Familienrecht

Erkrankung, Jugendamt, Beschwerde, Kind, Unanfechtbarkeit, Vaterschaft, Verfahren, Betreuung, Umgang, Attest, Mutter, Entziehung, Gutachten, Aufenthaltsbestimmungsrecht, elterliche Sorge, elterlichen Sorge, sofortige Beschwerde

Aktenzeichen  0207 F 1098/21

Datum:
14.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42855
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Der allein sorgeberechtigten Mutter …, wird die elterliche Sorge für das Kind … vorläufig entzogen.
2. Die elterliche Sorge wird vorläufig auf den Vater … alleine übertragen.
3. Die Zulässigkeit der Vollstreckung des Beschlusses vor der Zustellung an die Mutter wird angeordnet.
4. Die Großmutter … hat das Kind … nebst den zum persönlichen Gebrauch des Kindes bestimmten Sachen unverzüglich an den Vater … herauszugeben.
Die zur Herausgabe berechtigte Person darf sich bei der Erwirkung der Herausgabe der Hilfe des zuständigen Gerichtsvollziehers bedienen. Dieser ist ausdrücklich beauftragt und ermächtigt, bei der Vollstreckung unmittelbaren Zwang gegenüber der zur Herausgabe verpflichteten Person auszuüben. Er ist in diesem Fall befugt, zu seiner Unterstützung Polizeibeamte hinzuzuziehen. Eine Vollstreckung darf nur durchgeführt werden, wenn die zur Herausgabe berechtigte Person mit der Vollstreckung auch nach Ort und Zeitpunkt einverstanden ist und sie ein herauszugebendes Kind an Ort und Stelle übernimmt.
Der Gerichtsvollzieher ist bei der Vollstreckung der Herausgabeverpflichtung beauftragt und ermächtigt, die Wohnung der zur Herausgabe verpflichteten Person auch gegen deren Willen zum Zwecke der Kindesauffindung zu durchsuchen. Er darf dazu verschlossene Haustüren, Zimmertüren und Behältnisse gewaltsam öffnen.
Es wird darauf hingewiesen, dass für jeden Fall der zu vertretenden Zuwiderhandlung gegen die Anordnung der Kindesherausgabe das Gericht gegenüber der verpflichteten Person Ordnungsgeld in Höhe von jeweils bis zu 25.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft für eine Dauer von bis zu 6 Monaten anordnen kann. Verspricht die Anordnung von Ordnungsgeld keinen Erfolg, so kann das Gericht Ordnungshaft für eine Dauer von bis zu 6 Monaten anordnen.
Die Vollstreckung der einstweiligen Anordnung vor Zustellung an die zur Herausgabe verpflichtete Person ist zulässig. Die Anordnung wird mit Erlass wirksam.
5. Von einer Erhebung der Gerichtskosten wird abgesehen. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens werden nicht erstattet.
6. Der Verfahrenswert wird auf 2.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Mutter … ist die bislang alleinsorgeberchtigte Mutter des Kindes … Das Kind entstammt einer nur kurz andauernden Beziehung zwischen den Eltern.
Der Vater …, dessen Vaterschaft für das Kind festgestellt ist, ist mittlerweile verheiratet und lebt mit Familie im Kreis Schweinfurt. Er bemüht sich seit längerem um Teilhabe an der elterlichen Sorge und Durchführung von konstanten Umgängen mit dem Kind, was bereits Gegenstand mehrerer Verfahren am Amtsgericht Bamberg gewesen ist.
Die Mutter war in der Vergangenheit nicht in der Lage, ihr Kind eigenständig zu betreuen. Nach Aufenthalten im Mutter-Kind-Heim und in einer Psychiatrischen Klinik wurde das Kind zuletzt durch die Mutter der Kindsmutter und Großmutter des Kindes, … betreut.
Auf Anregung des Stadtjugendamtes Bamberg wurde unter dem Aktenzeichen 0207 F 1528/20 ein Verfahren über die elterliche Sorge für das Kind … eingeleitet.
Das Jugendamt sah die Einholung eines Sachverständigengutachtens als notwendig an, da nach seiner Auffassung weiterhin verschiedene Problemfelder auf Seiten der Mutter bestünden, vor allem die nicht geklärten psychischen Einschränkung der Mutter bei der Kindesbetreuung, das ambivalente Verhältnis zur Großmutter und die ablehnende Haltung von Mutter und Großmutter gegenüber dem Kindsvater.
Die ablehnende Haltung von Mutter und Großmutter gegenüber dem Vater führte in den vergangenen Monaten zu starken Problemen bei der Umsetzung des Umgangs des Vaters mit dem Kind.
Mit gerichtlich gebilligter Zwischenvereinbarung vom 22.01.2021 wurden in dem Umgangsverfahren 0207 F 1353/20 zuletzt konkrete Termine für den begleiteten Umgang des Antragstellers mit dem Kind bei der Caritas Beratungsstelle in Bamberg vereinbart. Diese sollten unter anderem am 01.02.2021, 15.02.2021, 01.03.2021 und 18.03.2021 jeweils um 15:00 Uhr stattfinden. Die Beteiligten hatten ausdrücklich vereinbart, dass die Umgangstermine zuverlässig wahrzunehmen seien und zunächst im Beisein der Antragsgegnerin, dann nur noch im Beisein der Fachkraft zu erfolgen haben. Die Umsetzung der Umgange oblag hierbei der Antragsgegnerin selbst, da es zuvor Probleme bei der Umsetzung der begleiteten Umgänge durch die Großmutter des Kindes und Mutter der Antragsgegnerin, Frau …, gegeben hatte. Diese war der Auffassung gewesen sei, bei den Umgängen keinen, wie von der Caritas vorgegebenen, Mund-Nasenschutz tragen zu müssen, wobei sie hierbei jedoch kein Attest über eine Befreiung der Maskenpflicht vorlag. Weiter rügte sie den Umstand, dass das Kind bei den Umgängen aus Schutz vor COVID-19 eine Maske tragen musste.
Mit Stellungnahme vom 19.03.2021 berichtete die Fachkraft der Caritas, … dass die ersten beiden Umgangstermine durch die Tante begleitet wurden. Weiter habe es bei einem weiteren Umgang wiederum Probleme gegeben, da die Großmutter des Kindes sich weiterhin weigerte, den vorgegebenen Mund-Nasenschutz zu tragen. Ein weiterer Umgang sei von der Großmutter abgesagt worden, weil sich das Kind übergeben habe.
Aus dem Bericht der Caritas Beratungsstelle war demnach zu entnehmen, dass entgegen der Intention der gebilligten Zwischenvereinbarung der Umgang weiter von der Großmutter und nicht von der Antragsgegnerin selbst umgesetzt wurde, wobei die Ansichten der Großmutter über das Tragen von Masken und ihre persönlichen Wertungen über den Kontakt des Kindes zum Vater die Umgänge überlagerten und erschwerten.
Etwaige Gründe, weshalb die Antragsgegnerin nicht – wie vereinbart – selbst die Umgänge ermöglichte, wurden von ihr nicht vorgetragen.
Der Antragsteller stellte daraufhin mit Schriftsatz vom 31.03.2021 Antrag auf Verhängung eines Ordnungsgeldes, da die Termine vom 18.03.2021 und 29.03.2021 vereitelt worden seien.
In der mündlichen Verhandlung vom 29.04.2021 wiesen die Antragsgegnerin und die Großmutter, welche auf Antrag ihrer Rechtsanwältin an dem Termin teilnehmen wollte, auf „Störungen“ und „Auffälligkeiten“ beim Kind im Zusammenhang mit den Umgängen hin.
Die Vertreterin des Jugendamtes und die Verfahrensbeiständin erklärten, dass die Umgänge nach Einschätzung der Fachkraft der Caritas Beratungsstelle positiv verlaufen seien.
Ein Zusammenhang der Umgänge mit den „Auffälligkeiten“ (z.B. „Fingerkauen“) konnte weder vom Jugendamt noch von der Verfahrensbeiständin angenommen werden.
In der in der Verhandlung geschlossenen Zwischenvereinbarung, die durch gerichtlichen Beschluss vom selben Tag gebilligt wurde, haben die Beteiligten vereinbart, dass am 05.05. sowie am 16.06.2021 jeweils von 15:00 Uhr bis 16:00 Uhr weitere begleitet Umgänge bei der Caritas Beratungsstelle stattfinden sollten. Am 30.06.201, 14.07.2021 sowie am 28.07.2021 sollten begleitete Umgänge mit der Maßgabe stattfinden, dass nur noch die Übergaben des Kindes durch die Fachkraft der Caritas begleitet werden sollten und im Übrigen der Umgang alleine zwischen dem Kind und dem Antragsteller erfolgen sollte. Danach sollte ein Bericht der Caritas Beratungsstelle für die weitere Umgangsregelung erfolgen. In Anbetracht der getroffenen Vereinbarung nahm der Antragsteller seinen Antrag auf Ordnungsmittel zurück.
Mit Schriftsatz vom 01.07.2021 teilte der Antragsteller mit, dass die Antragsgegnerin erneut gegen die Umgangsvereinbarung verstoßen habe. Ferner habe sie ausrichten lassen, dass sie auch die weiteren Termine nicht einhalten werde, da sie sich im Urlaub befände.
Mit Schriftsatz vom 01.07.2021 beantragte der Antragsteller daher erneut die Verhängung von Ordnungsmitteln gegen die Antragsgegnerin. Es lägen keine Gründe vor, welche die Absage des Umgangs rechtfertigen könnten. Es handele sich bei der angeführten Erkrankung des Kindes um einen unwahren Vorwand, zumal keine Hinweise auf eine ernsthafte Erkrankung bestünden, welche die Wahrnehmung des Umgangs unmoglich gemacht hätten.
Mit Schreiben vom 05.07.2021 teilte die Verfahrensbeiständin mit, dass nach Auskunft der Beratungsstelle der für den 05.05.2021 festgelegte Umgang nicht stattfinden konnte, da lediglich der Antragsgegner bei der Beratungsstelle erschien. Der Umgang am 16.06.2021 musste aufgrund Erkrankung der Fachkraft … abgesagt werden. Der für den 30.06.2021 vereinbarte Termin sei ausgefallen, da laut E-Mail der Großmutter, …, das Kind am morgen mit Halsschmerzen und Fieber aufgewacht sei.
Weiter habe die Großmutter mit Mail vom selben Tag mitgeteilt, dass sie in 14 Tagen für vier bzw. fünf Wochen im Urlaub sein werde weshalb dieser Termin erst nach ihrer Urlaubsrückkehr wahrgenommen werden.
Mit Schreiben vom 20.07.2021 erklärte die Antragsgegnerin, dass der Antragsteller ein „Lügner und Betrüger“ sei. Hinsichtlich des Umgangs am 30.06.2021 hätte eine Erkrankung vorgelegen. Hierzu fügte sie ein Attest vom 30.06.2021 bei, in dem vermerkt wurde, dass das Kind einen „Infekf“ habe. Weitere Ausführungen des Arztes finden sich in dem Schriftstück nicht.
Weiter hätte der Antragsgegner „wochenlang“ Umgänge „abgesagt“, da er in Afghanistan gewesen sei. Danach sei … in Urlaub bzw. auf „Reha“ gewesen. Daher sei es kein „Vergehen“, wenn ihre Mutter und sie jetzt auch Urlaub machen würden.
Das Amtsgericht Bamberg hat aufgrund dieser Vorfälle ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR gegen die Mutter erlassen. Die Mutter hat gegen den Beschluss keine sofortige Beschwerde eingelegt.
Im Verfahren über die elterliche Sorge (0207 F 1528/20) hat das Amtsgericht Bamberg mit Beschluss vom 04.06.2021 auf Anregung des Jugendamtes folgenden Beweisbeschluss erlassen:
1. Es soll Beweis erhoben werden durch Einholen eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens darüber, ob die Kindeseltern unter Berücksichtigung der gefühlsmäßigen Bindung des Kindes, der eigenen Erziehungsfähigkeit und Bindungstoleranz sowie der jeweils angestrebten Perspektiven für das eigene Leben und das Leben des Kindes in der Lage sind, Entscheidungen von erheblicher Bedeutung für das Kind gemeinsam zu treffen.
Sollte das Gutachten zum Schluss kommen, dass dies nicht der Fall ist, wird um Stellungnahme zu der Frage gebeten, aus welchen Gründen, dies nicht gelingt, und inwiefern sich eine mögliche abwertende Haltung der Mutter bzw. Großmutter gegenüber dem Kindsvater auswirkt.
2. Es soll weiter Beweis erhoben werden durch Einholen eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens darüber, ob unter Berücksichtigung der gefühlsmäßigen Bindungen des Kindes, der Erziehungsfähigkeit der Mutter und der jeweils angestrebten Perspektiven für das eigene Leben und das Leben des Kindes ein Verbleib im dortigen Haushalt bzw. im Haushalt der Großmutter das Wohl des Kindes gefährdet und ggfs. welche Erziehungshilfen und sonstige Maßnahmen aus sachverständiger Sicht erforderlich und ausreichend sind. Es soll hierbei festgestellt werden, ob mögliche Einschränkungen der Mutter in der Übernahme der Betreuungsaufgaben in krankheitsbedingten Beeinträchtigungen oder in einer mangelnden Bereitschaft begründet sind und inwieweit sich die Einschränkungen auf die Betreuung des Kindes auswirken bzw. ob hierbei Risiken bestehen.
Es soll hierbei besonders auch die interne Beziehung zwischen der Mutter und der Großmutter des Kindes, … die aktuell faktisch die wesentliche Betreuung des Kindes übernimmt, begutachtet werden, insbesondere im Hinblick auf bestehende Grundkonflikte und darauf, ob es der Mutter möglich ist, bei dem Einfluss der Großmutter eigenständig ihre Mutterrolle ausüben und finden zu können.
Im Gutachten soll hierbei auch Stellung dazu genommen werden, ob bei der Großmutter besondere stark ausgeprägte, einseitige Ansichten, etwa im Bereich der Gesundheitssorge (Impfungen, Maßnahmen zum Schutz vor COVID-19…) vorhanden sind, welche auf die Mutter färben und dabei eine Beenträchtigung des Kindeswohls darstellen können. Wenn hierbei die Anfertigung eines medizinischen Zusatzgutachtens erforderlich sein sollte, wird um Mitteilung an das Gericht gebeten.
3. Es soll weiter Beweis erhoben werden durch Einholen eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens darüber, welche Umgangsregelung zur bestmöglichen Wahrung des Wohles des Kindes angezeigt ist.
4. Zur Sachverständigen bestimmt und mit der Erstattung des Gutachtens wird beauftragt: … 96050 Bamberg.
Die Mutter erklärte mit Schreiben vom 20.07.2021 die Sachverständige abzulehnen, da sie „ohne eigene Kinder und ohne nennenswerte Erfahrung“ als „Master of Science“ nicht die Kompetenz für die Beantwortung der Fragen besäße. Das Gericht wies die Mutter auf die Unanfechtbarkeit der Entscheidung hin. Mit Schreiben vom 04.08.2021 teilte die Sachverständige mit, dass von Seiten der Mutter keine Reaktion auf ihre Anschreiben erfolgt seien. Diese wirkte auch in der Folge nicht an der Fertigung des Gutachtens mit.
Mit Schreiben vom 06.08.2021 reichte die Mutter einen Befangenheitsantrag gegen den zuständigen Richter ein, welcher mit Beschluss des vom 07.09.2021 durch den Direktor des Amtsgerichts zurückgewiesen wurde.
Mit Schreiben vom 17.09.2021 teilte das Stadtjugendamt Bamberg dem Gericht mit, dass sich die Mutter und die Großmutter zum 09.08.2021 in Bamberg abgemeldet hätten. Die Kindsmutter hat sich – ohne ihr Kind – umgemeldet an die Adresse …. Bei der Anschrift handelt es sich um eine Hofgemeinschaft mit sozialtherapeutischer Arbeit für „Seelenpflege-Bedürftige“ und sozialgeschwächte Erwachsene im Rahmen einer biologischen Landwirtschaft.
Die Großmutter … hat sich nach Frankreich umgemeldet …. Das Kind … sei weiterhin in Bamberg gemeldet.
Er sei jedoch unvermittelt: und ohne Nennung der Hintergründe vom Kindergarten abgemeldet worden. Der aktuelle Aufenthaltsort des Kindes sei dem Jugendamt nicht bekannt. Die Großmutter habe dem Jugendamt lediglich per E-Mail mitgeteilt, dass die Kindsmutter und sie aus Bayern weggezogen seien. Auf Nachfragen des Jugendamtes sei von Seiten der Großmutter keine Reaktion erfolgt.
Das Gericht hat unter dem vorstehenden Aktenzeichen auf Anregung des Jugendamtes ein Verfahren über die einstweilige Anordnung hinsichtlich der elterlichen Sorge eingeleitet.
Das Jugendamt regt darin die Entziehung der elterlichen Sorge, jedenfalls der wichtigsten Teilbereiche, und die Übertragung von der Mutter auf den Vater an.
Das Gericht hat, wie auch in den vorausgegangenen Verfahren, … Rechtsanwältin … als Verfahrensbeiständin bestellt. Auf Anregung der Verfahrensbeiständin wurde zunächst aus den 14.10.2021 ein Erörterungstermin festgesetzt. Zu diesem Termin konnte die Mutter unter der neu bekannten Adresse ordnungsgemäß am 06.10.2021 durch Postzustellungsurkunde geladen werden.
Am 12.10.2021 ging beim Amtsgericht Bamberg ein an den Direktor adressiertes Telefax ein, welches unterschrieben ist mit dem Zusatz „Gezeichnet im Auftrag: finn“.
Auf dem Kopf des Schreibens ist sinngemäß die dem Gericht bekannt Adresse … angegeben. Der Inhalt des Schreibens ist als konfus zu werten für das Gericht nicht verständlich. Es wird hierauf Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung erschien die Kindsmutter nicht. Der Vater, das Jugendamt und die Verfahrensbeiständin sprachen sich für die vorläufige Entziehung der elterlichen Sorge und die Übertragung auf den Vater aus.
Am 14.10.2021 kurz nach der Verhandlung, gegen 16:00 Uhr, teilte der Verfahrensbevollmächtigte des Vaters mit, dass die Großmutter an ihrer vormaligen Adresse in Bamberg angetroffen werden konnte. Sie habe nach Angaben des Rechtsanwaltes gegenüber ihm geäußert, dass sie kurz zu Besuch in Bamberg sei und es sich bei dem Kind um „ihr Eigentum“, handele.
Im Übrigen wird auf den Akteninhalt sowie den Akteninhalt in den weiteren genannten Verfahren Bezug genommen.
II.
1. Der allein sorgeberechtigten Mutter ist die elterliche Sorge zur Abwendung der bestehenden Gefahr für das Kind … zu entziehen, §§ 1666, 1666a BGB.
Das Wohl des Kindes ist zur Überzeugung des Gerichts gefährdet. Es besteht die begründete Besorgnis, dass bei Nichteingreifen das Kindeswohl beeinträchtigt wird.
Die Betreuungssituation ist bereits seit längerem besorgniserregend, insbesondere da die Mutter, ohne dass hierfür die genauen Umstände bekannt sind, ihre elterliche Sorge faktisch nicht ausübt und an die Großmutter des Kindes weiter gegeben hat. Diese verweigert jedoch jegliche Kooperation mit dem Jugendamt und ignoriert die vor Gericht getroffenen Vereinbarungen. Das interne Verhältnis zwischen Mutter und Großmutter ist hierbei schwer einzuschätzen und als ambivalent zu bewerten. Ein authentischer und eigenständiger Willen der Mutter war in den Verfahren bisher kaum auszumachen. Das Gericht hat den Eindruck, dass die Großmutter extremem Einfluss auf die Mutter ausübt und die Mutter nicht in der Lage ist, ihren eigenständigen Willen zu äußern. Es ist daher unklar, ob es wirklich dem Willen der Mutter entspricht, die elterliche Sorge nicht selbst auszuüben. Zudem verweigert die Großmutter, die ohne Absprache mit dem Jugendamt und dem Gericht als nichtsorgeberechtigte Person die elterliche Sorge faktisch autonom ausführt, jeglichen Kontakt des Kindes mit seinem Vater. Der Umgang des Vaters mit dem Kind konnte zuletzt überhaupt nicht mehr umgesetzt werden.
Nunmehr hat sich die Mutter nach Norddeutschland, die Großmutter nach Frankreich abgemeldet, ohne dass hierbei in irgendeiner Weise mit dem Jugendamt oder dem Gericht Kontakt aufgenommen wurde. Die Beteiligten befinden sich jedoch weiterhin in mehreren Verfahren über die elterliche Sorge und dem Umgang, wobei aktuell ein Sachverständigengutachten angefertigt wird, bei dem die Mutter bislang nicht mitgewirkt hat. Durch den völlig unvermitteten Wegzug bestehen aktuell keinerlei Einflussmöglichkeiten des Gerichts und des Jugendamtes, obgleich die oben beschriebenen Gefährdungsaspekte weiter bestehen.
Der aktuelle Aufenthalt des Kindes selbst ist unklar. Es ist wohl davon auszugehen, dass sich das Kind in der Obhut der nicht sorgeberechtigten Großmutter befindet. Es ist jedoch nicht bekannt, ob die Großmutter sich mit dem Kind in Frankreich oder in Deutschland aufhält. Diese verweigert jedoch jegliche Kommunikation und Kooperation mit dem Jugendamt und dem Gericht.
Weiter stellt sie sich jeglichem Umgang des Kindsvaters mit dem Kind entgegen.
Es wäre nunmehr Aufgabe der Kindsmutter im Rahmen ihres Aufenthaltsbestimmungsrechts darauf hinzuwirken, dass zumindest der Aufenthalt des Kindes offengelegt wird und die Verfahren weiterbetrieben werden können. Jedoch entzieht sich die Mutter komplett dem laufenden Verfahren und nimmt ihre Aufgaben der elterlichen Sorge nicht wahr.
Die allein sorgeberechtigte Mutter ist nach Auffassung des Gerichts nicht in der Lage ihre elterliche Sorge alleine auszuüben. Sie lebt derzeit weit entfernt auf der oben beschriebenen Einrichtung ohne ihr Kind. Der psychische Zustand der Mutter ist ungeklärt. Das letzte Schreiben lässt akute und erhebliche Zweifel an ihrer psychischen Stabilität aufkommen. Sie ist umgezogen, ohne dass die Umstände hierfür bekannt sind.
Hierbei ist zudem eine weitere Entfremdung des Kinds von seinem Vater zu befürchten, da bereits seit mehreren Wochen kein Umgang mehr umgesetzt wurde und in der aktuellen Situation gar kein Umgang mehr zu realisieren ist. Die Kindsmutter hätte überdies als bisherige Inhaberin des Aufenthaltsbestimmungsrechts die Möglichkeit, eine Ummeldung des Kindes nach Frankreich zu veranlassen, was einem weiteren Umgang faktisch entgegenstehen würde.
Es ist daher erforderlich und auch verhältnismäßig, im Wege der einstweiligen Anordnung der Mutter vorläufig die elterliche Sorge für das Kind zu entziehen und auf den Vater zu übertragen. Nach dem vorliegenden Sachverhalt besteht eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr, dass sich ohne Maßnahmen des Familiengerichts bei einer weiteren aktuellen Entwicklung eine erhebliche Schädigung des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt. Die Mutter ist zur Überzeugung des Gerichts nicht in der Lage, die bestehende Gefahr für das Kindeswohl abzuwenden. Einer Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater, der sich in stabilen beruflichen und familiären Verhältnissen befindet, stehen auch nach Ansicht des Jugendamtes und der Verfahrensbeiständin keine Bedenken entgegen.
Weniger einschneidende Maßnahmen sind nicht geeignet, die Gefahr für das Kind abzuwenden. Eine Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist ebenso wie eine Übertragung von Teilbereichen nicht veranlasst, da auf keiner Ebene eine Kömmunikations- und Kooperationsbereitschaft der Mutter mit dem Vater zu erkennen ist. Die Mutter lehnt den Vater ebenso wie Großmutter völlig ab. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Mutter imstand wäre, Entscheidungen im gemeinsamen Austausch mit dem Vater zu treffen.
Eine vorherige Anhörung des dreijährigen Kindes war nicht möglich. Das Kind befindet sich nicht im Einflussbereich der Mutter. Sein aktueller Aufenthalt ist nicht unbekannt. Es ist davon auszugehen, dass er sich in der Obhut der Großmutter befindet, die sich nach Frankreich abgemeldet hat. Es wäre hierbei auch nicht davon auszugehen, dass die Großmutter, zumal sie sich überhaupt in Deutschland aufhält, einer Ladung des Kindes zur gerichtlichen Anhörung folgen würde.
Sofern sich die Großmutter, wie vom Verfahrensbevollmächtigten des Vaters mitgeteilt, kurzzeitig in Bamberg aufhält, ist zu befürchten, dass sich diese – nach Konfrontation mit dem Rechtsanwalt – wieder nach Frankreich absetzen wird. Es ist daher im höchsten Maße Dringlichkeit gegeben, so dass eine sofortige Entscheidung nach der mündlichen Verhandlung veranlasst ist.
Ob die vorläufige Maßnahme als endgültige Maßnahme bestätigt wird, richtet sich nach den weiteren Ermittlungen, insbesondere den Erkenntnissen des in der Hauptsache bereits in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten.
Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten entspricht diese Entscheidung dem Wohl des Kindes am besten, § 1697a BGB.
Die Anordnung der Zulässigkeit der Vollstreckung vor der Zustellung beruht auf § 53 Abs. 2 Satz 1 FamFG. Die Entscheidung wird mit Erlass wirksam, §§ 38 Abs. 3 Satz 3, 53 Abs. 2 Satz 2 FamFG.
2. Die Herausgabeverpflichtung beruht auf § 1632 Abs. 1 BGB. Das Kind befindet sich derzeit wohl bei der bei der Großmutter … Das Aufenthaltsbestimmungsrecht steht nunmehr dem Vater zu.
Der Vater hat erfolglos die Herausgabe des Kindes verlangt und stellt Antrag auf Herausgabe.
Es war gemäß § 49 Abs. 1 FamFG eine Regelung im Wege einstweiliger Anordnung zu treffen, weil ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Ein Zuwarten bis zu einer Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren wäre mit dem hohen Risiko des Eintritts erheblicher Nachteile verbunden.
Die Anordnung des unmittelbaren Zwangs beruht auf § 90 FamFG. Die Anordnung war zu treffen, weil eine alsbaldige Vollstreckung der Entscheidung unbedingt geboten ist und die Festsetzung von Ordnungsmitteln keinen ausreichenden Erfolg verspricht.
Die Durchsuchungsanordnung hat ihre Grundlage in § 91 FamFG. Sie erscheint notwendig, um durch das Auffinden die Vollstreckung zu ermöglichen.
Der Hinweis auf die Möglichkeit der Anordnung von Ordnungsmitteln folgt aus § 89 Abs. 2 FamFG.
Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Vollstreckung der einstweiligen Anordnung vor Zustellung an die verpflichtete Person beruht auf § 53 Abs. 2 FamFG.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 51 Abs. 4, 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Für die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung gelten die allgemeinen Vorschriften.
4. Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf §§ 41, 45 FamGKG.


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