Familienrecht

Rückführung eines Kindes in die USA – Vaterschaft und elterliche Sorge bei unverheirateten Eltern (hier: Kentucky)

Aktenzeichen  7 UF 829/21

Datum:
25.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 37129
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HKÜ Art. 3, Art. 12 Abs. 1, Art. 13
IntFamRVG § 40 Abs. 2
Kentucky Revised Statutes § 213.046, § 405.020, § 406.025
FamFG § 159 Abs. 4 S. 3

 

Leitsatz

Zu den Bestimmungen des Rechts des Bundesstaates Kentucky/USA zum Sorgerecht bei unverheirateten Eltern und deren Auslegung im Lichte der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der USA. (Rn. 22 – 23)
1. Hat eine unverheiratete Mutter ein Kind geboren, ist gem. § 213.046 (10) (a) Kentucky Revised Statutes (KRS) der Name des Vaters in die Geburtsurkunde aufzunehmen, wenn der Vater nach der Geburt durch Abgabe eines sog. „Acknowledgement of Paternity“ seine Vaterschaft anerkannt hat. Dieses „Acknowledgement of Paternity“ entfaltet die gleiche Rechtswirkung wie ein Urteil, das die Elternschaft feststellt (§ 213.046 (4) iVm § 406.025 (1), (2) KRS). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der USA zur gemeinschaftlichen elterlichen Sorge unverheirateter Eltern und den Rechten des biologischen Vaters, wonach die gemeinsame elterliche Sorge das zwingende Grundmodell ist, von dem erst durch eine spätere Sorgerechtsvereinbarung oder durch richterlichen Gestaltungsakt abgewichen werden kann, ist bei der Auslegung des Gesetzestextes des § 405.020 (1) KRS: „The father and mother shall have the joint custody, […] of their children who are under the age of 18“ Geltung zu verschaffen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Ablehnungsgrund nach Art. 13 HKÜ für eine Rückgabe, die wegen der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind zu unterbleiben hätte, bezieht sich nur auf absolut zwingende Ausnahmen, wobei an das Ausmaß der Gefährdung strenge Anforderungen zu stellen sind (BeckOGK/Markwardt, 1.9.2021, HKÜ Art. 13 Rn. 19). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Anhörung eines dreijährigen Mädchens kann ohne die Anwesenheit einer erkrankten und entschuldigten Verfahrensbeiständin erfolgen, wenn diese der Anhörung des Kindes nicht widerspricht und das Kind ohne weiteres bereit ist, dem Gericht in altersangemessener Weise Fragen zu beantworten. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

103 F 1388/21 2021-07-29 Bes AGNUERNBERG AG Nürnberg

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Nürnberg vom 29.07.2021, Az.: 103 F 1388/21, aufgehoben.
2. Der Antragsgegnerin wird Gelegenheit gegeben, das Kind F… A…S…, geb. am …, bis zum 25.11.2021 in die Vereinigten Staaten von Amerika zurückzuführen.
3. Führt die Antragsgegnerin das Kind nicht bis zum 25.11.2021 in die Vereinigten Staaten von Amerika zurück, ist sie und jede andere Person, bei der sich das Kind aufhält, verpflichtet, das Kind F… A… S…, geb. am …, an den Antragsteller oder eine von diesem bestimmte Person zum Zwecke der Rückführung in die Vereinigten Staaten von Amerika herauszugeben.
4. Die Antragsgegnerin wird darauf hingewiesen, dass gegen sie im Falle der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung nach Ziff. 3 dieses Beschlusses ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 25.000 Euro sowie Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angeordnet werden kann.
5. Zum Vollzug von Ziff. 3 (Herausgabe) wird ferner angeordnet:
a) Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt und ermächtigt, das in Ziff. 2 genannte Kind der Antragsgegnerin oder jeder anderen Person, bei der es sich aufhält, wegzunehmen und es dem Antragsteller oder einer von ihm bestimmten Person zu übergeben.
b) Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt und ermächtigt, zur Durchsetzung der Herausgabe des Kindes unmittelbaren Zwang gegen die Antragsgegnerin oder jede andere auf Grund dieses Beschlusses herausgabepflichtige Person und erforderlichenfalls nach § 90 Abs. 2 FamFG auch gegen das Kind anzuwenden.
c) Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt und ermächtigt, zur Durchsetzung des vorliegenden Beschlusses die Wohnung der Antragsgegnerin und die Wohnung jeder anderen Person, bei der sich das Kind aufhält, zu betreten und zu durchsuchen.
d) Der Gerichtsvollzieher wird ermächtigt, die vorgenannten Vollstreckungsmaßnahmen auch zur Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen vorzunehmen.
e) Der Gerichtsvollzieher wird ermächtigt, zur Durchsetzung der Anordnungen in diesem Beschluss im Bedarfsfall die Unterstützung der Polizei in Anspruch zu nehmen.
6. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten erster und zweiter Instanz findet nicht statt. Die Gerichtskosten der ersten und zweiten Instanz tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin je zur Hälfte.
7. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro
festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers richtet sich gegen eine abschlägige Entscheidung über die Rückführung seines Kindes in den Bundesstaat Kentucky/USA durch das Amtsgericht Nürnberg.
I.
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die nicht verheirateten Eltern des Kindes F… A… S…, geb. am … Der Antragsteller hat die amerikanische Staatsangehörigkeit, die Antragsgegnerin und das Kind haben sowohl die amerikanische als auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Eltern waren und sind nicht miteinander verheiratet.
Die Eltern lebten nach der Geburt des Kindes noch einige Monate zusammen in den USA, im Bundesstaat Kentucky. Nach der Trennung betreuten die Beteiligten das Kind zu gleichen Teilen, wobei F… von Mittwoch bis Samstagabend oder Sonntag früh beim Antragsteller und von Sonntag bis Mittwoch früh bei der Antragsgegnerin lebte.
Der Antragsteller macht geltend, er habe am Mittwoch, den 06.05.2020 festgestellt, dass die Antragsgegnerin das Kind gegen seinen Willen nach Deutschland verbracht habe, um hier auf Dauer mit dem Kind zu leben. Eine Adresse, unter der sich die Antragsgegnerin mit dem Kind in Deutschland aufhalte, habe er nicht. Dadurch habe die Antragsgegnerin das Mitsorgerecht des Antragstellers verletzt. Nach Kap. 405 des Familiengesetzbuches des Staates Kentucky „Kentucky Revised Statutes“ stehe den Eltern die elterliche Sorge für minderjährige Kinder gemeinsam zu. Der Antragsteller habe das ihm zustehende Mitsorgerecht auch tatsächlich ausgeübt und das Kind hälftig betreut. Das Kind habe seinen bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort in den USA gehabt und sei gem. Art. 12 Abs. 1 S.a, 3 HKÜ dorthin zu verbringen.
Durch seine Verfahrensbevollmächtigte beantragte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 30.04.2021, beim Amtsgericht eingegangen am selben Tag, beim Amtsgericht Nürnberg – Familiengericht – folgendes:
1. Die Herausgabe des Kindes F… A… S…, geb. am …, an den Antragsteller zum Zwecke der sofortigen Rückführung des Kindes in die USA wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin oder jede andere Person, bei der sich das Kind aufhält, ist verpflichtet, das vorgenannte Kind an den Antragsteller oder eine von ihm bestimmte Person herauszugeben.
2. Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt, das Kind der Antragsgegnerin wegzunehmen und es dem Antragsteller oder einer von ihm bestimmten Person an Ort und Stelle zu übergeben.
3. Das Gericht ermächtigt den Gerichtsvollzieher zur Durchsetzung dieser Anordnung Gewalt zu gebrauchen, insbesondere den Widerstand der Antragsgegnerin zu überwinden, ihre Wohnung zu durchsuchen und sich der Unterstützung der Polizei zu bedienen.
4. Die sofortige Vollziehbarkeit der Entscheidung wird angeordnet.
Der Antrag konnte der Antragsgegnerin unter der in der Antragsschrift bezeichneten Adresse nicht zugestellt werden. Eine EMA-Anfrage ergab, dass sie seit 24.04.2021 unter dieser Adresse nicht mehr gemeldet war. Mit Beschluss vom 31.05.2021 wurde dem Kind eine Verfahrensbeiständin bestellt. Erst als die Antragsgegnerin sich selbst bei Gericht meldete, konnte ihr der Antrag am 12.06.2021 zugestellt werden.
Die Antragsgegnerin beantragte,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin und das Kind seien beide auch deutsche Staatsangehörige. Da die Beteiligten keine Sorgeerklärung abgegeben hätten, hätten die Antragsgegnerin das alleinige Sorgerecht für die gemeinsame minderjährige Tochter. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Antragsteller mit Antrag vom 20.05.2020 bei einem amerikanischen Gericht einen Antrag auf gemeinsames Sorgerecht gestellt habe. Der Vater sei lediglich in der Geburtsurkunde als leiblicher Vater registriert, juristisch sei seine Vaterschaft allerdings noch nicht gefestigt. Kap. 405.020 des Familiengesetzbuches Kentucky, USA, besage nur, dass Vater und Mutter das gemeinsame Sorgerecht haben sollen („shall have“). Außerdem sei unklar, ob der Antragsteller seinen Antrag vor Ablauf der Jahresfrist gestellt habe, da die Antragsgegnerin sich bereits seit 04.05.2020 in Deutschland aufhalte. Bedenken bestünden auch im Hinblick auf Art. 13 Abs. 1 lit.b) HKÜ. Die Antragsgegnerin befürchte, dass der Antragsteller bei den US-Polizeibehörden gegen die Antragsgegnerin eine Strafanzeige wegen angeblicher Kindesentführung gestellt habe. Eine Rückkehr in die USA könne damit schnell zu freiheitsentziehenden Maßnahmen führen, was zur Folge hätte, das die Tochter von ihr als engster Bezugsperson getrennt werden könnte. Dies sei mit der schwerwiegenden Gefahr eines seelischen Schadens für das Kind verbunden.
Daraufhin entgegnete der Antragsteller, er habe noch im Krankenhaus im Formular KRS 213.046 zusammen mit der Antragsgegnerin die Vaterschaft festgelegt. Da diese Erklärung nicht innerhalb von 60 Tagen angefochten worden sei, gelte er gem. KRS 406.091 als Vater des Kindes. Dieses trage im übrigen auch seinen Nachnamen. Nach dem Recht des Bundesstaates Kentucky, KRS 405.201 hätten die Eltern automatisch die elterliche Sorge für ihre minderjährigen Kinder, ohne dass dies durch ein Gericht bestätigt werden müsse. Die traditionelle Regel, dass die elterliche Sorge für ein nichteheliches Kind der Mutter allein zustehe, sei bereits 1972 vom Supreme Court als verfassungswidrig außer Kraft gesetzt worden. Strafrechtliche Schritte habe er gegen die Mutter in den USA nicht eingeleitet.
Am 28.07.2021 fand vor dem Amtsgericht Nürnberg eine mündliche Verhandlung mit allen Beteiligten statt. Am 29.07.2021 wies das Amtsgericht Nürnberg – Abteilung für Familiensachen – den Antrag des Antragstellers auf Rückführung des Kindes zurück. Der Antrag sei unbegründet, da das Verbringen des Kindes nach Deutschland nicht widerrechtlich im Sinne des Art. 3 HKÜ gewesen sei. Aus der Gesamtschau der vorliegenden Gesetze und Unterlagen gehe das Gericht von der alleinigen elterlichen Sorge der Antragsgegnerin für F… aus. Zwar bestehe eine gesetzliche Vermutung, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl entspreche, es könne aber nicht abgeleitet werden, dass die nichtverheirateten Eltern ohne einen förmlichen Akt automatisch die gemeinsame elterliche Sorge per Gesetz haben. Dafür spreche auch der Antrag des Antragstellers bei Franklin Circuit Court auf Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge, welcher erst nach der Ausreise der Antragsgegnerin gestellt worden war.
Der Beschluss wurde der Antragstellervertreterin am 05.08.2021 zugestellt. Diese legte dagegen am 19.08.2021 beim Amtsgericht Nürnberg für den Antragsteller Beschwerde ein, mit dem Antrag, den Beschluss vom 29.07.2021 aufzuheben, die Herausgabe des Kindes F… A… S…, geb. am …, an den Antragsteller zum Zwecke der sofortigen Rückführung des Kindes in die USA anzuordnen und weitere Bestimmungen zur Vollziehung der Anordnung zu treffen. Weiter wiederholte der Antragsteller seine Anträge aus der ersten Instanz. Zur Begründung der Beschwerde führt er aus, das Verbringen und Zurückhalten des Kindes in Deutschland sei widerrechtlich, da der Antragsteller nach dem Recht des US-Bundesstaates Kentucky die gemeinsame elterliche Sorge zusammen mit der Antragsgegnerin innehabe. Dies ergebe sich aus der Vorschrift KRS 405.020, die im Original laute „The father and mother shall have the joint custody“, was zu übersetzen sei mit „Der Vater und die Mutter haben das gemeinsame Sorgerecht“. Außerdem ergebe sich aus der House Bill des Gouverneurs von Kentucky vom 26.04.2018, dass Eltern die gemeinsame elterliche Sorge haben, wenn sie ein minderjähriges Kind in den letzten sechs Monaten gemeinsam betreut haben. Dies sei seit Anfang 2019 unstreitig der Fall gewesen.
Der Senat beauftragte mit Beschluss vom 06.09.2021 das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht ein Gutachten über die Fragen zu erstellen, ob nach dem Recht des Staats Kentucky / USA derjenige, der in der Geburtsurkunde eines nichtehelichen Kindes als Vater eingetragen ist, der rechtliche Vater des Kindes sei und ob nach dem Recht dieses Staates der rechtliche Vater ohne weiteren Gestaltungsakt die elterliche Sorge für das Kind innehabe. Dieses legte der innerhalb des Max-Planck-Institutes zuständige Priv.-Doz. Dr. R… K… unter dem 27.09.2021 vor. Am 13.10.2021 fand vor dem Oberlandesgericht ein Anhörungstermin statt, zu dem auf Antrag der Antragsgegnerin auch der Sachverständige geladen war. Das Kind wurde durch den Senat ebenfalls persönlich angehört.
II.
Die gemäß § 40 Abs. 2 IntFamRVG, §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Aufgrund der eruierten Rechtslage war der Beschluss des Amtsgerichts aufzuheben und die Rückführung des Kindes F… anzuordnen.
1. Die Bundesrepublik Deutschland und die USA sind Vertragsstaaten des HKÜ. Das HKÜ ist zwischen diesen beiden Staaten seit dem 1.12.1990 anwendbar. Das Verbringen des Kindes F… A… S…, geb. am …, durch die Antragsgegnerin am 04.05.2021 aus den USA nach Deutschland war widerrechtlich im Sinne des Art. 3 HKÜ, da dadurch das Mitsorgerecht des Antragsgegners verletzt wurde.
a) Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes F… A… S… war unstreitig seit seiner Geburt bis zur Ausreise in den Vereinigten Staaten von Amerika.
b) Die Frage der elterlichen Sorge ist nach Art. 3 HKÜ nach amerikanischem Recht, hier dem des Bundesstaats Kentucky, zu bestimmen. Der Senat hat sich diesbezüglich selbst im Hinblick auf die anzuwendenden Normen kundig gemacht und folgt den überzeugenden, stringenten und stichhaltigen Ausführungen des Sachverständigen Dr. R… K… im Hinblick auf deren Auslegung und Anwendung.
c) Nach dem Recht des Bundesstaats Kentucky haben die beiden Eltern die gemeinsame elterliche Sorge für das Kind F… Hat eine unverheiratete Mutter ein Kind geboren, ist gem. § 213.046 (10) (a) der Kentucky Revised Statutes der Name des Vaters in die Geburtsurkunde aufzunehmen, wenn der Vater nach der Geburt durch Abgabe eines sog. „Acknowledgement of Paternity“ seine Vaterschaft anerkannt hat. Ein derartiges „Acknowledegement of Paternity“ haben vorliegend beide Elternteile unterzeichnet und die Unterschriften wurden notariell beglaubigt. Da unstreitig auch eine Anfechtung innerhalb der gesetzlichen Frist nicht erfolgt ist, entfaltet das „Acknowledgement of Paternity“ die gleiche Rechtswirkung wie ein Urteil, das die Elternschaft feststellt (§ 213.046 (4) i.V.m. § 406.025 (1), (2) Kentucky Revised Statutes). Damit steht fest, dass der Antragsteller auch in rechtlicher Hinsicht der Vater des Kindes ist.
Gem. § 405.020 (1) der Kentucky Revised Statutes tragen Vater und Mutter eines Kindes die gemeinschaftliche elterliche Sorge. § 405.020 (1) der Kentucky Revised Statutes lautet: „The father and mother shall habe the joint custody, […] of their children who are under the age of 18. […]“. In diesem Gesetzestext spiegelt sich die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der USA im Hinblick auf die gemeinschaftliche elterliche Sorge unverheirateter Eltern sowie die Rechte des biologischen Vaters wider. Danach ist die gemeinsame elterliche Sorge das zwingende Grundmodell, von dem erst durch eine spätere Sorgerechtsvereinbarung oder durch richterlichen Gestaltungsakt abgewichen werden kann. Daher ist in diesem Zusammenhang die in § 405.020 der Kentucky Revised Statutes verwendete Formulierung „shall have“ als Anordnung einer zwingenden Rechtsfolge zu verstehen. Da jede andere Auslegung der Formulierung der gefestigten Rechtsprechung des obersten Gerichtshofs der USA entgegen stehen würde, vermögen auch der Hinweis des Antragsgegnervertreters auf einen vermeintlich entgegenstehenden Hinweis auf der Rückseite des Formblattes des „Acknowledgement of Paternity“ als auch auf den – hier nicht anwendbaren – „Plain Writing Act“, kein anderes Ergebnis zu begründen. Dass der Antragsteller nach der Ausreise der Antragsgegnerin mit dem Kind einen Antrag u.a. auf Feststellung der gemeinschaftlichen elterlichen Sorge bei dem Franklin Circuit Court gestellt hat, ist mit dem deutschen Rechtsverständnis der elterlichen Sorge zwar zunächst schwer zu verstehen, erklärt sich aber mit der klaren Aussage des Sachverständigen, dass es hier nicht darum gehe, die gemeinsame elterliche Sorge festzustellen, sondern darum Ausübungsregelungen bezüglich der gemeinsamen elterlichen Sorge zu treffen.
d) Unstreitig hat der Antragsteller vor dem Verbringen des Kindes nach Deutschland sein Sorgerecht auch ausgeübt.
2. Die sofortige Rückgabe des Kindes F… war gem. Art. 12 HKÜ anzuordnen. Der Antrag des Antragstellers auf Rückführung ging am 30.04.2021 beim Amtsgericht Nürnberg ein, damit ist die Jahresfrist gewahrt, die mit dem 04.05.2020, dem Verbringen des Kindes nach Deutschland, zu laufen begonnen hatte.
3. Ein Grund, die Rückgabe gem. Art. 13 HKÜ abzulehnen, lag nicht vor.
Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass die Rückgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden wäre. Dieser Ablehnungsgrund einer schwerwiegenden Gefahr kann sich nur auf absolut zwingende Ausnahmen beziehen. Daher sind an das Ausmaß der Gefährdung strenge Anforderungen zu stellen (BeckOGK/Markwardt, 1.9.2021, HKÜ Art. 13 Rn. 19). Die nicht näher substantierte Befürchtung der Antragsgegnerin, der Antragsteller habe gegen die Antragsgegnerin bei den US-Polizeibehörden Strafanzeige wegen angeblicher Kindesentziehung gestellt, reicht hierfür nicht aus. Der Antragsteller hat unzweideutig bestritten, dass er strafrechtliche Maßnahmen in den USA eingeleitet hat. Auch handelt es sich bei der Antragsgegnerin um eine amerikanische Staatsbürgerin, die lange Jahre in den USA gelebt hat und dort vernetzt und im Umgang mit staatlichen Behörden auch erfahren ist und etwaigen Anschuldigungen des Antragstellers nicht hilflos ausgeliefert wäre.
4. Der Senat hat nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden, das dreijährige Kind F… ohne die Anwesenheit der zum Anhörungstermin erkrankten und entschuldigten Verfahrensbeiständin anzuhören, da diese ihrer Entschuldigung der Anhörung des Kindes nicht widersprochen hatte und das Kind ohne weiteres bereit war, dem Senat in altersangemessener Weise Fragen zu beantworten.
III.
Kommt die Antragsgegnerin selbst ihrer Rückführungsverpflichtung nicht nach, hat sie das Kind zwecks Rückführung herauszugeben. Die Androhung der Ordnungsmittel sowie die Ermächtigung des Gerichtsvollziehers zur Gewaltanwendung beruhen auf den §§ 44 Abs. 1 und 2 IntFamRVG, 89 ff. FamFG.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 14 Nr. 2 IntFamRVG, § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG.
Die Festsetzung des Geschäftswertes hat ihre Rechtsgrundlage in § 14 Nr. 2 IntFamRVG, § 42 Abs. 3 FamGKG.
Ein Rechtsmittel gegen diese Endscheidung ist nicht gegeben. Der Beschluss ist damit rechtskräftig und wirksam.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG)


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