Europarecht

Zuwendungsrecht, Anforderungen an die Antragstellung, Keine plausible Darlegung eines Liquiditätsengpasses, Unternehmen in Schwierigkeiten

Aktenzeichen  M 31 K 21.418

Datum:
23.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11106
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
Richtlinien für die Gewährung von Überbrückungshilfen des Bundes für die von der Corona-Virus-Pandemie (SARS-CoV-2) geschädigten Unternehmen und Soloselbstständigen („Corona-Soforthilfen insbesondere für kleine Unternehmen und Soloselbstständige“)

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig (1.), bleibt in der Sache aber ohne Erfolg (2.).
1. Die Klage vom 27. Januar 2021 wahrt die Klagefrist. Die zu dem streitbefangenen Bescheid vom 3. Mai 2020 erteilte Rechtsbehelfsbelehrungist unrichtig, sodass die Klageerhebung innerhalb eines Jahres seit seiner Bekanntgabe zulässig war (§ 58 Abs. 2 VwGO).
Nach § 58 Abs. 1 VwGO muss die Rechtsbehelfsbelehrungüber den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist belehren.
Die Belehrung ist sowohl hinsichtlich des Gerichts, bei dem die Klage anzubringen ist, als auch der einzuhaltenden Frist unrichtig. Für eine Bezeichnung des Gerichts, bei dem die Klage zu erheben ist, bedarf es einer eindeutigen Angabe mit Namen und Sitz (vgl. z.B. Buchheister in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 58 Rn. 5). Dem genügt die lediglich pauschale Verweisung auf ein „örtlich zuständiges Bayerisches Verwaltungsgericht“, auch unter ergänzender Angabe der Homepage http://www.vgh.bayern.de, nicht. Für den rechtsunkundigen Empfänger ergibt sich daraus nicht hinreichend klar und unmissverständlich, bei welchem Gericht die Klage zu erheben ist (vgl. BayVGH, B.v. 12.8.2011 – 11 C 11.1785 – juris Rn. 14 ff.; Kluckert in: NK-VwGO, 5. Aufl. 2018, § 58 Rn. 54). Zudem ist auch die Angabe, gegen den Bescheid könne „innerhalb eines Jahrs“ Klage erhoben werden, mit Blick auf die ohne weiteres auch vorliegend einschlägige einmonatige Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwGO unzutreffend.
2. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten den von ihm geltend gemachten Anspruch, gerichtet auf Verpflichtung zur Gewährung und Auszahlung der von ihm unter dem 9. April 2020 beantragten Corona-Soforthilfe i.H.v. 5.000 Euro, nicht inne (§ 113 Abs. 5 VwGO). Vielmehr erweist sich der Ablehnungsbescheid vom 3. Mai 2020 als rechtmäßig.
2.1 Eine Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch des Klägers auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinie im billigen Ermessen der Behörde unter Beachtung des Haushaltsrechts (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis.
Der Norm- und der mit ihm insoweit gleichzusetzende Richtliniengeber (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 – 10 C 1/17 – juris Rn. 18; U.v. 24.4.1987 – 7 C 24.85 – juris Rn. 12) ist zunächst bei der Entscheidung darüber, welcher Personenkreis durch freiwillige finanzielle Zuwendungen des Staates gefördert werden soll, weitgehend frei. Zwar darf der Staat seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich verteilen. Subventionen müssen sich vielmehr gemeinwohlbezogen rechtfertigen lassen, sollen sie vor dem Gleichheitssatz Bestand haben. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen jedoch dem Norm- und Richtliniengeber in sehr weitem Umfang zu Gebote; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden (stRspr; vgl. z.B. BVerfG, U.v. 20.4.2004 – 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99 – juris Rn. 61; ebenso etwa Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 255).
Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (aktuell z.B. BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris Rn. 6; vgl. ferner BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; B.v. 11.11.2008 – 7 B 38.08 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26 m.w.N.; B.v. 9.3.2020 – 6 ZB 18.2102 – juris Rn. 9; VG München, U.v. 5.7.2021 – M 31 K 21.1483 – juris Rn. 23).
Nur entsprechend den vorgenannten Grundsätzen kann ein Anspruch auf Förderung im Einzelfall bestehen. In den hier einschlägigen Richtlinien des Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie in der Fassung vom 3. April 2020 (BayMBl. 2020, Nr. 175) wird im Übrigen auch ausdrücklich klargestellt, dass die Soforthilfe ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel – und damit als Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch – nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgt.
2.2 Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Zuwendung, weil es bei ihm an der Voraussetzung der Gewährung der Soforthilfe fehlt. Nach Nr. 2.2 und Nr. 3 Satz 2 und 3 der vorgenannten Richtlinien und der damit einhergehenden Verwaltungspraxis des Beklagten muss der Antragsteller dazu glaubhaft versichern, dass er durch die Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist, die seine Existenz bedrohen, weil die fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb voraussichtlich nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten in den auf die Antragstellung folgenden drei Monaten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand (z.B. gewerbliche Mieten, Pachten, Leasingraten) zu zahlen (Liquiditätsengpass). Erforderlich sind antragstellerseits entsprechende Darlegungen zur Plausibilisierung des Liquiditätsengpasses. Es ist gerade kennzeichnend für Zuwendungsverfahren, dass es im Grundsatz in der Sphäre des Antragstellers liegt, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Zuwendung darzulegen und nachzuweisen (VG Weimar, U.v. 17.9.2020 – 8 K 609/20 – juris Rn. 26; VG München, U.v. 17.2.2021 – M 31 K 20.4944 – juris Rn. 35).
Einen solchen Liquiditätsengpass hat der Kläger im Verwaltungsverfahren nicht ausreichend dargelegt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der Voraussetzungen der Gewährung der Corona-Soforthilfe ist hierbei nicht der Zeitpunkt der Antragstellung durch den Kläger und auch nicht der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Dem materiellen Recht folgend, das hier vor allem durch die Richtlinie und deren Anwendung durch den Beklagten in ständiger Praxis vorgegeben wird, ist vielmehr auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung abzustellen (BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris Rn. 15; vgl. auch SächsOVG, U.v. 16.2.2016 – 1 A 677.13 – juris Rn. 67), so dass neuer Tatsachenvortrag oder die Vorlage neuer Unterlagen im Klageverfahren irrelevant wären (VG Würzburg, U.v. 26.7.2021 – W 8 K 20.2031 – juris Rn. 21; vgl. auch VG Weimar, U.v. 17.9.2020 – 8 K 609/20 – juris Rn. 26; VG München, U.v. 27.8.2021 – M 31 K 21.2666 – juris Rn. 27; B.v. 25.6.2020 – M 31 K 20.2261 – juris Rn. 19).
Der Kläger hat im Antrag vom 9. April 2020 lediglich angegeben, durch die Corona-Krise und die angeordneten Beschränkungen kaum mehr Einnahmen erzielt zu haben. Die Höhe des entstandenen Liquiditätsengpasses ist ohne nähere Angaben mit 9.000 EUR beziffert. Diese Darlegungen reichen nach Nr. 2.2 und Nr. 3 Satz 2 und 3 der Förderrichtlinien und der darauf fußenden maßgeblichen Förderpraxis des Beklagten, die dem Gericht aus einer Vielzahl anderer einschlägiger Zuwendungsverfahren bekannt ist und auf die der Sache nach auch schriftsätzlich Bezug genommen wird, nicht aus, um einen Liquiditätsengpass annehmen zu können. Auch auf der Homepage des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, über die die Anträge auf Corona-Soforthilfen zu stellen waren, finden sich (bzw. fanden sich während der Antragsfrist der Corona-Soforthilfen, vgl. Nr. 6 Satz 1 der Richtlinien vom 3. April 2020) im Übrigen entsprechende Hinweise zum Zuwendungsverfahren. Dort wird bzw. wurde unter der Rubrik „Häufig gestellte Fragen“ erläutert, dass bei der Angabe der Gründe für die existenzbedrohliche Wirtschaftslage bzw. den Liquiditätsengpass ein pauschaler Verweis auf die Corona-Krise und die damit einhergehenden gravierenden Nachfrage- und Produktionsausfälle, unterbrochene Lieferketten, Stornierungswellen, massive Umsatzeinbußen und Gewinneinbrüche keinen ausreichenden Grund für eine Förderung darstellt (vgl. auch VG München, U.v. 30.9.2020 – M 31 K 20.2096 – juris Rn. 17 f.).
Erst mit Schreiben vom 28. Mai 2020, mit der der Kläger die Beklagte um Überprüfung der ablehnenden Entscheidung bittet, schlüsselte er seinen betrieblichen Sachaufwand für den Monat April 2020 näher auf. Dies erfolgte nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens und damit nach dem für die gerichtliche Beurteilung der Ablehnungsentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt.
2.3 Unabhängig von Vorstehendem fehlte es der Klägerin auch an der Antragsberechtigung. Antragsberechtigt sind nach Nr. 2.3 der Richtlinien zu den Corona-Soforthilfen, die in der Verwaltungspraxis des Beklagten auch entsprechend angewendet und umgesetzt wird, nur Unternehmen, die nicht bereits am 31. Dezember 2019 gemäß Art. 2 Abs. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung in wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren. Der Begriff des „Unternehmens“ im Sinne der Nr. 2.3 der Richtlinien umfasst nicht nur juristische Personen oder rechtsfähige Personengesellschaften, sondern jede Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt (Art. 1, Anhang I zur Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung). Als – nach den Angaben im Antrag vom 9. April 2020 – Einzelunternehmer übt der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter des fortgeführten Betriebs eine solche wirtschaftliche Tätigkeit aus.
Seine Antragsberechtigung fehlte nach Nr. 2.3 der Richtlinien zu den Corona-Soforthilfen, weil sich das Unternehmen bereits am 31. Dezember 2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten nach Art. 2 Nr. 18 Buchst. c) der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung befunden hat. Danach ist ein Unternehmen in Schwierigkeit, das Gegenstand eines Insolvenzverfahrens ist. Dies trifft auf das Unternehmen des Klägers zu; das Insolvenzverfahren ist mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 2. April 2019 über das Vermögen der N. A. eröffnet worden und wurde bis zum maßgeblichen Stichtag des 31. Dezember 2019 auch nicht beendet.
Nicht zu beanstanden ist es in diesem Zusammenhang, dass sich der Beklagte bei der Beurteilung, ob sich ein Unternehmen in Insolvenz befindet, auf eine formelle Betrachtung, nämlich die Eröffnung und Fortdauer des Insolvenzverfahrens stützt, anstelle eine individuelle Prüfung vorzunehmen, ob das vom Kläger fortgeführte Unternehmen zum maßgeblichen Stichtag eine positive Prognose aufweist, daher möglicherweise ausnahmsweise nicht als Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten anzusehen und damit einem Unternehmen außerhalb des Insolvenzverfahrens gleichzustellen sein könnte. Die Klägerbevollmächtigte trug dazu schriftsätzlich sowie in der mündlichen Verhandlung umfangreich zum Gesetzeszweck und der Systematik des deutschen Insolvenzrechts vor, wonach mit der Entscheidung des Insolvenzverwalters, aufgrund seiner positiven Prognoserechnung einen Betrieb fortzuführen, ein vom ursprünglich insolventen Unternehmen losgelöstes, eigenständiges Betriebsvermögen entstünde, das sowohl sozialversicherungs- als auch steuerrechtlich als neuer Betrieb behandelt würde. Insolvent sei demnach nur die ehemalige Unternehmerin, nicht aber der Insolvenzverwalter, der nunmehr allein verwaltungs- und verfügungsbefugt über das Unternehmen sei und auf den somit als Antragsteller für die Antragsberechtigung abzustellen sei. Darauf kommt es jedoch aufgrund des eingeschränkten gerichtlichen Prüfungsmaßstab im Zuwendungsrecht nicht an, denn das Gericht darf die Förderrichtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – auslegen, sondern hat lediglich zu prüfen, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt (vgl. oben Rn. 20).
Der Vertreter des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung die Zuwendungspraxis in dieser Weise dargelegt und bestätigt. Aufgrund des freiwilligen Charakters der Förderung und dem weiten Ermessen des Förderungsgebers bei der Aufstellung von Förderrichtlinien müssen diese, wie ausgeführt, von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Vorstehende Grundsätze sind dabei konsequenterweise nicht allein für die Gewährung einer Förderung an sich, sondern gleichermaßen für die Durchführung des der Förderung vorgeschalteten Verwaltungsverfahrens einschließlich der Art der Antragstellung entsprechend heranzuziehen (VG Würzburg, B.v. 13.7.2020 – W 8 E 20.815 – juris Rn. 28). Es ist jedenfalls nicht willkürlich, wenn der Zuwendungsgeber nur eine dergestalt formalisiertes Verfahren vorsieht, da hierfür sachliche Gründe gegeben sind. In Massenverfahren wie dem Vorliegenden kann insbesondere unter Beschleunigungs- und Effektivitätsgesichtspunkten ein Zuwendungsgeber das Verfahren so ausgestalten, dass die Entscheidungsfindung über den Antrag nur nach bestimmten standardisierten und formalisierten Abläufen erfolgt. Dem verwaltungsverfahrensrechtlichen Effektivitäts- und Zügigkeitsgebot (Art. 10 Satz 2 BayVwVfG) kommt bei der administrativen Bewältigung des erheblichen Förderantragsaufkommens im Zusammenhang der Corona-Soforthilfe besondere Bedeutung zu; dies gerade auch deswegen, um den Antragstellern möglichst schnell Rechtssicherheit im Hinblick auf die Erfolgsaussichten ihrer Anträge und damit über die (Nicht-) Gewährung der Soforthilfe geben zu können (vgl. VG München, U.v. 17.2.2021 – M 31 K 20.4944 – juris Rn. 30; B.v. 25.6.2020 – M 31 K 20.2261 – juris Rn. 18; VG Düsseldorf, U.v. 14.12.2020 – 20 K 4706/20 – juris Rn. 48). Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte auf Grundlage der Information aus dem Antragsformular, wonach das Unternehmen des Antragstellers einem laufenden Insolvenzverfahren des Amtsgericht München, unterliegt, von einer fehlenden Antragsberechtigung ausgeht.
Unschädlich ist dabei, dass im streitbefangenen Bescheid die Insolvenz des Antragstellers nur am Rande, nämlich in der Sachverhaltsbeschreibung, erwähnt war und sich die rechtliche Würdigung auf die unzureichende Darlegung des Liquiditätsengpasses beschränkte. Als Ablehnungsgrund wurde die fehlende Antragsberechtigung erstmals in der Antwort der Beklagten (Bl. 26 der Behördenakte) auf die Gegenvorstellung des Klägers benannt. Unabhängig davon, dass bereits die ursprüngliche Begründung betreffend die fehlenden Angaben zum Liquiditätsengpass eine Ablehnung trägt, ist die nachträgliche Erweiterung der Begründung durch die Beklagte zulässig. Nicht nur das Nachschieben einzelner Begründungselemente, sondern sogar der vollständige Austausch der Begründung erst im Verwaltungsprozess ist auch bei Ermessensentscheidungen grundsätzlich zulässig (vgl. Quaas/Zuck/Funke-Kaiser, Prozesse in Verwaltungssachen, § 3 Rn. 534 ff.; Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Teil 2 Rn. 495 ff.). Vorliegend bestehen hiergegen schon deshalb keine Bedenken, weil die zugrundeliegende Tatsache, nämlich die Insolvenz des Klägers, bereits im streitgegenständlichen Bescheid genannt wurde und die entsprechende rechtliche Würdigung noch im Verwaltungsverfahren, nämlich als Reaktion auf die Remonstration, erfolgte. Indem die Klägerbevollmächtigte zu der Thematik im Klageverfahren umfangreich Stellung nahm, ist keinerlei Beeinträchtigung der Rechtsschutzfunktion von Ermessensentscheidungen (vgl. Hufen/Siegel aaO Rn. 496) ersichtlich.
Folglich ergibt sich kein Anspruch des Klägers aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis. Es ist insbesondere weder vorgetragen noch ersichtlich, dass vom Beklagten in vergleichbaren Fällen trotz der auf den oben genannten staatlichen Internetseiten dargestellten Handhabung und der Ausführungen in den Schriftsätzen im Klageverfahren eine Antragsberechtigung als gegeben angesehen und eine Corona-Soforthilfe gewährt wurde. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich die Verwaltungspraxis an den zitierten Vorgaben und den schriftsätzlichen Ausführungen orientiert. Für die Annahme eines atypischen Einzelfalls, der ausnahmsweise zu einer abweichenden Betrachtung führt, gibt es – soweit man hierfür überhaupt einen Anwendungsbereich bejahte (ablehnend dazu VG München, U.v. 3.7.2021 – M 31 K 21.1483 – juris Rn. 29 ff.) – keinerlei Anhaltspunkte.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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