Familienrecht

Krankenversicherung, Erkrankung, Rentenversicherung, Pflegeversicherung, Hauptverhandlung, Unterhaltsanspruch, Trennung, Gewerbebetrieb, Rentenzahlung, Berechnung, Antragsgegner, Verfahren, Anspruch, Schriftsatz, Fortsetzung des Verfahrens, Kosten des Verfahrens, billigem Ermessen

Aktenzeichen  S 004 F 524/18

Datum:
21.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 49727
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Gemünden
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin von Oktober 2018 bis Dezember 2018 monatlich einen Trennungsunterhalt in Höhe von 757,00 € und ab Januar 2019 bis Dezember 2019 monatlich einen Trennungsunterhalt in Höhe von 773,73 € zu bezahlen.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
4. Der Verfahrenswert wird auf 9.504,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Verfahrensbeteiligten sind verheiratet und leben seit November 2017 getrennt. Die Antragstellerin ist vor der Trennung arbeitsunfähig erkrankt. Es handelt sich um eine dauerhafte Erkrankung und Arbeitsunfähigkeit.
Zwischen den Beteiligten, die vor der Trennung in wechselnden Konstellationen eine Gaststätte betrieben oder im Rahmen des Betriebs tätig waren, war ein Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Würzburg anhängig. Die Antragstellerin forderte vom Antragsgegner die Rückzahlung von ihr behaupteter unrechtmäßig als Privatentnahmen entnommene Geldbeträge in Höhe von 10.887,64 EUR. Mit Urteil vom 08.08.2018 wurden der Antragstellerin 387,64 EUR zugesprochen und die Klage in Übrigen abgewiesen. In den Urteilsgründen wird folgendes ausgeführt: „In einer rechtlich bedenkenswürdigen Weise hat die Klägerin hier zunächst vorgetragen,alle diese Entnahmen seien vom Beklagten abgezeichnet worden“ (Seite 9 des Urteils) und „die Klägerin bewegt sich hier einmal mehr in einem strafrechtlich nicht unbedenklichen Bereich“ (Seite 14 des Urteils).
Der Antragsgegner erzielte im Jahr 2018 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 26.724,- EUR und im Jahr 2019 in Höhe von 27.432,- EUR. Er zahlte für das Jahr 2018 Steuern in Höhe von 3.421,36 EUR und für das Jahr 2019 in Höhe von 3.305,31 EUR. Die Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung, sowie weitere Vorsorgeaufwendungen beliefen sich im Jahr 2018 auf 3.091,- EUR und im Jahr 2019 auf 3.494,- EUR.
Für das Jahr 2020 hat der Antragsgegner aufgrund seiner Gewinnermittlung Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 16.345,89 EUR ermittelt. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2021 sind nicht mitgeteilt.
Im Zeitraum 01.01.2020 bis 31.05.2020 zahlte der Antragsgegner Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung an die AOK in Höhe von 973,25 EUR. Für eine Kranken- oder Pflegeversicherung bei der R+V Krankenversicherung zahlte er 58,- EUR monatlich und für eine Rentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung mit Indexorientierung bei der Bayern-Versicherung monatlich 200,- EUR ab dem 01.07.2020.
Für das Jahr 2021 sind noch keine abschließenden Leistungen für Vorsorgeleistungen mitgeteilt.
Die Antragstellerin beantragt,
bezugnehmend auf ihren Schriftsatz vom 05.06.2019:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin ab Oktober 2018 monatlich und monatlich im Voraus einen Trennungsunterhalt in Höhe von 792,00 € zu bezahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
bezugnehmend auf seinen Schriftsatz vom 26.07.2021 die Abweisung des Antrags.
Er trägt vor, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Jahr 2021 dürften aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemiemaßnahmen die Einkünfte aus dem Jahr 2020 nicht übersteigen.
Er ist der Auffassung, die Antragstellerin habe aufgrund ihres Verhaltens im arbeitsgerichtlichen Verfahren einen Unterhaltsanspruch verwirkt. Außerdem habe sie nach der Trennung unberechtigt einen Stromanschluss auf den Namen des Antragsgegners abgeschlossen.
Die Verfahrensbeteiligten wurden in der Hauptverhandlung am 15.11.2021 angehört und die Verfahrensbevollmächtigen stellten die oben genannten Anträge.
Eine Fortsetzung des Verfahrens und Vorlage des Einkommensteuerbescheids 2020 des Antragsgegners, wie im Schriftsatz der Antragstellervertreterin vom 09.12.2021 angeregt, ist nicht erforderlich. Die in der Hauptverhandlung vom 15.11.2021 unstreitig gestellten Angaben zur Gewinnermittlung und den Ausgaben des Antragsgegners im Jahr 2020 sind für eine Berechnung ausreichend. Der Vortrag, der Einkommenssteuerbescheid wäre erforderlich, um hier noch weitere gesicherte Einkünfte festzustellen in der Unterhaltsberechnung, ist nicht weiter konkretisiert.
Der Anspruch ist teilweise begründet. Der Antragstellerin steht ab dem geltend gemachten Zeitraum (Oktober 2018) grundsätzlich ein Anspruch auf Zahlung eines monatlichen Trennungsunterhalts nach § 1361 BGB zu, der für das Jahr 2018 in Höhe von 757,00 € und für das Jahr 2019 in Höhe von 773,75 € zu beziffern ist.
Ab dem Jahr 2020 entfällt ein Anspruch aufgrund fehlender Leistungsfähigkeit des Antragsgegners.
Eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nach §§ 1361 Abs. 3, 1579 BGB ist nicht eingetreten. In Frage kämen Nr. 3, 7 und 8 der Vorschrift. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner zwar von strafbaren Handlungen der Antragstellerin ausgeht, eine entsprechende Feststellung allerdings nicht erfolgt ist. Aufgrund der Ausnahmeregel des § 1579 BGB muss das eine Verwirkung begründende Verhalten festgestellt sein, bevor eine Entscheidung darüber getroffen werden kann, ob ein Vergehen schwer oder ein Fehlverhalten schwerwiegend zu beurteilen ist. Nach dem bisherigen Parteivortrag ist ein strafbares Verhalten im Zusammenhang mit der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung durch die Antragstellerin in Abrede gestellt. Beweismittel, aus denen ein strafbares Verhalten festgestellt werden kann, liegen nicht vor. Eine Urkundenfälschung durch die Antragstellerin im Zusammenhang mit dem Stromlieferungsvertrag durch die L. E. GmbH ergibt sich nicht aus der E-Mail des Energieversorgers vom 28.11.2018, welche einen telefonischen Auftrag bestätigt. Darüber hinaus wäre ein schweres Vergehen nicht gegeben.
Die Höhe des Unterhalts berechnet sich wie folgt:
„Im Jahr 2018:
Zuordnungen Partnerunterhalt
Verpflichtung von W R gegenüber S R
Der Unterhaltsanspruch beruht auf § 1361 BGB.“
Bedarf und Leistungsfähigkeit Ehegatten
S R
Name der Variante II: WEST_2021_01.VUZ
gültig in den alten Bundesländern und Berlin (West),
erster Gültigkeitstag 01. 01. 2021
Nettoeinkommen von S R . . . . . . . 0,00 Euro
Naturaleinkommen (Wohnwert) . . . . . . . 0,00 Euro
W R
Name der Variante II: WEST_2021_01.VUZ
gültig in den alten Bundesländern und Berlin (West)
erster Gültigkeitstag 01. 01. 2021
Nettoeinkommen von W R . . . . . 20.211,64 Euro
Unterhaltspflichten
Berechnung des Gatten/Partnerunterhalts
Voller Partnerunterhalt
Verpflichtungen von W R Bonusbereinigtes prg. Einkommen von S R 0,00 Euro
Durch Vermögensbildung dem Konsum entzogen 0,00 Euro
Einkommen von W R . . . . . . 20.211,64 Euro
Erwerbstätigenbonus: 20211,64*10% . . . . -2.021,16 Euro

Bonusbereinigtes Einkommen von W R 18.190,48 Euro
Voller Unterhalt von S R: 18190,48/2 . . . 9.095,24 Euro
Daraus folgt ein monatlicher Unterhaltsanspruch in Höhe von 757,00 €.
Im Jahr 2019:
Bedarf und Leistungsfähigkeit Ehegatten
S R
Name der Variante II: WEST_2021_01.VUZ
gültig in den alten Bundesländern und Berlin (West)
erster Gültigkeitstag 01. 01. 2021
Nettoeinkommen von S R . . . . . . . 0,00 Euro
Naturaleinkommen (Wohnwert) . . . . . . . 0,00 Euro
W R
Name der Variante II: WEST_2021_01.VUZ
gültig in den alten Bundesländern und Berlin (West),
erster Gültigkeitstag 01. 01. 2021
Nettoeinkommen von W R . . . . . 20.632,69 Euro
Unterhaltspflichten
Berechnung des Gatten/Partnerunterhalts
Voller Partnerunterhalt
Verpflichtungen von W R Bonusbereinigtes prg. Einkommen von S R 0,00 Euro
Durch Vermögensbildung dem Konsum entzogen 0,00 Euro
Einkommen von W R . . . . . . 20.632,69 Euro
Erwerbstätigenbonus: 20632,69*10% . . . . -2.063,27 Euro

Bonusbereinigtes Einkommen von W R 18.569,42 Euro
Voller Unterhalt von S R: 18569,42/2 . . . 9.284,71 Euro
Daraus folgt ein monatlicher Unterhaltsanspruch in Höhe von 773,73 €.
Im Jahr 2020:
Zuordnungen Partnerunterhalt
Verpflichtung von W R gegenüber S R
Der Unterhaltsanspruch beruht auf § 1361 BGB.
Bedarf und Leistungsfähigkeit Ehegatten
S R
Name der Variante II: WEST_2021_01.VUZ
gültig in den alten Bundesländern und Berlin (West)
erster Gültigkeitstag 01. 01. 2021 Nettoeinkommen von S R:
Einkommensberechnung Selbständiger
W R
Name der Variante II: WEST_2021_01.VUZ
gültig in den alten Bundesländern und Berlin (West)
erster Gültigkeitstag 01. 01. 2021 Nettoeinkommen von W R:
Einkommensberechnung Selbständiger
Steuerjahr 2020
Eink.posten nach Unterhalts- und Steuerrecht (tarifl.)
Einkünfte aus Gewerbebetrieb . . . . . 16.345,89 Euro
steuerpflichtig nach Tarif: 16.345,89 Euro
Es wird die Grundtabelle angewandt.
steuerl. Realsplitting . . . . . 0,00 Euro

tarifl. Einkommensteuer: . . . . . . . . -1.414,00 Euro
Solidaritätszuschlag aus tarifl. ESt . . . . . . -77,77 Euro
netto: . . . . . . . . . . . . . 14.854,12 Euro
14854,12 / 12 = . . . . . . . . . . 1.237,84 Euro
gerundet . . . . . . . . . . . . 1.238,00 Euro
Schulden, Belastungen Kranken- und Pflegeversicherung 252,65 Euro
Schulden, Belastungen . . . . . . . . -252,65 Euro
Die Aufwendungen für eine Rentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung mit Indexorientierung bei der Bayern-Versicherung mit monatlich 200,- EUR ab dem 01.07.2020 sind im Rahmen einer angemessenen Altersvorsorge zu berücksichtigen.

unterhaltsrechtliches Einkommen . . . . . . 985,35 Euro
Unterhaltspflichten Berechnung des Gatten/Partnerunterhalts
Voller Partnerunterhalt Verpflichtungen von W R Bonusbereinigtes prg. Einkommen von S R 0,00 Euro
Einkommen von W R . . . . . . . 985,35 Euro
Erwerbstätigenbonus: 985,35*10% . . . . . . -98,54 Euro

Bonusbereinigtes Einkommen von W R 886,81 Euro
Voller Unterhalt von S R: 886,81/2 . . . . 443,40 Euro
Mindestunterhalt: 960.-0. . . . . . . . . . 960,00 Euro
Kontrolle nach § 1581 BGB
W R ist für Partnerunterhalt nicht leistungsfähig, weil das Resteinkommen von 985.35 den Ehegattenselbstbehalt von 1280. nicht übersteigt.
Verteilungsergebnis
W R . . . . . . . . . . . 986,00 Euro
S R . . . . . . . . . . . . 0,00 Euro

insgesamt . . . . . . . . . . . . . 986,00 Euro
Es bestehen keine Unterhaltspflichten gegenüber Berechtigten außerhalb des Haushaltes.
Ab dem Jahr 2021:
Aufgrund der im Jahr 2021 anhaltenden pandemiebedingten Einschränkungen, deren Ende zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht absehbar sind, und der wirtschaftlichen Auswirkungen im Bereich des Gastgewerbes geht das Gericht davon aus, dass sich die Einkünfte des Antragsgegners nicht erhöhen. Damit entfällt auch im Jahr 2021 ein Anspruch auf Zahlung von Trennungsunterhalt.
Kosten und Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 Satz 1 und 2 Nr. 1 FamFG. Abweichend von den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenentscheidung entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Vorliegend ist hierbei insbesondere das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung zu berücksichtigen.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 51 FamGKG.


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