Familienrecht

Obhutswechsel im vereinfachten Unterhaltsverfahren – Grober Verfahrensfehler

Aktenzeichen  2 WF 254/16

Datum:
20.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
RPfleger – 2017, 342
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 181, § 1629 Abs. 2 S. 1, S. 2, § 1713 Abs. 1 S. 2, § 1715 Abs. 2, § 1795 Abs. 1 Nr. 3
FamFG FamFG § 250 Abs. 2 S. 3, § 251 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3
ZPO ZPO § 51 Abs. 1, § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Die fehlende Zustellung des Festsetzungsantrages und der unterlassene Hinweis auf die Monatsfrist zur Erhebung von Einwendungen gem. § 251 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 FamFG stellen einen erheblichen Verfahrensfehler dar, der zur Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses führt. (amtlicher Leitsatz)
2. Wechselt ein vom Jugendamt als Beistand vertretenes Kind während eines laufenden vereinfachten Unterhaltsverfahrens in die Obhut des Antragsgegners, wird das Verfahren auch in Ansehung aufgelaufener Rückstände unzulässig (vgl. OLG Bamberg BeckRS 2014, 23238 mwN).   (redaktioneller Leitsatz)
3. Im vereinfachten Unterhaltsverfahren bedarf es nach Obhutswechsel zur Behebung eines Vertretungsmangels des Kindes im Beschwerdeverfahren des Antragsgegners keines Ergänzungspflegers, weil eine Verwerfung des Antrages des Kindes durch Beschluss auch gegen einen nicht verfahrensfähigen Beteiligten ergehen kann.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

54 FH 39/16 2016-10-06 Bes AGKULMBACH AG Kulmbach

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht – Kulmbach vom 06.10.2016 (54 FH 39/16) aufgehoben.
2. Der Antrag des Antragstellers zu 2) vom 28.07.2016 auf Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren wird zurückgewiesen.
3. Im Übrigen wird das Verfahren an das Amtsgericht – Familiengericht – Kulmbach zurückverwiesen.
4. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsteller zu 1) 43% und der Antragsteller zu 2) 57%.
5. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 11.076,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Die beiden Antragsteller sind die ehelich geborenen Kinder des Antragsgegners. Das Sorgerecht steht den Kindseltern auch nach zwischenzeitlicher Ehescheidung gemeinsam zu.
Mit Formularanträgen vom 28.07.2016 haben die beiden Antragsteller, vertreten durch das Landratsamt Kulmbach – Kreisjugendamt – als Beistand, jeweils die Festsetzung von Kindesunterhalt in Höhe von 100% des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes bzw. zweites Kind ab 01.08.2015 gegen den Antragsgegner beantragt. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Anträge am 10.08.2016 durch Einlegen in den zur vormaligen Wohnung des Antraggegners gehörenden Briefkasten unter der Anschrift K.-Straße … in C. war der Antragsgegner bereits nach P. (H.-Straße … ) verzogen, wo er nach wie vor wohnhaft ist. Der von Antragsgegner eingerichtete Nachsendeantrag wurde nicht beachtet.
Mit Beschluss vom 06.10.2016 hat das Amtsgericht antragsgemäß den Kindesunterhalt festgesetzt, da der Antragsgegner hiergegen – schon mangels Kenntnis vom Verfahren -keine Einwendungen erhoben hatte.
Gegen diesen ihm am 15.10.2016 unter seiner jetzigen Anschrift zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner mit am 28.10.2016 beim Amtsgericht eingegangenem Anwaltsschreiben Beschwerde eingelegt. Er beantragt, den Festsetzungsbeschluss aufzuheben und macht hierfür geltend, dass ihm die Antragsschrift nicht zugestellt worden sei. Weiterhin sei der Antragsteller zu 2) seit dem 21.11.2016 nunmehr bei ihm wohnhaft. Letzteres wurde auch seitens des Landratsamts (Beistand) bestätigt.
Der Beistand hat angekündigt, nach Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses die ordnungsgemäße Zustellung des Antrages des Antragstellers zu 1) vom 28.07.2016 zu beantragen.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, Zurückweisung des Festsetzungsantrags des Antragstellers zu 2) und im Übrigen zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Amtsgericht Kulmbach.
1. Der Beschluss ist schon deswegen aufzuheben, da es jeweils an der erforderlichen und ordnungsgemäßen Zustellung der Festsetzungsanträge gemäß § 251 Abs. 1 Satz 1 FamFG und infolgedessen jeweils am Hinweis gemäß § 251 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 FamFG mangelt, dass über den Unterhalt ein Festsetzungsbeschluss ergehen kann, aus dem der Antragsteller die Zwangsvollstreckung betreiben kann, wenn der Antragsgegner nicht innerhalb eines Monats Einwendungen in der vorgeschriebenen Form erhebt. Erst mit Zustellung des Antrags beginnt die Monatsfrist des § 251 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 FamFG zu laufen. Aus dieser Regelung ergibt sich weiterhin, dass vor Ablauf der Monatsfrist ein Festsetzungsbeschluss nicht ergehen darf. Mangels Zustellung des Antrages war daher die Festsetzung der Kindesunterhaltsbeträge mit der angefochtenen Entscheidung vom 06.10.2016 nicht zulässig. Diese fehlende Zustellung und der fehlende Hinweis auf die Monatsfrist zur Erhebung von Einwendungen stellt einen erheblichen Verfahrensfehler dar, der auf die Beschwerde des Antragsgegners zur Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses führt (vgl. auch OLG Schleswig, Beschluss vom 03.03.2003, 10 UF 251/02 – Juris; Keidel, FamFG, § 251 Rnr. 5). Nur mit der Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses kann dem auf Kindesunterhalt in Anspruch genommenen ermöglicht werden, alle ihm zustehende Einwendungen im Festsetzungsverfahren geltend zu machen.
2. Der Antrag des Antragstellers zu 2) auf Festsetzung von Kindesunterhalt im vereinfachten Verfahren ist jedoch zurückzuweisen, da der Antragsteller zu 2) nicht verfahrensfähig und auch nicht ordnungsgemäß vertreten, der Antrag auf Festsetzung von Kindesunterhalt somit unzulässig ist. Der Antragsteller zu 2) wohnt seit dem 21.11.2016 beim Antragsgegner und befindet sich in dessen Obhut. Damit ist zum einen die gesetzliche Vertretung der bis dahin betreuenden Kindsmutter für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB weggefallen, wie auch die Vertretung durch einen Beistand wegen Beendigung der Beistandschaft aufgrund Obhutswechsels gemäß §§ 1715 Abs. 2, 1713 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dies gilt hinsichtlich aller geltend gemachter Unterhaltsansprüche, also auch derer, die bis zum Obhutswechsel bereits fällig worden sind (OLG Bamberg FamRZ 2014, 2014 m. w. N.).
Der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der Antragsabweisung steht nicht entgegen, dass der Antragsteller zu 2) im Beschwerdeverfahren ebenfalls nicht ordnungsgemäß vertreten ist. Eine Vertretung durch den Antragsgegner scheidet gemäß §§ 51 Abs. 1 ZPO, 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 1 Nr. 3, 181 BGB aus, da dieser selbst Beteiligter auf der Gegenseite des Verfahrens ist. Der Bestellung eines Ergänzungspflegers erst im Beschwerdeverfahren bedurfte es nicht. Eine Abweisung wegen Unzulässigkeit des Antrags durch Beschluss kann auch gegen einen nicht verfahrensfähigen Beteiligten ergehen (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Auflage, § 56 Rnr. 11).
IV. Bezüglich des Antrags des Antragstellers zu 1), ist das Verfahren gem. §§ 117 Abs. 2 FamFG, 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO an das Amtsgericht – Familiengericht – Kulmbach zurückzuverweisen, das insgesamt auch über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu entscheiden hat. Die Erklärung des Beistands, nach Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses die Zustellung des Festsetzungsantrages des Antragstellers zu 1) zu beantragen, ist als Zurückverweisungsantrag auszulegen, da nur so nach Aufhebung der angefochtenen Entscheidung ein solches Begehren noch angebracht werden kann.
Gem. §§ 117 Abs. 2 FamFG, 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO kann der Zurückverweisungsantrag von jedem Beteiligten gestellt werden.
Da das Festsetzungsverfahren ab Eingang des Antrages insgesamt neu zu betreiben ist, sind auch die sonstigen Voraussetzungen für die Zurückverweisung erfüllt.
V. Die Festsetzung des Verfahrenswerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in §§ 40, 51 FamGKG. Am Gesamtverfahrenswert ist der Antragsteller zu 1) mit 4.751,00 Euro und der Antragsteller zu 2) mit 6.325,00 Euro beteiligt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG. Es ist angemessen, die beiden Antragsteller entsprechend ihrer Beteiligung am Verfahrenswert auch für die Kosten des Beschwerdeverfahrens haften zu lassen.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG sind nicht zu Tage getreten. Im Übrigen ist eine Antragszurückweisung nicht anfechtbar, § 250 Abs. 2 Satz 3 FamFG.
Der Senat kann gemäß §§ 68 Abs. 3 Satz 2, 117 Abs. 3 FamFG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

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