Familienrecht

Namensänderung wegen Kindeswohl

Aktenzeichen  RO 3 K 18.1279

Datum:
4.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 44266
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
NamÄndG § 3 Abs. 1
VwGO § 166

 

Leitsatz

Eine Namensänderung ist gerechtfertigt, wenn sie ein Kind vor behandlungsbedürftigen Krankheit oder Krise bewahrt.  (Rn. 32 und 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … bewilligt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Änderung des Nachnamens von „K…“ in „W…“.
Mit Schreiben vom 13. Oktober 2017 ließ der Kläger bei der Beklagten die Namensänderung beantragen. Hierbei wurde ein ärztliches Attest vom 10. Juni 2017 vorgelegt.
Nach einer Stellungnahme des Jugendamtes der Stadt A… vom 20. September 2017 werde im Hinblick auf die Interessen und Bedürfnisse des Klägers vorgeschlagen, dass sich die Eltern darauf einigten, den Nachnamen auf „W…“ abändern zu lassen. Nach einem Vermerk des Amtsgerichts A… vom 25. September 2017 wurde zwischen den Beteiligten (der Mutter des Klägers und dem Vater des Klägers, dem Beigeladenen) unter anderem vereinbart, dass der Kindsvater sein Einverständnis dazu erteile, dass der Kläger einen Antrag auf Abänderung seines Familiennamens in den Namen „W…“ stelle. Nach einem Vermerk des Jugendamtes der Beklagten vom 2. Januar 2018 werde insbesondere im Hinblick auf die psychische Verfassung des Klägers eine Abänderung des Familiennamens in „W…“ weiterhin als sinnvoll erachtet. Unter dem 10. Januar 2018 erteilte der Beigeladene die Einwilligung in die Änderung des Familiennamens des Klägers von „K…“ in „W…“. Seitens der Beklagten wurde die Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstelle der Katholischen Jugendfürsorge, Herr H…, als Familientherapeut sowie psychologischer Psychotherapeut und damit als Auskunftsperson mit besonderen Fachkenntnissen am Verfahren beteiligt und um Mitteilung gebeten, ob die von der Mutter des Klägers vorgebrachten Gründe zur Namensänderung zuträfen und das Kind Verhaltensauffälligkeiten zeige, die in Zusammenhang mit der Führung des Familiennamens stünden. Weiterhin wurde um Stellungnahme gebeten, ob eine Änderung des Familiennamens des Kindes erforderlich sei.
Unter dem 27. Februar 2018 erfolgte seitens der Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstelle A…-Neustadt/WN H…, Dipl. Psychologe, psychologischer Psychotherapeut, Leiter der Beratungsstelle, eine Stellungnahme zum Antrag auf Änderung des Familiennamens des Klägers, auf die Bezug genommen wird.
Unter dem 16. Mai 2018 widerrief der Beigeladene die Einwilligung zur Namensänderung, da das Kindeswohl des Klägers keine Änderung des Familiennamens erfordere. Hierbei bezog er sich auf eine Stellungnahme des Bezirksklinikums Regensburg (medbo), Tagesklinik/Institutsambulanz A… der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie vom 14. Mai 2018.
Mit Schreiben vom 18. Mai 2018 hörte die Beklagte die Klägerseite und den Beigeladenen zur Änderung des Familiennamens des Klägers an. Hierzu nahm die Klägerseite mit Schreiben vom 21. Juni 2018 Stellung. Unter anderem wird ausgeführt, die Behandlung bei Herrn H… werde weitergeführt. Auch der Bericht der medbo gehe von einer Anpassungsstörung mit emotionaler Belastung aus. Es habe auch ein einmaliger Besuch in der Tagesklinik stattgefunden. Der Bericht könne nicht ausschlaggebend dafür sein, dass die Feststellung getroffen werde, dass die Namensführung den Kläger in keiner Weise beeinträchtige. Hierzu gebe es mehrfache gegenteilige ärztliche Berichte.
Mit Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2018 wurde der Antrag auf Namensänderung abgelehnt. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung setze eine Änderung des Familiennamens eines Kindes nach Scheidung seiner Eltern voraus, dass die Namensänderung für das Wohl des Kindes erforderlich sei. Damit genüge es nicht, dass die Änderung des Familiennamens lediglich förderlich sei. Nach der Stellungnahme der Tagesklinik und Institutsambulanz vom 14. September 2018 lägen beim Kläger derzeit keine Anhaltspunkte für inhaltliche oder formale Denkstörungen vor. Hinweise für eine depressive Verstimmung oder Suizidalität seien nicht gegeben. Aktuell sei ein sehr positiver Entwicklungsverlauf beim Kind festzustellen. Er sei ein bewusstseinsklarer, ausreichend orientierter, freundlicher Junge, der offen und gesprächsbereit sei. Er sei sozial gut integriert, habe einen großen Freundeskreis mit regelmäßigen außerschulischen Kontakten. Die Termine bei der Erziehungsberatungsstellung hätten auch lediglich bis Sommer 2017 angedauert. Eine konkrete Gefahr für eine das Kindeswohl gefährdende Belastung lasse sich damit nicht feststellen. Das Wohl des Kindes sei durch die derzeitige Namensführung in keiner Weise beeinträchtigt, die eine Namensänderung nach den dargestellten Maßstäben rechtfertigen würde. Dem ärztlichen Attest von Dr. K… vom 10. Juli 2017 komme aufgrund des zeitlichen Abstands von mehr als 13 Monaten nur geringe Aussagekraft zu. Die medizinischen Feststellungen im aktuellen Bericht der Tagesklinik und Institutsambulanz vom 14. Mai 2018 stünden im erkennbaren Widerspruch zu den Aussagen im Schreiben der Erziehungsberatungsstelle vom 27. Februar 2018. Der Familienverbund bestehe trotz erfolgter Scheidung fort. Das Kind trage den Namen eines Elternteils, der ebenso wie der andere Elternteil die tatsächliche und rechtliche Verantwortung für das Kind wahrnehme. Anders als in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Fall sog. Scheidungshalbwaisen vom 20. Februar 2002 – 6 C 18/01 – sei der Familienverbund gerade nicht aufgelöst. Der Beigeladene leiste auch nach Aussage der Kindsmutter regelmäßig Unterhalt für den Sohn. Er habe im Verwaltungsverfahren den authentischen Eindruck vermittelt, ernsthaft um das Wohlergehen des Sohnes bemüht zu sein. Dafür spreche auch seine im Rahmen der Anhörung abgegebene Erklärung, er habe nichts gegen eine Änderung des Familiennamens des Sohnes einzuwenden, falls die Tagesklinik und Institutsambulanz aus gesundheitlichen Gründen eine Änderung des Familiennamens für erforderlich erachte. Der Umstand, dass die Behandlung bei der Erziehungsberatungsstelle fortgeführt werde, sage über die Erforderlichkeit der Namensänderung ebenso wenig aus wie über die Frage, ob die Änderung des Familiennamens objektiv geeignet wäre, eine etwaige seelische Belastung zu lindern. Im Übrigen wird auf den Bescheid Bezug genommen.
Gegen den am 21. Juli 2018 zugestellten Bescheid ließ der Kläger am 10. August 2018 Klage erheben. Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen vorgetragen, gesundheitliche Probleme des Kindes durch die Führung des Namens „K…“ seien gegeben, die ärztlich dokumentiert seien. Dies ergebe sich aus dem ärztlichen Bericht vom 10. Juli 2017. Zudem gebe es einen erneuten Bericht des ständigen therapeutischen Beraters des Klägers vom 6. August 2018. Der vorliegende Bescheid habe beim Kläger erneute verschärfte gesundheitliche Probleme hervorgerufen. Seit Mai 2018 habe der Kläger wiederholt depressive Phasen mit Weinkrämpfen und Rückzugstendenzen. Zudem habe er seine Wut gegenüber dem Kindsvater eindrucksvoll nicht nur der Mutter gegenüber, sondern auch gegenüber dem Dipl.-Psychologen H… geäußert. Diesem gegenüber habe der Kindsvater in einem Telefonat vom 11. Dezember 2017 bestätigt, dass er zum Wohle des Kindes mit einer Namensänderung einverstanden sei. Alle Berichte wiesen darauf hin, dass es zum Wohle des Kindes erforderlich sei, den Namen abzuändern. Nichts Gegenteiliges ergebe sich aus der Darstellung im Bericht der medbo vom 14. Mai 2018. Auch dieser Bericht gehe von einer Gesundheitsstörung des Klägers aus, nämlich einer Anpassungsstörung mit emotionaler Belastung. Es habe ein einmaliger Besuch des Klägers in der Tagesklinik/Institutsambulanz A… stattgefunden. Zudem habe der Besuch zu einem Zeitpunkt stattgefunden, als der Kläger davon ausgegangen sei, dass die Namensänderung bereits beschlossene Sache sei. Insoweit möge auch der Befundbericht mit der damaligen gesundheitlichen Situation des Klägers in Einklang zu bringen sein. Im Bescheid würden nur Teile des Berichts zitiert und nicht der Tatsache Rechnung getragen, dass der Kläger nur einmal in der Tagesklinik gewesen sei. Der Bericht könne auch nicht deshalb in den Vordergrund gestellt werden, weil er der Entscheidung am zeitnächsten gewesen sei. Näher zu beachten seien die Schreiben der Erziehungsberatungsstelle. Unerheblich sei, ob das Ermittlungsverfahren gegen den Beigeladenen eingestellt worden sei. Es sei auch nicht Aufgabe der Beklagten ärztliche Atteste infrage zu stellen, die ein Traumata und ein depressives Syndrom diagnostizierten. Die Tatsache, dass der Kläger seit längerem in der Schule mit dem Nachnamen „W…“ unterzeichne, weise darauf hin, dass es Verhaltensauffälligkeiten des Klägers im Zusammenhang mit der Familiennamensführung gebe. Vielmehr weise dies darauf hin, dass der Kläger die Namensänderung bereits vorweggenommen habe. Der Beigeladene habe sein Einverständnis zur Namensänderung mehrfach gegenüber dritten Personen erklärt. Die Erklärung könne als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung nicht einfach wieder zurückgenommen werden. Das Gericht möge ein psychologisches Sachverständigengutachten dahingehend einholen, dass eine Gesamtschau gebiete, die Namensänderung vorzunehmen.
Der Kläger beantragt,
Der Bescheid der Beklagten vom 19.Juli 2018 wird aufgehoben und die Beklagte wird verpflichtet, den Nachnamen des Klägers dahingehend abzuändern, als er nunmehr den Nachnamen „W…“ erhält.
Ferner beantragt der Kläger, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen unter Beiordnung von Rechtsanwalt … Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei unzulässig, es fehle an der Prozessfähigkeit des Klägers bzw. seiner Mutter zur Vornahme der hier maßgeblichen Prozesshandlung. Der minderjährige Kläger, der allein durch seine Mutter als mitsorgeberechtigter Elternteil vertreten werde, sei beschränkt geschäftsfähig. Der Kläger werde durch die Eltern gemeinschaftlich vertreten. Die Klage sei allein von der Mutter des Klägers erhoben worden. Bezüglich Ziff. 2 und 3 des angefochtenen Bescheids fehle dem Kläger die Klagebefugnis, da diese allein seine Mutter beträfen und sich nicht belastend für den Kläger auswirken würden. Die Klage sei auch unbegründet. Dem Kläger und seiner Mutter sei es bisher nicht gelungen, belastbare Nachweise zu erbringen, dass das Wohl des Klägers eine Änderung des Familiennamens i. S. d. von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen erfordere. Zwischen den Kindseltern bestehe ein massives nacheheliches Zerwürfnis, das bedauerlicherweise auf dem Rücken des Kindes ausgetragen sei und nach wie vor werde. Die Stellungnahme der Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstelle A… der Katholischen Jugendfürsorge habe zwar erste Hinweise darauf gegeben, dass für die Namensänderung beachtliche Belange des Kindes stritten, allerdings sei diese Annahme durch den Bericht der Tagesklinik und Institutsambulanz für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie A… eindeutig in das Gegenteil verkehrt worden. Substantiierte Anhaltspunkte, das gerade die Führung des Familiennamens und nicht etwa die eigentlichen familiären Konflikte und deren Behandlung im Familienkreis ursächlich für die geltend gemachte erhebliche und nicht mehr vertretbare psychische Belastung des Klägers sei, ließen sich hieraus nicht entnehmen. Es sei im Gegenteil eine aktuelle positive Entwicklung attestiert worden. Auch die Stellungnahme der Beratungsstelle vom 6. August 2018 deutet darauf hin, dass Ursache ein Anlass für die gegenwärtige wieder akut gewordene depressive Symptomatik mit Weinkrämpfen und Rückzugstendenzen nicht die derzeitige Namensführung, sondern eher die schwierige und konfliktreiche familiäre Gesamtsituation sei, auf die eine Namensänderung alleine keine Auswirkungen haben könne. Kinder könnten nicht völlig konfliktfrei ins Leben treten. Sie müssten im gewissen Umfang mit den mit einer Trennung der Eltern verbundenen Problemen – so auch mit einer etwaigen Namensverschiedenheit – zu leben lernen. Es sei Aufgabe der Sorgeberechtigten, dem Kind die Gründe für die Namensverschiedenheit und die der Namensführung zum Ausdruck kommende Verbundenheit mit dem anderen Elternteil zu erklären und nahezubringen. Es dränge sich der Eindruck auf, dass die Kindsmutter dem nicht nachkomme, sondern anlass- und situationsbezogen selbst bzw. durch Vorgaben oder Beeinflussung die Sachlage so darstellen lasse, um die erklärte Änderung des Familiennamens zu erreichen.
Mit Schreiben vom 15. Oktober 2018 ließ der Kläger mitteilen, die Prozessfähigkeit des Klägers sei gegeben, da der Beigeladene, der mittlerweile ebenfalls seinen Nachnamen in „U…“ geändert habe, bereits im Verfahren vor dem Amtsgericht – Familiengericht vom 25. September 2017 (Az. 2 F 730/17) mitgeteilt habe, dass er sein Einverständnis dazu erkläre, dass das gemeinsame Kind J… einen Antrag auf Abänderung des Familiennamens in den Namen „W…“ stelle. Aus Sicht des Klägers sei damit auch die Prozessführungsbefugnis umfasst. In einer Sitzung vor dem Amtsgericht A… vom 7. Januar 2019 schlossen die Mutter des Klägers und der Beigeladene unter anderem die Vereinbarung, dass der Beigeladene ausdrücklich die Mutter des Klägers dazu ermächtige, den Prozess beim Verwaltungsgericht Regensburg mit dem Az. RO 3 K 18.1279 des gemeinsamen Sohnes J… K… gegen die Stadt A… wegen Änderung des Nachnamens alleine zu führen.
Mit Schreiben vom 14. März 2019 führt die Beklagte weiter aus, die familiäre Gesamtsituation sei unbestritten außergewöhnlich, nachdem die Beteiligten innerhalb des Familienverbundes unterschiedliche Familiennamen führten. Eine noch existierende Namensbrücke bestehe für den Kläger zu keinem Elternteil mehr. Während allerdings der Name „K…“ bei der Kindsmutter mit Wiederannahme des Mädchennamens unwiederbringlich untergegangen sei, führe der Beigeladene den Namen „K…“ zumindest weiter als Geburtsnamen. Rein rechtlich bestehe die Möglichkeit, dass der Beigeladene den Geburtsnamen an den Ehenamen voranstelle oder anfüge. Der subjektiv verständliche Wunsch des Klägers auf Namensangleichung bei einer solchen Sachlage sei nicht als schutzwürdig anerkannt worden in der Rechtsprechung und im Schrifttum, da ein bloß vernünftiger, also einsehbarer verständiger Grund für eine Namensänderung aus privatem Interesse das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens grundsätzlich nicht zu überwiegen vermöge. Zwar wiege bei Kindern und Heranwachsenden der Gesichtspunkt der Beibehaltung des überkommenen Namens weniger schwer als bei Erwachsenen (Nr. 30 Abs. 4 S. 4 NamÄndVwV). Das bloße Interesse des minderjährigen Klägers an seiner namensmäßigen Integration in die Familie eines Elternteils könne die Namensänderung ohne hinzutretende Umstände zumindest nicht rechtfertigen (OVG Sachsen, B. v. 13.3.2013 – 3 A 657/11). Ferner könne nicht völlig unberücksichtigt bleiben, dass nach der Rechtsprechung des BGH das bürgerliche Recht demjenigen Elternteil, der das Sorgerecht infolge Todes des bisher allein sorgeberechtigten Elternteiles erwerbe, nicht erlaube, dem Kind seinen Namen zu erteilen (BGH, B. v. 10.8.2005 – XII ZB 112/05). Auch dies belege, dass das Interesse des Kindes an seiner namensmäßigen Integration in die Familie des anderen Elternteils – ohne dass weitere Umstände zuträten – nicht rechtfertigen könne (BayVGH, B. v. vom 9.4.2009 – 5 ZB 08.1184). Der minderjährige Kläger wohne offenbar vorwiegend in der Wohnung der Großeltern mütterlicherseits. Hierauf deute die im Vermerk des AG A… aufgenommene Anschrift „bei W…, P… Str. 15“ hin. Die häusliche Gemeinschaft zwischen Kläger und Kindsmutter bestehe offenbar nicht oder nur in begrenztem Maß. Das Namensänderungsrecht habe nicht die Aufgabe, vom Kläger als solche empfundene Defizite oder Mängel des bürgerlich rechtlichen Namensrecht auszugleichen oder zu korrigieren (BayVGH, B. v. 16.6.2010 – 5 ZB 09.1633). Die in den gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck kommenden Grundsätze der Namensführung, zu denen mitunter die Identifikationsfunktion des Namens gehöre, verlange nach Namenskontinuität, weshalb der Name nicht jeder Änderung der Verhältnisse anzupassen sei (BayVGH, B. v. 4.11.2014 – 5 C 14.2016). Greifbare Anhaltspunkte für die Annahme, dass das Wohl des minderjährigen Klägers eine Namensänderung erfordere, fehlten weiterhin. Die in der Stellungnahme der Beratungsstelle vom 6. August 2018 beschriebenen Symptome reichten allein für eine Namensänderung begründende derart erhebliche seelische Belastung nicht aus, zumal diese ihre Ursache nicht ohne Weiteres im Namen des Klägers finde. Der Kläger befinde sich aktuell wegen seiner Namensführung weder in ärztlicher noch in therapeutischer Behandlung. Eine benennbare psychische oder somatische Störung – etwa eine Traumatisierung oder psychosomatische Erkrankung, deren Symptome noch andauerten und durch eine Namensänderung gebessert oder überwunden werden könnten – werde nicht diagnostiziert. Ursache und Anlass für die vorgebrachte seelische Belastung seien vielmehr die Spannungen in der Familie. Die familiäre Gesamtsituation zeichne sich im Wesentlichen dadurch aus, dass die Beteiligten ihren Fokus fast ausschließlich auf die Namensänderung legten. In einem solchen Konfliktfall stelle die Kontinuität der Namensführung einen wichtigen Kindesbelang dar. Anderenfalls würde sich der Familienname des 12-jährigen Klägers ein drittes Mal ändern. Bei Vorlage belastbarer Nachweise für eine seelische Belastung des Klägers werde eine Änderung des Familiennamens in dem beantragten Sinn nach den Vorschriften des NamÄndG durchgeführt werden. Die Beklagte könne sich eine Einigung dahingehend vorstellen, dass der Kläger ein Gutachten der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Universitätsklinik Regensburg einhole.
Nach Stellungnahme der Klägerseite vom 2. April 2019 habe sich der Beigeladene offenbar nicht entschieden seinen Geburtsnamen, den jetzigen Ehenamen, vorzustellen oder anzufügen. Die psychische Belastung sei derart stark und auch auf die Namensführung „K…“ zurückzuführen, dass nur eine Abänderung des Namens eine Genesung ermögliche. Dies werde auch im Attest des behandelnden Psychologen H… vom 6. August 2018 zum Ausdruck gebracht. Der Kläger befinde sich in ärztlicher Behandlung. Er nehme regelmäßig Termine beim Psychologen durchschnittlich alle 14 Tage wahr. Die psychische Gesundheit des Klägers habe sich wieder verschlechtert. Dies sei auf die Namensführung zurückzuführen. Auch die Behauptung, der Kläger lebe hauptsächlich bei den Großeltern mütterlicherseits, sei unrichtig. Nachdem der Kläger gegen seinen Willen zur Schwester des Kindsvaters verbracht worden sei, habe er nach der Trennung der Eltern mit seiner Mutter zunächst bei deren Eltern in der P… Str. 15 gewohnt, für lediglich fünf Monate. Eine häusliche Gemeinschaft zwischen Kläger und Kindsmutter habe immer bestanden. Der Wunsch auf Namensänderung gehe vom Kläger aus. Kontakt zur Familie des Vaters bestehe nicht. Da auch die Kommunikationsmöglichkeit zwischen den Kindseltern nicht bestehe, habe auch der behandelnde Psychologe angeregt, dass die alleinige elterliche Sorge auf die Kindsmutter übertragen werde. Weshalb die Kontinuität der Namensführung für den Kläger wichtig sei, werde nicht begründet. Ebenso sei unklar, inwiefern sich der Familienname ein drittes Mal ändern würde. Der Kläger selbst könne kein Gutachten in Auftrag geben. Er sei schon finanziell dazu nicht in der Lage.
Hierauf entgegnete die Beklagte mit Schreiben vom 5. Juli 2019, es fehle nach wie vor an konkreten Umständen, die eine Namensänderung im Kindesinteresse als erforderlich erscheinen ließen. Allgemeine Belastungen aus einer Namensdifferenz von Kindern aus geschiedenen Ehen könnten eine Erforderlichkeit einer Namensänderung aus Gründen des Kindeswohls nicht begründen. Ein emotionales Bedürfnis, namensmäßig in die Familie der Mutter eingebunden zu sein, lasse das öffentliche Interesse an der Namenskontinuität nicht entfallen. Ansonsten wäre die Namensgebung in das Belieben der jeweiligen Sorgerechtsinhaber gestellt. Durch eine Namensänderung werde das Namensband auch zu der Verwandtschaft väterlicherseits zerschnitten. Nach dem Beschluss des OLG Stuttgart (v. 11.8.2010 – 16 UF 122/10 RN. 13) sei zu berücksichtigen, dass die Kontinuität der Namensführung nicht nur für die Eltern Bedeutung habe, sondern auch einen wichtigen Kindesbelang darstelle. Der Familienname dokumentiere nach außen hin die Abstammung des Kindes und habe damit auch identitässtiftenden Charakter. Er begleite die Lebensgeschichte seines Trägers und sei deshalb nicht allein aus der Perspektive der gegenwärtigen familiären Situation heraus zu beurteilen. Weder der NamÄndVwV noch der Rechtsprechung sei zu entnehmen, dass im Fall bestehender Namensdifferenz zu Mutter und Vater die Schwelle zur Namensänderung gleichsam herabgesetzt sein solle. Der Kläger habe im Verwaltungsverfahren die Möglichkeit gehabt, sich einer Begutachtung in der Kinder- und Jungendpsychiatrie zu unterziehen. Nachforschungen seitens der Beklagten seien nicht veranlasst. Die Amtsermittlungspflicht reduziere sich dort, wo ein Beteiligter es unterlasse, zur Aufklärung beizutragen, obwohl ihm dies möglich wäre. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung sei abzulehnen, weil die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren eindeutig zu verneinen seien. Nach einer Stellungnahme der Stadt A… – Amt für Soziale Dienste – vom 13. Mai 2019 werde aus sozialpädagogischer Sicht die vom Kind gewünschte Änderung des Familiennamens unverändert befürwortet. Dies sei in der Stellungnahme an das Familiengericht vom 20. September 2017 zum Ausdruck gebracht. Die Gründe seien ausführlich dargelegt. Nach der Stellungnahme der Klägerseite vom 25. Juli 2019 sei der innerfamiliäre Konflikt nicht beigelegt. Es habe ein Gespräch beim Jugendamt dahingehend stattgefunden, dass beide Kindseltern eine Umgangsbegleitung als nicht mehr für notwendig erachtet hätten. Allerdings habe bislang kein Umgang des Klägers mit dem Vater stattgefunden, da sich der Sohn weigere, Umgang mit dem Vater zu haben. Zwischen den Kindseltern sei abgesprochen, dass kein weiterer Druck aufgebaut werden solle. Die Kindsmutter teile dem Kindsvater die wichtigen Ereignisse im Leben des Sohnes telefonisch mit. Mehr Kontakt bestehe nicht. Der Sohn leide nunmehr umso mehr darunter, dass er nunmehr der Einzige in der Familie sei, der den Namen „K…“ trage. Es liege daher nicht der Fall vor, dass eine Namensverschiedenheit damit erklärt werden könne, dass der Kindsvater den Namen trage, den auch der Sohn habe. Zur Verwandtschaft väterlicherseits bestehe kein Kontakt. Sollte das Verwaltungsgericht der Ansicht sein, weiteren Beweis erheben zu wollen, werde dies angeboten, nämlich die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach Wahl des Gerichts. Der Kläger sei allerdings der Ansicht, dass dies nicht notwendig sei. Nach Stellungnahme der Beklagten vom 12. August 2019 räume die Klägerseite selbst ein, dass es noch zwei weitere Namensträger gebe, nämlich den Vater des Kindsvaters und eine Tante. Die Beweislast für die Namensänderung trage die Klägerseite. § 3 NamÄndG stelle mit der Formulierung der Erforderlichkeit bewusst eine hohe Hürde auf. Als für das Kindeswohl erforderlich sei eine Namensänderung nur zu sehen, wenn anderenfalls schwerwiegende Nachteile für das Kind zu befürchten wären.
Mit Schreiben vom 19. September 2019 teilte die Beklagte weiter mit, aus der Stellungnahme des Jugendamts vom 13. Mai 2019 gehe nicht hervor, dass die Namensänderung erforderlich sei. Auf entsprechende Bitte um Präzisierung habe das Jugendamt mitgeteilt, dass es sich nicht vertieft äußern könne, es sei durch die Fragestellung überfordert.
Auf die am 24. September 2019 bei Gericht eingegangene Stellungnahme der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern A… vom 23. September 2019 wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 25. September 2019 teilte die Klägerseite mit, aus gesundheitlichen Gründen sei es zwingend erforderlich, die Namensänderung zu gewähren.
Mit Schreiben vom 13. Oktober 2019 teilte der Beigeladene mit, sich den Beurteilungen der Stadt A… anzuschließen. Er sei derselben Meinung, dass die Namensänderung nicht dem Wohl des Kindes, sondern dem Willen der Mutter bzw. der Großeltern entspreche. Der Kläger habe dieselbe Problematik wie andere Trennungskinder auch, bei denen der Familienname auch nicht geändert werde. Der Beigeladene selbst habe sich in letzter Zeit mehrfach davon überzeugen können, da er durch den jüngsten Vorfall in der Schule mehrfach persönlichen Kontakt mit seinem Sohn gehabt habe. Die Gutachten von Herrn H… halte er nicht für aussagekräftig. Er sei überzeugt, dass seine Meinung durch Aussagen seitens der Mutter getrübt seien. Der Beigeladene habe mehrfach versucht, zu Herrn H… Kontakt aufzunehmen, diese Versuche würden aber nicht erwidert. Zur Entscheidung seines Namenswechsel sei es durch eine Absprache zwischen seiner jetzigen Frau und ihm gekommen. Er selbst habe zwar jetzt den Namen „U…“, der Name „K…“ bleibe aber dennoch der Geburtsname, zu dem er jederzeit zurückkehren könne. Dies sei bei einer Namensänderung des Sohnes nicht der Fall, da dann der Name „K…“ komplett verschwinden würde. Er sei vom Familiengericht A… aufgefordert worden, die Zustimmung zur Namensänderung zu geben. Es sei aber vorausgesetzt worden, dass der Kläger eine Therapie in der KJB A… beginne aufgrund seiner angegebenen psychischen Belastung. Da er dies abgelehnt habe und angegeben habe, dass es ihm gutgehe, habe der Beigeladene der Namensänderung widersprochen. Im Gutachten der KJB stehe, dass der Kläger ein ganz normal heranwachsendes Kind sei, dass die Trennung der Eltern nicht verarbeitet habe, was aber nicht den Familiennamen „K…“ betreffe. Der Namensänderung werde weiterhin nicht zugestimmt, da es das einzige Band zwischen der Familie sei, was derzeit bestehe. Jeglicher Umgang mit seinem Sohn habe bislang nicht stattgefunden trotz Absprachen mit der Mutter. Es werde gebeten, die Klage zur Namensänderung einzustellen, so dass der Sohn endlich zur Ruhe komme.
Einen eigenen Antrag hat der Beigeladene nicht gestellt.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung ist stattzugeben, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussichten bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114, 121 ZPO) und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtfertigen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet das Grundgesetz eine weitgehende Angleichung der Situation Bemittelter und Unbemittelter bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfG, B.v. 3.7.1973 – 1 BvR 153/69 – BVerfGE 35, 348, m.w.N.). Verfassungsrechtlich ist es unbedenklich, die Gewährung der Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (vgl. BVerfG, B.v. 13.3.1990 – 2 BvR 94/88 – BVerfGE 81, 347, 357). Die Auslegung und Anwendung des § 114 ZPO obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten, die dabei den – verfassungsrechtlich gebotenen – Zweck der Prozesskostenhilfe zu beachten haben. Diese Gerichte dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung jedoch nicht überspannen und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zum Gericht zu ermöglichen, verfehlen. Für den Erfolg eines Antrags auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs im Klageverfahren. Der Standpunkt eines Klägers muss hinreichend vertretbar sein (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 166 Rn. 8; Wache in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 114 Rn. 50).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs erscheint die Klage nicht von vorneherein aussichtslos oder mutwillig.
Der Beigeladene hat am 25. September 2019 vor dem Amtsgericht A… der Stellung des Antrags auf Namensänderung des Klägers in „W…“ zugestimmt. Ferner hat er unter dem 7. Januar 2019 die Kindsmutter zur Prozessführung bezüglich dieser Klage ermächtigt.
Die Voraussetzungen für die Namensänderung nach § 3 Abs. 1 NamÄndG dürften voraussichtlich nach bisheriger Aktenlage vorliegen.
Bei dem Begriff „wichtiger Grund“ im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der unbeschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliegt.
Bei der Auslegung des Begriffs „wichtiger Grund“ im Sinne von § 3 Abs. 1 NamÄndG kommt der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Namensänderungsgesetz vom 11. August 1980 in der Fassung vom 18. April 1986 (NamÄndVwV) die Bedeutung des Maßstabs zu, der bei der Prüfung der Frage nach dem Vorliegen eines wichtigen Grundes mit in die Betrachtung einbezogen werden muss. Diese Verwaltungsvorschrift ist von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats erlassen worden. Sie ist Ausdruck der im Geltungsbereich des Namensänderungsgesetzes bestehenden allgemeinen Anschauung. Sie bildet im gewissen Umfang ein Spiegelbild. Diese Anschauung lässt zugleich auch in etwa erkennen, von welchem Grundgedanken der Gesetzgeber bei der Aufnahme des Begriffs „wichtiger Grund“ in das Namensänderungsgesetz ausgegangen ist (vgl. VGH BW, U. v. 28.11.1996 – 13 S 3124/95 – juris). Gleichzeitig dient sie einer einheitlichen Auslegung des Begriffs durch die zuständigen Behörden unter Vermeidung von Ungleichbehandlung.
Bei der Namensänderung von Kindern ist das Wohl des Kindes als zentraler Aspekt zu berücksichtigen. Allerdings genügt etwa in Fällen von Scheidungshalbwaisen, bei denen der sorgeberechtigte Elternteil die Änderung des Namens für das Kind anstrebt, nicht, dass die Namensänderung für das Wohl des Kindes lediglich förderlich ist. Vielmehr liegt ein wichtiger Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG nur dann vor, wenn die Namensänderung für das Wohl des Kindes erforderlich ist (vgl. BVerwG v. 20.2.2002 – 6 C 18/01 – juris; BayVGH v. 9.4.2009 – 5 ZB 08.1184 – juris). Das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2942) schuf in § 1618 BGB für sog. Stiefkinderfälle die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Namensänderung durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten. Damit ist seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. Juli 1998 in sog. Stiefkinderfällen (jedenfalls so lange die Kinder unverheiratet sind und noch unter elterlicher Sorge stehen) die Notwendigkeit (und wohl auch die Möglichkeit) einer öffentlich-rechtlichen Namensänderung nach § 3 NamÄndG entfallen. Eine vergleichbare Vorschrift für Halbwaisenfälle wurde vom Bundestag aus dem Regierungsvorschlag nicht übernommen und fand somit keinen Eingang in das Bürgerliche Gesetzbuch. Ausnahmen vom Grundsatz der Namenskontinuität erschienen nicht als geboten. Die Bestimmung des Inhalts der Worte „wichtiger Grund“ im Sinn von § 3 NamÄndG muss die geänderten Wertvorstellungen des zivilrechtlichen Namensgesetzgebers berücksichtigen. Das Kindschaftsrechtsreformgesetz hat zwar die Möglichkeiten der Namensänderung nochmals erweitert. Andererseits wollte der Gesetzgeber mit den eingeräumten Möglichkeiten auch eine abschließende Regelung schaffen. Die üblichen familienrechtlichen Namensprobleme sollten damit alle erfasst sein. Die bekannten namensrechtlichen Probleme der Scheidungshalbwaisen hielt der Gesetzgeber für hinnehmbar. Hierbei dürfte eine Rolle gespielt haben, dass Fälle, in denen Eltern und ihre Kinder verschiedene Namen führen, nach dem Kindschaftsrechtsreformgesetz nicht ungewöhnlich sind und keinen Makel mehr darstellen sollen. Auch das ist eine Folge der vom Kindschaftsrechtsreformgesetz verwirklichten Gleichberechtigung der nicht ehelichen mit den ehelichen Kindern. In den Fällen der Scheidungshalbwaisen gab der Gesetzgeber der Namenskontinuität den Vorrang vor den üblichen Wünschen der ledigen allein sorgeberechtigten Elternteile und ihrer Kinder. Nach der gesetzgeberischen Wertung soll hier ein Abgehen von der Namenskontinuität nur in den Ausnahmefällen möglich sein, in denen die Namensänderung zum Wohl des Kindes erforderlich ist (vgl. hierzu insgesamt: BayVGH, U. v. 26.1.2001 – 5 B 00.2249 – StAZ 2001, 214 f. m.w.N.).
Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen ist auch die in zivilrechtlichen Regelungen (vgl. § 1618 BGB) zum Ausdruck kommende Intention des Gesetzgebers zu berücksichtigen, das namensrechtliche Band zwischen dem Kind und dem nicht sorgeberechtigten Elternteil, von dem es seinen Familiennamen ableitet, zu stärken. Erforderlichkeit der Namensänderung liegt vor, wenn das Wohl des Kindes die Änderung des Familiennamens auch bei angemessener Berücksichtigung der für die Beibehaltung des bisherigen Namens sprechenden Gründe gebietet. Welche Anforderungen insoweit zu stellen sind, bestimmt sich auch nach dem Gewicht der jeweils im Einzelfall entgegenstehenden Belange. Hat sich etwa der nicht sorgeberechtigte Elternteil, der seine Einwilligung zur Namensänderung versagt hat, um das Wohlergehen des Kindes nur wenig oder gar nicht gekümmert oder selbst infolge Wiederverheiratung einen neuen Namen angenommen, zu dem das Kind keine Beziehung hat, so wird er gegenüber einer Namensänderung des Kindes eigene schützenswerte Interessen im allgemeinen nicht ins Feld führen können (vgl. Nr. 40 NamÄndVwV). Aus der Interessengewichtung des nicht sorgeberechtigten Elternteils folgt ferner, dass eine Namensänderung nicht schon dann gerechtfertigt ist, wenn sie nur dazu dienen soll, dem Kind Unannehmlichkeiten zu ersparen, die mit der Namensverschiedenheit zum sorgeberechtigten Elternteil verbunden, aber ohnehin nur altersbedingt und damit vorübergehender Natur sind und die eine gedeihliche Entwicklung des Kindes nicht ernstlich beeinflussen. Kinder können nicht völlig konfliktfrei ins Leben treten; in gewissem Umfang müssen sie mit den mit einer Trennung ihrer Eltern verbundenen Problemen – so auch mit einer etwaigen Namensverschiedenheit auch nach der Wiederheirat oder der Wiederannahme eines vor der Ehe geführten Namens des sorgeberechtigten Elternteils – zu leben lernen (BVerwG a.a.O.).
Die öffentlich-rechtliche Namensänderung soll Unzuträglichkeiten im Einzelfall beseitigen, nicht aber die gesetzlichen Wertungen des Bürgerlichen Namensrechts revidieren (vgl. BVerfG v. 17.9.2008 – 1 BvR 1173/08 – juris Rn. 4) und dient nicht dazu, vermeidbare Versäumnisse aus der Vergangenheit aufzufangen und nachzubessern. Dass der Namensgebungsberechtigte die Namenswahl später bereut, kann das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens nicht rechtfertigen (vgl. Nr. 27 Abs. 1 NamÄndVwV).
Eine seelische Belastung kann nur dann als im Sinne von § 3 Abs. 1 NamÄndG „wichtiger Grund“ für eine Namensänderung angesehen werden, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist. Das setzt nicht voraus, dass die Belastung bereits den Grad einer behandlungsbedürftigen Krankheit oder Krise erreicht hat. Die Namensänderung kann auch dadurch gerechtfertigt sein, dass der Namensträger vor solchen Folgen bewahrt werden soll. Ist die seelische Belastung aber nur als übertriebene Empfindlichkeit zu werten, liegt kein wichtiger Grund vor (Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 11.01.2011 – 6 B 65.10 u.a. – Buchholz 402.10 § 3 NÄG Nr. 80 – Rn.15).
Im Vorliegenden sind voraussichtlich nach bisheriger Aktenlage die Voraussetzungen für eine Namensänderung gemessen an vorstehenden Ausführungen gegeben.
Die beiden aktuellsten psychologischen Stellungnahmen datieren vom 6. August 2018 und vom 23. September 2019 und wurden durch die Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern, H…, Dipl.-Psychologe, psychologischer Psychotherapeut und Leiter der Beratungsstelle erstellt. Zwar ist die Stellungnahme vom 6. August 2018 hinsichtlich der Erforderlichkeit der Namensänderung nicht hinreichend aussagekräftig, als es dort lediglich heißt: „M. E. sollte zum Wohl des Kindes die ursprüngliche Vereinbarung vollzogen werden.“ Herr H… bezieht sich insofern auf die zwischen den Eltern des Klägers getroffene Vereinbarung vom 25. September 2017, wonach der Kindsvater sein Einverständnis dazu erteilt, dass das gemeinsame Kind J… einen Antrag auf Abänderung seines Familiennamens in den Namen „W…“ stellt. Nach dieser Stellungnahme wird eine therapeutische Begleitung des Klägers seit Anfang August 2018 durchgeführt. Der Kläger habe seit Mai 2018 wiederholt depressive Phasen mit Weinkrämpfen und Rückzugstendenzen. Zudem äußerte er seine Wut gegenüber dem Vater eindrucksvoll nicht nur der Mutter, sondern auch gegenüber Herrn H… Herr H… wertet die Entscheidung des Vaters, sein Einverständnis zur Namensänderung zu widerrufen, dahingehend, dass der Vater seine Macht und Gewalt dem Kind und der Mutter gegenüber demonstriert. Er beschreibt, dass eine Verbesserung der Symptomatik beim Kläger eingetreten sei, seitdem dieser von der Vereinbarung gewusst habe, was zu einer Entlastung bei ihm geführt habe.
Aussagekräftig ist demgegenüber die ergänzende psychologische Stellungnahme vom 23. September 2019 der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern A… von H… Danach kam der Kläger seit August 2018 weiterhin zur Kindertherapie mit begleitender Beratung der Mutter. Die Termine hätten in der Regel im 14-tägigen Rhythmus stattgefunden. Dass der Kläger seither nicht mehr in Therapie ist, ergibt sich aus dem Schreiben nicht. Herr H… schildert zum einen bereits bestehende Symptome (depressive Verstimmungen, Rückzugstendenzen, aggressive Durchbrüche und Schulleistungsprobleme) und zudem neuere Entwicklungen in der Verhaltensweise des Klägers in der jüngsten Zeit (Fremdaggressionen gegenüber Mitschülern und Lehrkräften und zunehmende verbale Aggressionen gegenüber der Mutter). Herr H… schildert weiterhin, dass der Kläger es als Hauptursache empfinde, weiterhin einen von ihm „gehassten“ Namen zu tragen, nämlich „K…“. Seine Wut richte sich stark gegen den Vater. Der Beigeladene trage seit August 2018 den neuen Familiennamen „U…“, um sein Bedürfnis nach einem einheitlichen Familiennamen gemeinsam mit seiner jetzigen Frau und deren Kindern zu verwirklichen. Auch J… wünsche sich einen einheitlichen Familiennamen, dies lasse sich aber nur mit dem mütterlichen Familiennamen verwirklichen. Die Enttäuschung, dass weder die Mutter noch die Personen des Helfersystems ihm helfen könnten, drücke sich in aggressiver Verhaltensweise aus. J… empfinde seine Mutter als hilflos und die Helfer als „unehrlich“, da diese „immer nur reden und sich aber nichts tut“. Herr H… empfiehlt aufgrund der zunehmend aggressiven und abwertenden Ausdrucksform der Symptomatik dringend, dem Antrag zur Namensänderung zuzustimmen. Dies sei zwingend erforderlich, um eine Eigenwie auch Fremdgefährdung zu minimieren.
Dass Ursache und Anlass für die vorgetragene seelische Belastung des Klägers die Spannungen innerhalb der Familie sind, losgelöst von oder vorrangig vor dem Tragen des Namens „K…“, ergibt sich aus der aktuellen Stellungnahme vom 23. September 2019 gerade nicht. Hauptaugenmerk ist hierbei vielmehr auf das Tragen des „gehassten“ Namens „K…“ gerichtet.
Unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände ist die Namensänderung im Zusammenhang mit einer beim Kläger bestehenden seelischen Belastung verständlich und nachvollziehbar und für das Kindeswohl erforderlich. Der Kläger ist in Behandlung bei H…, auch wenn in dessen Stellungnahmen keine Diagnose angegeben wird. Nach o.g. Rechtsprechung ist aber auch nicht vorausgesetzt, dass die Belastung bereits den Grad einer behandlungsbedürftigen Krankheit oder Krise erreicht hat. Die Namensänderung kann auch dadurch gerechtfertigt sein, dass der Namensträger vor solchen Folgen bewahrt werden soll. Dass die dargestellte seelische Belastung des Klägers aber nur als übertriebene Empfindlichkeit zu werten ist, erschließt sich für die Kammer nicht.
In Anbetracht dessen spricht einiges nach derzeitiger Aktenlage dafür, dass die Klage erfolgreich ist, jedenfalls ist die Klage nicht von vornherein aussichtslos oder mutwillig.
Dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung war danach stattzugeben.
Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die ratenfreie Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Maßgabe von § 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO sind hinreichend dargetan.


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