Familienrecht

Prozesskostenhilfeantrag

Aktenzeichen  L 11 AS 687/18 B PKH

Datum:
6.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 17809
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 73a
ZPO § 118 Abs. 1 Satz 1

 

Leitsatz

Frühestmöglicher Zeitpunkt einer Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist – soweit kein Ausnahmefall vorliegt – die Abgabe der Stellungnahme durch den Antragsgegner und die Übersendung der Akten. (Rn. 12)

Verfahrensgang

S 17 AS 486/18 ER 2018-05-25 Urt SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 25.05.2018 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Streitig war im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Gewährung eines Darlehens zur Begleichung von Mietschulden.
Mit Bescheid vom 19.12.2017 bewilligte der Antragsgegner (Ag) dem Antragsteller (ASt) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.02.2018 bis 31.01.2019. Die darin enthaltenen Kosten für Unterkunft und Heizung sollten direkt an den Vermieter überwiesen werden. Tatsächlich jedoch wurde das gesamte Alg II an den ASt ausgezahlt.
Mangels Mietzahlungen erfolgte mit Schreiben des Vermieters vom 09.05.2018 die fristlose Kündigung des Mietvertrages. Der ASt begehrte vom Ag mit Schreiben vom 09.05.2015 (20.38 Uhr) unter Fristsetzung bis 14.05.2018 (Montag) eine Prüfung, weshalb die Miete nicht – wie vereinbart – direkt an den Vermieter überwiesen worden sei. Mit Schreiben vom 15.05.2018 beantragte er die Übernahme der Mietschulden als Zuschuss.
Am 16.05.2018 gewährte der Ag ein Darlehen an den ASt, das zur Begleichung der Mietschulden direkt an den Vermieter überwiesen werde (Darlehensbescheid vom 16.05.2018).
Bereits am 15.05.2018 hat der ASt einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Nürnberg (SG) dahingehend begehrt, dass der Ag ein Darlehen in Höhe der Mietschulden unter Auszahlung direkt an den Vermieter zu erbringen habe. Zugleich hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt und den Fragebogen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorgelegt. Einstweiliger Rechtsschutz sei wegen der fristlosen Kündigung mit einer Räumungsfrist bis 31.05.2018 zu gewähren. Der Ag hat mit Übersendung der Akten am 23.05.2018 innerhalb der vom SG gesetzten, kurzen Frist Stellung genommen und mitgeteilt, dass ein Darlehen zur Begleichung der Mietschulden bewilligt und an den Vermieter überwiesen worden sei.
Den Antrag auf Bewilligung von PKH hat das SG mit Beschluss vom 25.05.2018 abgelehnt. Bereits im Zeitpunkt der Antragstellung habe keine hinreichende Erfolgsaussicht bestanden, denn der ASt hätte zunächst eine normale Bearbeitungszeit durch den Ag abwarten müssen. Die gesetzte Frist sei unter Berücksichtigung des Feiertages am 10.05.2018 und des Wochenendes zu kurz gewesen. Die Rechtsverfolgung sei auch mutwillig gewesen. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat der ASt am 28.05.2018 für erledigt erklärt.
Gegen den Beschluss vom 25.05.2018 hat der ASt Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhoben. Wegen der besonderen Dringlichkeit habe er eine Frist von lediglich zwei Werktagen gesetzt und diese sei auch unter Berücksichtigung des Brückentages angemessen gewesen. Der Ag habe sich erst nach Ablauf der Frist am 16.05.2018 bei ihm gemeldet. Die Erfahrung zeige, dass der Ag erst nach erheblicher zeitlicher Verzögerung auf Anträge reagiere.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz – SGG-) ist zulässig, aber unbegründet. Mangels hinreichender Erfolgsaussicht besteht kein Anspruch auf die Bewilligung von PKH.
Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 – B 13 RJ 83/97 R – SozR 3-1500 § 62 Nr.19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. § 73a Rn.7ff.) ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH-Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im PKH-Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 – 1 BvR 1523/92 – NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als „schwierig“ erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 – BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres Begehrens PKH vorzuenthalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 – 1 BvR 1807/07 – NJW 2008, 1060ff).
Maßgebend für die Beurteilung der Erfolgsaussichten sind dabei grundsätzlich die Verhältnisse und der Kenntnisstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Beschwerde (Peters/ Sauter/Wolff, SGG, 4.Aufl., § 176 Rn. 4). Ein früherer Zeitpunkt kommt allenfalls dann in Betracht, wenn sich die Entscheidung über den PKH-Antrag verzögert hat und eine Änderung zum Nachteil des ASt eingetreten ist (vgl. Schmidt a.a.O., § 73a Rn. 7d; vgl. dazu auch bereits: Beschluss des Senates vom 30.10.2008 – L 11 B 741/08 AS PKH). Die formalen Voraussetzungen zur Entscheidung über die Bewilligung von PKH sind nach Vorlage des ausgefüllten Fragebogens zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen dann erfüllt, wenn dem Ag innerhalb einer ihm gesetzten Frist die Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme gegeben wurde, soweit dies aus besonderen Gründen nicht unzweckmäßig erscheint (§ 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Rechtliches Gehör muss grundsätzlich gewährt werden (vgl. Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 37.Aufl., § 118 Rn. 2). Der Besonderheit des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens kann dabei durch Setzung einer kurzen Frist zur Stellungnahme Rechnung getragen werden. Ein Verzicht auf die Gewährung rechtlichen Gehörs im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahren kommt wegen der verfassungsrechtlichen Verankerung dieses Rechts (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz) nur in besonderen Ausnahmefällen, keinesfalls aber generell in Betracht. Eine Stellungnahme ist auch in der Regel zur Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussichten und der Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse neben der Vorlage der Akten des Ag erforderlich.
Vorliegend haben sich die Verhältnisse hinsichtlich der Erfolgsaussichten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens durch die Gewährung eines Darlehens zum Nachteil des ASt spätestens am 23.05.2018 (Eingang der entsprechenden Stellungnahme des Ag beim SG) geändert; der Darlehensbescheid selbst datiert bereits vom 16.05.2018). Ab diesem Zeitpunkt bestand keine hinreichende Erfolgsaussicht mehr für das eingeleitete Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Der Besonderheit des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens hat das SG dadurch Rechnung getragen, dass es dem Ag eine sehr kurze Frist von einer Woche zur Stellungnahme gesetzt hat. Ein Verzicht auf eine Stellungnahme kam vorliegend nicht in Betracht, denn die Räumungsfrist lief noch bis 31.05.2018. Eine Sondersituation, in der die Anhörung ausnahmsweise entfallen könnte (vgl. § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO), findet sich damit vorliegend nicht (vgl. zum Ganzen: Beschluss des Senates vom 25.05.2016 – L 11 AS 276/16 B PKH -, aber auch BayLSG, Beschluss vom 11.04.2016 – L 10 AL 7/16 B PKH -).
Somit konnte das SG nicht vor dem 23.05.2018 über den Antrag auf Bewilligung von PKH entscheiden. Danach ist jedoch keine weitere Änderung zum Nachteil des ASt eingetreten. Zu diesem frühestmöglichen Zeitpunkt einer Entscheidung des SG aber bestanden aufgrund des vom Ag bereits bewilligten Darlehens keine hinreichenden Erfolgsaussichten mehr.
Unabhängig davon hatte sich der ASt mit dem im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens erhobenen Begehren nach einem Darlehen bislang noch nicht an den Ag gewandt. Mit Schreiben vom 09.05.2018 (inklusive kurzer Frist bis 14.05.2018) hat er den Ag lediglich um Stellungnahme gebeten und mit Schreiben vom 15.05.2018 hat er vom Ag einen Zuschuss – nicht ein Darlehen – begehrt. Damit hat der ASt einstweiligen Rechtsschutz begehrt, ohne sich mit einem entsprechenden Antrag zuvor an die Verwaltung gewandt zu haben. Ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf einstweilige Anordnung besteht in der Regel aber nur, wenn sich der ASt zuvor an die Verwaltung gewandt, er einen Antrag auf Leistungen gestellt und die normale Bearbeitungszeit abgewartet hat (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt a.a.O., § 86b Rn. 26b). Das Begehren nach einem Darlehen hatte aber der ASt bislang noch nicht an den Ag gerichtet.
Offengelassen werden kann nach alldem, ob die Rechtsverfolgung durch den ASt als mutwillig anzusehen ist. Ob der Ag Anlass zur Einleitung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gegeben hat, kann allenfalls im Rahmen einer zu treffenden Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren (hier: einstweiliges Rechtsschutzverfahren) berücksichtigt werden.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).


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