Familienrecht

10 K 1379/15

Aktenzeichen  10 K 1379/15

Datum:
23.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
FGO § 63 Abs. 2 Nr. 2 FGO
AO § 171 Abs. 3 AO
FVG § 5 Abs. 1 Nr. 11 Satz 4 FVG
EStG § 67 Satz 1 EStG

 

Leitsatz

Gründe

Finanzgericht München
Az.: 10 K 1379/15
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
Stichwort: Prüfungsinhalt bei Verpflichtungsklagen auf Erlass eines gebundenen Verwaltungsakts; Hemmung der Festsetzungsfrist bei Antrag auf Kindergeld
In der Streitsache

Kläger
prozessbevollmächtigt: …
gegen
Familienkasse …
Beklagte
wegen Kindergeld für 2009
hat der 10. Senat des Finanzgerichts München durch […] ohne mündliche Verhandlung
am 23. Februar 2016
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Rechtsmittelbelehrung
Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden. […]
Gründe:
I.
Streitig ist, ob dem Kläger ein Anspruch auf Kindergeld für seine Kinder A und B für Mai bis Dezember 2009 zusteht.
Der Kläger, ein rumänischer Staatsangehöriger, war mit Einzugsdatum 4. Mai 2009 in Gemeinde C (Baden-Württemberg) gemeldet und betrieb (lt. Meldungen bei der Gewerbebehörde ab dem 20. Mai 2009 bis zum 31. Dezember 2013) unter der dortigen Wohnanschrift ein Gewerbe. Die Kinder und die Ehefrau des Klägers sind ebenfalls rumänische Staatsangehörige. Sie lebten im Streitzeitraum in Rumänien.
Am 29. Dezember 2013 beantragte der Kläger mit dem Formular „Antrag auf deutsches Kindergeld – Ausland“ Kindergeld für A und B. Der Antrag wurde per Fax von seinem Prozessbevollmächtigten an die „Familienkasse (FK) Stadt Y“ übersandt. Diese Behörde leitete den Antrag an die FK Z (Baden-Württemberg) weiter, wo er lt. Eingangsstempel am 3. Januar 2014 einging.
Anfang 2014 zog der Kläger in die Gemeinde D (Bayern) um.
Mit Bescheid vom 25. Februar 2014 lehnte die FK Z (Baden-Württemberg) eine Kindergeldfestsetzung für A und B ab. Da die zur Bearbeitung des Antrags angeforderten Unterlagen nicht eingereicht worden seien, könne nicht festgestellt werden, ob ein Anspruch auf Kindergeld bestehe.
Im anschließenden Einspruchsverfahren legte der Kläger zur Begründung seines Begehrens einen vervollständigten Kindergeldantrag vom 29. Oktober 2014 sowie u. a. Steuerbescheide bzw. -erklärungen und Bestätigungen rumänischer Behörden betreffend die Jahre 2010 bis 2013 vor.
Mit geändertem Bescheid vom 18. Februar 2015 setzte die FK Z (Baden-Württemberg), voläufig gem. § 165 Abs. 1 Abgabenordnung (AO), Kindergeld ab Januar 2010 in Höhe von monatlich 349,34 € fest. Eine endgültige Entscheidung erfolge, wenn eine Bescheinigung
über die Höhe der dem Kläger in Rumänien zustehenden Familienleistungen vorliege. Diese werde in Zusammenhang mit der nächsten Überprüfung des Kindergeldanspruchs angefordert. Dem Einspruch sei damit voll entsprochen worden.
Anschließend gab die FK Z (Baden-Württemberg) die Sache an die Beklagte, die FK Bayern Nord, ab.
Der Kläger legte gegen den Bescheid vom 18. Februar 2015 bei der FK Z (BadenWürttemberg) Einspruch ein, da die Kindergeldfestsetzung ab Mai 2009 laufen müsse.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung der FK Bayern Nord vom 6. März 2015). Zur Begründung führte die FK aus, dass bei Eingang des Kindergeldantrags am 3. Januar 2014 die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen gewesen sei.
Seine beim Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg erhobene Klage begründet der Kläger im Wesentlichen wie folgt:
Der Prozessbevollmächtigte habe der FK den Kindergeldantrag vor Ablauf der Festsetzungsfrist übermittelt. Ein Kindergeldantrag könne auch bei einer Außenstelle angebracht werden (Bundesfinanzhof – BFH – Urteil vom 25. September 2014 III R 25/13, BFH/NV 2015, 99). Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die FK für das Kindergeld ab 2010 zuständig gewesen sei und für das Kindergeld 2009 jetzt nicht mehr.
Der Kläger habe Anspruch auf Kindergeld in Höhe von 309,34 € pro Monat (164 € pro Kind abzüglich rumänisches Kindergeld in Höhe von insgesamt 84 RON, bei einem Umrechnungskurs EUR/RON 4,50200 also 18,66 €) für Mai bis Dezember 2009, zuzüglich eines Einmalbetrages von 100 € pro Kind gem. § 66 Abs. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG). Der vorgelegte Steuerbescheid für 2009 belege die Ausübung einer Beschäftigung in Deutschland.
Als Nachweis für die Kindergeldzahlung in Rumänien legte der Kläger ein ausgefülltes Formular E 411 RO vor, das mit dem Stempel einer rumänischen Sozialbehörde versehen und unterzeichnet ist. Danach erhielt die Frau des Klägers von Mai bis Dezember 2009 in Rumänien Familienleistungen für A und B in Höhe von jeweils 42 RON pro Monat.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 25. Februar 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. März 2015 die FK Bayern Nord zu verpflichten, Kindergeld für die Kinder A und B für Mai bis Dezember 2009 zu gewähren,
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das außergerichtliche Verfahren für notwendig zu erklären,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die FK Bayern Nord beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die FK Bayern Nord ist der Auffassung, dass hinsichtlich des Streitzeitraums Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Nach § 67 Satz 1 EStG sei ein Kindergeldantrag bei der örtlich zuständigen FK zu stellen. Die örtliche Zuständigkeit bestimme sich grundsätzlich nach § 19 Abs. 1 AO und richte sich nach dem Wohnsitz des Berechtigten. Aufgrund von § 5 Abs. 1 Nr. 11 Satz 4 Finanzverwaltungsgesetz (FVG) habe die Bundesagentur für Arbeit (BA) die Zuständigkeit von Familienkassen für bestimmte Personengruppen und Fallgestaltungen ab dem 1. Mai 2013 davon abweichend geregelt. Gem. Anlage 2 zum Vorstandsbeschluss 21/2003 vom 18. April 2013 (Amtliche Nachrichten der BA, Ausgabe Mai 2013, 6 ff.) sei für Fälle mit Bezug zu Rumänien die FK Bayern Nord zuständig. Vorliegend sei der Kindergeldantrag weder an die FK mit der bestehenden Sonderzuständigkeit (Bayern Nord) noch an die Wohnsitzfamilienkasse (FK Z in Baden-Württemberg) gerichtet gewesen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorgelegten Akten und die ausgetauschten Schriftsätze verwiesen.
Das FG Baden-Württemberg hat sich mit Beschluss vom 12. Mai 2015 (Az. dort 10 K 930/15) für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit gem. § 70 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) an das FG München verwiesen.
Mit Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
II.
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Die FK Bayern Nord ist richtige Beklagte.
aa) Die Klage ist gegen die Behörde zu richten, die den beantragten Verwaltungsakt abgelehnt hat (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 FGO). Abweichend davon ist die Klage, wenn vor Erlass der Einspruchsentscheidung eine andere als die ursprünglich zuständige Behörde für den Steuerfall örtlich zuständig geworden ist, gegen die Behörde zu richten, welche die Einspruchsentscheidung erlassen hat (§ 63 Abs. 2 Nr. 2 FGO). § 63 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist über seinen Wortlaut hinaus auch anzuwenden, wenn sich die Verwaltungskompetenz der Behörde – ihr Kompetenzbereich in seiner sachlichen und räumlichen Erstreckung – aufgrund Organisationsakts der Verwaltung ändert. Dem entspricht die Rechtsprechung zu einer solchen Zuständigkeitsänderung während des Klage- oder Revisionsverfahrens, die in diesen Fällen einen gesetzlichen Parteiwechsel annimmt (BFH-Urteil vom 10. Juni 1992 I R 142/90, BStBl II 1992, 784). Für die Anwendung des § 63 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist unerheblich, ob die Behörden zutreffend von ihrer eigenen Zuständigkeit ausgingen. Denn ob der Kläger gerade von der beklagten Behörde die beantragte Kindergeldfestsetzung verlangen kann, betrifft die Sachlegitimation der Behörde und ist damit eine Frage der Begründetheit, nicht der Zulässigkeit der Klage (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. Januar 2002 VII B 83/01, BFH/NV 2002, 934 im Fall einer Anfechtungsklage, vom 19. Mai 2008 V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501, a. A. wohl FG Berlin-Brandenburg, Gerichtsbescheid vom 23. April 2015 3 K 3006/15, EFG 2015, 1412, n. rkr., im Tatbestand unter V.).
bb) Dies zugrunde gelegt, ist die Passivlegitimation der FK Bayern Nord gegeben. Die FK Bayern Nord ist diejenige Behörde, die die Einspruchsentscheidung vom 6. März 2015 erlassen hat (§ 63 Abs. 2 Nr. 2 FGO analog). Im Übrigen hat die FK Bayern Nord nach Auffassung des Senats auch die beantragte Kindergeldfestsetzung i. S. d. § 63 Abs. 1 Nr. 2 FGO abgelehnt. Denn sie hat sich mit ihrer Einspruchsentscheidung die Entscheidung FK Z (Baden-Württemberg) vom 25. Februar 2014 „zu eigen gemacht“, mit der letztere eine Kindergeldfestsetzung (auch) für 2009 ablehnte (zur Auslegung und Prüfung eines zeitlich nicht beschränkten Kindergeldantrags vgl. BFH-Beschluss vom 29. März 2012 III B 94/10, BFH/NV 2012, 1147).
b) Es wurde ein Vorverfahren erfolglos durchgeführt i. S. d. § 44 Abs. 1 FGO.
aa) Dass im Streitfall der ursprüngliche Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung von verschiedenen Behörden erlassen wurden, führt nicht zur Unzulässigkeit der Klage gem. § 44 Abs. 1 FGO. Nach dieser Vorschrift ist in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 FGO nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Jedenfalls dann, wenn der Einspruch – wie im Streitfall – als unbegründet zurückgewiesen wurde, ist für das Vorliegen eines Vorverfahrens in diesem Sinne nicht maßgeblich, ob die Ausgangsbehörde und die Einspruchsbehörde jeweils zutreffend ihre Zuständigkeit annahmen und damit gem. § 367 Abs. 1 Satz 1 AO diejenige Behörde über den Einspruch entschieden hat, die nachträglich zuständig geworden ist. Diese Frage wäre im Rahmen der Begründetheit der Klage zu prüfen (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Januar 2002 VII B 83/01, BFH/NV 2002, 934 zur Heilbarkeit des Verfahrensfehlers örtlicher Unzuständigkeit gem. § 127 AO durch die Einspruchsentscheidung einer anderen Behörde im Fall einer Anfechtungsklage; zur Heilbarkeit bei Unzuständigkeit der Einspruchsbehörde vgl. BFH-Urteile vom 25. November 1988 III R 264/83, BFH/NV 1989, 690, vom 30. Januar 1990 IX R 214/87, BFH/NV 1990, 431; a. A. wohl FG Berlin-Brandenburg, Gerichtsbescheid vom 23. April 2015 3 K 3006/15, EFG 2015, 1412, n. rkr., im Tatbestand unter V.). Andernfalls -wäre die Klage gegen die Einspruchsbehörde wegen Verletzung des § 44 FGO unzulässig -könnte der Kläger zwar von der Ausgangsbehörde eine Einspruchsentscheidung verlangen. Dies würde ihm jedoch nicht zu der begehrten Kindergeldfestsetzung verhelfen, wenn die Ausgangsbehörde hierfür nicht zuständig wäre. In diesem Fall müsste er bei der zuständigen Behörde Kindergeld beantragen und im Fall der Ablehnung ein weiteres Einspruchsverfahren anstrengen. Dies bedeutete einen überflüssigen Formalismus, der dem gem. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz zu gewährleistenden wirkungsvollen Rechtsschutz widerspräche (vgl. BFH-Urteil vom 4. November 1987 II R 167/81, BFHE 152, 200, BStBl II 1988, 377 zum Fall einer erstmalig beschwerenden Einspruchsentscheidung). Zudem dient der Effektivität des Rechtsschutzes, dass zum einen die Ausgangsbehörde, bei der der Einspruch gem. § 357 Abs. 2 Satz 1 AO anzubringen ist, die Sache erst nach (nochmaliger) Prüfung ihrer eigenen Zuständigkeit an eine andere – die von ihr für zuständig gehaltene – FK abgibt, zum anderen die Einspruchsbehörde die Sache erneut in vollem Umfang prüft (§ 367 Abs. 2 Satz 1 AO).
bb) Der Annahme eines abgeschlossenen Vorverfahrens steht weiter nicht entgegen, dass die Einspruchsentscheidung vom 6. März 2015 als Entscheidung über den Einspruch gegen den Bescheid der FK Z (Baden-Württemberg) vom 18. Februar 2015 bezeichnet ist, dieser aber zu 2009 keine Entscheidung enthielt. Denn der Sache nach bezog sich die Einspruchsentscheidung auf das Bestehen eines Kindergeldanspruchs für 2009 und damit auf den Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid der FK Z (Baden-Württemberg) vom 25. Februar 2014 (vgl. BFH-Urteil vom 19. Januar 1977 I R 89/74, BFHE 121, 421, BStBl II 1977, 517).
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Kindergeld für A und B für Mai bis Dezember 2009 nicht zu. Die Kindergeldfestsetzung ist gem. § 155 Abs. 4 i. V. m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO nicht mehr zulässig, da die Festsetzungsfrist abgelaufen ist.
a) Die Festsetzungsverjährung richtet sich bei Kindergeld, da es als Steuervergütung gezahlt wird (§ 31 Satz 3 EStG), nach § 155 Abs. 4 i. V. m. §§ 169 ff. AO (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Dezember 2011 III B 72/11, BFH/NV 2012, 379). Die vierjährige (§ 169 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) Festsetzungsfrist beginnt gem. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist – hier mit Ablauf des Jahres 2009 -. Im Streitfall endete die Festsetzungsfrist demnach mit Ablauf des Jahres 2013.
b) Der Ablauf der Festsetzungsfrist war vorliegend nicht gem. § 155 Abs. 4 i. V. m. § 171 Abs. 3 AO gehemmt, da der Kläger nicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist Kindergeld für 2009 beantragte.
aa) Nach diesen Vorschriften läuft die Festsetzungsfrist insoweit, als zuvor außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Kindergeldfestsetzung gestellt wird, nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.
Eine Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 3 AO löst nur ein Antrag aus, der bei der zuständigen Behörde gestellt wurde (FG Berlin, Urteil vom 28. Februar 2000 8 K 8750/98, EFG 2000, 844, Kruse in Tipke/Kruse, AO, § 171 Rn. 10, Rüsken in Klein, AO, 12. Aufl., § 171 Rn. 11 b, Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 171 Rn. 37, Frotscher in Schwarz/Pahlke, AO, § 171 Rn. 27, Dürr in Frotscher/Geurts, EStG, § 67 Rn. 11, vgl. auch BFH-Urteil vom 25. September 2014 III R 25/13, BFHE 247, 233, BStBl II 2015, 847 und Hessisches FG, Urteil vom 21. November 2012 12 K 1566/11, juris, zur Unterbrechung der Zahlungsverjährung gem. § 231 Abs. 1 Satz 1 AO). § 67 Satz 1 EStG sieht für das Kindergeld ausdrücklich vor, dass dieses bei der zuständigen FK schriftlich zu beantragen ist. Sollte auch ein Antrag bei einer unzuständigen Behörde genügen, wäre dies gesetzlich ausdrücklich geregelt worden (wie z. B. in § 357 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 AO).
Die Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach Maßgabe der §§ 31, 62 bis 78 EStG ist Aufgabe des Bundeszentralamts für Steuern (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 Satz 1 FVG). Die BA stellt dem Bundeszentralamt für Steuern zur Durchführung dieser Aufgabe ihre Dienststellen als FK zur Verfügung (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 Satz 2 FVG). Die FK sind Finanzbehörden im Sinne der AO (§ 6 Abs. 2 Nr. 6 AO). Örtlich zuständig ist grundsätzlich die FK, in deren Bezirk der Kindergeldberechtigte seinen Wohnsitz hat (§ 19 Abs. 1 Satz 1 AO). Der Vorstand der BA kann gem. § 5 Abs. 1 Nr. 11 Satz 4 FVG innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs abweichend von den Vorschriften der AO über die örtliche Zuständigkeit von Finanzbehörden die Entscheidung über den Anspruch auf Kindergeld für bestimmte Bezirke oder Gruppen von Berechtigten einer anderen FK übertragen. Der Vorstand der BA hat von dieser Ermächtigung mit Beschluss 21/2003 vom 18. April 2013 (Amtliche Nachrichten der BA, Ausgabe Mai 2013, 6 ff.) Gebrauch gemacht.
bb) Nach diesen Maßgaben hemmte der bei der „FK Stadt Y“ gestellte Kindergeldantrag vom 29. Dezember 2013 nicht gem. § 155 Abs. 4 i. V. m. § 171 Abs. 3 AO den Ablauf der Festsetzungsfrist. Offen bleiben kann, welche Behörde gem. § 5 Abs. 1 Nr. 11 Satz 4 FVG i. V. m. Anlage 2 zum Vorstandsbeschluss 21/2003 vom 18. April 2013 für die Entscheidung über diesen Kindergeldantrag zuständig war. In Betracht kommen ausschließlich die FK Z in Baden-Württemberg (wenn der Kläger bei Antragstellung Wohnsitz oder Betriebssitz in Gemeinde C hatte, was nach seinem Vortrag beides zutrifft) und die FK Bayern Nord (wenn auf den Kläger oder die Kindesmutter über- oder zwischenstaatliche Rechtsvorschriften anzuwenden sind, da der Fall Bezug zu Rumänien hat). Denn jedenfalls ging der Kindergeldantrag des Klägers bei keiner dieser beiden Behörden noch vor Ablauf des Jahres 2013 ein.
cc) Aus dem BFH-Urteil in BFHE 247, 233, BStBl II 2015, 847 ergibt sich – anders als der Kläger meint – nichts anderes. Nach dieser Entscheidung kann eine Antragstellung bei einer Außenstelle der Agentur für Arbeit, bei der die FK eingerichtet ist, fristwahrend sein. In diesem Fall war aber die betreffende FK für den Kläger zuständig. Nicht damit vergleichbar ist die Antragstellung bei einer unzuständigen Behörde, da diese keine unselbstständige Außenstelle der zuständigen Behörde ist, sondern eine selbstständige Behörde mit eigener Zuständigkeit i. S. d. § 6 Abs. 1 AO. Im Streitfall kann die „FK Stadt Y“ weder als eine Art Außenstelle der FK Z (Baden-Württemberg) noch der FK Bayern Nord angesehen werden (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 11 Satz 4 FVG i. V. m. Anlage 1 zum Vorstandsbeschluss 21/2003 vom 18. April 2013, wonach Stadt Y ein Standort der FK Bayern Süd ist).
dd) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO in die Festsetzungsfrist ist nicht möglich (BFH-Urteil vom 24. Januar 2008 VII R 3/07, BFHE 220, 124, BStBl II 2008, 462).
3. Ob die FK Z (Baden-Württemberg) für die Kindergeldfestsetzung für 2010 ff. zuständig war, ist nicht entscheidungserheblich. Eine Verletzung der für das Verwaltungsverfahren geltenden Vorschriften führte zwar möglicherweise zur Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheids vom 25. Februar 2014 und der Einspruchsentscheidung vom 6. März 2015. Der Kläger wäre aber durch deren Ergebnis – die Versagung der Kindergeldfestsetzung – nicht in seinen Rechten verletzt (zum Prüfungsinhalt bei Verpflichtungsklagen auf Erlass eines gebundenen Verwaltungsakts gem. § 101 Satz 1 FGO vgl. BFH-Beschluss vom 18. August 2008 VII B 34/08, BFH/NV 2008, 1902, Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. April 1981 8 B 14/81, Buchholz 401.47 Grunderwerbsteuer Nr. 4). Denn es besteht jedenfalls deshalb kein Anspruch des Klägers auf Kindergeldfestsetzung für 2009, weil ein solcher Anspruch durch Festsetzungsverjährung bereits erloschen wäre (§ 155 Abs. 4 i. V. m. § 47 und § 169 ff. AO, s. oben unter Nr. 2).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
5. Die Revision wird nicht zugelassen, da kein Zulassungsgrund (§ 115 Abs. 2 FGO) gegeben ist.


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