Familienrecht

Höhe des Anspruchs auf Elterngeld

Aktenzeichen  S 9 EG 1/17

Datum:
6.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 41139
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
BEEG § 2 Abs. 2 S. 2, § 2c Abs. 1 S. 2, § 27 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

Als Maßstab für die Bestimmung der Berechnungsgrundlage des Elterngeldes ist allein das Steuerrecht zu Grunde zu legen, das im Elterngeldverfahren nicht mehr eigenständig anzuwenden ist, wenn die Lohnsteueranmeldung bestandskräftig geworden ist. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 03.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2016 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Beklagte hat zu Recht die Elterngeldberechnung ohne Berücksichtigung der monatlich gezahlten Umsatzprovisionen vorgenommen.
Die Klägerin erfüllt zunächst die Grundvoraussetzungen für den Bezug von Elterngeld gemäß § 1 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), weil sie ihren Wohnsitz in Deutschland hat, mit ihrem Kind in einem Haushalt lebt, dieses Kind selbst betreut und erzieht und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG wird Elterngeld i. H. v. 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. In den Fällen, wie vorliegend, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1.200 € war, sinkt der Prozentsatz von 67% um 0,1 Prozentpunkte für je 2 €, um die dieses Einkommen den Betrag von 1.200 € überschreitet, auf bis zu 65% (§ 2 Abs. 2 Satz 2 BEEG).
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 BEEG errechnet sich das Einkommen aus Erwerbstätigkeit nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f BEEG aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus (Nr. 1) nichtselbstständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) und aus (Nr. 2) Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG, die im Inland zu versteuern sind, und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b BEEG oder in Monaten der Bezugszeit nach § 2 Abs. 3 BEEG hat.
Für die hier allein streitige Frage der Berücksichtigung von Provisionszahlungen im Bemessungszeitraum (Kalenderjahr 2015) bei der Elterngeldberechnung ist § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG in der ab 01.01.2015 geltenden Fassung (Gesetz vom 27.01.2015) einschlägig. Nach dieser Vorschrift sind „Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind“, nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
Der Wortlaut des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG eröffnet mit der Anknüpfung an das materielle und das Steuerverfahrensrecht keinen Auslegungsspielraum dafür, bei der Elterngeldbemessung auf andere als steuerrechtliche Begriffe zurückzugreifen. Als Maßstab für die Bestimmung der Berechnungsgrundlage des Elterngeldes ist daher (allein) das Steuerrecht zu Grunde zu legen, das im Elterngeldverfahren nicht mehr eigenständig anzuwenden ist, wenn die Lohnsteueranmeldung bestandskräftig geworden ist. Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 14.12.2017, B 10 EG 4/17 R), mit der das BSG seine anderslautende Rechtsprechung zu den Vorgängervorschriften nicht mehr fortführte, müssen die Beteiligten des Elterngeldverfahrens den Inhalt einer bestandskräftigen Lohnsteueranmeldung kraft der gesetzlichen Rechtsfolgeverweisung des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG als feststehend hinnehmen. Der Inhalt erwächst in Bestandskraft, wenn weder der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber, noch das Finanzamt die von der Abgabenordnung (AO) eröffneten Rechtsbehelfe oder andere Korrekturmöglichkeiten nutzen. Das BSG bringt dadurch zum Ausdruck, dass durch die Bestandskraft der Lohnsteueranmeldung eine möglicherweise falsche Behandlung durch den Arbeitgeber „geheilt“ und die materiell-steuerliche Richtigkeit erzeugt bzw. fingiert wird.
Eine strenge Bindung an das formelle und materielle Steuerrecht entspricht der erklärten Zielsetzung des Gesetzgebers, der bereits bei der ab dem 01.01.2007 geltenden Ursprungsfassung des § 2 Abs. 7 BEEG in der Fassung vom 05.12.2006 darauf abzielte, sonstige Bezüge im Sinne des materiellen Lohnsteuerrechts aus der Bemessungsgrundlage für das Elterngeld auszuschließen. Die klarstellenden Gesetzesänderungen der Ausschlussnorm haben jeweils erkennbar versucht, eine abweichende Rechtsanwendung durch die BSG-Rechtsprechung zu korrigieren. Sie waren und sind darauf gerichtet, die von Anfang an gewünschte Anbindung an das formelle und materielle Lohnsteuerrecht sicherzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2017, B 10 EG 4/17 R). Mit der Regelung ab 01.01.2015 wollte der Gesetzgeber (erneut) klarstellen (vgl. BT-Drs. 18/2583, S. 24 f.), dass die Einordnung von Lohn- und Gehaltsbestandteilen als sonstige Bezüge allein nach lohnsteuerlichen Vorgaben (§ 38a Abs. 1 Satz 3 EStG; Lohnsteuer-Richtlinien (LStR)) erfolgen soll, damit die Lohn- und Gehaltsbescheinigungen entsprechend der gesetzgeberischen Zielsetzung als aussagekräftige Grundlage der elterngeldrechtlichen Einkommensermittlung zu nutzen sind. Nach den Befürchtungen des Gesetzgebers würde ein Auseinanderfallen des lohnsteuerlichen und elterngeldrechtlichen Einkommensbegriffes dazu führen, dass die Festlegungen in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen schon dem Grundsatz nach nicht mehr unmittelbar für die Elterngeldberechnung genutzt werden könnten, was den Verwaltungsaufwand erheblich steigern würde (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 28.05.2017, L 11 EG 1138/16).
Unter Anwendung dieser Grundsätze hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Berücksichtigung der gezahlten Provisionen für die Bemessung des Elterngeldes. Die Provisionen wurden zwar im Hinblick auf ihre Frequenz und Häufigkeit im monatlichen Lohnzahlungszeitraum des Grundgehalts ausgezahlt und sind möglicherweise materiell-steuer-rechtlich als laufender Arbeitslohn einzuordnen. Nach den vorliegenden Lohn- und Gehaltsabrechnungen aus dem Kalenderjahr 2015 wurden diese Provisionszahlungen jedoch steuerrechtlich als „sonstiger Bezug“ behandelt. Da sich keine Hinweise darauf ergeben, dass diese Lohnsteueranmeldung beanstandet wurde, ist bezüglich dieser Zuordnung Bindungswirkung eingetreten. Die Klägerin kann daher keine Berücksichtigung zusätzlicher Entgeltbestandteile verlangen.
Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 14.12.2017, B 10 EG 4/17 R) verstößt § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist vielmehr erst dann verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz kommt es darauf an, ob der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat, und nicht, ob er die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat. Der Gesetzgeber hat dabei im Bereich des Sozialrechts, zu dem die Bestimmungen über das Elterngeld gehören, einen weiten Gestaltungsspielraum. Diesen Spielraum hat der Gesetzgeber mit dem Ausschluss sonstiger Bezüge aus der Bemessung des Elterngeldes durch § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG nicht überschritten. Mit der strengen Bindung an das formelle und materielle Steuerrecht hat der Gesetzgeber ein geeignetes Mittel gewählt, um sein maßgebliches und legitimes Ziel der Verwaltungsvereinfachung zu erreichen. Durch die Bindung an die bestandskräftigen Ergebnisse des Lohnsteuerabzugsverfahrens werden für sich gesehen die Elterngeldberechtigten auch nicht unverhältnismäßig belastet, da diese bei unzutreffender Einordnung im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge grundsätzlich die Korrektur- und Rechtsschutzmöglichkeiten des Lohnsteuersteuerabzugsverfahrens nutzen können (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2017, B 10 EG 4/17 R).
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Beklagte die Höhe des Elterngeldes zutreffend festgestellt hat und zu Recht die monatlichen Provisionszahlungen bei Bemessung des Elterngeldes unberücksichtigt gelassen hat. Gegen die auf dieser Grundlage durchgeführte Elterngeldberechnung sind Bedenken ansonsten weder erhoben noch sonst ersichtlich. Hinsichtlich der Berechnung des Elterngeldes wird daher auf die Ausführungen (Anlage) im Bescheid vom 03.11.2016 und im Widerspruchsbescheid vom 12.12.2016 verwiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird diesbezüglich abgesehen (§ 136 Abs. 3 SGG).
Die Entscheidung konnte durch Gerichtsbescheid erfolgen, da der Sachverhalt, soweit er für die Entscheidung von Bedeutung ist, geklärt ist und die Beteiligten hierzu gehört wurden (§ 105 Abs. 1 Satz 1 und 2 Sozialgesetzbuch – SGG -).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz.


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