Europarecht

Zuwendungsrecht, Neugründung eines Unternehmens, Relevanter Vergleichsumsatz

Aktenzeichen  M 31 K 21.1857

Datum:
26.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11103
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
Richtlinie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für November 2020 (Novemberhilfe)

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Sie ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte den von ihr geltend gemachten Anspruch, sinngemäß gerichtet auf Verpflichtung zur Neu- bzw. ergänzenden Bescheidung ihres Zuwendungsantrags vom 19. Dezember 2020, nicht inne (§ 113 Abs. 5 VwGO). Vielmehr erweist sich der (Teilablehnungs-) Bescheid vom 5. März 2021 als rechtmäßig.
1. Eine Rechtsnorm, die einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der beantragten (weiteren) Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinie im billigen Ermessen der Behörde unter Beachtung des Haushaltsrechts (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis.
Der Norm- und der mit ihm insoweit gleichzusetzende Richtliniengeber (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 – 10 C 1/17 – juris Rn. 18; U.v. 24.4.1987 – 7 C 24.85 – juris Rn. 12) ist zunächst bei der Entscheidung darüber, welcher Personenkreis durch freiwillige finanzielle Zuwendungen des Staates gefördert werden soll, weitgehend frei. Zwar darf der Staat seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich verteilen. Subventionen müssen sich vielmehr gemeinwohlbezogen rechtfertigen lassen, sollen sie vor dem Gleichheitssatz Bestand haben. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen jedoch dem Norm- und Richtliniengeber in sehr weitem Umfang zu Gebote; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden (stRspr; vgl. z.B. BVerfG, U.v. 20.4.2004 – 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99 – juris Rn. 61; ebenso etwa Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 255).
Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere einschlägige Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (aktuell z.B. BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 6; B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris Rn. 6; vgl. ferner BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; B.v. 11.11.2008 – 7 B 38.08 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26 m.w.N.; B.v. 9.3.2020 – 6 ZB 18.2102 – juris Rn. 9; VG München, U.v. 5.7.2021 – M 31 K 21.1483 – juris Rn. 23).
Nur entsprechend den vorgenannten Grundsätzen kann ein Anspruch auf Förderung im Einzelfall bestehen. Im Vorwort der hier einschlägigen Richtlinie des Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für November 2020 (Novemberhilfe – BayMBl. 2020, Nr. 680 vom 26.11.2020, zuletzt geändert mit Bekanntmachung vom 21.12.2021, BayMBl. 2022 Nr. 26) wird im Übrigen auch ausdrücklich klargestellt, dass die Novemberhilfe im Rahmen der vom Bund zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel als Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch nach pflichtgemäßem Ermessen gewährt wird.
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die beantragte weitere, bzw. ergänzende Zuwendung unter Berücksichtigung des Vergleichsumsatzes aus dem Monat Oktober 2020. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte in Anwendung ihrer ständigen Vollzugspraxis zur Feststellung der Höhe der Novemberhilfe auf Grundlage der Zuwendungsrichtlinie in Nr. 3.2 Satz 1 im konkreten Fall den Umsatz im November 2019 und nicht jenen aus dem Oktober 2020 als Vergleichsumsatz heranzieht. Auf dieser Grundlage ergibt sich hier keine (erhöhte) Novemberhilfe.
2.1 Nach Nr. 3.1 Satz 1 der Zuwendungsrichtlinie beträgt die Höhe der Novemberhilfe 75% des Vergleichsumsatzes, tageweise anteilig für die Dauer des Lockdowns. Vergleichsumsatz ist dabei nach Nr. 3.2 Satz 1 der Zuwendungsrichtlinie grundsätzlich der Umsatz im November 2019. Die Regelung der Zuwendungsrichtlinie und darauf basierend die Zuwendungspraxis der Beklagten ermöglicht es sodann, für bestimmte Konstellationen abweichende Vergleichsumsätze heranzuziehen: Nach Nr. 3.2 Satz 3 der Zuwendungsrichtlinie kann bei Unternehmen und Soloselbstständigen, die nach dem 31. Oktober 2019 ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen haben, als Vergleichsumsatz der Monatsumsatz im Oktober 2020 oder der monatliche Durchschnittsumsatz seit Gründung gewählt werden. Die Beklagte geht mit dem streitgegenständlichen Bescheid davon aus, dass im Fall der Klägerin in diesem Sinne keine Aufnahme der Geschäftstätigkeit nach dem 31. Oktober 2019 vorliegt. Mithin berechnet sie die Novemberhilfe entsprechend der vorgenannten Grundregel in Nr. 3.2 Satz 1 der Zuwendungsrichtlinie auf Grundlage des Umsatzes im November 2019, wobei in der Begründung des Bescheids unter Ziff. 5 offensichtlich schreibfehlerhaft der durch die Klägerin genannte Umsatz aus dem Oktober 2020 genannt ist (Bl. 64 f. der Behördenakte). Die vorstehend dargelegte Zuwendungspraxis ist von Rechts wegen weder dem Grunde nach noch in ihrer konkreten Anwendung im Einzelfall zu beanstanden.
2.2 Der Zuwendungs- und Richtliniengeber und mit ihnen die mit der Funktion der Zuwendungsbehörde beliehene Beklagte (vgl. § 47b ZustV) sind nicht daran gehindert, im Sinne einer Eingrenzung des Kreises der Zuwendungsempfänger und Verteilung der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel den Kreis der Begünstigten im Wege einer dem Zweck der Förderung entsprechenden, sachgerechten Abgrenzung auf bestimmte Antragsberechtigte zu beschränken (VG München, U.v. 15.9.2021 – M 31 K 21.110 – juris Rn. 26; U.v. 14.7.2021 – M 31 K 21.2307 – juris Rn. 23). Dies gilt gleichermaßen für die sachliche Eingrenzung einer Zuwendung und die Festlegung der relevanten Maßstäbe zur Bestimmung der Höhe einer Zuwendung. Denn nur der Zuwendungsgeber bzw. die Zuwendungsbehörde bestimmen im Rahmen des ihnen eingeräumten weiten Ermessens bei der Zuwendungsgewährung darüber, welche Ausgaben dem Fördergegenstand zugeordnet werden und wer konkret begünstigt werden soll. Insoweit besitzen Zuwendungs- und Richtliniengeber und mit diesen die Beklagte die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften (BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 19; VG München, U.v. 15.11.2021 – M 31 K 21.2780 – juris Rn. 26; U.v. 15.9.2021 – M 31 K 21.110 – juris Rn. 26; VG Würzburg, U.v. 15.11.2021 – W 8 K 21.1000 – juris Rn. 23; U.v. 14.6.2021 – W 8 K 20.2138 – juris Rn. 30).
Diesen Maßstäben genügt die sowohl durch den Richtliniengeber vorgegebene als auch durch die Zuwendungsbehörde in ihrer ständigen Zuwendungspraxis umgesetzte Maßgabe, nach der als relevanter Vergleichsumsatz für die Gewährung einer Novemberhilfe im Grundsatz der Umsatz des Monats November 2019 herangezogen wird und lediglich solchen Unternehmen und Soloselbstständigen, die nach dem 31. Oktober 2019 ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen haben, ein Wahlrecht gewährt wird, alternativ den Vergleichsumsatz im Oktober 2020 oder den monatlichen Durchschnittsumsatz seit Gründung heranzuziehen.
Ziel der Novemberhilfe ist es ausweislich Nr. 1 Satz 3 der Zuwendungsrichtlinie, durch einen Beitrag zur Kompensation des Umsatzausfalls die wirtschaftliche Existenz u.a. von Unternehmen und Soloselbstständigen zu sichern, die in der Folge des Beschlusses der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und den Regierungschefs der Länder vom 28. Oktober 2020 von Coronabedingten Betriebsschließungen bzw. Betriebseinschränkungen im November 2020 betroffen sind, und deshalb erhebliche Umsatzausfälle erleiden. Die durch die Beklagte auf Grundlage der Nr. 3.2 der Zuwendungsrichtlinie verfolgte Zuwendungspraxis zur Bestimmung des relevanten Vergleichsumsatzes begegnet vor diesem Hintergrund keinen Bedenken; sie erscheint vielmehr sachgerecht. Ansatzpunkt der Novemberhilfe ist wie ausgeführt ein anteiliger Ersatz von Coronabedingten Umsatzausfällen im Monat November 2020. Ziel der Vorgehensweise zur Bestimmung des Vergleichsumsatzes ist es ersichtlich, zur Bemessung der außerordentlichen Wirtschaftshilfe einen für den Hilfezeitraum November 2020 möglichst aussagekräftigen und realistischen Vergleichsumsatz anzusetzen. Es ist naheliegend, hierbei im Grundsatz maßstäblich auf die Umsätze im entsprechenden Vorjahresmonat abzustellen, um beispielsweise saisonale Veränderungen abzubilden und zu berücksichtigen. Die hier relevante Sonderregelung in Nr. 3.2 Satz 3 der Zuwendungsrichtlinie, die Unternehmen, die nach dem 31. Oktober 2019 ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen haben, hinsichtlich des Vergleichsumsatzes ein begrenztes Wahlrecht zwischen dem Monatsumsatz im Oktober 2020 oder dem monatlichen Durchschnittsumsatz seit Gründung zubilligt, geht offensichtlich auf den praktischen Umstand zurück, dass für solche Unternehmen schlicht kein, bzw. jedenfalls kein aussagekräftiger Vergleichsumsatz im November 2019 zur Verfügung steht. Damit besteht bereits im Ansatz ein zureichender Sachgrund für die vorgenommene Differenzierung zwischen bereits länger bestehenden Unternehmen und solchen, die maximal ein Jahr vor dem relevanten Hilfezeitraum November 2020 ihre Tätigkeit aufgenommen haben.
Zwar mag diese Vorgehensweise vordergründig als eine Privilegierung solcher Unternehmen erscheinen, die nach dem 31. Oktober 2019 ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen haben, indem diesen in begrenztem Umfang eine gewisse Steuerungsmöglichkeit hinsichtlich des heranzuziehenden Vergleichsumsatzes eingeräumt wird. Auch dies erscheint indes sachgerecht: Der Richtliniengeber und mit ihm die Zuwendungsgeberin kann davon ausgehen, dass die Umsatzentwicklung neu gegründeter Unternehmen noch erheblichen Schwankungen und bei unterschiedlichen Unternehmen sehr differenzierten Entwicklungen unterliegt, sodass die Wahlmöglichkeit hinsichtlich des heranzuziehenden Vergleichsumsatzes jedenfalls keine willkürliche Ungleichbehandlung in Bezug auf bereits länger bestehende Unternehmen darstellt. Dies gilt insbesondere auch deshalb, da sich die Wahlmöglichkeit nach Nr. 3.2 Satz 3 der Zuwendungsrichtlinie lediglich auf zwei Varianten beschränkt, von denen eine den Rückgriff auf einen Durchschnittswert über einen längeren Zeitraum darstellt und die andere einen Vergleichsmonat betrifft, in dem – im Gegensatz zum November 2019 – ebenfalls bereits Corona-Beschränkungen in Kraft waren. Vor diesem Hintergrund ist im Übrigen keineswegs davon auszugehen, dass diese Wahlmöglichkeit zwingend strukturell eine Besserstellung bedeutet.
Unabhängig davon ist dem Zuwendungs- und Richtliniengeber bzw. der Zuwendungsbehörde ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz auch ein bestimmtes Maß an Typisierung zuzugestehen. Der Gesetzgeber ist bei der Ordnung von Massenerscheinungen berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen Gleichheitsgebote zu verstoßen (vgl. zuletzt etwa BVerfG, B.v. 29.1.2019 – 2 BvC 62/14 – juris Rn. 47 m.w.N.; zum Ganzen auch Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 3 Rn. 98 f.). Gleiches gilt im Wesentlichen auch für die Bindung der Verwaltung im Bereich einer Zuwendungsgewährung (vgl. etwa VG München, U.v. 15.11.2021 – M 31 K 21.2780 – juris Rn. 31; U.v. 6.7.2021 – M 31 K 20.6548 – juris Rn. 38). Der Zuwendungsgeber ist daher nicht gehindert, Maßstäbe zur Gewährung einer Förderung nach sachgerechten Kriterien auch typisierend einzugrenzen und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Dies umso mehr deswegen, weil ihm – wie bereits ausgeführt – sachbezogene Gesichtspunkte dabei in einem sehr weiten Umfang an die Hand gegeben sind.
Es verstößt daher weder gegen das Willkürverbot noch gegen den Zweck der Zuwendungsrichtlinie noch gegen sonstiges einschlägiges materielles Recht, wenn die Vollzugspraxis der Beklagten zu Nr. 3.2 Satz 1 und 3 der Zuwendungsrichtlinien grundsätzlich auf den Umsatz im November 2019 als Vergleichsmonat abstellt und Ausnahmen nur für Unternehmen zulässt, die nach dem 31. Oktober 2019 ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen haben (ebenso zur weitgehend identischen Praxis zur sog. Oktoberhilfe VG München, U.v. 16.12.2021 – M 31 K 21.3624 – juris Rn. 32).
2.3 Nicht zu beanstanden ist schließlich die Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall der Förderungsgewährung zugunsten der Klägerin. Sowohl innerhalb des behördlichen Verfahrens als auch schriftsätzlich im gerichtlichen Verfahren geht die Beklagte davon aus, dass es sich im Fall der Klägerin nicht um eine Aufnahme der Geschäftstätigkeit nach dem 31. Oktober 2019, d.h. eine Neugründung handelt. Ausgehend von den im Internet veröffentlichen FAQs zur Novemberhilfe (Ziff. 5.5) legt sie ihrer Betrachtung zu Grunde, dass eine Fortführung eines Unternehmens durch einen Nachfolger oder an einem anderen Ort, eine Umfirmierung, Umwandlung sowie der Wechsel von nebenerwerblicher zu haupterwerblicher Tätigkeit keine Neugründung darstellen. Für die Frage des Vorliegens einer Fortführung oder eine Neugründung eines Unternehmens stellt die Beklagte in ihrer Zuwendungspraxis mithin auf einen, bzw. den konkreten wirtschaftlichen Betrieb ab, für den der jeweilige Zuwendungsantrag gestellt wird, nicht aber auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Betriebsinhaber. Mit der im behördlichen Verfahren vorgelegten Gewerbe-Anmeldung (Bl 34 ff. der Behördenakte), in der als Grund der Neuerrichtung/Übernahme eine „Übernahme (Erbfolge, Kauf oder Pacht)“ angegeben ist, geht sie davon aus, dass im vorgenannten Sinne eine Fortführung des Unternehmens durch einen Nachfolger vorliegt. Mithin handele es sich bei der Klägerin um ein Unternehmen, das vor dem 31. Oktober 2019 seine Geschäftstätigkeit aufgenommen hat.
Diese Bewertung des Sachverhalts im Einzelfall begegnet keinen Bedenken. Nach eigenem schriftsätzlichem Vortrag durch die Klägerbevollmächtigten im gerichtlichen Verfahren hat die Klägerin den Betrieb mit Kaufvertrag zum 17. März 2020 erworben, wobei als Stichtag für den wirtschaftlichen und dinglichen Übergang sämtlicher Rechte der 31. März 2020 beurkundet wurde. Der konkrete Betrieb des Kurhotels bestand damit bereits vor dem Erwerb durch die Klägerin. Gerade der als Anlage K 3 vorgelegte Beratungsbericht zur Analyse des Betriebs und des Marktes, der zwischen 12. November 2020 und 31. Dezember 2020 und mithin wenige Monate nach den vorgenannten Daten der Übernahme erstellt wurde, nimmt an verschiedenen Stellen Bezug auf die Situation des Betriebs zu Zeiten des Vorbetreibers.
Soweit, wie durch den Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar vorgetragen, mit dem Übergang des Unternehmens sowie insbesondere aufgrund der coronabedingten Schließungsanordnungen eine völlig neue Strategie des Betriebs erforderlich gewesen sei, führt auch dies nicht weiter. Es ist allein Sache der Beklagten und des Freistaates Bayern als Zuwendungsbehörde und Richtlinien- bzw. Zuwendungsgeber, den Begriff von „Unternehmen (und Soloselbstständigen), die nach dem 31. Oktober 2019 ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen haben“ i.S.d. Nr. 3.2 Satz 3 der Zuwendungsrichtlinie zu definieren und zu vollziehen. Dem Richtlinien- bzw. Zuwendungsgeber steht es frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese zu handhaben bzw. hier durch die beliehene Beklagte handhaben zu lassen. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute oder gegebenenfalls sogar bessere Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten (BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 13; VG München, U.v. 15.9.2021 – M 31 K 21.110 – juris Rn. 28).
Im Lichte des vorstehend Ausgeführten ist dies vorliegend nicht der Fall. Eine Berücksichtigung der vorgetragenen tatsächlichen Neuausrichtung des Hotelbetriebs sowie des Neueinstiegs der Unternehmer in den Betrieb und das dazu von ihr angestrebte weite Verständnis der Begrifflichkeit nach Nr. 3.2 Satz 3 der Zuwendungsrichtlinie mag aus Sicht der Klägerin sinnvoll und wünschenswert erscheinen, um die konkrete Situation zu berücksichtigen; indes leitet sich daraus kein Anspruch auf einen entsprechenden Vollzug der Zuwendungsrichtlinie ab. Mit Blick auf den Zweck und die Voraussetzungen der Zuwendungsgewährung nach der Novemberhilfe und insbesondere dem Ziel der Gewährleistung eines möglichst einfachen und effektiven Verwaltungsvollzugs – wie normativ ausdrücklich von Art. 10 Satz 2 BayVwVfG vorgesehen – ist es dem Richtlinien- und Zuwendungsgeber nicht verwehrt, die hier streitbefangene Vollzugspraxis bei der Zulassung einer Ausnahme nach Nr. 3.2 Satz 3 der Zuwendungsrichtlinie zu praktizieren und die Klägerin vorliegend nicht unter deren Anwendungsbereich zu fassen (ebenso zur weitgehend identischen Praxis zur sog. Oktoberhilfe VG München, U.v. 16.12.2021 – M 31 K 21.3624 – juris Rn. 36).
Am vorstehend gefundenen Ergebnis ändert schließlich auch nichts, dass, wie im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens schriftsätzlich vorgetragen, das Unternehmen im Zusammenhang anderer Förderprogramme als so genanntes Jungunternehmen betrachtet wird. Der allgemeine Gleichheitssatz enthält kein verfassungsrechtliches Gebot, ähnliche Sachverhalte in verschiedenen Ordnungsbereichen gleich zu regeln, sondern fordert im Gegenteil eine jeweils sachbereichsbezogene Regelung (BVerwG, U.v. 14.3.2018 – 10 C 1/17 – juris – Rn. 23; VG München, U.v. 15.11.2021 – M 31 K 21.2780 – juris Rn. 34; U.v. 15.9.2021 – M 31 K 21.110 – juris Rn. 32). Abgesehen davon, dass sich bereits begrifflich aus dem Verständnis als „Jungunternehmen“ keine unmittelbaren Rückschlüsse auf die relevanten Begrifflichkeiten der hier infrage stehenden Zuwendungsrichtlinie ziehen lassen, enthalten Vorschriften und Anforderungen aus anderen Zuwendungsprogrammen keine Aussage zu der hier infrage stehenden außerordentlichen Wirtschaftshilfe des Bundes für November 2020. Wie vorstehend ausgeführt, ist es dem Richtlinien- und Zuwendungsgeber im Rahmen seines weiten Ermessens bei der Ausgestaltung der Förderung nach der Novemberhilfe aus sachbezogenen Überlegungen heraus erlaubt, die relevanten Begrifflichkeiten unabhängig davon zu fassen, nach welchen Kategorien das antragstellende Unternehmen in anderen Förderprogrammen behandelt wird (VG München, U.v. 15.11.2021 – M 31 K 21.2780 – juris Rn. 34; U.v. 14.7.2021 – M 31 K 21.2307 – juris Rn. 26).
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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