Familienrecht

Erziehungsbeitrag als Bestandteil des Pflegegeldes

Aktenzeichen  9 WF 348/19

Datum:
10.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 52702
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 115 Abs. 1 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

Der von Pflegeeltern bezogene Erziehungsbeitrag als Bestandteil des Pflegegeldes (§ 39 Abs. 1 S. 2 SGB VIII) ist Einkommen der Pflegeeltern i.S.d. § 115 Abs. 1 S. 1, 2 ZPO.

Verfahrensgang

205 F 30/19 2019-02-11 AGFUERTH AG Fürth

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Fürth vom 11.02.2019 in der Fassung des Beschlusses vom 20.02.2019 (Verfahrenskostenhilfe) wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Mit Beschluss vom 01.02.2019 hat das Amtsgericht – Familiengericht – Fürth der Antragstellerin für das vorliegende Verfahren Güterrecht (Zugewinnausgleich) Verfahrenskostenhilfe bewilligt und die Zahlung einer monatlichen Rate in Höhe von 296,- € auf die Verfahrenskosten angeordnet. Es hat dabei unter Berücksichtigung des gesamten für das Pflegekind E… A…, geboren am 08.12.2010, bezogenen Pflegegelds und unter Abzug eines Kinderfreibetrags für das Pflegekind in Höhe von 282,- € ein einzusetzendes Einkommen der Antragstellerin von 593,45 € errechnet.
Die Entscheidung wurde der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin am 14.02.2019 zugestellt. Mit Anwaltsschriftsatz vom 18.02.2019, eingegangen beim Amtsgericht am selben Tag hat die Antragstellerin um „Überprüfung des Beschlusses gebeten“. Sie hat dabei die Abänderung des Verfahrenskostenhilfebeschlusses begehrt.
Mit Beschluss vom 20.02.2019 hat das Amtsgericht – Familiengericht – Fürth der Antragstellerin im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe Rechtsanwältin S… als Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet und die Zahlungsbestimmung dahingehend abgeändert, dass die Rate ab 01.03.2019 in Höhe von nur 70,- € zu zahlen ist. Nunmehr hat das Gericht ein einzusetzendes Einkommen von 140,45 € errechnet, indem es von dem bezogenen Pflegegeld nur den Erziehungsbeitrag in Höhe von 300,- € als Einkommen berücksichtigt und einen Unterhaltsfreibetrag für das Pflegekind nicht mehr in Abzug gebracht hat.
Diese Entscheidung wurde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 27.02.2017 zugestellt. Mit Anwaltsschriftsatz vom 25.03.2019, widerum am selben Tage bei Gericht eingegangen, hat die Antragstellerin „Beschwerde“ eingelegt. Sie begehrt die gänzliche Außerachtlassung des Pflegegelds bei der Einkommensberechnung.
II.
Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde gemäß §§ 127 Abs. 2 ZPO, 113 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Bereits bei dem Schreiben vom 18.02.2019 handelt es sich um eine sofortige Beschwerde. Dieser hat das Familiengericht Fürth mit Beschluss vom 20.02.2019 nur teilweise abgeholfen.
Hinsichtlich des restlichen Beschwerdegegenstands erfolgte keine Rechtsmittelrücknahme, sondern mit den Ausführungen vom 25.03.2019 lediglich eine Erweiterung der Begründung.
Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Ratenzahlungsanordnung in Höhe von 70,- € mit Beschluss vom 20.02.2019 richtet, ist es in der Sache ohne Erfolg.
Die Antragstellerin muss sich den Erziehungsbeitrag in Höhe von 300,- €, den sie für das Pflegekind E… A… monatlich gemäß § 30 Abs. 1 S. 2, 2. HS SGB VIII vom Jugendamt erhält, als Einkommensanteil zurechnen lassen. Für das Kind E… ist zudem an sich ein Freibetrag in Höhe von 345,- € als Abzugsposition zu berücksichtigen. Davon ist aber der nach § 39 Abs. 1 S. 2, 1. HS SGB VIII von der Antragstellerin vereinnahmte Unterhaltsbetrag (in Höhe von derzeit) 594,- € wiederum zu subtrahieren (§ 115 Abs. 1 S. 7 ZPO), sodass letztlich kein Freibetrag verbleibt.
Hinsichtlich beider Positionen ist auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Nürnberg (vgl. u.a. OLG Nürnberg 11 WF 329/10, FamRZ 2010, 1361). zu verweisen (ebenso OLG Bremen FamRZ 2013, 1755; OLG Brandenburg 9 WF 170/09, juris; Zöller, 32. A., § 115, Rn 17, 18 a, m.w.N.; T-P § 115 Rn 3). Nach dieser Rechtsmeinung, der auch der erkennende Senat uneingeschränkt folgt, ist der Erziehungsbeitrag für ein Pflegekind (§ 39 Abs. 1 S. 2 SGB VIII) als Einkommen des Verfahrenskostenhilfe beanspruchenden Pflegeelternteils zu werten, denn der Betrag stellt das durch die öffentliche Hand erbrachte Entgelt für den mit Betreuung und Erziehung verbundenen Arbeits- und Zeitaufwand dar. Der gegenteiligen Auffassung des OLG Stuttgart (FamRZ 2017, 1587) und des OLG Hamm (2 WF 109/18; Juris), wonach das gesamte Pflegegeld für ein Pflegekind, einschließlich des Erziehungskostenanteils für die ersten beiden Kinder nicht zur Anrechnung gelangen soll, folgt der Senat nicht.
III.
Eine Kostenentscheidung ergeht analog § 127 Abs. 4 ZPO nicht.
IV.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen (§ 70 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 FamFG).
Die vorliegend allein beschwerdegegenständliche Frage, ob der Erziehungskostenanteil des nach § 39 Abs. 1 S. 2 SGB VIII gezahlten Pflegegeldes prozesskostenhilfe-/verfahrenkostenhilferechtlich als Einkommen nach § 115 Abs. 1 ZPO zu behandeln ist, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu liegt bislang nicht vor.


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