Familienrecht

Abgewiesene Klage im Streit um kindbezogenen Anteil im Familienzuschlag für nicht in den Haushalt aufgenommenen Stiefsohn

Aktenzeichen  B 5 K 17.297

Datum:
13.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 46369
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBesG Art. 36 Abs. 2
EkStG § 63 Abs. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

Der besoldungs- bzw. versorgungsrechtliche Anspruch aus der ersten Alternative des Art. 36 Abs. 2 Satz 1 BayBesG setzt zwingend die förmliche Feststellung eines Anspruchs auf Kindergeld voraus, denn beide Leistungen dienen dem gleichen sozialpolitischen Zweck, nämlich dem Familienlastenausgleich für den durch Kinder verursachten Mehraufwand. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid des Landesamts für Finanzen – Dienststelle Würzburg – vom 18. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; der Kläger hat für die Zeit vom 1. Dezember 2013 bis zum 31. Dezember 2014 keinen Anspruch auf Familienzuschlag der Stufe 2 wegen Aufnahme seines Stiefsohns N. in den eigenen Haushalt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Zur Begründung nimmt das Gericht auf die zutreffenden Gründe des Widerspruchsbescheids vom 16. März 2017 Bezug und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend sei auf Folgendes hingewiesen:
Gemäß Art. 36 Abs. 2 Satz 1 BayBesG gehören zur Stufe 2 und den folgenden Stufen die Beamten der Stufe 1, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 EStG oder des § 3 oder 4 BKGG zustehen würde. Nach Satz 3 dieser Vorschrift ist die Entscheidung der Familienkasse bindend.
a) Die erste Alternative des Art. 36 Abs. 2 Satz 1 BayBesG liegt vor, wenn dem Beamten Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entscheidend darauf an, dass dem Kläger in Anwendung des Bundeskindergeldgesetzes konkret ein Anspruch auf Kindergeld zusteht. Aus dem gesetzlichen Begriff des „Zustehens“ von Kindergeld ergibt sich, dass der Besoldungsgesetzgeber die Gewährung des kinderbezogenen Teils des Familienzuschlags von der Kindergeldberechtigung nach den Regelungen des Einkommensteuergesetzes oder des Kindergeldgesetzes abhängig gemacht hat. Mithin setzt der besoldungs- bzw. versorgungsrechtliche Anspruch zwingend die förmliche Feststellung eines Anspruchs auf Kindergeld voraus, denn beide Leistungen dienen dem gleichen sozialpolitischen Zweck, nämlich dem Familienlastenausgleich für den durch Kinder verursachten Mehraufwand. Es sollen daher abweichende Auffassungen von Familienkasse und Besoldungsstelle über die Kindergeldberechtigung vermieden werden. Daraus wird der Schluss gezogen, dass der in einem förmlichen, d.h. durch Bescheid abzuschließenden Verfahren ergehenden Entscheidung über die Kindergeldberechtigung nach Eintritt der Unanfechtbarkeit Bindungswirkung (Tatbestandswirkung) für die Gewährung des kinderbezogenen Teils des Familienzuschlags zukommt. Diese Bindungswirkung – auch an eine rechtswidrige, aber bestandskräftige Ablehnung der Kindergeldberechtigung – besteht, solange und soweit die Familienkasse den unanfechtbaren Verwaltungsakt über die Kindergeldberechtigung nicht aufgehoben oder sich dieser nicht auf andere Weise erledigt hat (st.Rspr. vgl. nur: BVerwG U.v. 26.8.1993 – 2 C 16.92 – BVerwGE 94, 98/99; BVerwG B.v. 13.2.2007 – 2 B 65/06 – BayVBl 2008, 28 f.; BVerwG, B.v. 18.6.2013 – 2 B 12/13 – ZBR 2013, 352/353).
Gemessen daran, scheidet ein Anspruch des Klägers auf Gewährung des kindbezogenen Anteils im Familienzuschlag gem. Art. 36 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BayBesG bereits mangels förmlicher Festsetzung eines Anspruchs des Klägers auf Gewährung von Kindergeld für seinen Stiefsohn aus. Vielmehr hat die Familienkasse Baden-Württemberg Ost im streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig das Kindergeld für den Stiefsohn des Klägers antragsgemäß mit bestandskräftigem Bescheid an dessen Ehefrau ausbezahlt (Bescheid vom 10.3.2015). Demzufolge hat das Landesamt für Finanzen – Landesfamilienkasse – den Antrag des Klägers auf Festsetzung des Kindergelds für die Zeit ab dem 1. Dezember 2013 (Bescheid vom 19.1.2018) zum einen mit der Begründung abgelehnt, dass die Familienkasse Baden-Württemberg Ost das Kindergeld bis einschließlich Oktober 2015 an die Ehefrau des Klägers ausgezahlt habe, so dass der Kindergeldanspruch erfüllt sei. Zum anderen hat die Behörde ergänzend ausgeführt, eine Änderung der Bestimmung des Kindergeldberechtigten wirke nur für die Zukunft; gegenwärtig erfülle der Stiefsohn aber nicht die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld, weil er im Oktober 2015 die Altersgrenze überschritten habe.
b) Nach der zweiten Alternative des Art. 36 Abs. 2 Satz 1 BayBesG ist der kindbezogene Anteil im Familienzuschlag zu gewähren, wenn dem Kläger Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder dem Bundeskindergeldgesetz ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 EStG oder des § 3 oder 4 BKGG zustehen würde. Nach dieser Regelung, die verhindern soll, dass in bestimmten Fällen für ein Kind überhaupt keine Leistung aus der Besoldung erbracht wird (so: Möller in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: 1.1.2018, Art. 36 BayBesG Rn. 60), sind Stiefkinder zwar berücksichtigungsfähig (ebda. Rn. 61).
Voraussetzung für die Gewährung des kindbezogenen Teils des Familienzuschlags ist aber (auch) in diesen Fällen die Haushaltsaufnahme i.S. von § 63 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommenssteuergesetzes (EStG). Eine solche Haushaltsaufnahme liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vor, wenn das Kind nicht nur vorübergehend in die Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis aufgenommen worden ist. Erforderlich ist demnach ein örtlich gebundenes Zusammenleben, wobei eine ständige Anwesenheit im Haushalt des Berechtigten nicht erforderlich ist. Daneben müssen Voraussetzungen materieller Art (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) erfüllt sein, die zwar je nach Einzelfall unterschiedlich ausgeprägt sein können, aber alle vorliegen müssen. In diesem Zusammenhang bezieht sich das örtliche Merkmal der Haushaltsaufnahme auf die gemeinsame Familienwohnung als ortsbezogener Mittelpunkt der gemeinschaftlichen Lebensinteressen. Ein für eine „Haushaltsaufnahme“ erforderliches Obhutsverhältnis besteht allerdings dann nicht, wenn das Kind nur für einen von vornherein begrenzten kurzfristigen Zeitraum aufgenommen wurde, etwa zu Besuchszwecken oder in den Ferien. Von einer Haushaltsaufnahme kann zwar in der Regel ausgegangen werden, wenn das Kind seit mehr als drei Monaten in einem Haushalt lebt und eine Rückkehr in den Haushalt des sorgeberechtigten Elternteils nicht von vornherein feststeht. Eine mehr als dreimonatige Aufenthaltsdauer in einem Haushalt begründet demnach dann keine Haushaltsaufnahme, wenn eine Rückkehr in den anderen Haushalt von vornherein feststeht (vgl. nur: BFH B.v. 3.4.2012 – V B 130/11 – Juris Rn. 5, 10; B.v. 22.8.2011 – B 192/10 – Juris Rn. 7; B.v. 18.2.2008 – III B 69/07 – Juris Rn. 9 f.). Für das Vorliegen der Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs und somit auch für den Nachweis der Haushaltsaufnahme trägt der Kindergeldberechtigte die objektive Beweislast (BFH B.v. 13.6.2012 – V S 10/12 – Juris Rn. 13).
Gemessen daran hat das Gericht erhebliche Zweifel und damit nicht die erforderliche Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 VwGO), dass der Kläger seinen Stiefsohn im streitgegenständlichen Zeitraum (1.12.2013 bis 31.12.2014) in seinen Haushalt aufgenommen hat.
Diese Zweifel gründen sich vor allem für die Zeit, in der der Kläger – neben seiner beruflichen Tätigkeit am Finanzamt … – das Amt des (ehrenamtlichen) ersten Bürgermeisters der Gemeinde L* … innehatte. Diese mit dem kommunalen Ehrenamt einhergehende, sich bis zum 30. April 2014 erstreckende und die aus der verantwortungsvollen beruflichen Tätigkeit des Klägers als Finanzbeamter in der dritten Qualifikationsebene am Finanzamt … ohnehin erwachsende nachhaltige Orientierung des Klägers an seinen Wohnort L* … nochmals verstärkende, zusätzliche Bindung spricht schon für sich gesehen gegen die Annahme eines örtlich gebundenen Zusammenlebens zwischen dem Kläger und seinem Stiefsohn in Ludwigsburg und damit gegen eine Aufnahme des Stiefsohns in den Haushalt des Klägers.
Für den streitgegenständlichen Gesamtzeitraum bestehen ferner aufgrund folgender Aspekte erhebliche Zweifel im Hinblick auf die vom Kläger vorgetragene Aufnahme des Stiefsohns in seinen Haushalt.
So kann – auch wenn diesem Umstand wohl nur Indizwirkung zukommt – im Hinblick auf die Feststellung eines örtlich gebundenen Zusammenlebens die melderechtliche Situation des Klägers und seiner Familie nicht unberücksichtigt bleiben. So war der Stiefsohn des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum ausschließlich mit Hauptwohnsitz in Ludwigsburg in der …Straße 6 gemeldet, während der Kläger – im Gegensatz zu seiner Ehefrau, die mit Nebenwohnsitz in Ludwigsburg gemeldet war – ausschließlich mit Hauptwohnsitz in L* … gemeldet war. Bestärkt werden diese in der melderechtlichen Situation begründet liegenden Zweifel durch die geographische Lage der beiden Wohnorte, insbesondere den Umstand, dass L* … und Ludwigsburg mehr als 300 km voneinander entfernt liegen, was ein örtliches Zusammenleben im Wesentlichen wohl nur an den Wochenenden möglich macht. Zwar hat der Kläger in diesem Zusammenhang vorgetragen, dass er ausweislich der Steuerklärung an 22 Wochenenden von L* … nach Ludwigsburg zu seiner Ehefrau gefahren sei. Gleichwohl kann aber – auch wenn er regelmäßig von Donnerstagabend bis Montagmorgen in Ludwigsburg gewesen sein will – der Umstand nicht unberücksichtigt bleiben, dass seine Ehefrau – folgt man dem klägerischen Vortrag – an 30 Wochenenden von L* … nach Ludwigsburg gefahren ist. Das legt, worauf die Beklagtenseite zutreffend hinweist, nachhaltig die Vermutung nahe, dass der Familienmittelpunkt des Klägers und seiner Ehefrau in L* … war.
Zweifel bestehen auch im Hinblick auf das Vorliegen der für die Annahme der Haushaltsaufnahme ebenfalls erforderlichen Voraussetzungen immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung und Erziehung). Zutreffend weist die Beklagtenseite in diesem Zusammenhang zunächst auf das Alter des zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums bereits 23 Jahre alten Stiefsohns hin. Nicht unberücksichtigt bleiben kann auch der von der Beklagtenseite ermittelte und dem Gericht mitgeteilte Umstand (Schriftsatz vom 30.4.2018), dass der Stiefsohn des Klägers am 22. Juli 2013 in das Handelsregister bei dem Amtsgericht Stuttgart die Firma S* … e.K. (Firmensitz: …Straße 6, Ludwigsburg) hat eintragen lassen. Der Vortrag des Klägers, die Anmeldung sei nur erfolgt, um für private Zwecke im Großhandel einkaufen zu können (Schriftsatz vom 24.5.2018), vermag die Einschätzung des Beklagten, die immateriellen Voraussetzungen für die Annahme einer Aufnahme des Stiefsohns in den Haushalt des Klägers seien nicht erfüllt, nicht nachhaltig zu erschüttern.
Insgesamt wirft auch das Auskunftsverhalten der Klägerseite durchaus Fragen auf: So enthält die vom Kläger abgegebene FOS-Erklärung vom 5. Februar 2014 – im Gegensatz zu der zeitnah zum streitgegenständlichen Antrag auf Gewährung des kindbezogenen Anteils zum Familienzuschlag abgegebenen FL-Erklärung vom 26. November 2016 – unter Nr. 6 („Von allen Bezügeempfängern auszufüllen“) im Abschnitt Nr. 6.1 („Haben Sie Kinder, für das Kindergeld dem anderen Elternteil (…) gezahlt wird (…)“ keinerlei Angaben zum Stiefsohn des Klägers. Darüber hinaus erfolgte die Mitteilung über die Ummeldung bzw. den Umzug der Ehefrau des Klägers von der …Straße 6 in die …Straße 4 in Ludwigsburg zum 1. Januar 2015 nach Aktenlage nicht durch die Klägerseite sondern – auf der Basis eigener Ermittlungen – durch den Beklagten (Schriftsatz vom 24.1.2018)
Schließlich kann auch die Auskunft der Landesfamilienkasse Bayreuth an den Kläger über die kindergeldrechtliche Einschätzung des Sachverhalts (Schreiben vom 18.1.2018) nicht unberücksichtigt bleiben. Bei diesem (formlosen) Schreiben handelt es sich zwar nicht um einen Verwaltungsakt, so dass es wohl keine Bindungswirkung im Sinne von Art. 36 Abs. 2 Satz 3 BayBesG entfalten kann. Gleichwohl handelt es sich hierbei um die umfassende Einschätzung der Sach- und Rechtslage durch die für die abschließende Beurteilung der kindergeldrechtlichen Seite zuständige Behörde (Möller in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: 1.1.2018, Art. 36 BayBesG Rn. 68), so dass dieser rechtlichen Einschätzung, soweit sie nicht – was vorliegend nicht der Fall ist – substantiiert in Zweifel gezogen wird, jedenfalls Indizwirkung zukommt.
Nach alledem steht die Summe der vorgenannten Zweifel angesichts der Tatsache, dass vorliegend das Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugung Anwendung findet, der Bildung der vom Gericht zu gewinnenden Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 VwGO) entgegen. Das geht vorliegend in Anbetracht des Umstands, dass der Kindergeldberechtigte für das Vorliegen der Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs und somit auch für den Nachweis der Haushaltsaufnahme die objektive Beweislast trägt (BFH B.v. 13.6.2012 – V S 10/12 – Juris Rn. 13), zu Lasten des Klägers.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.
3. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.


Ähnliche Artikel

Die Scheidung einer Ehe

War es bis vor etlichen Jahren noch undenkbar, eine Ehe scheiden zu lassen, so ist eine Scheidung heute gesellschaftlich akzeptiert. Die Zahlen der letzten Jahre zeigen einen deutlichen Trend: Beinahe jede zweite Ehe wird im Laufe der Zeit geschieden. Was es zu beachten gilt, erfahren Sie hier.
Mehr lesen


Nach oben