Familienrecht

Sorgerecht, Jugendamt, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Kinder, Antragsgegner, Festsetzung, Eltern, Einwilligung, Elternrecht, Mitwirkung, Sorge, Verfahrensbeistand, Eingriff, Vergangenheit, elterlichen Sorge, elterliche Sorge

Aktenzeichen  4 F 657/2

Datum:
29.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 48948
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Vermögenssorge sowie das Recht zur Antragstellung nach dem SGB VIII für die gemeinsamen minderjährigen Kinder^ …, geboren am und geboren am werden der Antragstellerin zur alleinigen Ausübung übertragen.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten des Verfahrens haben die Antragstellerin und der Antragsgegner je zur Hälfte zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens werden nicht erstattet.
4. Der Verfahrenswert wird auf 4.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Beteiligten streiten über das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder.
I.
Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind die mittlerweile geschiedenen Eltern der Kinder geboren am und geboren am Die Kinder leben bei der Antragstellerin. Der Antragsgegner lebt mittlerweile in der Türkei. Eine Rückkehr ist nicht beabsichtigt.
Der Antragstellerin wurde durch Beschluss vom 02.04.2013 im Verfahren durch das Amtsgericht Würzburg bereits das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden Kinder zur alleinigen Ausübung übertragen.
Die Antragstellerin beantragt nunmehr die Übertragung der elterlichen Sorge insgesamt.
Der Antragsgegner stimmt dem Antrag, soweit die Vermögenssorge und das Recht zur Antragstellung nach dem SGB VIII betroffen sind, zu. Im Übrigen beantragt er Antragsabweisung.
Das Gericht hat einen Verfahrensbeistand für die Kinder bestellt und sie sowie die Eltern persönlich angehört. Das Gericht hat außerdem das Jugendamt angehört.
Auf den Akteninhalt, insbesondere die Vermerke der Anhörung und Kindesanhörung vom 29.07.2021, wird vollumfänglich Bezug genommen.
II.
Die Entscheidung, durch die der Antragstellerin Teile der elterlichen Sorge übertragen wurden, beruht auf § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB. Bezüglich der Vermögenssorge und des Rechts auf Antragstellung nach dem SGB VIII hat der Antragsgegner der Übertragung zugestimmt.
Insoweit muss die elterliche Sorge auch nicht gemäß § 1671 Abs. 4 BGB auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden. Denn dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte, so dass der Antragstellerin die tenorierten Teilbereiche der elterlichen Sorge zu übertragen waren.
Im Übrigen entspricht es zur Überzeugung des Gerichts dem Kindeswohl am besten, wenn die gemeinsame elterliche Sorge aufrechterhalten bleibt.
Essentiell für die Antragstellerin und die Kinder ist es, dass die Antragstellerin alleine, ohne dass es der Mitwirkung des Vaters bedarf, handlungsfähig ist. Dies ist durch die Übertragung der tenorieren Teilbereiche auf die Antragstellerin zusätzlich zum Aufenthaltsbestimmungsrecht, welches sie bereits innehat, ausreichend gewährleistet, wenn berücksichtigt wird, dass der Antragsgegner am 02.05.2021 eine umfassende Sorgerechtsvollmacht, die insbesondere die Bereiche schulische Angelegenheiten und Gesundheitsfürsorge erfasst, erteilt hat.
Die Entscheidung ist zur Überzeugung des Gerichts auch mit dem Willen der betroffenen Kinder vereinbar. Diese haben jeweils klar zum Ausdruck gebracht, dass die Antragstellerin diejenige sein soll, die alleine Entscheidungen für sie treffen kann, ohne dass der Antragsgegnereingebunden werden muss. Genau dies wird durch die getroffene Entscheidung gewährleistet. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass den Kindern der Unterschied zwischen einer Sorgerechtsübertragung durch das Gericht und der Erteilung einer Sorgerechtsvollmacht durch den Antragsgegner begreiflich ist. Wichtig für die Kinder ist einzig und alleine, dass Ihre Mutter für sie entscheiden kann, was nunmehr gewährleistet ist. Genau das ist den Kindern zu vermitteln. Auf welcher Grundlage die Entscheidungsmacht übertragen wurde – durch Beschluss oder Vollmacht – ist mit den Kindern nicht zu thematisieren, als für diese allein das Ergebnis von Relevanz ist. Sie müssen nicht befürchten, dass der Vater in wichtige Entscheidungen einbezogen werden muss.
Hinzu kommt, dass nach den Darstellungen der Kinder auch in der Vergangenheit keine Entscheidungen zu treffen waren, in die der Antragsgegner hätte eingebunden werden müssen und die seinerseits blockiert worden wären. So konnte nur das Beispiel des Schullandheimaufenthalts nennen, zu dem die Einwilligung des Antragsgegners erforderlich gewesen wäre. Diese Einwilligung hat er laut erteilt.
Dass die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge In den übrigen Bereichen notwendig wäre, um der Antragstellerin die Handlungsfähigkeit an die Hand zu geben, die sie im Sinne des Kindeswohls benötigt, konnte nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt werden. Zwar mag die erteilte Vollmacht widerruflich sein. Insoweit hat der Antragsgegner allerdings bisweilen nicht auf diese, ihm zustehende Möglichkeit des Widerrufs hingewiesen. Vielmehr hat er durch seine Verfahrensbevollmächtigte mitteilen lassen, dass er von diesem Widerrufsrecht keinen Gebrauch machen wird.
Insgesamt war mithin ein weitergehender Eingriff in das dem Antragsgegner zustehende Elternrecht im Sinne des Kindeswohls nicht veranlasst, so dass der Antrag im Übrigen abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Es entspricht billigem Ermessen, die Kostenlast auf beide Beteiligte gleichermaßen zu verteilen.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 45 FamGKG.


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