Familienrecht

XII ZB 430/20

Aktenzeichen  XII ZB 430/20

Datum:
24.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:240321BXIIZB430.20.0
Normen:
§ 58 FamFG
Spruchkörper:
12. Zivilsenat

Leitsatz

Verwirft das Beschwerdegericht die Beschwerde als unzulässig und führt hilfsweise aus, dass die Beschwerde auch unbegründet sei, gelten diese Rechtsausführungen des Beschwerdegerichts und grundsätzlich auch seine dazu getroffenen Feststellungen als nicht geschrieben (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 23. September 2020 – XII ZB 482/19, NJW-RR 2020, 1459).

Verfahrensgang

vorgehend LG Hamburg, 23. September 2020, Az: 309 T 177/20vorgehend AG Hamburg-Bergedorf, 6. August 2020, Az: 421 XVII 13/15

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 23. September 2020 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.

Gründe

I.
1
Der Betroffene wendet sich gegen die durch Zeitablauf erledigte Genehmigung seiner geschlossenen Unterbringung sowie seiner Zwangsmedikation.
2
Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 6. August 2020 die geschlossene Unterbringung des Betroffenen in einer psychiatrischen Akutstation bis einschließlich 16. Oktober 2020 sowie die Einwilligung des Betreuers in eine Zwangsmedikation für die Dauer von sechs zusammenhängenden Wochen mit näher bezeichneten Medikamenten genehmigt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Betroffene die Feststellung, dass die Beschlüsse des Amts- und des Landgerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben, hilfsweise eine Zurückverweisung des Verfahrens an das Beschwerdegericht.
II.
3
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
4
Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich auch im Fall einer – hier vorliegenden – Erledigung einer Unterbringungsmaßnahme nach § 312 Satz 1 Nr. 1 FamFG aus § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamFG (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Mai 2019 – XII ZB 2/19 – FamRZ 2019, 1181 Rn. 6 mwN). Nach der im Rechtsbeschwerdeverfahren entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 62 Abs. 1 FamFG ist der Feststellungsantrag auch im Übrigen zulässig (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Mai 2019 – XII ZB 2/19 – FamRZ 2019, 1181 Rn. 7 mwN).
5
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Beschwerde des Betroffenen vom 14. September 2020 sei gemäß § 68 Abs. 2 FamFG als unzulässig zu verwerfen, da sie verfristet sei. Die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG sei nicht gewahrt, nachdem der Beschluss des Amtsgerichts ausweislich der Akten am 7. August 2020 an den Betroffenen abgesandt worden sei und damit gemäß § 15 Abs. 2 FamFG drei Tage nach Aufgabe zur Post, mithin am 10. August 2020, als dem Betroffenen zugestellt gelte. Der Beschluss sei dem Betroffenen zudem noch am 6. August 2020 über den Faxanschluss der Klinikstation übermittelt worden.
6
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
a) Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass der Beschluss des Amtsgerichts dem Betroffenen nach § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG hätte zugestellt werden müssen, weil er gemäß § 58 FamFG mit der Beschwerde anfechtbar ist und dem erklärten Willen des Betroffenen nicht entspricht. Das Amtsgericht hat als Ergebnis der persönlichen Anhörung des Betroffenen ausdrücklich festgehalten, dass es in keiner Weise gelingen werde, den Betroffenen auf freiwilliger Basis zur Akzeptanz irgendeiner Medikation zu bewegen.
8
Das Unterbleiben einer gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG erforderlichen Zustellung führt zur Unwirksamkeit der Bekanntgabe, weshalb nach § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG die Beschwerdefrist nicht zu laufen beginnt (Senatsbeschluss vom 13. Mai 2015 – XII ZB 491/14 – FamRZ 2015, 1374 Rn. 7 mwN).
9
Eine etwaige Heilung der Zustellungsmängel gemäß §§ 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG, 189 ZPO kann vorliegend nicht angenommen werden. Das Beschwerdegericht hat nicht festgestellt, ob und gegebenenfalls wann der Betroffene den Beschluss des Amtsgerichts tatsächlich erhalten hat. Soweit das Beschwerdegericht ausführt, der Beschluss des Amtsgerichts sei dem Betroffenen noch am 6. August 2020 über das Stationsfax der Klinik übermittelt worden, rügt die Rechtsbeschwerde zu Recht, dass sich dies aus dem Akteninhalt nicht ergibt. Das Amtsgericht hat zwar am 6. August 2020 verfügt, den Beschluss an den Betroffenen in der Klinikstation per Fax zu übermitteln. Zugleich sollte der Beschluss auch in Kurzform an die Station übermittelt werden. In Ausführung dieser Verfügung wurden am 7. August 2020 drei Seiten per Fax an die Klinikstation übermittelt. Dies kann schon deswegen nicht den Schluss rechtfertigen, der Beschluss sei dem Betroffenen in der Klinik übermittelt worden, weil der vollständige Beschluss vier Seiten umfasst.
10
b) Soweit das Beschwerdegericht hilfsweise ausgeführt hat, dass die Beschwerde auch unbegründet sei, gelten diese Rechtsausführungen der angefochtenen Entscheidung und grundsätzlich auch die dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als nicht geschrieben (vgl. Senatsbeschluss vom 23. September 2020 – XII ZB 482/19 – NJW-RR 2020, 1459 Rn. 13 mwN). In diesen Fällen darf das Rechtsbeschwerdegericht von der grundsätzlich gebotenen Aufhebung und Zurückverweisung nur absehen und in der Sache entscheiden, wenn die Beschwerdeentscheidung einen Sachverhalt ergibt, der für die rechtliche Beurteilung eine verwertbare tatsächliche Grundlage bietet, und wenn bei Zurückverweisung ein anderes Ergebnis nicht möglich erscheint (vgl. BGH Beschluss vom 8. Mai 2018 – XI ZR 538/17 – NJW 2018, 2269 Rn. 20). Dies wird unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie etwa für den Fall angenommen, dass die maßgeblichen Tatsachen zwischen den Beteiligten unstreitig und vom Beschwerdegericht vollständig festgestellt sind und das Beschwerdegericht die Prozessabweisung auf diese Tatsachen gestützt hat (sogenannte doppelt relevante Tatsachen; vgl. BGHZ 216, 83 = NJW-RR 2018, 719 Rn. 43 ff. mwN). Diese Voraussetzungen sind vorliegend ersichtlich nicht gegeben.
11
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
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