Familienrecht

Verweisung bei isoliertem Prozesskostenhilfeverfahren (bejaht), Rechtsprechungsänderung, Arzthaftungsansprüche

Aktenzeichen  M 30 K0 21.1779

Datum:
17.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 26853
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GVG § 17a Abs. 2
GVG § 13
BGB §§ 630a ff.
BGB §§ 823 ff.

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II. Das Verfahren wird an das Landgericht München I verwiesen.

Gründe

I.
Per Telefax hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin am … März 2021 beim Verwaltungsgericht München einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegner auf Zahlung von 192.000,- € nebst Zinsen, Schmerzensgeld sowie Erstattung weiteren immateriellen und materiellen Schadens gestellt. Dem Begehren liege eine Operation der Antragstellerin im Haus der Antragsgegnerin zu 1) durch den Antragsgegner zu 2), assistiert vom Antragsgegner zu 3) am 4. August 2016 zugrunde, bei der die Nebenschilddrüsen der Antragstellerin ohne medizinische Indikation irreversibel geschädigt bzw. entfernt und dadurch erhebliche gesundheitliche Folgen bei der Antragstellerin verursacht worden seien. Zur Meidung der Einrede der Verjährung sei mit der Haftpflichtversicherung ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung bis zum … März 2021 vereinbart worden, nunmehr aber Klage geboten, nachdem die Versicherung eine Regulierung abgelehnt habe. Die Antragstellerin sei nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten ihrer Rechtsverfolgung zu tragen, weshalb Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten beantragt wird.
Nach richterlichem Hinweis und Anhörung zur Frage des eröffneten Rechtswegs hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Schreiben vom … April 2021 die Verweisung an das Landgericht München I beantragt. Der Bevollmächtigte der Antragsgegner trat dem mit Schreiben vom 19. April 2021 entgegen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte M 30 K0 21.1779 verwiesen.
II.
Nach § 173 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG ist die Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs festzustellen und das Verfahren nach Anhörung der Beteiligten an das zuständige Landgericht München I zu verweisen.
1. Für das dem Prozesskostenhilfeantrag zugrundeliegende Klagebegehren ist nicht der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO, sondern der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 13 GVG eröffnet. Schließlich macht die Antragstellerin Ansprüche aus Arzthaftung gemäß §§ 630a ff., 823 ff. BGB geltend. Für das Klageverfahren wäre somit das Landgericht München I gemäß § 71 Abs. 1 GVG i.V.m.§ 32 ZPO, Art. 4 Nr. 14 GerOrgG zuständig.
2. In Änderung der bisherigen Rechtsprechung des Gerichts kommt eine Verweisung auch bei sog. isolierten Prozesskostenhilfeverfahren in Betracht (a.A. noch im B.v. 15.1.2019 – M 30 K0 18.4658 – beck-online Rn. 18).
Während eine solche Verweisungsmöglichkeit in der obergerichtlichen Rechtsprechung bislang überwiegend verneint wurde (vgl. BayVGH, B.v. 29.9.2014 – 10 C 12.1609 – beck-online Rn. 25 ff. sowie B.v. 23.10.2008 – 5 C 08.2789 – beck-online; VGH Mannheim, B.v. 15.11.2004 – 12 S 2360/04 – beck-online; OVG Lüneburg, B.v. 12.12.2008 – 8 PA 105/08 – beck-online), hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 21. Oktober 2020 – XII ZB 276/20 – eine Verweisung auch in einem isolierten Prozesskostenhilfeverfahren für geboten erachtet (BGH, B.v. 21.10.2020 – XII ZB 276/20 – juris; vgl. auch OVG Greifswald, B.v. 30.12.2009. 3 O 133/09 – beck-online). Nach Darstellung der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung und Literaturmeinungen in den Randnummern 17 und 18 legt der Bundesgerichtshof seine rechtliche Auffassung in den Randnummern 19 bis 28 ausführlich dar. Im Wesentlichen wird ausgeführt, der Begriff „Rechtsstreit“ in § 17a Abs. 2 GVG umfasse nicht nur kontradiktorische Erkenntnisverfahren, sondern auch dem Erkenntnisverfahren vor-, nach- oder nebengelagerte Verfahren (BGH, a.a.O. Rn. 20f.), eine Verweisung entspreche den Grundsätzen der Prozessökonomie (BGH, a.a.O. Rn. 23 ff.) und führe nicht zu einer unzumutbaren Verfahrensverzögerung (BGH, a.a.O. Rn. 28).
Das Gericht schließt sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor dem Hintergrund dessen Ausführungen im zitierten Beschluss an.
Auch die vorliegende Konstellation spricht für die Argumentation des Bundesgerichtshofs. Wäre dem Gericht eine Verweisung verwehrt, müsste der rechtswegfremde Prozesskostenhilfeantrag wegen fehlender Erfolgsaussicht im Verwaltungsrechtsweg zurückgewiesen werden, mit der Folge, dass die verjährungshemmende Wirkung des Prozesskostenhilfeantrags nach § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB mit Ablauf der in § 204 Abs. 2 genannten Frist endet (so auch BGH, a.a.O. Rn. 26). Vor dem Hintergrund der Formulierung in § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB wäre sodann fraglich, ob einem erforderlichen erneuten Antrag auf Prozesskostenhilfe beim zuständigen Landgericht als nicht mehr „erstmaligen“ Antrags eine verjährungshemmende Wirkung zukommen könnte. Insofern sind durchaus Konstellationen denkbar, in denen sich eine fehlende Verweisungsmöglichkeit als für den Antragsteller nachteilig auswirken kann.
Ob sich eine gezielte Einlegung von isolierten Prozesskostenhilfeanträgen im nicht eröffneten Verwaltungsrechtsweg als rechtsmissbräuchlich darstellt und daraus Folgen ergeben, hat im Übrigen nicht das unzuständig angerufene, sondern das zuständige Gericht zu entscheiden (vgl. BVerwG, B.v. 5.2.2001 – 6 B 8/01 – juris Rn. 6).


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