Europarecht

Zustellungsfiktion nach § 10 AsylG

Aktenzeichen  M 4 K 17.46453

Datum:
26.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 17057
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 60, § 84 Abs. 1
AsylG § 10 Abs. 4 S. 4, § 25, § 74 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 AsylG muss der Ausländer Zustellungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle auf Grund seines Asylantrags bekannt ist, gegen sich gelten lassen, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt, noch einen Empfangsberechtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da das Verfahren keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Parteien sind mit Schreiben vom 4. Mai 2020 hierzu gehört worden.
 I. Die Klage ist unzulässig.
1. Die Klagefrist des § 74 Abs. 1, 1. Halbsatz AsylG wurde nicht eingehalten, da die Klage erst deutlich später als zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids erhoben wurde.
Da der Zustellversuch des streitgegenständlichen Bescheids in die … in … ausweislich der Zustellungsurkunde am 4. April 2017 erfolglos war, weil der Kläger dort nicht zu ermitteln war, richtet sich der Zeitpunkt der Zustellung nach § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG. Danach gilt die Zustellung mit Aufgabe zur Post als „bewirkt“, selbst wenn die Zustellung als unzustellbar zurückkommt. In den Bundesamtsakten ist zwar der Zeitpunkt der Aufgabe zur Post nicht vermerkt, es muss jedoch spätestens der 4. April 2017 gewesen sein, da an diesem Tag die Zustellung an den Kläger versucht wurde. Somit begann die Frist für die Klageerhebung spätestens am 5. April 2017 und endete am 18. April 2017 um 24 Uhr. Da die Klage erst am 31. Juli 2017 bei Gericht eingereicht wurde, ist die Klagefrist nicht eingehalten.
Nach § 10 Abs. 1 AsylG ist der Kläger verpflichtet, während der Dauer seines Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen u.a. des Bundesamts stets erreichen können, insbesondere hat er jeden Wechsel seiner Anschrift unverzüglich anzuzeigen. Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 AsylG muss der Ausländer Zustellungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle auf Grund seines Asylantrags bekannt ist, gegen sich gelten lassen, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt, noch einen Empfangsberechtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann. Der Zustellversuch des streitgegenständlichen Bescheids ging an die … * in … Dies ist die Adresse, die der Kläger dem Bundesamt in seiner Anhörung nach § 25 AsylG zuletzt mitgeteilt hatte. Der Kläger muss die Zustellung daher gegen sich gelten lassen.
Der Kläger wurde laut dem Akteninhalt ordnungsgemäß nach § 10 Abs. 7 AsylG belehrt und es sind keine Hinweise ersichtlich, dass die Rechtsbehelfsbelehrung:fehlerhaft sein könnte, § 58 Abs. 2 VwGO.
2. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in die Klagefrist ist nicht gestellt worden, § 60 Abs. 1 VwGO.
Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nach § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO ist nicht vorzunehmen. Demnach kann eine Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden, wenn innerhalb der Antragsfrist die versäumte Rechtshandlung nachgeholt wurde, § 60 Abs. 2 Sätze 3, 4 VwGO. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen, § 60 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz VwGO. Die Tatsachen zur Begründung sind hierbei glaubhaft zu machen.
Der Kläger erlangte nach Erhalt des Schreibens der Ausländerbehörde vom 8. Juni 2017 Kenntnis davon, dass sein Asylantrag vom Bundesamt abgelehnt wurde. Die Klage wurde jedoch erst am 31. Juli 2017 und damit circa sechs Wochen nach der anzunehmenden Kenntniserlangung erhoben. Weiter sind keine Tatsachen im Verlauf des Verfahrens vorgetragen worden, aus denen sich ein fehlendes Verschulden des Klägers an der Versäumung der Klagefrist ergibt.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
III. Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 S. 1 VwGO i.V.m. §§ 708, 711 ZPO.


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