Familienrecht

Austausch der Rechtsgrundlage, schuldhafte Verweigerung einer Sachaufklärung zu Lasten des Elternteils

Aktenzeichen  B 8 K 20.500

Datum:
21.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 56132
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
UVG § 5 Abs. 1
SGB X § 48 Abs. 1 S. 1
SGB X § 45

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Über die Klage kann trotz Ausbleibens des Klägers entschieden werden, da die Ladung den entsprechenden Hinweis gemäß § 102 Abs. 2 VwGO enthielt. Auch das Nichterscheinen der ordnungsgemäß geladenen Zeugin zur mündlichen Verhandlung (§ 98 VwGO i.V.m. § 377 ZPO) hindert das Gericht nicht an einer Entscheidung, da auch ohne ihre Aussage eine hinreichende Grundlage für eine Entscheidung besteht.
A.
Die Klage ist zulässig. Sie wurde frist- und formgerecht bei Gericht erhoben.
Dem Kläger steht hinsichtlich der Ziffer 1 des Bescheides (Rücknahme) sowohl ein eigenständiges Antrags- als auch Klagerecht aus § 9 Abs. 1 UVG zu (vergleiche VG Karlsruhe, Entscheidungen vom 11.12.1986 – 6K183/86 – und – 6K47/86 – sowie vom 15.1.1987 – 6, 197/86 -, juris). Da er sich gegenüber der Beklagten als alleinerziehendes Elternteil ausgegeben hat und einen entsprechenden Antrag auf Gewährung von UVG-Leistungen gestellt hat, sind Bewilligungs- und im Umkehrschluss auch Rücknahmebescheide, die sich an ihn in dieser Eigenschaft richten, wirksam (siehe unten Nr. B.1). In Folge dessen erwächst ihm daraus denknotwendig eine Klagebefugnis gegen den entsprechenden Rücknahmebescheid.
Die genannte Vorschrift gibt dem (alleinerziehenden) Elternteil ein eigenständiges Antragsrecht. § 9 Abs. 1 UVG begründet die Berechtigung des alleinerziehenden Elternteils, die Ansprüche nach dem UVG im eigenen Namen geltend zu machen (BayVGH 20.1.2014 – 12 C 13.2488, NJW 2014, 876; OVG Bln-Bbg 27.8.2012 – 6 M 111.12, NVwZ-RR 2012, 814; SächsOVG 16.3.2011 – 5 D 181/10, NJW 2011, 2457; OVG NRW 23.9.1999 – 16 A 461/99, FamRZ 2000, 777). Wenngleich die Einräumung eines Antragsrechts im Verwaltungsverfahren nicht notwendigerweise bedeuten muss, dass damit stets auch eine eigenständige Prozessführungsbefugnis verbunden ist, stellt ein solches Antragsrecht doch jedenfalls ein gewichtiges Indiz für eine auch materiell-rechtlich geschützte Rechtsposition i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO dar“ (vgl. dazu Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung (Kommentar), 24. Auflage (2017) § 42 Rn. 61; OVG NW Urt. v. 23.9.1999 – 16 A 461/99, BeckRS 1999, 23257 Rn. 20-23, beck-online). Soweit dies hinsichtlich der Beantragung von Leistungen nach dem UVG gilt, kann im Umkehrschluss nichts Anderes hinsichtlich der Rücknahme von Bewilligungsbescheiden gelten.
Gleiches ließe sich aus dem Sinn und Zweck von § 1629a Abs. 2 Satz 2 BGB ableiten.
B.
Die Klage hat jedoch inhaltlich keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid vom 04.02.2020 ist im Wesentlichen rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung von Unterhaltsvorschuss über den 01.02.2020 hinaus (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1. Durchgreifende Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen nicht. Insbesondere wurde der Bescheid gemäß Art. 39 Abs. 1 SGB X (anwendbar gemäß § 68 Nr. 14 SGB I) durch die bewusste und gewollte Bekanntgabe an den Kläger wirksam. Der Bescheid war an den Kläger sowohl in seiner Eigenschaft als Elternteil (gesetzlicher Vertreter, bzgl. Ziffer 1) als auch an ihn als direkt Betroffener (Schadensersatz), bzgl. Ziffer 2 gerichtet.
Auch kann dem Vergleich der Formulierungen in den Ziffern 1 und 2 des Bescheides hinreichend bestimmt (§ 33 Abs. 1 SGB X) entnommen werden, in welcher Eigenschaft der Kläger jeweils angesprochen, betroffen und verpflichtet ist.
2. Die Verpflichtung des Klägers in Ziffer 2 des Bescheides, Schadensersatz für zu viel gezahlte Unterhaltsvorschussleistungen für die Zeit vom 01.07.2017 bis 31.01.2020 in Höhe von 6.370 EUR zu leisten, ist auch materiell rechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht rechtsfehlerfrei auf § 5 Abs. 1 UVG.
Nach § 5 Abs. 1 UVG hat der Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt oder der gesetzliche Vertreter des Berechtigten den geleisteten Betrag zu ersetzen, soweit die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung in dem Kalendermonat, für den sie gezahlt worden ist, nicht oder nicht durchgehend vorgelegen haben und er
1. die Zahlung der Unterhaltsleistung dadurch herbeigeführt hat, dass er vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder eine Anzeige nach § 6 UVG unterlassen hat oder
2. gewusst oder infolge Fahrlässigkeit nicht gewusst hat, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung nicht erfüllt waren.
Eine Ermessensausübung seitens des Leistungsträgers ist nicht erforderlich, da nach dem Wortlaut der Norm („hat“) bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen eine Verpflichtung des Betroffenen besteht. Insbesondere setzt diese gesetzlich normierte Vorgehensweise nicht die Aufhebung des bewilligenden Verwaltungsaktes voraus.
Die gemäß § 24 SGB X vor Erlass eines Bescheides erforderliche Anhörung, insbesondere bei Frage eines schuldhaften Verhaltens, ist erfolgt (vgl. Anhörungsschreiben vom 13.01.2020 (Bl. 89 Beiakte) und vom 20.01.2020 (Bl. 93 Beiakte)).
Die oben genannten Erstattungsvoraussetzungen sind gegeben. Insbesondere sind weder im Zeitraum vom 01.07.2017 bis 12./13.12.2019 (siehe unten Nr. 2.1) noch im Zeitraum vom 13./14.12.2019 bis 31.01.2020 (siehe unten Nr. 2.2) die Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 UVG erfüllt. Auch die weitere Voraussetzung, eine schuldhafte Handlung, des Klägers im Sinn des § 5 Abs. 1 UVG, liegt vor.
Gemäß § 1 Abs. 1 UVG hat Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistung,
1. wer das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat,
2. im Geltungsbereich dieses Gesetzes bei einem seiner Elternteile lebt, der ledig, verwitwet oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten oder Lebenspartner dauernd getrennt lebt und
3. nicht oder nicht regelmäßig Unterhalt von dem anderen Elternteil erhält.
Diese Voraussetzungen bestanden hinsichtlich der nach dem UVG berechtigten Tochter des Klägers nicht.
2.1 Im Zeitraum vom 01.07.2017 bis 12./13.12.2019 hielt sich diese in Würdigung der Gesamtumstände nach Überzeugung des Gerichts (§ 108 VwGO) nicht im Geltungsbereich des UVG auf. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
a. So lässt sich dem von der … Grundschule … übermittelten Auszug aus der Schülerakte (Bl. 44 ff. Gerichtsakte) der Tochter des Klägers entnehmen, dass die Tochter lediglich in der Zeit vom 01.08.2016 bis 13.03.2017 sowie seit dem 10.01.2020 eine Grundschule in der Bundesrepublik Deutschland besucht hat bzw. derzeit besucht. Die Tatsache, dass der entsprechende Schülerakt in der Zeit von März 2017 bis Januar 2020 bei der … Grundschule … verblieben und nicht an eine andere Schule abgegeben wurde, lässt zweifelsfrei den Schluss zu, dass die Tochter in dieser Zeit auch keine andere deutsche Schule im Gastschulverhältnis besucht hat. Dieses war dem Kläger auch bekannt, da er seine Tochter ausweislich seiner E-Mails (v. 12.03.2017 und 30.12.2019, Bl. 113 und 114 Beiakte) selbst von der Schule ab- als auch wieder angemeldet hat. Die Tochter wäre jedoch gemäß Art. 129 Bayerische Verfassung verpflichtet gewesen, eine Grundschule zu besuchen.
b. Dass sich die Tochter während der Zeit des fehlenden Schulbesuchs nicht in Deutschland, sondern in Brasilien aufgehalten hat, ist den eigenen Angaben des Klägers und der Kindsmutter, zu entnehmen:
So hat der Kläger selbst in seinem Schreiben vom 16.01.2020 an die Beklagte, Amt für Jugend und Familie (Bl. 91 Beiakte), angegeben, dass ihn seine Ehefrau im April 2017 die gemeinsame Tochter entzogen habe und entgegen der gemeinsamen Vereinbarung, nach zwei Wochen geplanten Aufenthalts in Brasilien mit ihr wieder da zu sein, nicht wiedererschienen sei.
Seinen eigenen Angaben in diesem Brief zufolge hat er den Unterhaltsvorschuss seiner Frau (in Brasilien) per Überweisung und in bar zukommen lassen, was höchst überflüssig erscheint, wenn das Kind bei ihm gewohnt hätte.
Für einen längeren Aufenthalt der Tochter außerhalb Deutschlands und einen Schulbesuch der Tochter in Brasilien sprechen auch die eigenen Angaben des Klägers in seiner E-Mail vom 30.12.2019 zur Schulanmeldung (Bl. 114 Beiakte). Darin erklärte er, dass seine Tochter zuletzt die konkret angegebene Schule in Brasilien besucht habe.
Diese Annahme bestärken auch seine Angaben im Schriftsatz vom 12.08.2020 an das Gericht; darin hat er angegeben, dass seine Tochter in portugiesischer Schrift und Sprache sehr gut bewandert sei. Solche Kenntnisse werden nach lebensnaher Betrachtung im Alter der Tochter nicht in der Bundesrepublik Deutschland erworben, zumal wenn sich die brasilianische Kindsmutter – seinen eigenen Angaben zufolge – nicht zusammen mit ihrer Tochter in Deutschland aufgehalten hat.
Im Übrigen hat er im Schreiben vom 18.05.2020 an die Beklagte noch erwähnt, dass seine Tochter zusammen mit der Kindesmutter auf Reisen zu Besuch in Brasilien gewesen sei.
Bestätigt werden diese Angaben durch die Kindsmutter. So hat diese bei ihren beiden Vorsprachen am 21.01.2019 bei der Beklagten (Bl. 85, 110 und 115 Beiakte) angegeben, mit ihrer Tochter seit 8. Februar/April 2017 bis Dezember 2019 in Brasilien gewesen zu sein. Soweit sie bei ihrer Vorsprache am 18.12.2019 angegeben hat, seit Februar 2018 mit ihrer Tochter in Brasilien gewesen zu sein, stehen dieser Angabe zum Beginn des Auslandsaufenthaltes ihrer Tochter deren fehlender Schulbesuch in der Bundesrepublik Deutschland sowie ihre späteren kalendarischen Angaben entgegen. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass der Kindsmutter anfänglich lediglich ein Irrtum hinsichtlich des Jahres unterlaufen ist, zumal sie später das genaue Datum, 08.02.2017, angegeben hat.
b. In Würdigung der Gesamtumstände wird letztendlich zum Nachteil des Klägers gewertet, dass dieser seinen Mitteilungspflichten gegenüber der Behörde bewusst nicht nachgekommen ist und an einer Sachaufklärung der Behörde und des Gerichts keinerlei Interesse erkennen hat lassen.
Obwohl der Kläger gemäß § 6 Abs. 4 UVG verpflichtet ist, als Elternteil, bei dem das unterhaltsvorschussberechtigte Kind (angeblich) lebt, sowie als gesetzlicher Vertreter des Kindes der zuständigen Stelle Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen, missachtete er diese Mitteilungspflicht. Dass zu den maßgeblichen Mitteilungspflichten insbesondere der Aufenthalt des berechtigten Kindes außerhalb der Bundesrepublik zählt, liegt auf der Hand.
Er unterließ es darüber hinaus sogar bewusst, zur Sachaufklärung beizutragen, obwohl Nachweise für den Aufenthalt seiner Tochter in der Bundesrepublik Deutschland in dem fraglichen Zeitraum (neben seiner Ehefrau) nur ihm möglich gewesen wären. Solches hat er jedoch bewusst nachdrücklich unterlassen. Trotzdem er – neben seiner Ehefrau und seiner Tochter – die einzige Person ist, der der Aufenthalt der eigenen Tochter im fraglichen Zeitraum bekannt ist, machte er weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren sachdienliche Angaben, auch nachdem ihm die starken Indizien für den Aufenthalt seiner Tochter in Brasilien mit Schriftsatz des Gerichts vom 30.07.2020 zur Stellungnahme übermittelt worden waren.
So erklärt er sich trotz mehrerer Aufforderungen nie konkret zum Aufenthalt seiner Tochter, sondern erklärt dazu nur kryptisch und auffällig nichtssagend, dass seine Angaben „moralisch-rechtlich richtig“ gewesen seien, denn seine Tochter wohne auch dann hier, wenn sie vorübergehend abwesend sei (Schreiben vom 24.01.2020). Weiteren Ermittlungen entzog sich der Kläger und erschien wiederholt zu Vorsprachen bei der Behörde trotz mehrerer Vorladungen (vgl. Vorladungen vom 27.12.2019 für den 13.01.2020 und vom 20.01.2020 für den 27.01.2020) nicht und nahm ohne Entschuldigung auch die Gelegenheit zur Darlegung seiner Klagebegründung in der mündlichen Verhandlung vor Gericht nicht wahr.
Er hat es damit nicht nur unterlassen, zur Aufklärung beizutragen, sondern auch behördliche Annahmen zum Aufenthalt seiner Tochter zu entkräften und zu widerlegen. Er liefert damit selbst keine von ihm eingeforderten „nachweislichen Fakten“ (Schriftsatz vom 12.08.2020).
Soweit der Kläger in seinen Anträgen auf Bewilligung bzw. Weiterleistung von UVG-Leistungen jeweils angegeben hat, dass seine Tochter durchgehend bei ihm in … wohne, steht dies vielmehr in einem eklatanten Widerspruch sowohl zu seinen eigenen Angaben im bereits oben genannten Schreiben vom 16.01.2020 an die Beklagte, Amt für Jugend und Familie (Bl. 91 Beiakte), wonach seine Tochter bereits seit April 2017 nicht mehr bei ihm gewohnt habe, als auch zu den Erklärungen der Kindsmutter.
Eine Erklärung des Klägers für seine eigenen widersprüchlichen Angaben zum Aufenthalt seiner Tochter in der Bundesrepublik Deutschland bzw. Brasilien fehlt jedoch völlig; vielmehr vermeidet er ersichtlich irgendeine Art von Erklärung. Seine Hinweise auf die Einstellung des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft (vgl. Schriftsatz vom 12.08.2020 und 10.09.2020 an das Gericht), auf die Daten des Einwohnermeldeamts sowie auf den von ihm angeblich bekannt gegebenen jeweiligen Aufenthalt seiner Ehefrau (vgl. Widerspruchschreiben vom 27.02.2020) sind jeweils unbehelflich und tragen nichts zur Klärung des Sachverhalts bei. Soweit er für den fraglichen Zeitraum vom 01.07.2017 bis 12./13.12.2019 auf Aufenthalte der Kindesmutter in der Bundesrepublik Deutschland verweist (Auszüge aus dem Ausländerzentralregister und Melderegister, Rechnung Autovermietung für 22.- 25.02.2019, lassen diese schon keinerlei Rückschlüsse auf den hier einzig maßgeblichen Aufenthalt des berechtigten Kindes zu. Denn es sind nicht die Aufenthalte seiner Ehefrau entscheidungserheblich, sondern nur die seiner Tochter. Darüber hinaus vermag eine (fehlende) Abmeldung der Tochter nach Brasilien keinesfalls einen Beweis für deren Anwesenheit in der Bundesrepublik Deutschland zu beweisen, sondern stellt allenfalls ein Indiz dar.
Im Gegenteil werden diese Angaben durch die Einlassung der Kindsmutter entkräftet: So hatte die Kindesmutter am 21.01.2020 bei der Beklagten (Bl. 115 Beiakte) dazu erklärt, im Oktober 2018 ohne ihre Tochter kurzzeitig in … gewesen zu sein. Ihre Verwandten in Brasilien hätten sich um diese gekümmert; die Tochter habe in dieser Zeit weiterhin die Schule (in Brasilien) besucht. Weiterhin hatte sie bei ihrer Vorsprache bei der Beklagten am 18.12.2019 angegeben, gar nicht gewusst zu haben, dass sie sich in der Bundesrepublik Deutschland an- bzw. abmelden müsse bzw. ihre Tochter hätte abmelden müssen. Es habe sich immer ihr Mann „um die Papiere gekümmert“.
Durch seine Verweigerungshaltung vereitelte der Kläger nicht nur eine weitere Sachaufklärung sowohl der Behörde als auch des Gerichts. Das Nichterscheinen der allein über den Aufenthalt ihrer Tochter informierten Eheleute (Kläger und Zeugin) vor dem Verwaltungsgericht stellt darüber hinaus eine grobe Missachtung des Gerichts dar.
Eine derart schuldhafte Sachaufklärungs- oder Beweisvereitelung und die Verletzung von nur ihm möglichen Mitwirkungspflichten, erst recht, da er dazu verpflichtet ist (s.o.), sind im Rahmen der Beweiswürdigung entsprechend §§ 427, 444 und 446 ZPO i.V.m. § 98 VwGO zum Nachteil des Klägers zu berücksichtigen.
In Würdigung der oben ausgeführten Gesamtumstände hat das Gericht deshalb die Überzeugung gewonnen, dass sich die unterhaltsvorschussberechtigte Tochter des Klägers im maßgeblichen Zeitraum zumindest vom 01.07.2017 bis 12./13.12.2019 nicht in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat. Dabei ist entscheidungsunerheblich, ob sich die Tochter bereits seit Februar oder März 2017 nicht mehr in Deutschland aufgehalten hat.
Das Gericht konnte bereits aus den genannten Gründen einen derart hohen Grad an Gewissheit über die Tatsache, dass das Kind im streitgegenständlichen Zeitraum seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht beim Kindsvater hatte, erreichen, dass es zur vollen Überzeugung dieser Tatsache gelangt ist. In Anbetracht des nicht erschienenen Klägers, der bisherigen dokumentierten Aussagen der Kindsmutter und Ihren aus den Akten zu entnehmenden und gegenüber dem Gericht dokumentierten Verhalten, ergaben sich nach mündlicher Verhandlung mangels hinreichender, die Sachlage aufklärenden Substantiierungen des Klägers keine stichhaltigen Anhaltspunkte, so dass sich eine weitere Aussage der Kindsmutter nicht aufdrängte.
Damit lagen die Voraussetzungen der Bewilligung von UVG-Leistungen – Aufenthalt der Tochter in Deutschland – bis einschließlich 12.12.2019 nicht vor.
c. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches nach § 5 UVG sind gegeben. Eine Ersatzpflicht nach Abs. 1 setzt voraus, dass der Ersatzpflichtige schuldhaft gehandelt hat. Im Gegensatz zu der vergleichbaren Vorschrift des § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB X wird nicht auf eine grobe Fahrlässigkeit abgestellt, es reicht sogar die „einfache“ Fahrlässigkeit aus (Rancke, Mutterschutz – Elterngeld – Elternzeit – Betreuungsgeld, UVG § 5 Rn. 4, beck-online).
Das Gericht geht vorliegend von einer bewusst getätigten falschen Angabe des Klägers aus. Ausweislich der Belehrung im Bescheid vom 20.09.2017 und den Ausführungen auf beiden Überprüfungsbögen vom 22.08.2018 und 15.08.2019, die der Kläger unterschrieben hatte, war ihm deutlich vor Augen geführt worden und damit bekannt, dass Angaben zum Aufenthalt seiner Tochter entscheidungserheblich sind. Trotzdem hat der Kläger nach den obigen Feststellungen in Kenntnis aller relevanten Umstände wissentlich falsche Angaben in seinem Antrag vom 22.08.2017, im Überprüfungsbogen vom 22.08.2018 (Bl. 63 f. Beiakte), und im Überprüfungsbogen vom 15.08.2019 zum Aufenthaltsort seiner Tochter gemacht.
Das Gericht ist deshalb der Überzeugung, dass der Kläger schuldhaft gehandelt hat und darüber hinaus eine Anzeige nach § 6 Abs. 4 UVG zur Änderung des Aufenthaltsortes seiner Tochter (in Brasilien) bewusst und damit vorsätzlich unterlassen hat. Nur dem Kläger selbst war bekannt, dass seine Tochter nicht (mehr) bei ihm wohnt. Selbst wenn anfangs (d.h. ab Februar 2017 nach den Angaben der Kindsmutter bzw. April 2017 nach den Angaben des Klägers im Schreiben vom 16.01.2020) nur ein vorübergehender Aufenthalt in Brasilien geplant gewesen sein sollte, so musste dem Kläger spätestens zum Juli 2017 bewusstgeworden sein, dass es nicht mehr nur um einen lediglich vorübergehenden, besuchsweisen Aufenthalt in Brasilien gehandelt hat.
d. Da die Unterlassung dieser Angaben ursächlich für die Gewährung und Fortgewährung der Unterhaltsvorschussleistungen war, ist die in § 5 Abs. 1 UVG normierte Schadensersatzpflicht gegeben.
2.2 Auch im Zeitraum vom 13./14.12.2019 – 31.01.2020 lagen die Voraussetzungen für die Zahlung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG nach Überzeugung des Gerichts nicht vor. Zwar lebte das Kind nunmehr nach übereinstimmenden Angaben der Eltern in Deutschland. Es lebte aber nicht bei einem in dauernder Trennung lebenden Elternteil.
Leistungsvoraussetzung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG ist, dass das berechtigte Kind a. bei einem seiner Elternteile lebt, und b. dieses Elternteil ledig, verwitwet oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten oder Lebenspartner dauernd getrennt lebt (s.o. Nr. 2).
Zu a. Das Merkmal „Leben bei einem Elternteil“ ist nur dann erfüllt, wenn das Kind bei diesem seinen Lebensmittelpunkt hat und dort im Wesentlichen betreut und versorgt wird. Wenn das Kind jedoch durch den anderen Elternteil in einer Weise betreut wird, die eine wesentliche Entlastung des den Unterhaltsvorschuss beantragenden Elternteils bei der Pflege und Erziehung zur Folge hat, sind keine Leistungen zu gewähren (vgl. BVerwG U.v. 11.10.2012 – 5 C 20.11 – juris und BVerwGE 144, 306-313 (Leitsatz und Gründe); vgl. auch OVG NW, U.v. 15.12.2015 – 12 A1053/14 – juris und FamRZ 2016, 1016).
Gemessen an diesen Kriterien lebte die Tochter des Klägers im fraglichen Zeitraum nicht beim Kläger, denn sie wurde nach Überzeugung des Gerichts von beiden Elternteilen betreut; es liegt daher keinesfalls eine alleinige Betreuung durch den Kläger vor.
Dies ergibt sich aus den Angaben der Kindsmutter bei ihrer weiteren Vorsprache bei der Beklagten am 21.01.2020. Dort hatte sie erklärt, dass der Kläger aufgrund der gemeinsamen Benutzung von Bad und Küche in der Wohnung des Klägers seine Tochter jeden Tag sehe und diese zudem zwischen ihren Eltern hin und her wechsele. Diese Schilderung erscheint vor allem hinsichtlich der Weihnachtsfeiertage nachvollziehbar und das Verhalten der Tochter auch lebensnah. Eine alleinige Betreuung der Tochter durch den Kläger liegt deshalb nach Überzeugung des Gerichts nicht vor.
Zu b. Darüber hinaus kann auch nicht mehr von einem Getrenntleben ausgegangen werden.
Gemäß § 1 Abs. 2 UVG gilt ein Elternteil, bei dem das Kind lebt, als dauernd getrennt lebend im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG, wenn im Verhältnis zum Ehegatten oder Lebenspartner ein Getrenntleben im Sinne des § 1567 BGB vorliegt oder wenn dessen Ehegatte oder Lebenspartner wegen Krankheit oder Behinderung oder auf Grund gerichtlicher Anordnung für voraussichtlich wenigstens sechs Monate in einer Anstalt untergebracht ist. Gemäß § 1567 BGB leben die Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Kein Getrenntleben im Sinne dieser Vorschrift liegt dagegen vor, wenn die Eltern bzw. Ehegatten aus beruflichen Gründen keine gemeinsame häusliche Gemeinschaft haben (vgl. Rancke, Mutterschutz – Elterngeld – Elternzeit – Betreuungsgeld, UVG § 1 Rn. 14, beck-online).
a. Gemessen daran legt bereits die Rückkehr der Kindsmutter mit der unterhaltsvorschussberechtigten Tochter in das Haus des Klägers die Annahme nahe, dass die beiden Elternteile auch nicht mehr getrennt leben. Auch durch die Rücknahme des Scheidungsverlangens (nach Angaben beider Eheleute) besteht kein Anlass mehr für die Annahme eines „Getrenntleben“ im Sinne des Familienrechts (tatsächliche Verhältnisse).
Dies wird auch durch die Angaben der Kindsmutter bei ihrer Vorsprache am 21.01.2020 untermauert. Diese schilderte, dass sie und ihre Tochter sowohl Küche als auch das Bad in der Wohnung des Kindsvaters benutzen. Zwar ist familienrechtlich ein Getrenntleben auch innerhalb einer Wohnung möglich (§ 1567 Abs. 1 Satz 2 BGB); dass dies praktiziert wird, ist jedoch weder konkret vorgetragen, noch ersichtlich und damit nicht klärungsbedürftig.
Darüber hinaus bestätigte der Kläger selbst im Schriftsatz vom 18.05.2020 (Bl. 190 Beiakte), dass er seit Februar 2020 wieder mit seiner Ehefrau zusammenlebe.
b. Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben der Kindsmutter nicht der Wahrheit entsprechen, wurden nicht geltend gemacht und sind auch den Akten nicht zu entnehmen. Vielmehr verweigerte sich der Kläger nachhaltig der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht, was zu seinen Lasten gewertet wird (s.o).
Der Kläger selbst äußerte sich hierzu in keiner Weise. So erklärt er sich trotz mehrerer Aufforderungen und etlicher Gelegenheiten (vgl. Vorladungen vom 27.12.2019 für den 13.01.2020 und vom 20.01.2020 für den 27.01.2020) nie konkret (s.o.). Vielmehr entzog er sich weiteren Ermittlungen und erschien wiederholt zu Vorsprachen bei der Behörde trotz Vorladungen nicht (s.o). Die Person vom Ermittlungsdienst der Beklagten ließ er nicht ins Haus. Erklärungen dazu, wie sich das Zusammenleben und die Betreuung der gemeinsamen Tochter seit dem 12./13.12.2019 gestaltete, machte er nicht. Er lieferte selbst keine – nur ihm möglichen – „nachweislichen Fakten“ (Schriftsatz vom 12.08.2020).
Das Nichterscheinen der allein über den Aufenthalt ihrer Tochter informierten Eheleute (Kläger und Zeugin) vor dem Verwaltungsgericht stellt darüber hinaus eine grobe Missachtung des Gerichts dar.
Eine derartige Sachaufklärungs- oder Beweisvereitelung und die Verletzung sonstiger Mitwirkungspflichten, die dem Kläger möglich und zumutbar wären, erst recht, da er dazu verpflichtet ist (s.o.), sind im Rahmen der Beweiswürdigung entsprechend §§ 427, 444 und 446 ZPO i.V.m. § 98 VwGO zum Nachteil des Klägers zu berücksichtigen (s.o.).
Im Rahmen der Würdigung dieser Gesamtumstände gelangte das Gericht zur Überzeugung, dass im fraglichen Zeitraum die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG nicht vorliegen. Eine weitere Sachaufklärung durch Vernehmung der Zeugin drängte sich deshalb nicht auf.
c. Das Gericht ist auch hier der Überzeugung, dass der Kläger schuldhaft gehandelt hat. Ihm war bekannt, dass für ihn Informationspflichten nach dem UVG bestehen und dass die Betreuungssituation der gemeinsamen Tochter entscheidend ist. Darauf wurde er ausdrücklich im Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 20.09.2017 (Bl. 43 Beiakte) hingewiesen. Der identische Hinweis auf Mitteilungspflichten findet sich auch auf den vom Kläger unterschriebenen Überprüfungsbögen vom 22.08.2018 (Bl. 63 Beiakte) und vom 15.08.2019 (Bl. 80 Beiakte). Insofern geht das Gericht zumindest von einer Fahrlässigkeit des Klägers hinsichtlich der unterlassenen Mitteilungspflichten gemäß § 6 Abs. 4 UVG aus.
d. Da die Unterlassung dieser Angaben ursächlich für die Gewährung und Fortgewährung der Unterhaltsvorschussleistungen war, sind die in § 5 Abs. 1 UVG normierten Voraussetzungen für die Entstehung der Schadensersatzpflicht eingetreten.
2.3 Hinsichtlich der Höhe der Schadensersatzforderung wurden keine Bedenken vorgetragen und sind auch den Akten nicht zu entnehmen. Dem Anhang des streitgegenständlichen Bescheides vom 04.02.2020 ist die Zusammenstellung der Rückforderung zweifelsfrei zu entnehmen.
3. Die Entscheidung in Ziffer 1 des Bescheides hinsichtlich der Rücknahme der Bewilligungsbescheide ist zwar teilweise rechtswidrig, verletzt den Kläger jedoch nicht in seinen Rechten. Es bedarf daher keiner Teilaufhebung. Im Übrigen ist die Ziffer 1 im Ergebnis nicht zu beanstanden.
3.1 Auch wenn Ziffer 1 des Bescheides hinsichtlich der Rücknahme für die Vergangenheit im Zeitraum vom 01.07.2017 bis 12./12.12.2019 mangels Ausübung des in § 45 SGB X vorgesehenen Ermessens rechtswidrig ist, erwächst daraus für den Kläger keine Rechtsverletzung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zwar benannte die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung ihre Erwägungen zur Rücknahme der Bewilligungsbescheide, doch ist die in § 114 Satz 2 VwGO vorgesehene Ergänzung auf bislang nicht ausreichende Ermessenserwägungen beschränkt. Eine erstmalige Ermessensausübung wird davon nicht erfasst.
Doch vermag dieser Mangel keine Rechtsverletzung des Klägers persönlich zu bewirken, da sich daraus jedenfalls für ihn selbst keine belastenden Konsequenzen ergeben. Insbesondere stellt diese Rücknahme keine rechtliche Voraussetzung für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches nach § 5 UVG dar (siehe oben Nr. 2). Weitere rechtliche Auswirkungen hat die Rücknahme für die Vergangenheit jedenfalls für den Kläger nicht. Aus diesen Gründen ist ihm gegenüber die in Ziffer 1 des Bescheides ausgesprochene Rücknahme des Bewilligungs- und aller Änderungsbescheide für die Vergangenheit nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht aufzuheben.
Soweit für den Zeitraum 12./13.12.2019 bis 31.02.2020 auch § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X als weitere mögliche Rechtsgrundlage für eine Rücknahme in Betracht kommt, gelten die obigen Ausführungen angesichts der gesetzlichen Formulierung „soll“ entsprechend, soweit die Beklagte erkennbar nicht darüber befunden hat, ob sie von einem typischen oder atypischen Fall ausgeht.
3.2 Soweit Ziffer 1 des Bescheides auch eine sofortige Einstellung der Leistungen für die Zukunft ab dem 01.02.2020 zu entnehmen ist, findet diese Entscheidung in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ihre Rechtsgrundlage.
3.2.1. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann vorliegend als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Kommt ein Verwaltungsgericht zu der Erkenntnis, dass ein Verwaltungshandeln zu Unrecht auf die von der Behörde herangezogene Rechtsnorm gestützt ist, ist es befugt und verpflichtet zu prüfen, ob und ggf. in welchem Umfang das Verwaltungshandeln mit Blick auf eine andere Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden kann; einer (richterlichen) Umdeutung bedarf es hierfür nicht (BVerwG Beschluss vom 29.7.2019 – 2 B 19.18 – juris Rn. 24).
Insbesondere ist ein Austausch der Rechtsgrundlage eines Bescheides durch das Gericht möglich, wenn die Identität der im Bescheid getroffenen behördlichen Regelung nicht verändert wird und der Bescheid sowie die ihn tragenden Ermessenserwägungen nach ihrem „normspezifischen Zuschnitt“ dadurch keine Wesensänderung erfahren (OVG Schleswig-Holstein, U.v. 26.5.2009 – 1 LB 38/08 – juris). Das Wesen des angefochtenen Bescheids wird hier durch ein Auswechseln der Ermächtigungsgrundlage nicht verändert, da sie gerade keine Ermessensausübung voraussetzt. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung keine Einwände geltend gemacht.
3.2.2 Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen vor. Danach ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung (siehe unten a.) vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (siehe unten b.).
a. Der Bescheid der Beklagten vom 20.09.2017 zur Bewilligung von Unterhaltsvorschussleistungen stellt einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar. Er erschöpft sich nicht in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage, sondern begründet ein auf Dauer berechnetes Rechtsverhältnis, in dem nach seinem Wortlaut nicht etwa auf einen bestimmten zeitabschnittbezogene, sondern – ausdrücklich – eine laufende Unterhaltsleistung für eine gewisse Zeit gewährt wird, sodass § 48 SGB X Anwendung findet (vgl. BVerwG, U.v. 28.9.1995 – 5 C 21.93 – juris).
b. Die Rückkehr der Kindsmutter am 12./13.12.2019 und das anschließende gemeinsame Wohnen im Haus des Klägers in Verbindung mit die Rücknahme des Scheidungsverlangens (vgl. Schreiben des Klägers vom 18.05.2020 an die Beklagte, Bl. 190 ff. Beiakte) stellen wesentliche Änderungen der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse für die unterhaltsvorschussberechtigte Tochter des Klägers dar. Zur Vermeidung von Wiederholungen hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG wird auf die obigen Ausführungen (zum „Leben bei einem Elternteil“, das ledig, verwitwet oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten oder Lebenspartner dauernd getrennt lebt) Bezug genommen (siehe oben Nr. 2.2.1). Allein deshalb ist Aufhebung der Bewilligungs- und Änderungsbescheide mit Wirkung für die Zukunft rechtmäßig und nicht zu beanstanden.
3.2.3 Nur ergänzend ist hinsichtlich eines weiteren Anspruches auf Unterhaltsvorschussleistungen noch auszuführen, dass gemäß § 1 Abs. 3 UVG nach Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse (Rückkehr der Klägerin ins Haus des Klägers) kein Anspruch auf Unterhaltsleistung besteht. Nach dieser Norm besteht kein Anspruch auf Unterhaltsleistung, wenn der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 UVG bezeichnete Elternteil mit dem anderen Elternteil zusammenlebt oder sich weigert, die Auskünfte, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich sind, zu erteilen. Auch diese Voraussetzungen liegen vor.
4. Die Anordnung des Sofortvollzugs in Ziffer 3 des Bescheides am Ende des streitgegenständlichen Bescheides ist unter Hinweis auf das besondere öffentliche Interesse bei der Rückzahlung von Sozialleistungen (noch) ausreichend schriftlich begründet (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO) und auch sonst im Ergebnis nicht zu beanstanden. Ein überwiegendes Interesse des Klägers an der Aufhebung der sofortigen Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheides besteht nicht, da sein dagegen erhobenes Rechtsmittel erfolglos bleibt (s.o.).
5. Der Ziffer 4 des Bescheides, wonach Ziffer 2 nach den Bestimmungen des Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes – VwZVG – für vollstreckbar erklärt werden kann, ist kein eigenständiger Regelungsgehalt zu entnehmen, sondern stellt wohl eher einen Hinweis auf die Möglichkeit einer Vollstreckungsanordnung (Art. 24 VwZVG) dar. Eine Prüfung der Rechtmäßigkeit erübrigt sich – unbeschadet eines zweifelhaften Rechtschutzbedürfnisses – daher.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO. Nach § 188 Satz 2 1. Halbsatz i.V.m. Satz 1 VwGO werden Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) in Angelegenheiten der Fürsorge nicht erhoben.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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