem durch Minimierung des Einflusses standortpolitischer Interessen einzelner Landesmedienanstalten auf Zulassungs- und Aufsichtsentscheidungen (vgl. Binder/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, § 36 Rn. 18a).
Der in § 36 Abs. 2 Satz 1 RStV normierte Zuständigkeitskatalog der ZAK ist derart umfassend geregelt, dass den Landesmedienanstalten im Bereich bundesweiter Angebote nur noch wenige Aufgaben zur dezentralen Erledigung verbleiben (vgl. Schuler-Harms in Binder/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, § 36 Rn. 11). Dass hier ein derartiger, vom Katalog des § 36 Abs. 2 Satz 1 RStV ausgenommener Fall vorliegen sollte, ist nicht ersichtlich. Denn den Zwecken der Minimierung des Einflusses einzelner Landesmedienanstalten und der Vereinheitlichung zu treffender Entscheidungen ist die vorliegend vertretene Auslegung der Regelung des § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 RStV dienlich, wonach eine Entscheidung der ZAK erforderlich gewesen wäre. Dies ist unabhängig vom Vorliegen einer Rundfunkzulassung dadurch bedingt, dass eine bundesweite Ausstrahlung des streitgegenständlichen Angebots stattfand. Im Falle einer anderweitigen Auslegung käme es zu Wertungswidersprüchen. Denn während es einem zugelassenen bundesweiten Rundfunkanbieter verwehrt bliebe, sich durch die Wahl der Landesmedienanstalt, bei der er seinen Antrag stellt, vollständig deren alleiniger Zuständigkeit zu unterwerfen, wäre für einen nicht zugelassenen Veranstalter allein aufgrund von dessen Untätigkeit bezüglich einer Antragstellung lediglich eine Anstalt ohne Beteiligung der weiteren Landesmedienanstalten zuständig. Verstärkt wird dieser Wertungswiderspruch dadurch, dass hinsichtlich Aufsichtsmaßnahmen ein Auswahlermessen besteht und es mithin bedeutsam ist, wer dieses ausübt. Im Übrigen ist zu beachten, dass im Falle einer bestehenden Zulassung bereits im Vorfeld der Aufsichtsmaßnahmen nach § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 RStV eine Entscheidung der ZAK nach § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RStV erfolgte und der jeweilige Veranstalter deshalb bereits einer gewissen Regulierung und Prüfung unterworfen wurde. Trotzdem wäre in diesem Falle – insoweit unstreitig – eine Entscheidung der ZAK nach § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 RStV erforderlich. Inkonsistent wäre es jedoch, wenn demgegenüber bei nicht zugelassenen bundesweiten Veranstaltern eine Aufsichtsmaßnahme nach § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 RStV als nicht notwendig erachtet werden würde. Denn ein derartiger bundesweiter Veranstalter unterlag im Voraus gerade noch keinerlei einheitlicher Kontrolle unter Beteiligung von Vertretern aller Landesmedienanstalten über das Gremium der ZAK. Sein Angebot wurde mithin noch keiner einheitlichen Überprüfung und Bewertung unterzogen und wäre, würde man der Beklagtensicht folgen, einer solchen auch im Folgenden allein infolge fehlender Zulassung gänzlich entzogen. Es ist jedoch in einem derartigen – hier vorliegenden Fall – gerade kein geringeres Bedürfnis nach einer einheitlichen Entscheidungsfindung gegeben. Eine derartige einheitliche Entscheidung liegt im konkreten Fall nicht aufgrund der Entscheidung der ZAK in der Sitzung vom 15. April 2014 vor. Denn die ZAK befasste sich lediglich mit der Frage des Betreibens von Rundfunk ohne Genehmigung, nicht jedoch mit hieran anknüpfenden Rechtsfolgen in Form von Aufsichtsmaßnahmen. Der angestrebten einheitlichen Kontrolle wird durch eine derartige Entscheidung nicht Rechnung getragen. Die Befassung der ZAK erfolgte in einem anderen Zusammenhang und betrifft andere als die im vorliegenden Verfahren relevanten Fragen hinsichtlich konkreter Aufsichtsmaßnahmen. Eine derartige ausnahmsweise im konkreten Fall erfolgte Vorbefassung der ZAK im Bußgeldverfahren betreffend anderer Fragestellungen lässt nicht das Bedürfnis entfallen, auf der abstrakt-generellen Ebene des § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 RStV unter dem Gesichtspunkt einer einheitlichen Entscheidungsfindung eine Beschlussfassung der ZAK bezüglich der konkret getroffenen Maßnahme auch im Falle einer fehlenden Zulassung nach dem Rundfunkstaatsvertrag zu fordern.
Die gesetzliche Regelungssystematik spricht ebenfalls gegen die beklagtenseitig vorgebrachte Auslegung. Denn aus dieser ergibt sich, dass § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 RStV auch in Zusammenhang mit weiteren Aufgaben der ZAK aufgeführt wird, die ebenfalls keine zuvor erteilte Rundfunkzulassung voraussetzen. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die unterschiedlichen Aufgaben bezüglich Übertragungskapazitäten. Denn nach § 50 RStV sind hiervon neben dem Rundfunk auch vergleichbare, nämlich an die Allgemeinheit gerichtete, Telemedien erfasst. Des Weiteren hat sich die ZAK auch im Rahmen des § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 RStV mit der – der Zulassung vorgelagerten – Frage der Zulassungspflicht nach § 20 Abs. 2 RStV zu befassen. Soweit die Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung argumentierte, es lasse sich der Regelung des § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RStV, welche die Zuständigkeit der ZAK für die Zulassung normiere, entnehmen, dass die ZAK nur dann zu beteiligen sei, wenn eine Zulassung auf der Grundlage des Rundfunkstaatsvertrags vorliege, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich bei § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RStV nicht um eine übergeordnete Regelung handelt, welche allgemeine Vorgaben hinsichtlich der Zuständigkeit der ZAK enthält. Stattdessen steht die Vorschrift auf gleicher Ebene mit den Regelungen in § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 – 9 RStV, mithin insbesondere auch mit dem hier einschlägigen § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 RStV. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RStV normiert deshalb lediglich Aufgaben, die gleichgeordnet neben jenen in den anderen Nummern stehen, ohne, dass sich hieraus Vorgaben für die Auslegung der anderen Aufgaben ableiten ließen. Dies gilt unabhängig davon, welches Maß an praktischer Relevanz § 36 Abs. 1 Nr. 1 RStV im Vergleich zu den anderen Aufgaben zukommt.
Aufgrund der vorstehenden Darlegungen ist der streitgegenständliche Bescheid rechtswidrig, obwohl es sich beim Angebot „…“ um Rundfunk im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 RBStV handelt. Das Gericht schließt sich insofern den folgenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Regensburg im Urteil vom 18. Oktober 2016 (Az. RO 3 K 14.1177; vgl. nachfolgend zudem BayVGH, B.v. 12.12.2017 – jeweils beck-online) an, die im Hinblick auf zwei einzelne Sendungen des hiesigen Angebots ergingen und auf den vorliegenden Fall übertragbar sind:
„Der Begriff des Rundfunks findet in § 2 Abs. 1 Satz 1 RStV eine Legaldefinition. Danach ist Rundfunk ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst (Halbsatz 1) und die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen (Halbsatz 2).
Diese Definitionsmerkmale liegen bei den streitgegenständlichen Sendungen Nr. 60 und 61 vom 1. und 8.12.2013 vor.
Die Sendungen wurden unzweifelhaft in Bewegtbild und Ton sowie als Live-Stream übers Internet unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ausgestrahlt. Sie waren auch an die Allgemeinheit gerichtet, weil für jedermann auf der Internetseite http:/ …de abrufbar. Dabei spielt es keine Rolle, dass mit dem Format wohl nur ein begrenzter Personenkreis erreicht wird; denn maßgeblich ist allein, dass die Sendungen zum Empfang durch einen unbestimmten Personenkreis ausgerichtet sind (vgl. Schulz, in: Hahn/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl., Rn. 43 zu § 2 RStV). Ebenso wenig fehlt es den Sendungen am Linearitätsmerkmal. Denn die Sendungen Nr. 60 und 61 sind einerseits zum zeitgleichen Empfang durch die Rezipienten bestimmt; andererseits werden sie als zwei von grundsätzlich an jedem Sonntag zwischen 19:00 Uhr und 21:00 Uhr stattfindenden Sendungen eindeutig im Rahmen eines Sendeplans ausgestrahlt. Die Sendungen sind inhaltlich strukturiert; sie bestehen insbesondere aus Einspielungen von Videoclips bzw. Musiktiteln, Besprechungen von aktuellen Themen, Interviews von Musikbandmitgliedern mit der Möglichkeit, dass Fragen der Zuschauer an diese per Chat oder Skype gestellt werden können, sowie aus Gewinnspielen mit Fragen, bei denen Telefonanrufer eine vorher vorgestellte CD gewinnen können. Ein »roter Faden«, der vom Kläger vorgegeben wird, im Sinn eines strukturierten Ablaufs von Inhalten ist klar erkennbar.
Nicht nachvollziehbar ist, wenn von Klägerseite die Rundfunkeigenschaft der Sendungen dadurch infrage gestellt wird, dass diese auch im Archiv zur Verfügung standen und insoweit nicht der Kläger, sondern der Nutzer bestimmt, wann er diese dort abruft. Denn dies ändert nichts an dem Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen für die Rundfunkeigenschaft der Sendungen im Rahmen eines jeweils Sonntagabend stattfindenden Rundfunkprogramms.
Die Auffassung des Klägers, dass keine lineare, sondern multipolare Kommunikationsstruktur vorliege, weil während der Sendungen zwischen dem Moderator und den Zuschauern durch den Chat im Hintergrund eine Interaktion stattfinde, die es ermögliche, beispielsweise Fragen an den Moderator oder die telefonisch zugeschalteten Interviewpartner zu richten, und deshalb auch von den Zuschauern Einfluss auf den Inhalt der Sendungen genommen werden könne, wird nicht geteilt. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass eine Interaktivität dergestalt, dass die Nutzer unmittelbaren Einfluss auf die Sendung nehmen können, nicht gegeben ist. Denn der Kläger bestimmt den Ablauf der Sendung gemeinsam mit seinem Co-Moderator. Nutzer können nur begleitend und nur soweit es von den Moderatoren zugelassen wird, mitwirken.
Zum Vortrag der Klägerseite, es fehle für die Annahme von Rundfunk an dem Merkmal der Darbietung, weil die Sendungen keine Meinungsbildungsrelevanz hätten, ist festzustellen, dass dieses Merkmal lediglich bis zum Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag in § 2 RStV enthalten war; nach der hier einschlägigen Fassung der Norm ist ein Darbietungscharakter als Tatbestandsmerkmal nicht mehr vorgesehen. Aber selbst wenn, wie vertreten wird, der Begriff Rundfunk eine Darbietung im Sinne der Meinungsbildung erfordern sollte, wäre diese bei den Sendungen Nr. 60 und 61 ohne Zweifel gegeben, weshalb es auch dahingestellt bleiben kann, ob dieses Merkmal unionsrechtlich geboten ist. In den Sendungen wird nicht nur Musik abgespielt, sondern es finden politisch motivierte Diskussionen und Gespräche – teilweise auf der Grundlage aktueller Berichterstattung – statt, in denen unzweifelhaft die Moderatoren ihre Meinung darlegen und auf die Meinungsbildung anderer Einfluss nehmen wollen. So werden insbesondere als richtig empfundene rechtsextreme Inhalte und Ideologien dargestellt, Wege in die rechtsextreme Szene aufgezeigt und gesellschaftliche Veränderungen im Sinne eines Nationalsozialismus propagiert. Dass die streitgegenständlichen Sendungen auf der Website www…de neben weiteren Angeboten wie einem Shop, einem Chat, einem YouTube-Kanal, einem Radiosender und einer Pinnwand mit Neuigkeiten standen, ändert nichts an ihrer inhaltlichen Meinungsbildungsrelevanz und an der Rundfunkeigenschaft, da, wie oben dargelegt, die Tatbestandsvoraussetzungen hierfür erfüllt sind.
Auf die geltend gemachte Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 3 Nr. 1, 3 und 4 RStV kann sich der Kläger nicht berufen.
Der Vorschrift des § 2 Abs. 3 Nr. 4 RStV, wonach nicht journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote kein Rundfunk seien, unterfallen die Sendungen Nr. 60 und 61 offensichtlich nicht. Kriterien für ein journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot sind Selektion und Aufbereitung nach gesellschaftlicher Relevanz wie z. B. Aktualität; auf eine professionelle, gar berufsmäßige journalistische Tätigkeit kommt es nicht an; auch »Laienjournalismus« kann journalistisch i. S. d. § 2 RStV sein, wenn ein gewisser Grad an organisatorischer Verfestigung erreicht ist. Der Begriff »journalistisch-redaktionell« umfasst auch Unterhaltungsangebote, nicht aber Dienste, bei denen gar keine Selektion und Aufbereitung stattfindet, wie bei Webcams, die kontinuierlich live reale Geschehnisse verbreiten (vgl. Schulz, in: Hahn/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl., Rn. 56 f. zu § 2 RStV). Als entscheidend für das Vorliegen eines journalistisch-redaktionellen Angebots wird teilweise die Intention auf Teilhabe am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung angesehen. Diese Teilhabe muss sich jedoch nicht an die breite Öffentlichkeit richten, es reicht aus, wenn sie auf kleinere Zielgruppen zugeschnitten ist (VGH Baden-Württemberg ZUM-RD 2014, 396).
Hiervon ausgehend hat das Gericht keine Zweifel, dass die streitgegenständlichen …-Sendungen journalistisch-redaktionell gestaltet sind, weshalb die Ausnahme des § 2 Abs. 3 Nr. 4 RStV nicht vorliegt. Die Beklagte weist in diesem Zusammenhang zu Recht auf Folgendes hin: Der Kläger geht als Moderator der Sendungen auf aktuelle Ereignisse ein, es gibt Nachrichten innerhalb der Sendung, die auf aktuellen Begebenheiten beruhen. Ferner werden ausgewählte Musiktitel oder Musikvideos vorgestellt und es finden Interviews mit Bandmitgliedern statt. Zuschauer können teilweise Fragen per Skype oder Chat stellen. Aus alledem folgt eine journalistisch-redaktionelle Gestaltung in Form von Selektion und Aufbereitung, die entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten (wie oben dargestellt) auch eine Meinungsbildungsrelevanz aufweist.
Es liegt auch nicht die Ausnahme gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 RStV vor; hiernach sind Angebote kein Rundfunk, die jedenfalls weniger als 500 potenziellen Nutzern zum zeitgleichen Empfang angeboten werden. Diese Bestimmung stellt auf die technische Grenze der Reichweite ab. Nicht unter Rundfunk fallen damit Angebote, die nicht von mehr als 500 Rezipienten zeitgleich empfangen werden können, so z. B. wenn der Ausspielserver nicht mehr als 500 parallele Streams zulässt (vgl. Schulz, in: Hahn/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl., Rn. 52 zu § 2 RStV). Hierfür wurde aber weder etwas vorgetragen, noch ist dies ersichtlich. Ob weniger als 500 Nutzer die Sendungen tatsächlich ansehen, spielt nach dem Wortlaut der Norm keine Rolle. Maßgeblich ist allein, dass die Sendungen ohne technische Empfangsbeschränkung an die Allgemeinheit gerichtet sind. Aus der vom Klägerbevollmächtigten zitierten Gesetzesbegründung ergibt sich nichts anderes. Auch danach ist auf die potenziell möglichen Zugriffe abzustellen und nicht auf die tatsächlichen. Die Formulierung »absolute Untergrenze« meint, dass bei einer Beschränkung der Zugriffsmöglichkeit auf weniger als 500 Nutzer stets kein Rundfunk vorliegt, das Wort »jedenfalls«, dass bei technisch höheren Nutzungszahlen von einer Zuordnung als Rundfunk abgesehen werden kann. Die Formulierung spricht damit eine Flexibilität nach oben an (vgl. Schulz, in: Hahn/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl., Rn. 52 zu § 2 RStV). Anhaltspunkte, warum entgegen der Grundregel, dass bei Zugriffsmöglichkeit von mehr als 500 Nutzern Rundfunk vorliegt, ausnahmsweise im Hinblick auf die Rezipientenzahl kein Rundfunk anzunehmen ist, wurden weder substanziiert vorgebracht, noch sind sie ersichtlich. Zu denken wäre daran beispielsweise bei einer Zugriffsbeschränkung auf nur geringfügig mehr als 500 Rezipienten, was bei den Sendungen Nr. 60 und 61 aber ersichtlich nicht der Fall war.
Schließlich kommt auch nicht der Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 3 Nr. 4 RStV (Angebote, die ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dienen) in Betracht, da das Angebot des Klägers unbegrenzt an die Allgemeinheit und auf (deren) Meinungsbildung gerichtet ist.“
Infolge der Rechtswidrigkeit der Ziffer 1 des Bescheids vom 19. September 2014 sind auch die Ziffern 2 und 3 rechtswidrig.
Der Kläger ist durch den streitgegenständlichen Bescheid auch in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Zwar ist bei lediglich verfahrens- oder formfehlerhaften Verwaltungsakten von einer Rechtsverletzung dann nicht auszugehen, wenn die Voraussetzungen des Art. 46 BayVwVfG vorliegen (vgl. Decker in BeckOK VwGO, 49. Edition Stand 1.4.2019, § 113 VwGO Rn. 17 m.w.N.). Doch ist ein solcher Fall hier nicht gegeben. Der vorliegende, zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts führende Fehler ist gerade nicht unbeachtlich. Art. 46 BayVwVfG findet Anwendung allein auf Verfahrens- und Formfehler sowie Fehler im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit. Im Übrigen ist infolge des im vorliegenden Fall bestehenden Auswahlermessens bezüglich der zu ergreifenden Maßnahme nicht ausgeschlossen, dass es im Falle der Beteiligung der ZAK zu einer anderen Entscheidung bezüglich der konkret gewählten Aufsichtsmaßnahme gekommen wäre. Auch im Hinblick auf den nicht abschließend festgelegten Maßnahmenkatalog und die Tatsache, dass vorliegend auf unterschiedliche Weise reagiert werden könnte, ist zudem das Vorliegen eines intendierten Ermessens zu verneinen. Zudem dient die Norm des § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 RStV auch dem Schutz des Klägers. Dies ergibt sich vor allem vor dem Hintergrund der Bedeutung der Verfahrensvorschrift für das Grundrecht der sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GG ergebenden Rundfunkfreiheit des Klägers. Die vorgeschriebene Beteiligung der ZAK dient nicht allein dazu, die jeweiligen Landesmedienanstalten vor einer Zersplitterung der Rechtsanwendung im Bereich des bundesweit verbreiteten Rundfunks zu bewahren und eine gezielte Auswahl einer mutmaßlich für den Betreffenden ohne Beteiligung anderer Gremien günstig entscheidenden Landesmedienanstalt zu verhindern. Stattdessen soll im Gegenzug eine einheitliche Betrachtung und Beurteilung auch gerade zugunsten des jeweils Betroffenen in der Weise sichergestellt werden, dass vergleichbare bundesweit agierende Rundfunkveranstalter nicht (allein) durch verschiedene Landesmedienanstalten divergierend – und zu ihrem Nachteil – behandelt werden.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
Die Berufung war zuzulassen, da die – soweit ersichtlich obergerichtlich noch nicht geklärte – Frage, ob bei Aufsichtsmaßnahmen nach § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 RStV im Falle nicht zugelassenen Rundfunks eine Entscheidung der ZAK erforderlich ist, grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124 a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

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