Familienrecht

Ersatzzwangshaft, Haftbefehl, Unterbliebene Anmeldung eines schulpflichtigen Kinds zu Grundschule, Durchsetzung Schulpflicht

Aktenzeichen  M 3 X 21.5065

Datum:
25.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42562
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 33
BayEUG Art. 35

 

Leitsatz

Tenor

I. Gegen die Antragsgegner wird jeweils separat Ersatzzwangshaft für die Dauer von sieben Tagen angeordnet und Haftbefehl erlassen.
Die Vollstreckung ist einzustellen, sobald die Antragsgegner den Verpflichtungen aus den Bescheid vom 28. Juni 2021 nachkommen (Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG).
II. Die Antragsgegner haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung von Ersatzzwangshaft gegen die Antragsgegner.
Die Antragsgegner weigern sich bislang, ihr Kind, geboren am …, an der Grundschule anzumelden oder für eine Unterrichtsteilnahme des Kindes zu sorgen.
Mit Bescheid vom 28. Juni 2021, zugestellt am 20. Juli 2021, verpflichtete das Landratsamt … (im Folgenden: Landratsamt) die Antragsgegner, ihr Kind bei der zuständigen Sprengelgrundschule oder an einer anderen zugelassenen Privat-, Ersatz- oder Ergänzungsschule bzw. einer gleichwertigen Grundschule außerhalb Bayerns für den Besuch der Grundschule ab Beginn des Schuljahres … (1. Schultag: 14.09.2021) anzumelden (Nr. 1). Die Antragsgegner wurden darüber hinaus verpflichtet, dafür zu sorgen, dass ihr Kind am Unterricht regelmäßig teilnimmt und die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen besucht (Nr. 2). Der Sofortvollzug wurde jeweils angeordnet (Nr. 3). Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der Verpflichtungen wurde jeweils ein Zwangsgeld (in Höhe von 700,- € (bzgl. Nr. 1) bzw. 1.500,- € (bzgl. Nr. 2)) angedroht (Nr. 4 und Nr. 5). Im Bescheid wurde zudem auf die Möglichkeit der Anordnung der Ersatzzwangshaft hingewiesen. Für den weiteren Inhalt wird auf Bl. 42 – 51 der Behördenakte verwiesen. Hiergegen legten die Antragsgegner keinen Rechtsbehelf ein.
Mit Schreiben vom 19. August 2021 an die jeweiligen Antragsgegner, zugestellt am selben Tag, wurde das Zwangsgeld i.H.v. 700,- € fällig gestellt. Eine Zahlung durch die Antragsgegner erfolgte nicht. Die folgenden Vollstreckungsersuchen an das Finanzamt blieben erfolglos.
Das Kind der Antragsgegner wurde auch nicht an einer Schule angemeldet und erschien auch nicht zum ersten oder den darauffolgenden Schultagen.
Mit Schreiben vom 20. September 2021, bei Gericht eingegangen am 23. September 2021, beantragt das Landratsamt sinngemäß,
gegen die Vollstreckungsschuldner zur Durchsetzung sowohl der Pflicht zur Schulanmeldung als auch des regelmäßigen Schulbesuchs Ersatzzwangshaft mit einer vom Verwaltungsgericht zu bestimmenden Dauer anzuordnen, zum Zwecke des Vollzugs der Ersatzzwangshaft gegen die Antragsgegner Haftbefehl zu erlassen und die Ersatzzwangshaft durch die Justizverwaltung zu vollstrecken.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass die Voraussetzungen für eine Anordnung der Ersatzzwangshaft vorlägen. Auf die Möglichkeit der Anordnung sei hingewiesen worden, die Zwangsgelder seien uneinbringlich und fällig. Den Verpflichtungen sei aber nicht nachgekommen worden. Für die Uneinbringlichkeit der Zwangsgelder würden vorliegend die fehlende Erreichbarkeit trotz tatsächlicher Anwesenheit an der Meldeadresse verbunden mit der Verweigerung jeglichen Kontakts mit Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen genügen. Die Antragsgegner seien als der Reichsbürgerszene zugehörig bekannt und würden jeglichen Kontakt mit öffentlichen Stellen verweigern. Das Kind habe bis heute keinen offiziellen Vornamen. Die Beitreibung der Zwangsgelder mache angesichts dessen keinen Sinn. Unmittelbarer Zwang verspreche ebenfalls keinen Erfolg. Die Pflicht zur Schulanmeldung sei eine höchstpersönliche Pflicht der Erziehungsberechtigten und als solche keine vertretbare Handlung. Sie könne deshalb weder durch eine Ersatzvornahme erreicht werden noch wegen der notwendigen Willenserklärung der Erziehungsberechtigten unter Vorlage verschiedener Unterlagen durch unmittelbaren Zwang durchgesetzt werden. Die Verpflichtung, für eine regelmäßige Unterrichtsteilnahme zu sorgen, könne zwar mittels unmittelbaren Zwangs durch die Polizei erfolgen, stelle aber einen auf Dauer nicht leistbaren Aufwand für die örtlich zuständige Polizeistation dar und könnte dem Kind psychischen Schaden zufügen. Die Ersatzzwangshaft sei hier auch verhältnismäßig, da die allgemeine Schulpflicht ein hohes und verfassungsmäßig besonders geschütztes Gut sei. Ihre Durchsetzung sei daher gerade im Hinblick auf Kinder, deren Erziehungsberechtigte jegliche staatliche oder öffentliche Institution ablehnen und denen damit jedweder Zugang zu einer qualifizierten und werteorientierten Bildung verweigert werde, von besonders hoher Bedeutung. Angesichts des Verhaltens der Antragsgegner versprächen alle anderen denkbaren und zulässigen Maßnahmen keinen Erfolg; ohne Vorstellung des Kindes im Rahmen einer Schulanmeldung könne nicht einmal objektiv festgestellt werden, ob überhaupt eine Schulfähigkeit bestehe.
Der Antrag wurde den Antragsgegnern im Wege der öffentlichen Zustellung zugestellt. Diese äußerten sich nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichts- und die elektronisch zur Verfügung gestellte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der Ersatzzwangshaft hat Erfolg. Die allgemeinen und die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.
Bei Vorliegen der allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen der Art. 18 ff., Art. 29ff. VwZVG können Verwaltungsakte, die zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, mit Zwangsmitteln vollstreckt werden, Art. 18, Art. 29 Abs. 1 VwZVG. Voraussetzung ist, dass ein wirksamer, hinreichend bestimmter (Grund-)Verwaltungsakt vorliegt und die zu vollstreckenden Verwaltungsakte nicht mehr mit förmlichen Rechtsbehelfen angefochten werden können, keine aufschiebende Wirkung haben oder der Sofortvollzug angeordnet wurde, Art. 19 Abs. 1 VwZVG. Weitere Voraussetzung ist, dass der Verpflichtete seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist oder dies nicht rechtzeitig getan hat, Art. 19 Abs. 2 VwZVG. Die Rechtmäßigkeit des (Grund-)Verwaltungsakts hingegen ist keine Vollstreckungsvoraussetzung, solange keine Nichtigkeit vorliegt (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.1996 – 8 C 96.216 -, BayVBl. 1996, 600).
Als Zwangsmittel ist gesetzlich u.a. auch die Ersatzzwangshaft nach Art. 33 VwZVG vorgesehen, Art. 29 Abs. 2 Nr. 3 VwZVG. Danach kann das Verwaltungsgericht nach Anhörung des Pflichtigen auf Antrag der Vollstreckungsbehörde durch Beschluss Ersatzzwangshaft anordnen, wenn der Betreffende bei Androhung des Zwangsgeldes auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde, ein Zwangsgeld uneinbringlich ist und unmittelbarer Zwang keinen Erfolg verspricht, wobei die Ersatzzwangshaft mindestens einen Tag und höchstens zwei Wochen beträgt, Art. 33 VwZVG. Im Rahmen seines Ermessens hat das Gericht auch zu prüfen, ob die Anordnung den Grundsätzen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit entspricht.
1. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor, Art. 19 Abs. 1, Abs. 2 VwZVG. Das von den Antragsgegnern geschuldete Verhalten ist dem bestandskräftigen (Grund-) Verwaltungsakt in unmissverständlicher Weise zu entnehmen. Im Ausgangsbescheid vom 28. Juni 2021 ist die sofortige Vollziehung von Nr. 1 und Nr. 2 (Schulanmeldung und Unterrichtsteilnahme) angeordnet worden. Von einem Rechtsbehelf hiergegen wurde kein Gebrauch gemacht. Die Antragsgegner sind ihren Grundverpflichtungen nach wie vor nicht nachgekommen. Das Kind der Antragsgegner wurde bis jetzt weder bei einer Schule angemeldet noch nimmt es am Unterricht teil.
2. Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen (Art. 29 ff. VwZVG),insbesondere des Art. 33 Abs. 1 VwZVG, liegen vor.
a) Die Behörde hat die Antragsgegner durch Zwangsgeld zur Erfüllung angehalten (Art. 31 VwZVG). Die Antragsgegner wurden auf die Möglichkeit der Anordnung der Ersatzzwangshaft im Bescheid vom 28. Juni 2021 hingewiesen (Art. 33 Abs. 1 VwZVG). Wie die Stellungnahme der zuständigen Grundschule belegt, haben die Antragsgegner ihre Verpflichtungen nicht (fristgerecht) erfüllt.
b) Nach Aktenlage sind die fällig gewordenen Zwangsgelder nicht einbringlich. Dies ist der Fall, wenn ein Einziehungsversuch erfolglos gewesen ist oder wegen offenkundiger Zahlungsunfähigkeit des Schuldners unterlassen werden musste (Sadler/Tillmanns, VwVG/VwZG, 10. Aufl. 2020, § 16 Ersatzzwangshaft, Rn. 17). Da das Zwangsgeld nicht Selbstzweck der Vollstreckung, sondern nur eines von mehreren Mitteln zur Erreichung des Vollstreckungsziels ist, genügen auch andere Nachweise seiner Uneinbringlichkeit (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.1996 – 8 C 96.216 -, BayVBl. 1996, 600). Die Vollstreckungsersuchen sind vorliegend erfolglos geblieben. Aufgrund dessen und der konsequenten Verweigerung der Antragsteller sich erkennen zu geben oder mit offiziellen Stellen zu kommunizieren, ist die Uneinbringlichkeit vorliegend gegeben. Die angeordneten Zwangsgelder lassen die Antragsgegner offensichtlich unbeeindruckt.
c) Bevor Ersatzzwangshaft angeordnet werden kann, müssen ferner alle sonstigen Zwangsmittel erschöpft sein (vgl. bereits BVerwG, U.v. 6.12.1956 – 1 C 10.56 -, BVerwGE 4, 196 [198]). Dies ist hier der Fall.
aa) Eine Anwendung unmittelbaren Zwangs (Art. 34 VwZVG) kommt hier hinsichtlich der Schulanmeldung nicht in Betracht, weil zur Abgabe von Erklärungen unmittelbarer Zwang von vorneherein weder angewendet noch angedroht werden darf (vgl. BayVGH, B.v. 29.8.2017 – 12 C 17.1544 – juris Rn. 13; B.v. 8.2.1982 – 22 C 81 A.958 -, BayVBl. 1982, 340 [341]). Auch eine Ersatzvornahme nach Art. 32 VwZVG scheidet hinsichtlich der Verpflichtung zur Schulanmeldung aus. Eine Ersatzvornahme nach Art. 32 VwZVG ist nur dann möglich, wenn ein Dritter die Handlung rechtlich und tatsächlich vornehmen kann und es vom Zweck der geforderten Maßnahme her gleich bleibt, ob der Pflichtige oder ein anderer handelt (vgl. VG Ansbach, B.v. 15.10.2014 – AN 2 V 14.01377 – juris Rn. 22). Vorliegend handelt es sich um keine Handlung, die auch ein anderer vornehmen kann (vertretbare Handlung, vgl. Art. 32 Satz 1 Hs. 1 VwZVG). Denn die Pflicht zur Schulanmeldung ist als Teil der elterlichen Sorge (Personensorge) gemäß § 1626 BGB höchstpersönlicher Art und kann in rechtlich zulässiger Weise nur von den Eltern selbst vorgenommen werden (vgl. VG Ansbach, B.v. 15.10.2014 – AN 2 V 14.01377 – juris Rn. 22; VG Hamburg, B.v. 21.3.2006 – 15 V 418/06 – juris Rn. 25; a. A. ohne nähere Begründung VG Köln, B.v. 27.3.2018 – 10 M 181/17 – juris Rn. 12).
bb) Auch bezüglich der Verpflichtung für die Unterrichtsteilnahme verspricht die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen die Antragsgegner keinen dauerhaften Erfolg. Insofern hat das Landratsamt überzeugend dargelegt, dass die zuständige Polizeistation nicht auf Dauer in der Lage ist, das Kind der Antragsgegner wochentäglich in die Schule zu bringen. Auch wären für das Kind selbst Beeinträchtigungen durch das stetige Begleiten durch die Polizei in die Schule zu befürchten, wodurch es Leidtragende einer nicht selbst verschuldeten Situation würde. Dasselbe gilt auch für die zwangsweise Durchsetzung der Schulpflicht gemäß Art. 118 Abs. 1 BayEUG, zudem müsste sich eine solche Maßnahme gegen das Kind selbst und nicht die Antragsgegner richten und steht im Ermessen der Schule, so dass das Landratsamt (derzeit) nicht nach dieser Vorschrift vorgehen kann. Im Übrigen scheidet hinsichtlich der Verpflichtung, für eine Unterrichtsteilnahme Sorge zu tragen, auch die Ersatzvornahme als milderes Mittel aus, da es sich hierbei um keine vertretbare Handlung handelt.
cc) Nachdem die Zwangsgeldandrohung erfolglos geblieben ist und weder die Anwendung unmittelbaren Zwangs noch eine Ersatzvornahme in Frage kommen, stehen mildere Mittel als die Anordnung von Ersatzzwangshaft nicht mehr zur Verfügung.
d) Demnach liegen die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vor, so dass angesichts der Schwere des Grundrechtseingriffs (Art. 2 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 GG; Art. 102 BV) sorgfältig zu prüfen ist, ob die Anordnung von Ersatzzwangshaft den Grundsätzen der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit (Angemessenheit) entspricht (Art. 29 Abs. 3 Satz 1 VwZVG). Auch dies ist vorliegend der Fall:
aa) Die Ersatzzwangshaft ist geeignet, die Antragsgegner dazu zu bringen, ihrer Pflicht zur Schulanmeldung nachzukommen. Die grundsätzliche Geeignetheit der Ersatzzwangshaft ist nicht schon dann zu verneinen, wenn der betroffene Bürger – wie vorliegend bei den Antragsgegnern zu erwarten – uneinsichtig ist. Andernfalls hätte es der Vollstreckungsschuldner in der Hand, ordnungsbehördliches Handeln der Rechtsordnung zuwider durch eigenmächtige Hartnäckigkeit ins Leere laufen zu lassen. Es liegt ausschließlich am Vollstreckungsschuldner selbst, sich rechtstreu zu verhalten und das zu tun bzw. zu unterlassen, wozu er rechtlich verpflichtet ist. Ungeachtet dessen besteht auch bei uneinsichtigen Vollstreckungsschuldnern regelmäßig die Aussicht, dass sie sich zumindest von der Anordnung unmittelbar bevorstehender Ersatzzwangshaft beeindrucken lassen und ihrer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung doch noch nachkommen (BayVGH, B.v. 29.8.2017 – 12 C 17.1544 – juris Rn. 17).
bb) Die gegen die Antragsgegner verhängte Ersatzzwangshaft ist vorliegend auch erforderlich und angemessen. Ersatzzwangshaft ist das letzte – subsidiäre – Mittel des Staates, um seine Anordnungen gegenüber uneinsichtigen Bürgern durchzusetzen. Sie kommt deshalb nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen in Betracht und darf nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen. Bei der erforderlichen Abwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalls ist die Bedeutung des mit der Ordnungsverfügung erstrebten Erfolgs dem besonderen Gewicht gegenüberzustellen, das der beantragten Freiheitsentziehung zukommt.
Individuelle Gründe, weshalb die Verhängung von Ersatzzwangshaft unverhältnismäßig sein könnte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann die Ersatzzwangshaft gegen die Antragsgegner jeweils separat vollstreckt werden, so dass eine Betreuung ihres Kindes jederzeit gewährleistet ist.
Das zu vollstreckende Handlungsgebot zur Durchsetzung der Schulpflicht (Art. 35 BayEUG, Art. 129 Abs. 1 BV) steht in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck. Es ist im Vergleich zur einschneidenden Wirkung der Ersatzzwangshaft auf die persönliche Freiheit der Antragsgegner und ihr Erziehungsrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) nicht von so geringer Bedeutung, dass es die Vollstreckungsmaßnahme unverhältnismäßig werden ließe. Die Schulpflicht dient dem Allgemeininteresse sowie dem staatlichen Erziehungsauftrag (Art. 7 Abs. 1 GG), Kinder durch die gemeinsame Bildung und Erziehung mit anderen Kindern bei der Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der Gemeinschaft zu unterstützen und zu fördern. Sie dient auch dem durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Kindesinteresse. Eltern können die Erfüllung der Schulpflicht daher nicht unter Berufung auf ihre Glaubens- und Gewissensfreiheit oder auf andere (erzieherische) Gründe, aus denen sie die öffentliche Schule als ungeeignet für ihre Kinder ansehen, verweigern (vgl. BVerfG, B.v. 21.4.1989 – 1 BvR 235/89 – juris m.w.N.; BayVGH, B.v. 11.11.2008 – 7 CS 08.1237 – juris; Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, BayEUG, Art. 35 Rn. 2). Die Antragsgegner lehnen jeglichen Kontakt zu staatlichen Stellen wie auch die Schulanmeldung ihres Kindes kategorisch ab. In welcher Form und ob überhaupt die Antragsgegner ihr Kind selbst beschulen, ist dem Gericht nicht bekannt. Vor diesem Hintergrund ist, vor allem mit Blick auf die weitere Entwicklung des Kindes und die Möglichkeit einen Schulabschluss zu erlangen, eine kurzzeitige Freiheitsentziehung der Antragsgegner zur Durchsetzung des staatlichen Erziehungsauftrages angemessen (s.a. VG Ansbach, B.v. 15.10.2014 – AN 2 V 14.01377 – juris Rn. 25).
3. Nach Art. 33 Abs. 2 VwZVG beträgt die Ersatzzwangshaft mindestens einen Tag und höchstens zwei Wochen. Die Haftdauer steht im freien richterlichen Ermessen, wobei das öffentliche Interesse an der Erfüllung der zu erzwingenden Verpflichtung im Vordergrund steht. Das Gericht hält vorliegend die Ausschöpfung des gesetzlich vorgesehenen Rahmens bis zur Hälfte für angemessen, um die Antragsgegner anzuhalten, die ihnen auferlegten höchstpersönlichen Pflichten zu erfüllen. Die Haftdauer von sieben Tagen trägt zum einen dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung der Schulpflicht sowie der Beharrlichkeit der Verweigerung jeglicher Kooperation der Antragsgegner Rechnung.
4. Die Ersatzzwangshaft ist durch die Justizverwaltung zu vollstrecken (Art. 33 Abs. 3 VwZVG, § 802 Abs. 2 ZPO). Der im Tenor des Beschlusses ausgesprochene Erlass eines Haftbefehls hat klarstellende Bedeutung, da die richterliche Anordnung der Ersatzzwangshaft gemäß Art. 33 Abs. 1 VwZVG zugleich den Haftbefehl im Sinne des Art. 33 Abs. 3 VwZVG i.V.m. §§ 901, 909 ZPO umfasst (VG Ansbach, B.v. 24.01.2012 – AN 10 V 11.02609 – BeckRS 2012, 46750).
5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.1.1, 1.7.1 Satz 1 Hs. 2 und 38.3 des Streitwertkatalogs 2013. In einem Vollstreckungsverfahren ist grundsätzlich ein Wert in Höhe eines Viertels des Streitwerts in der Hauptsache sachgerecht.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.


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