Familienrecht

Versorgungsausgleich, Beschwerde, Beschaffenheit, Darlehensnehmer, Folgesache, FamFG, Darlehen, Verfahren, Ehescheidungsverfahren, Beweisaufnahme, Herausgabe, Vollstreckung, Auskunft, Zahlung, sofortige Beschwerde, sofortigen Beschwerde, Abwendung der Vollstreckung

Aktenzeichen  2 WF 119/21

Datum:
28.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 7094
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

001 F 59/18 2021-06-15 Bes AGKULMBACH AG Kulmbach

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Zwischenbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Kulmbach vom 15.06.2021, Az. 001 F 59/18, dahingehend abgeändert, dass festgestellt wird, dass die Y. Bausparkasse AG nicht berechtigt ist, die Vorlage der Originale der Bürgschaftsurkunde und der Eigentümererklärung vom 03.02.2011, jeweils Vertragsnummer …, zu verweigern.
2. Die YBausparkasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Der Antragsgegner wendet sich gegen einen Beschluss, mit welchem die Weigerung der Y-Bausparkasse AG zur Vorlage von Originalurkunden für eine von ihm beantragte Durchführung einer Schriftsachverständigenbegutachtung über die Echtheit seiner auf den Urkunden befindlichen Unterschriften für berechtigt erklärt worden ist.
Der angegriffene Beschluss ist in der Folgesache Versorgungsausgleich im vorliegenden Ehescheidungsverfahren des Amtsgerichts Kulmbach ergangen. Die beteiligten Ehegatten sind gemeinsam mit der Mutter des Antragsgegners Miteigentümer des Anwesens … Der Antragsgegner beantragt, von der Durchführung des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG abzusehen. Die Antragstellerin habe unberechtigt die Unterschriften des Antragsgegners auf einer Bürgschaftsurkunde und Eigentümererklärung vom 03.02.2011 angebracht. Hiervon habe er erstmals erfahren, als die Y-Bausparkasse AG ihn mit Schreiben vom 08.03.2019 auf Zahlung von rund 19.500,00 € für ein Darlehen des volljährigen Sohnes der Beteiligten in Anspruch genommen habe. Zur Abwendung der Vollstreckung in das gemeinschaftliche Haus habe er 13.000,00 € bezahlt. Die ihm von der Bausparkasse überlassenen Kopien der Erklärungen vom 03.02.2011 legte der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 21.10.2019 vor.
Zum Beweis der behaupteten Fälschung der Unterschriften des Antragsgegners durch die Antragstellerin beantragt der Antragsgegner die Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens sowie die Verpflichtung der Y-Bausparkasse AG, die Original-Urkunden der Bürgschaftserklärung und Eigentümererklärung vom 03.02.2011 zu diesem Zweck vorzulegen. Das diesbezügliche Einverständnis der Mutter des Antragsgegners als nicht am Verfahren beteiligter Person hatte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners der Bausparkasse mit Schreiben vom 14.04.2021 unter Vollmachtsvorlage mitgeteilt.
Die Y-Bausparkasse AG verweigerte zuletzt mit Schreiben vom 01.06.2021 die Vorlage der genannten Original-Urkunden unter Bezugnahme auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, da die Unterlagen ein Darlehensverhältnis zwischen ihr und einer dritten, am gerichtlichen Verfahren nicht beteiligten Person beträfen, welche ihr ausdrücklich die Herausgabe der Unterlagen untersagt habe. Der Antrag ziele auf die Erlangung von vermeintlichen Beweismitteln ab. Dem stehe das Bankgeheimnis entgegen.
Der Antragsgegner hält die Weigerung für unberechtigt. Der Umstand, dass dem Sohn der Beteiligten als Dritten ein Darlehen der Bausparkasse gewährt wurde, sei bereits gerichtsbekannt und bedürfe keiner Geheimhaltung mehr. Ob die Unterschriften des Antragsgegners auf den Erklärungen vom 03.02.2011 echt seien, sei keine Tatsache, auf die sich die Verschwiegenheitspflicht der Bausparkasse beziehen könne.
Das Amtsgericht hat mit Zwischenbeschluss vom 15.06.2021 den Antrag des Antragsgegners zurückgewiesen. Es hält die Weigerung der Bausparkasse, die Originale der Erklärungen vom 03.02.2011 vorzulegen, auf Grundlage von §§ 113 Abs. 1 S. 1 FamFG, 142 Abs. 2, 428, 371 Abs. 2 S. 2, 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für berechtigt. Der Bausparkasse komme hinsichtlich des Darlehensverhältnisses grundsätzlich ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners hinderten die bei den Akten befindlichen Kopien der Erklärungen vom 03.02.2011 nicht die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts. Denn für Urkunden und Augenscheinsobjekte komme es nicht nur auf den Inhalt an, sondern auf die Gesamtheit der Merkmale, bestehend aus Material und äußerem Erscheinungsbild. Für die Schriftvergleichung sei nicht der Inhalt einer Urkunde relevant, sondern das Material und die konkrete Beschaffenheit des auf ihr befindlichen handschriftlichen Schriftzuges. Hierüber gebe eine Kopie keinerlei Auskunft, so dass aus der entsprechenden Anwendung des Zeugnisverweigerungsrechts folge, dass die Y-Bausparkasse AG ihr Zeugnis hinsichtlich Material und konkreter Beschaffenheit der Erklärungen vom 03.02.2011 verweigern könne.
Gegen den ihm am 17.06.2021 zugestellten Beschluss legte der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 21.06.2021, beim Amtsgericht eingegangen am 22.06.2021, sofortige Beschwerde ein mit dem Antrag, den Zwischenbeschluss aufzuheben und festzustellen, dass die Y-Bausparkasse AG nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nicht berechtigt sei, die Vorlage der Original-Bürgschaftsurkunde vom 03.02.2011 und der Original-Eigentümererklärung vom 03.02.2011 zu verweigern. Die der Y-Bausparkasse AG anvertrauten Tatsachen im Sinne des § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO könnten sich nur auf den Inhalt der von ihr vorzulegenden Urkunden beziehen. Da die Urkunden jedoch bereits in Kopie vorliegen, bestehe in Bezug auf deren Inhalt kein Geheimhaltungsinteresse, auch nicht gegenüber dem Darlehensnehmer als dritter Person.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 23.06.2021 nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht Bamberg als Beschwerdegericht vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist nach §§ 30 Abs. 1 und 3 FamFG, 428, 142 Abs. 2, 383 Abs. 1 Nr. 6, 387 Abs. 1 und 3, 567 ff ZPO statthaft und insbesondere form- und fristgerecht beim Ausgangsgericht am 22.06.2021 eingegangen.
Sie hat auch in der Sache Erfolg, da die Y-Bausparkasse AG nicht berechtigt ist, die Vorlage der Original-Urkunden hinsichtlich Bürgschaftserklärung und Eigentümererklärung vom 03.02.2011 unter Berufung auf ihre Verschwiegenheitsverpflichtung gegenüber ihrem am Ehescheidungsverfahren nicht beteiligten Darlehensnehmer zu verweigern.
Die Vorschriften zur Urkundenvorlage durch einen Dritten nach §§ 428, 142 Abs. 1 und 2 ZPO für die vom Antragsgegner beantragte Schriftvergleichung durch einen Sachverständigen sind über § 30 Abs. 1 und 3 FamFG anwendbar. Denn die Beweisaufnahme soll in der Folgesache Versorgungsausgleich des Ehescheidungsverfahrens der Beteiligten stattfinden. Die im angegriffenen Beschluss in Bezug genommene Verweisungsnorm des § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG ist hingegen Familienstreitsachen und Ehesachen vorbehalten. Letztere sind in § 121 FamFG definiert. Unter § 121 Nr. 1 FamFG fallen nur Scheidungssachen, nicht Folgesachen. Die hier betroffene Folgesache Versorgungsausgleich steht mit der Scheidungssache im Verbund nach § 137 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Auf Versorgungsausgleichssachen nach §§ 217 ff FamFG sind die Regelungen des ersten Buchs des FamFG anwendbar. Die förmliche Beweisaufnahme ist in § 30 FamFG geregelt und verweist in die Beweisaufnahmevorschriften der ZPO.
Nach §§ 428, 142 Abs. 2 ZPO ist ein Dritter – und um einen solchen nicht am Verfahren Beteiligten handelt es sich vorliegend bei der YBausparkasse AG – nicht verpflichtet, eine in seinem Besitz befindliche Urkunde vorzulegen, wenn ihm dies nicht zumutbar oder er zur Zeugnisverweigerung nach §§ 383 bis 385 ZPO berechtigt ist. Auf letzteres beruft sich die YBausparkasse AG, nämlich auf das sog. Bankgeheimnis aus § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Danach sind Personen zur Zeugnisverweigerung berechtigt, denen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, in Betreff der Tatsachen, auf welche die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht. Bezüglich des Bankgeheimnisses ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass es sich auf kundenbezogene Tatsachen und Wertungen, die einem Kreditinstitut aufgrund, aus Anlass bzw. im Rahmen der Geschäftsverbindung zum Kunden bekannt geworden sind und die der Kunde geheim zuhalten wünscht, bezieht (vgl. BGH, 24.01.2006, BGHZ 166, 84, Juris Rn 35 mit weiteren Nachweisen; ebenso BGH, 27.02.2007, BGHZ 171, 180, Juris Rn 16).
Zwar sind die maßgebliche Bürgschafts- und Eigentümererklärung der Y-Bausparkasse AG aufgrund ihres Darlehensverhältnisses mit dem Sohn der Beteiligten übermittelt worden. Es handelt sich bei den Erklärungen jedoch um Sicherungsmittel, die das dem Sohn gewährte Darlehen absichern und von den beteiligten Ehegatten und der Mutter des Antragsgegners abgegeben worden sein sollen. Kundenbezogene Tatsachen – also Informationen bezogen auf den Darlehensnehmer selbst – enthalten diese nicht, außer dass das gewährte Darlehen in der Bürgschaftserklärung betragsmäßig samt Konditionen und Darlehensnehmer bezeichnet wird. Der Antragsgegner weist aber zu Recht darauf hin, dass diese Informationen ohnehin bereits durch die Übermittlung von Kopien der Sicherungsmittel offenbart und damit im Verfahren bekannt sind. Dem Antragsgegner geht es demgegenüber darum, mit der Vorlageverpflichtung Beweismittel zu erlangen, um seine Behauptung, er habe die Bürgschaftserklärung und Eigentümererklärung nicht unterschrieben, einem Sachverständigenbeweis zu unterziehen. Es geht ihm um die von ihm bestrittene Echtheit, nicht um den Inhalt der Urkunden. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Tatsache mit Bezug auf den Darlehensnehmer als Kunden der YBausparkasse AG.
Damit kann die YBausparkasse AG die Vorlage der Urkunden nicht unter Bezug auf ihre Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich kundenbezogener Tatsachen nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO verweigern.
III.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei, § 1 Abs. 1 S. 2 FamGKG, KV-Nr. 1912 FamGKG, so dass sich die Festsetzung eines Verfahrenswerts für das Beschwerdeverfahren erübrigt.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO.
Da zur Frage des Umfangs eines Zeugnisverweigerungsrechts nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO insbesondere bezogen auf die Vorlageverpflichtung von Urkunden keine hier einschlägige obergerichtliche Rechtsprechung existiert, hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung. Deshalb und zur Fortbildung des Rechts wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, § 574 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 ZPO.


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