Familienrecht

Keine Wartepflicht des Sachverständigen nach Ablehnung

Aktenzeichen  51 OH 3148/14

Datum:
30.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 38384
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 42, § 47

 

Leitsatz

1. Die Ablehnung eines Richters kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gutachten eines Sachverständigen fehlerhaft erstellt wurde. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die zögerliche Bearbeitung eines Sachverständigengutachtens rechtfertigt nicht die Ablehnung des Sachverständigen als befangen, weil die Bearbeitungsdauer alle Parteien gleichermaßen trifft.  (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Sachverständige unterliegt auch im Fall seiner Ablehnung keiner Wartepflicht nach § 47 ZPO. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende Richterin am Landgericht N wird zurückgewiesen.
2. Der Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen N wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Antragsteller haben mit Antragsschrift vom 19.11.2014 ein selbstständiges Beweisverfahren zur Feststellung diverser Mängel an ihrem Einfamilienhaus in Erding eingeleitet. Hintergrund waren Mängel größeren Ausmaßes im Gewerk Holzbau, Fliesen und Fußbodenheizung. Mit Schriftsatz vom 29.01.2015 wurde das selbstständige Beweisverfahren um Mängel im Gewerk Sanitärheizung und Lüftung erweitert.
Am 05.03.2015 erging Beweisbeschluss, in welchem zunächst der Sachverständige Dr. N bestellt wurde. Nachdem dieser mitteilte, dass er zeitnah mit dem Gutachtensauftrag nicht beginnen könne, wurde daraufhin mit Beschluss vom 30.07.2015 der Sachverständige N mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt.
Mit Beschluss vom 07.09.2015 wurden die Gebührensätze des Sachverständigen N im Einverständnis mit den Antragstellern sowie den Antragsgegnern zu 1) und 5) genehmigt.
Mit Schriftsatz vom 25.01.2016 teilte der Sachverständige N mit, dass er einen Ortstermin auf den 15.02.2016 bestimmt habe. Dies war bereits der zweite Ortstermin. Mit Schriftsatz vom 12.02.2016 wurde seitens der Antragsteller das selbstständige Beweisverfahren nochmals um Mängel am Gewerk Holzbau und Fliesen erweitert. Nach Stellungnahme der Parteien erging am 18.03.2016 der entsprechende Erweiterungsbeschluss. Diese erweiterten Beweisfragen erforderten einen weiteren Ortstermin, welcher vom Sachverständigen auf den 25.10.2016 festgesetzt wurde.
Nach mehreren Anfragen des Gerichts und Nachfragen der Parteien kündigte der Sachverständige N sein Gutachten bis Ende Mai 2017 an. Als dieses bis dahin nicht eingegangen war, wurde seitens des Gerichts mit Beschluss vom 12.06.2017 eine Frist zur Vorlage bis 03.07.2017 gesetzt. Als bis dahin das Gutachten nicht einging, wurde mit Beschluss vom 09.08.2017 ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 € festgesetzt.
Auf Anfrage des Gerichts mit Verfügung vom 21.09.2017 teilte der Sachverständige mit Schreiben vom 04.10.2017 mit, dass er bis 15.10.2017 das Gutachten vorlegen wollte.
Bereits mit Schriftsatz vom 13.10.2017 wurde seitens der Antragsteller erneut das selbstständige Beweisverfahren hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1) erweitert. Auch hier waren erneut Mängel im Gewerk Holzbau gegenständlich.
Nach dem bis zur Mitte Oktober immer noch kein Gutachten vorlag, wurde mit Beschluss vom 06.12.2017 dem Sachverständigen eine Nachfrist bis 15.01.2018 gesetzt.
Mit Beschluss vom 29.01.2018 wurde der Beweisbeschluss um die erneuten Behauptungen der Antragsteller erweitert.
Nachdem bis Mitte März immer noch kein Gutachten einging, wurde gegen den Sachverständigen ein Ordnungsgeld in Höhe von 600,00 € festgesetzt. Am 21.03.2018 ging das Gutachten bei Gericht ein. Die umfangreichen Nachfragen gingen (zuletzt die der Antragsteller) nach mehrfachen Fristverlängerungen, zu welchen auch der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin zu 4) seine Zustimmung erteilt hat, bis 13.07.2018 bei Gericht ein. Nach Einzahlung weiterer Kostenvorschüsse wurde die Akte mit Beschluss vom 13.12.2018 zur Stellungnahme zu den Ergänzungsfragen der Parteien an den Sachverständigen N übersandt. Hiergegen wandte sich die Antragsgegnerin zu 4) mittels sofortiger Beschwerde, da sie mit der Formulierung des Beweisbeschlusses nicht einverstanden war. Nachdem die Akte deswegen vom Sachverständigen zurückgefordert werden musste, erging am 25.07.2019 entsprechender klarstellender Beschluss. Die ursprünglich für die Beantwortung der Ergänzungsfragen vorgesehen Frist von zwei Monaten, war bis dahin bereits abgelaufen.
Mit Schriftsätzen vom 24.10.2019 und 01.11.2019 monierten die Antragsteller und die Antragsgegnerin zu 4) die Untätigkeit des Sachverständigen. Daraufhin wurde mit Beschluss vom 15.11.2019 dem Sachverständigen eine Nachfrist bis 06.12.2019 gesetzt. Mit Schreiben vom 06.12.2019 teilte der Sachverständige mit, dass er aufgrund des Auftragsverlaufs auslastungsbedingt eine Bearbeitungszeit von 6 Monaten aufweisen würde und das Ergänzungsgutachten deshalb entsprechende Zeit mit sich bringen würde. Er habe die Bearbeitung jedoch bereits vorgezogen.
Mit Schriftsatz vom 17.12.2019 beantragte die Antragsgegnerin zu 4) die Festsetzung eines Ordnungsgeldes (im Schriftsatz als Zwangsgeld bezeichnet). Mit Schriftsatz vom 24.01.2020 erhob die Antragsgegnerin zu 4) die Verzögerungsrüge gem. 198 Abs. 2 GVG und stellte Befangenheitsanträge gegen Gericht und Sachverständigen in Aussicht.
Mit Beschluss vom 04.02.2020 wurde gegen den Sachverständigen Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,00 € festgesetzt.
Mit Schriftsatz vom 28.02.2020 erhob auch die Antragstellerseite die Verzögerungsrüge gem. § 198 Abs. 2 GVG.
Mit Schreiben vom 12.03.2020 erklärte der Sachverständige N, wie er den Gutachtensauftrag abzuwickeln gedenke.
Mit undatiertem Schreiben, ausweislich Eingangsstempel und Faxkopf eingegangen am 13.03.2020 bei Gericht, wurde durch den Antragsgegnervertreter zu 4) beantragt, den Auftrag dem Sachverständigen zu entziehen. Dieses Fax wurde lediglich in die Papierakte eingefügt.
Mit Fax vom 20.03.2020 stellte die Antragsgegnerin zu 4) Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen aufgrund der zahlreichen Fristüberschreitungen und Untätigkeit. Dieses Fax wurde, obwohl das Verfahren noch als Papierakte geführt wird, lediglich in die rumpfmäßig angelegte elektronische Akte des Verfahrens, welche nicht führend ist, eingefügt. Mit Verfügung vom 23.03.2020 wurde dieses Fax zur Stellungnahme an die übrigen Parteivertreter und den Sachverständigen übersandt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die abgelehnte Richterin aufgrund der Corona-Pandemie zunächst vom 16.03.2020 bis zum 22.03.2020 im Krankenstand, anschließend in Quarantäne. Während dieser Zeit hatte die abgelehnte Richterin nur Zugriff auf die (nicht vollständige und nicht führende) elektronische Akte, das heißt auf die elektronisch vorliegenden Eingänge, nicht jedoch auf die Akte selbst.
Zum Befangenheitsantrag nahm der Sachverständige am 08.06.2020 Stellung und legte gleichzeitig sein Ergänzungsgutachten vor.
Nach Zustellung des Gutachtens stellte die Antragsgegnerin zu 4) mit Schriftsatz vom 30.06.2020 erneut Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen N und mit Schriftsatz vom 02.07.2020 gegen die abgelehnte Richterin. Die abgelehnte Richterin äußerte sich mit Verfügung vom 27.07.2020 dienstlich zum Befangenheitsantrag. Nach dessen Zustellung wurde die Richterin erneut mit Schriftsatz vom 05.08.2020 durch die Antragsgegnerin zu 4) abgelehnt. Nach Eingang einer Stellungnahme des Sachverständigen zum Befangenheitsantrag und erneuter Stellungnahme der abgelehnten Richterin mit Verfügung vom 03.09.2020 und dessen Zustellung an die Parteivertreter lehnte die Antragsgegnerin zu 4) die abgelehnte Richterin erneut ab.
II.
Die Besorgnis der Befangenheit des zuständigen Richters liegt vor, wenn Gründe vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsausübung des Richters zu rechtfertigen. Dies sind nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus. Nicht erforderlich ist, dass der Richter tatsächlich befangen ist, ebenso ist unerheblich, ob er sich für (un) befangen hält oder Verständnis für Zweifel an seiner Unbefangenheit aufbringt. Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (Zöller, ZPO, 33. A., § 42, Rn. 9 mwN).
III.
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der Befangenheitsantrag vom 02.07.2020 gegen die Vorsitzende Richterin am Landgericht N zwar zulässig, aber unbegründet. Soweit der Antragsgegnervertreter zu 4) der abgelehnten Richterin zum Vorwurf macht, sie hätte aufgrund des Befangenheitsantrags gegen den Sachverständigen N vom 20.03.2020 keine dienstliche Stellungnahme des Sachverständigen veranlasst, offenbart dies einen Mangel der Aktenkenntnis des ablehnenden Rechtsanwalts. Eine solche Veranlassung ergibt sich nämlich aus der Verfügung vom 23.03.2020, welche sich auf Bl. 456 der Akte befindet. Offenbar trägt dies der ablehnende Rechtsanwalt ins Blaue hinein vor, da er nach Aktenlage auch keine Akteneinsicht genommen hat.
Ebenso wenig begründet die bisher nicht erfolgte Entziehung des Sachverständigenauftrags gegenüber dem abgelehnten Sachverständigen N noch keine Befangenheit der abgelehnten Richterin. Davon abgesehen, dass durch schleppende Bearbeitung durch den Sachverständigen alle Parteien gleich beeinträchtigt sein dürften, eine Bevorzugung der ein oder anderen Partei, welche durchaus Grundlage eines Befangenheitsantrags sein könnte, damit nicht ersichtlich ist, ist ein Entzug eines Sachverständigenauftrags allein Sache des Gerichts. Im Übrigen sind die anderen Parteien bislang strikt gegen den Entzug des Auftrags.
Ebenso wenig rechtfertigt es die Ablehnung eines Richters, weil das Gutachten eines Sachverständigen fehlerhaft erstellt wurde. Davon abgesehen, dass mögliche Fehler in einem Gutachten durch Ergänzungsfragen der Parteien gerügt werden müssen, erschließt sich schon nicht, wie der Richter, der sich der Sachkunde des Sachverständigen zur Beantwortung der entsprechenden Beweisfragen gerade bedienen muss, das Gutachten auf inhaltliche Richtigkeit überprüfen soll. Das ist nicht seine Aufgabe, insbesondere darf der Richter nicht seine eigene (gerade nicht vorhandene) Sachkunde an die des Sachverständigen stellen. Gleiches gilt für die Parteien. Sollten die Parteien auf der hier streitigen Öffnung einer Decke beharren, wäre dies durch entsprechende Anweisung des Sachverständigen zu erledigen.
Soweit im Befangenheitsantrag vom 02.07.2020 darüber hinaus der abgelehnten Richterin zum Vorwurf gemacht wird, sie habe nicht auf Verfahrensbeschleunigung hingewirkt, ist dies schlicht falsch. Die abgelehnte Richterin hat insgesamt drei Ordnungsgelder in Gesamthöhe von 1.900,00 € verhängt. Auch die Parteien haben mehrfach Fristverlängerungen und Erweiterungen des Beweisthemas vorgenommen, weswegen die Richterin an der bislang aufgelaufenen Verfahrensdauer von bald 6 Jahren auch nicht viel ändern konnte. Für die Auslastung des Sachverständigen kann die Richterin auch nichts.
Ebenfalls liegt kein Befangenheitsgrund darin, dass die abgelehnte Richterin angeblich den Schriftsatz der Antragsteller vom 19.05.2020 verspätet weitergeleitet hat. Diese Weiterleitung ergibt sich aus Bl. 540 der Akte und erfolgte mit Verfügung vom 18.06.2020. Davon abgesehen, dass der ablehnende Rechtsanwalt nicht darlegt, welchen Nachteil seine Partei daraus erwachsen sein soll, dass ihm die Aufforderung der Antragsteller gegenüber dem Gericht, den Sachverständigen endlich zur Fertigstellung des Ergänzungsgutachtens zu veranlassen, für einige Zeit unbekannt geblieben ist, erfolgte die Verfügung der Richterin innerhalb eines Monats. Vor dem Hintergrund der immer noch andauernden Corona-Pandemie, des nur eingeschränkten Sitzungsbetriebs und der Aufforderung seitens der Gerichtsverwaltung, möglichst lange im Home-Office zu arbeiten, geraten Papierakten beim Landgericht Landshut aufgrund der überwiegenden Anzahl von elektronischen Akten dabei in Bearbeitungsverzug. Nachdem ein irgendwie gearteter Nachteil für die Antragsgegnerin zu 4) aufgrund der angeblich so verspätet erfolgten Weiterleitung des Schriftsatzes vom 19.05.2020 nicht ersichtlich ist, erschließt sich nicht, warum deswegen die abgelehnte Richterin befangen sein soll.
IV.
Ebenso ist der zweite Befangenheitsantrag gegen die abgelehnte Richterin vom 05.08.2020 unbegründet. Soweit der Antragsgegnervertreter zu 4) auf eine angeblich nichtssagende Erklärung verweist, ist dies vorliegend nicht der Fall. Der ursprüngliche Befangenheitsantrag vom 02.07.2020 befasst sich allein mit Versäumnissen und Verzögerungen bei der Verfahrensbearbeitung, die sich sämtlichst aus der Akte ergeben. Mit welcher Begründung die abgelehnte Richterin eine noch weitergehende dienstliche Stellungnahme hätte abgeben sollen, als auf die Akte zu verweisen, führt der ablehnende Rechtsanwalt auch nicht aus. Nachdem das vorhergehende Ablehnungsgesuch allein sogenannte äußere Tatsachen, sprich aus der Akte ersichtliche angebliche Versäumnisse bei der Verfahrensbearbeitung betrifft, bedurfte es keiner längeren Stellungnahme (vgl. Zöller, § 44, Rn. 9).
V.
Der neuerliche Befangenheitsantrag vom 18.09.2020 ist bereits unzulässig, da er rechtsmissbräuchlich ist. Ein Ablehnungsgesuch ist rechtsmissbräuchlich, wenn durch die Ablehnung das Verfahren nur verschleppt werden soll (Zöller, § 44, Rn. 13). Es steht nämlich zu erwarten, dass angesichts des Inhalts der Schriftsätze des Antragsgegnervertreters zu 4) dieser bei neuerlichen dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richterin erneut Befangenheitsantrag stellt. Schließlich hat er gegen den abgelehnten Sachverständigen auch bereits zwei Befangenheitsanträge gestellt. Vor dem Hintergrund, dass es gerade der Antragsgegnervertreter zu 4) ist, der die Verzögerungsrüge gem. § 198 GVG erhoben hat und es der abgelehnten Richterin in unhöflicher und unsachlicher Manier ständig vorwirft, sie würde das Verfahren verzögern, indem sie den Sachverständigen gewähren ließe „als sei dieser der Chef“, zeigt, dass er selber offenbar keine Veranlassung hat, dem Verfahren Fortgang zu geben. Wie noch auszuführen sein wird, ist die lange Verfahrensdauer nicht der abgelehnten Richterin anzulasten. Durch den erneuten Befangenheitsantrag, der wiederum neue Stellungnahmefristen der Parteien auslöst, die im vorliegenden Verfahren ohnehin ständig Fristverlängerung beantragen, das Verfahren also weiterhin verzögert würde, handelt es sich offensichtlich um den Versuch, das Verfahren auf Kosten der anderen Parteien weiter zu verzögern.
Darüber hinaus ist der Befangenheitsantrag auch inhaltlich falsch. Die abgelehnte Richterin hat mitnichten ausweislich des Akteninhalts Honorarsätze freigegeben. Der entsprechende Hinweis des Sachverständigen in dessen Stellungnahme vom 27.08.2020 ist schlicht falsch. Auf Bl. 447 der Akten hat die abgelehnte Richterin mit Verfügung vom 13.03.2020 in Reaktion des Schreibens des Sachverständigen N vom 12.03.2020 diesem mitteilen lassen, er möge das Ergänzungsgutachten unverzüglich vorlegen. Wörtlich heißt es dort: „Es verbleibt bei den bisherigen JVEG-Beschlüssen.“. Eine neue Entscheidung über die JVEG-Sätze ergibt sich aus der Akte nicht. Auch hier zeigt sich, dass der ablehnende Rechtsanwalt keine Aktenkenntnis hat. Offensichtlich liegt ihm die Gerichtsakte nicht vollständige vor, eine entsprechende Akteneinsicht hat er ausweislich der Akte nicht getätigt. Es ist also schlicht unrichtig, dass die abgelehnte Richterin „in jede Fehlerquelle hineintappen“ würde.
Statt unsachlicher Kritik (“ZPO-Landshuter Art“) sollte sich der ablehnende Rechtsanwalt selber um sachgerechte und zielführende Verfahrensmitarbeit bemühen. Dann wäre eine zeitnahe Erledigung des Beweisverfahrens eher zu erreichen.
VI.
Der Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen N (§ 406, 42 ZPO) ist unbegründet.
Soweit im Befangenheitsantrag vom 20.03.2020 der Sachverständige wegen Unzuverlässigkeit und Fristversäumnis abgelehnt wird, ist zunächst festzuhalten, dass die lange Verfahrensdauer, wenn auch ausgelöst durch eine verzögerte Bearbeitung durch den Sachverständigen, alle Parteien gleichmäßig trifft, eine einseitige Nähe des Sachverständigen zu einer Partei daher nicht ersichtlich ist.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass das Verfahren zwar seit 6 Jahren bei Gericht anhängig ist, die ersten zwei Jahre allerdings wegen einer zweifachen Erweiterung der Beweisthemen durch die Antragstellerpartei geschuldet ist, wofür der abgelehnte Sachverständige nicht verantwortlich ist. Diese Situation wurde noch dadurch verschärft, dass der Sachverständige zwar von Anfang 2017 bis 21.03.2018 die Sache nicht zeitnah erledigt hat, wofür er auch zweimal mit einem Ordnungsgeld belegt wurde, derweil allerdings eine erneute Erweiterung des Beweisthemas durch die Antragsteller erfolgt ist, sodass der Sachverständige auch bei entsprechender zeitnaher Bearbeitung ohnehin den Gutachtensauftrag nicht hätte fertigstellen können. Der entsprechende Erweiterungsbeschluss erging am 29.01.2018, also knapp zwei Monate vor Eingang des ersten Gutachtens.
Die weitere Verzögerung beruhte auch darauf, dass die Parteien fast vier Monate nach Eingang des Gutachtens brauchten, um ihre Ergänzungsfragen zu stellen. Danach musste erst weiterer Vorschuss angefordert werden, erst danach konnte überhaupt mit Beschluss vom 13.12.2018 der Sachverständige mit der Ergänzung beauftragt werden. Diese Zeitspanne ist durch den Sachverständigen ebenfalls nicht zu vertreten. Ebenso wenig war es Schuld des Sachverständigen, dass der Antragsgegnervertreter zu 4) eine Klarstellung hinsichtlich des Beschlusses wünschte, wofür die Akte zunächst zurückgefordert werden musste. Als dann schließlich sämtliche Unklarheiten beseitigt waren, war der Sachverständige, was in der Baubranche nicht unüblich ist, erheblich ausgelastet, was wiederum allerdings nicht zum Nachteil einer Partei gerät. Vor diesem Hintergrund ist eine Befangenheit des Sachverständigen nicht gegeben, eine Ablehnung kann darauf nicht gestützt werden.
Der erneute Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen vom 30.06.2020 wegen des Verstoßes gegen die Wartepflicht mit der Vorlage des Gutachtens ist unbegründet. Eine solche Wartepflicht besteht nicht, da § 47 ZPO auf den Sachverständigen nicht anwendbar ist. Auch die vom Antragsgegnervertreter zu 4) standardmäßig zitierten Entscheidungen des OLG Rostock (NJW-RR 1999, 1507) und vom Bayerischen Obersten Landesgericht (WuM 1994, 410) beschäftigen sich allein mit den Befangenheitsanträgen gegen Richter. Das formblattmäßige Zitat von Fundstellen macht das Überprüfen, ob diese auf den vorliegenden Fall überhaupt anwendbar sind, nicht überflüssig. So auch hier. Auch aus der einschlägigen Kommentarliteratur ergibt sich keine Wartepflicht für den Sachverständigen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass vorliegend die Parteien mit der Geschwindigkeit der Gutachtensbearbeitung nicht einverstanden waren (Zöller, § 406, Rn. 13: lediglich Verwertung des Gutachtens im Urteil hat zu unterbleiben). Ein weiteres Zuwarten hätte alleine dazu geführt, dass das Verfahren ungebührlich, diesmal durch den Befangenheitsantrag durch die Antragsgegnerin zu 4), verzögert worden wäre. Entgegen der Auffassung des ablehnenden Rechtsanwalts liegt auch eine Stellungnahme des Sachverständigen vor, siehe Bl. 466. Darüber hinaus ist eine dienstliche Äußerung nicht zwingend erforderlich (Zöller, § 406, Rn. 12a). Wie sich aus § 406 Abs. 1 ZPO ergibt, finden nur die Befangenheitsgründe des § 42 ZPO Anwendung, nicht aber das Verfahren.


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