Europarecht

Zurückweisung von Drittstaatsangehörigen an einer Binnengrenze der Europäischen Union: Voraussetzungen für die Anordnung der Zurückweisungshaft; unionsrechtskonforme einschränkende Auslegung der deutschen Bestimmungen über die Zurückweisungshaft

Aktenzeichen  XIII ZB 133/19

Datum:
15.12.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:151220BXIIIZB133.19.0
Normen:
§ 2 Abs 14 AufenthG
§ 15 Abs 1 AufenthG
§ 15 Abs 5 S 1 AufenthG
§ 62 Abs 3 S 1 Nr 1 AufenthG
§ 62 Abs 3 S 1 Nr 3 AufenthG
§ 62 Abs 3a AufenthG
§ 62 Abs 3b AufenthG
Art 15 Abs 1 EGRL 115/2008
Art 28 Abs 2 EUV 604/2013
Spruchkörper:
13. Zivilsenat

Leitsatz

1. Beim Vollzug einer Zurückweisung in den Heimatstaat des Betroffenen ist § 15 Abs. 5 Satz 1 AufenthG im Hinblick auf Art. 15 Abs. 1 Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) unionsrechtskonform einschränkend dahingehend auszulegen, dass Haft zur Sicherung einer Zurückweisung an einer Binnengrenze der Europäischen Union nur angeordnet werden darf, wenn zusätzlich zu den in § 15 Abs. 5 Satz 1 AufenthG genannten Voraussetzungen einer der in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 AufenthG genannten Haftgründe vorliegt.
2. Beim Vollzug einer Zurückweisung in den für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat der Europäischen Union ist § 15 Abs. 5 Satz 1 AufenthG im Hinblick auf Art. 28 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) unionsrechtskonform einschränkend dahingehend auszulegen, dass Haft zur Sicherung einer Zurückweisung an einer Binnengrenze der Europäischen Union nur angeordnet werden darf, wenn zusätzlich zu den in § 15 Abs. 5 Satz 1 AufenthG genannten Voraussetzungen erhebliche Fluchtgefahr nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO i.V.m. § 2 Abs. 14, § 62 Abs. 3a und 3b AufenthG vorliegt (Anschluss an BGH, Beschluss vom 12. Februar 2020 – XIII ZB 65/19, InfAuslR 2020, 385 und BGH, Beschluss vom 14. Juli 2020 – XIII ZB 81/19, juris).
3. Die Anordnung von Zurückweisungshaft nach § 15 Abs. 5 Satz 1 AufenthG setzt auch bei einer Zurückweisung an einer Binnengrenze der Europäischen Union weder eine vollziehbare Ausreisepflicht noch eine Abschiebungsandrohung voraus (Anschluss an BGH, Beschluss vom 12. April 2018 – V ZB 164/16, NVwZ 2018, 1583; Klarstellung zu BGH, Beschluss vom 14. Juli 2020 – XIII ZB 81/19, juris Rn. 16).

Verfahrensgang

vorgehend LG Ingolstadt, 25. September 2019, Az: 22 T 1294/19vorgehend AG Ingolstadt, 20. Mai 2019, Az: 1 XIV 203/19

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Ingolstadt – 2. Zivilkammer – vom 25. September 2019 wird auf Kosten des Betroffenen mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Dolmetscherkosten nicht erhoben werden.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

1
I. Der Betroffene, ein nigerianischer Staatsangehöriger, versuchte am 10. Mai 2019 mit einem Fernbus aus Österreich kommend nach Deutschland einzureisen. Am Grenzübergang Kiefersfelden auf der Autobahn 93 wurde er von Beamten der Bundespolizei kontrolliert, die ihm eine Zurückweisung nach § 15 AufenthG erteilten.
2
Nach Anordnung einer vorläufigen Freiheitsentziehung hat das Amtsgericht auf Antrag der beteiligten Behörde mit Beschluss vom 20. Mai 2019 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung seiner Zurückweisung nach Nigeria bis zum 1. Juli 2019 angeordnet. Die nach erfolgter Zurückweisung am 11. Juni 2019 auf die Feststellung seiner Rechtsverletzung gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.
3
II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
4
1. Das Beschwerdegericht meint, die Haft sei zu Recht angeordnet worden. Ihr liege ein zulässiger Haftantrag zugrunde. Einen Haftgrund setze die Zurückweisungshaft nach § 15 Abs. 5 AufenthG zwar nicht voraus, im Fall des Betroffenen sei auf Grund der bisherigen Ermittlungen allerdings Fluchtgefahr anzunehmen. Es sei wahrscheinlich, dass er ohne Haftanordnung untertauchen und sich der Zurückweisung entziehen würde.
5
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
6
a) Wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung entschieden hat, schließt die vom Gerichtshof der Europäischen Union vorgenommene Auslegung von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) und von Art. 32 Schengener Grenzkodex eine Anwendung von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a Rückführungsrichtlinie und damit die Anwendung der in § 15 Abs. 5 AufenthG bestimmten verkürzten Voraussetzungen für die Haft zur Sicherung einer Zurückweisung an einer Binnengrenze der Europäischen Union aus (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2020 – XIII ZB 81/19, juris Rn. 11; s.a. Beschluss vom 12. Februar 2020 – XIII ZB 65/19, InfAuslR 2020, 385 Rn. 19). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gilt die Befugnis der Mitgliedstaaten nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a Rückführungsrichtlinie, geringere Voraussetzungen für die Haft zur Sicherung der Zurückweisung an der Grenze vorzusehen – insbesondere auf das Vorliegen eines der in Art. 15 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie genannten Haftgründe zu verzichten -, nur für ein Überschreiten von Außengrenzen der Europäischen Union. Art. 32 Schengener Grenzkodex beabsichtigt mit der Verweisung auf die Vorschriften des Titels II nach der Entscheidung des Gerichtshofs keine Erweiterung der in der Rückführungsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen (vgl. Urteil vom 19. März 2019 – C-444/17, NVwZ 2019, 947 – Arib, Rn. 39, 51 f., 62 und 64, unter Verweis auf das Urteil vom 7. Juni 2016 – C-47/15, InfAuslR 2016, 269 – Affum, Rn. 61 und 74).
7
b) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, kann Haft zur Sicherung einer Zurückweisung an einer Binnengrenze der Europäischen Union nach § 15 Abs. 5 Satz 1 AufenthG dennoch angeordnet werden.
8
aa) Die materiell-rechtliche Grundlage für die nach § 15 Abs. 5 Satz 1 AufenthG anzuordnende Sicherungshaft besteht in einer – dem Betroffenen hier am 10. Mai 2019 erteilten – Zurückweisung nach § 15 Abs. 1 bis 4 AufenthG oder einer Einreiseverweigerung nach § 18 Abs. 2 AsylG. Nach der Aufgabenverteilung zwischen der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist es, von Fällen offensichtlicher Unrichtigkeit abgesehen, allein Aufgabe der Verwaltungsgerichte, deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Die Haftgerichte haben deshalb vorbehaltlich abweichender – hier nicht gegebener – verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen von der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung oder Einreiseverweigerung und der darin getroffenen Bestimmung des Zielstaats auszugehen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2020 – XIII ZB 81/19, juris Rn. 12 und 14 mwN). Die Anordnung von Zurückweisungshaft setzt auch bei einer Zurückweisung an einer Binnengrenze weder eine vollziehbare Ausreisepflicht noch eine Abschiebungsandrohung voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 12. April 2018 – V ZB 164/16, NVwZ 2018, 1583 Rn. 7).
9
bb) Allerdings sind die nationalen Gerichte auf Grund des Gebots einer möglichst wirksamen Anwendung des Rechts der Union (effet utile) verpflichtet, das innerstaatliche Recht soweit wie möglich in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Unionsrechts auszulegen und, wenn das nicht möglich ist, notfalls jede Bestimmung unangewendet zu lassen, deren Anwendung im konkreten Fall zu einem unionsrechtswidrigen Ergebnis führen würde (vgl. EuGH, Urteil vom 27. Oktober 2009 – C-115/08, NVwZ 2010, 107 – ČEZ a.s., Rn. 138). Daraus folgt, dass § 15 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nur mit der Maßgabe angewendet werden kann, dass – anders, als es dem deutschen Gesetzgeber vorschwebte (dazu: BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2011 – V ZB 274/10, FGPrax 2011, 315 Rn. 16, vom 10. März 2016 – V ZB 188/14, NVwZ-RR 2016, 518 Rn. 5, und vom 22. Juni 2017 – V ZB 127/16, juris Rn. 10) – für eine Haftanordnung ein Haftgrund vorliegen muss (vgl. dazu bereits BGH, Beschluss vom 14. Juli 2020 – XIII ZB 81/19, juris Rn. 14).
10
(1) Beim Vollzug einer Zurückweisung in den Heimatstaat des Betroffenen ist § 15 Abs. 5 Satz 1 AufenthG im Hinblick auf Art. 15 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie unionsrechtskonform einschränkend dahingehend auszulegen, dass Haft zur Sicherung einer Zurückweisung an einer Binnengrenze der Europäischen Union nur angeordnet werden darf, wenn zusätzlich zu den in § 15 Abs. 5 Satz 1 AufenthG genannten Voraussetzungen einer der in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 AufenthG bzw. in Altfällen – wie hier – einer der in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a bis 5 AufenthG in der bis zum 20. August 2019 gültigen Fassung (fortan: aF) genannten Haftgründe vorliegt.
11
(a) Nach Art. 15 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, und zwar insbesondere dann, wenn Fluchtgefahr besteht (Buchstabe a) oder die betreffenden Drittstaatsangehörigen die Vorbereitung der Rückkehr oder das Abschiebungsverfahren umgehen oder behindern (Buchstabe b).
12
(b) Diesen Anforderungen entsprechen die in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 AufenthG bzw. in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a bis 5 AufenthG aF aufgeführten Haftgründe. § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG und § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG aF nennen als Haftgrund ausdrücklich Fluchtgefahr. Der in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AufenthG (= § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a AufenthG aF) geregelte Haftgrund der nicht unmittelbar vollziehbaren Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG stellt einen typisierten Fall von Fluchtgefahr dar (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2020 – XIII ZB 13/20, juris). § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 AufenthG aF (Wechsel des Aufenthaltsorts ohne Angabe einer Anschrift, unter der der Ausländer erreichbar ist; vom Ausländer zu vertretendes Nichtantreffen an dem von der Behörde angegebenen Ort an dem für die Abschiebung angekündigten Termin) begründen die Annahme einer Fluchtgefahr (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2014 – V ZB 31/14, InfAuslR 2014, 381 Rn. 31). § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AufenthG aF (Abschiebungsentziehung in sonstiger Weise) schließlich benennt eine Behinderung oder Umgehung des Abschiebungsverfahrens im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Buchst. b Rückführungsrichtlinie.
13
(c) Nicht zurückgegriffen werden kann allerdings auf den in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG (= § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG aF) genannten Haftgrund der vollziehbaren Ausreisepflicht auf Grund einer unerlaubten Einreise, deren Verhinderung gerade Zweck der Zurückweisung ist, deren Vollzug durch die Zurückweisungshaft gesichert werden soll.
14
(2) Beim Vollzug einer Zurückweisung in den für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat der Europäischen Union (vgl. dazu Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1, Art. 7 ff. Verordnung [EU] Nr. 604/2013 [Dublin-III-VO]) ist § 15 Abs. 5 Satz 1 AufenthG im Hinblick auf Art. 28 Dublin-III-VO unionsrechtskonform einschränkend dahingehend auszulegen, dass Haft zur Sicherung einer Zurückweisung an einer Binnengrenze der Europäischen Union nur angeordnet werden darf, wenn zusätzlich zu den in § 15 Abs. 5 Satz 1 AufenthG genannten Voraussetzungen erhebliche Fluchtgefahr nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO i.V.m. § 2 Abs. 14, § 62 Abs. 3a und 3b AufenthG bzw. (in Altfällen) i.V.m. § 2 Abs. 15 Satz 1 und 2, § 2 Abs. 14 AufenthG aF vorliegt.
15
c) Hier sollte der Betroffene in seinen Heimatstaat Nigeria zurückgewiesen werden, weswegen sich die Voraussetzungen der Sicherungshaft nach § 15 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. den in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a bis 5 AufenthG aF genannten Haftgründen bestimmten. Danach erweist sich die Haftanordnung als rechtmäßig.
16
aa) Der Haftanordnung lag ein zulässiger Haftantrag zugrunde.
17
(1) Bei einem Antrag auf Anordnung von Haft zur Sicherung der Zurückweisung sind Darlegungen dazu erforderlich, dass dem Betroffenen die Einreise verweigert worden ist und dass und aus welchen Gründen er nicht unmittelbar an der Grenze zurückgewiesen werden kann, sowie Darlegungen zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Zurückweisung in den beabsichtigten Zielstaat und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein. Sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falles wesentlichen Gesichtspunkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Zurückweisungshaft nicht angeordnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2020 – XIII ZB 38/19, juris Rn. 7 mwN). In dem hier gegebenen Fall einer Zurückweisung an einer Binnengrenze bedarf es in dem Antrag zusätzlich der Darlegung eines Haftgrundes.
18
(2) Diesen Anforderungen wird der Antrag der beteiligten Behörde gerecht. Er enthält insbesondere hinreichende Angaben zum Haftgrund der Fluchtgefahr. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war von der Behörde kein Antrag auf Anordnung von Abschiebungshaft nach § 62 AufenthG zu stellen. Denn bei der Haftanordnung handelte es sich, wie von der beteiligten Behörde ausdrücklich beantragt, um die Anordnung von Zurückweisungshaft nach § 15 Abs. 5 Satz 1 AufenthG. Zum Vorliegen oder zur Entbehrlichkeit eines staatsanwaltschaftlichen Einvernehmens musste der Antrag keine Darlegungen enthalten, denn § 72 Abs. 4 AufenthG ist auf Zurückweisungen nicht anzuwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2017 – V ZB 41/17, InfAuslR 2018, 93 Rn. 6, 10 f. mwN).
19
bb) Die infolge der Geltung der Rückführungsrichtlinie bei einer Zurückweisung an einer Binnengrenze erforderliche Rückkehrentscheidung lag mit der Zurückweisung der beteiligten Behörde vom 10. Mai 2019 vor, welche die Anforderungen an eine Rückkehrentscheidung nach Art. 6, Art. 3 Nr. 4 der Rückführungsrichtlinie erfüllt (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2020 – XIII ZB 81/19, juris Rn. 16).
20
cc) Die vom Amtsgericht und dem Beschwerdegericht über das von ihnen als geboten Angesehene hinaus getroffenen Feststellungen ergeben auch die Voraussetzungen des Haftgrundes der Fluchtgefahr nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG aF. Danach ist ein Ausländer in Sicherungshaft zu nehmen, wenn im Einzelfall Gründe vorliegen, die auf den in § 2 Abs. 14 AufenthG aF festgelegten Anhaltspunkten beruhen, und deshalb der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung – bzw. hier der Zurückweisung – durch Flucht entziehen will. So liegt der Fall hier.
21
(1) Die Behörde hat sich in ihrem Antrag auf § 2 Abs. 14 Nr. 5 AufenthG aF berufen, wonach es ein konkreter Anhaltspunkt für Fluchtgefahr sein kann, wenn der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung bzw. Zurückweisung entziehen wolle. In seiner polizeilichen Vernehmung vom 10. Mai 2019 gab der Betroffene an, nicht zurück nach Nigeria zu wollen. Die Frage, ob er sich für eine Rückführung dorthin bereithalten und sich der geplanten Außerlandesbringung durch die Bundespolizei stellen würde, verneinte er ausdrücklich. Seine Absicht, nicht nach Nigeria zurückkehren zu wollen, hat er im Rahmen der persönlichen Anhörung vor dem Amtsgericht bekräftigt.
22
(2) Das Beschwerdegericht hat diese Umstände zusammen mit der Tatsache, dass der Betroffene in Deutschland keinen festen Wohnsitz und keine sozialen Bindungen unterhält, einer Gesamtwürdigung unterzogen und ist zu der Überzeugung gelangt, dass er ohne Sicherungshaft untertauchen und sich den Maßnahmen der Zurückweisung entziehen würde. Diese tatrichterliche Würdigung unterliegt einer Rechtskontrolle nur dahin, ob die verfahrensfehlerfrei festgestellten Tatsachen die aus ihnen gezogenen Schlüsse als möglich erscheinen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 2017 – V ZB 61/16, juris Rn. 2 mwN), und ist insoweit nicht zu beanstanden.
23
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG und Art. 6 Abs. 3 Buchst. e EMRK analog. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
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