Familienrecht

XIII ZB 66/20

Aktenzeichen  XIII ZB 66/20

Datum:
23.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:230321BXIIIZB66.20.0
Normen:
Art 2 Abs 1 GG
Art 20 Abs 3 GG
Art 104 Abs 1 GG
§ 11 S 5 FamFG
§ 420 FamFG
§ 427 FamFG
§ 85 ZPO
Spruchkörper:
13. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend LG Limburg, 17. August 2020, Az: 7 T 2/20vorgehend AG Wetzlar, 18. Oktober 2019, Az: 62 XIV 53/19 B

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 17. August 2020 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.
Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

1
I. Der Betroffene, ein äthiopischer Staatsangehöriger, reiste am 18. März 2018 nach Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Diesen lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit bestandskräftigem Bescheid vom 10. April 2018 als unzulässig ab und ordnete die Überstellung des Betroffenen nach Schweden an. Eine für den 5. September 2018 geplante Überstellung scheiterte am Widerstand des Betroffenen. Ein weiterer für den 19. November 2018 terminierter Überstellungsversuch blieb erfolglos, weil der Betroffene in der ihm zugewiesenen Unterkunft nicht angetroffen werden konnte.
2
Nachdem zunächst am 17. Oktober 2019 eine vorläufige Freiheitsentziehung angeordnet worden war, hat das Amtsgericht den Betroffenen nach dessen Festnahme am Folgetag ohne persönliche Anwesenheit seines zuvor telefonisch von dem Termin in Kenntnis gesetzten Verfahrensbevollmächtigten angehört. Anschließend hat das Amtsgericht antragsgemäß mit Beschluss vom 18. Oktober 2019 Haft zur Sicherung der Überstellung des Betroffenen bis zum 3. November 2019 angeordnet. Die hiergegen erhobene Beschwerde, mit der der Betroffene nach der am 30. Oktober 2019 erfolgten Überstellung nach Schweden noch die Feststellung begehrt hat, dass der Beschluss des Amtsgerichts ihn in seinen Rechten verletzt hat, ist erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene seinen Feststellungsantrag weiter.
3
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
4
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Haftanordnung sei rechtmäßig gewesen. Der Beschluss des Amtsgerichts sei verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Zwar sei der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen erst am Tag des Anhörungstermins über diesen informiert worden. Auch habe der Verfahrensbevollmächtigte an der Anhörung wegen der weiten Anreise und weiterer Termine nicht teilnehmen können. Jedoch habe dieser keinen Verlegungsantrag gestellt und im Beschwerdeverfahren erklärt, er wäre für das Verfahren auch an einem anderen Termin nicht zum Amtsgericht gefahren. Außerdem habe der Betroffene ausreichend Gelegenheit gehabt, sich telefonisch durch seinen Rechtsanwalt beraten zu lassen. Die Haftanordnung sei schließlich auch in der Sache rechtmäßig gewesen.
5
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand. Die Rüge der Rechtsbeschwerde, das Amtsgericht habe den Betroffenen in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, vgl. zu diesem allgemeinen Prozessgrundrecht BVerfG, StV 1994, 552 f.; BVerfG, Beschluss vom 25. September 2018 – 2 BvR 1731/18, juris Rn. 22 mwN; BVerfG, Beschluss vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18, juris Rn. 32 ff.; BGH, Beschluss vom 26. Januar 2021 – XIII ZB 14/20, juris Rn. 12 ff.), greift nicht durch.
6
a) Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert jedem Betroffenen das Recht, sich in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2014 – V ZB 32/14, InfAuslR 2014, 442 Rn. 8; vom 12. November 2019 – XIII ZB 34/19, juris Rn. 7; vom 7. April 2020 – XIII ZB 84/19, juris Rn. 9 mwN). Erfährt oder weiß das Gericht, dass der Betroffene einen Verfahrensbevollmächtigten hat, muss es dafür Sorge tragen, dass dieser von dem Termin in Kenntnis gesetzt und ihm die Teilnahme an der Anhörung ermöglicht wird; gegebenenfalls ist unter einstweiliger Anordnung einer nur kurzen Haft nach § 427 FamFG ein neuer Termin zu bestimmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2018 – V ZB 69/18, InfAuslR 2019, 152 Rn. 5; vom 7. April 2020 – XIII ZB 84/19, juris Rn. 9 f.). Vereitelt das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung die Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies ohne Weiteres zur Rechtswidrigkeit der Haft; es kommt in diesem Fall nicht darauf an, ob die Anordnung der Haft auf diesem Fehler beruht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. April 2017 – V ZB 59/16, InfAuslR 2017, 292 Rn. 7; vom 12. November 2019 – XIII ZB 34/19, juris Rn. 7).
7
b) Nach diesen Maßstäben hat das Gericht die Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung nicht vereitelt. Das Beschwerdegericht ist unter Heranziehung des Protokolls zusammen mit dem von dem Amtsrichter zulässigerweise (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2020 – XIII ZB 93/19, juris Rn. 22) nachträglich angefertigten Vermerk (§ 28 Abs. 4 FamFG; beides nachfolgend: Protokoll) zutreffend davon ausgegangen, dass der Amtsrichter den Bevollmächtigten des Betroffenen nach der Festnahme umgehend telefonisch von dem noch am selben Tag geplanten Anhörungstermin in Kenntnis gesetzt hat. Der Bevollmächtigte hat erklärt, an der Anhörung nicht teilnehmen zu können, aber keinen Verlegungsantrag gestellt. Das Amtsgericht war daher nicht zur Verlegung des Anhörungstermins verpflichtet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Februar 2010 – V ZA 2/10, juris Rn. 10; vom 15. Dezember 2020 – XIII ZB 28/20, juris Rn. 18, und vom 23. Februar 2021 – XIII ZB 12/19, z. Veröff. best.). Der Verzicht seines Bevollmächtigten auf eine Teilnahme an der Anhörung ist dem Betroffenen gemäß § 11 Satz 5 FamFG, § 85 ZPO zuzurechnen.
8
c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde musste das Amtsgericht sich nicht auf eine Entscheidung über die Fortdauer der bereits nach § 427 FamFG einstweilig angeordneten Freiheitsentziehung beschränken und einen neuen Anhörungstermin bestimmen. Zwar hat der Betroffene ausweislich des Protokolls erklärt, er warte darauf, was sein Rechtsanwalt zu der Sache zu sagen habe. Diese Erklärung war aber im vorliegenden Fall – anders als in der dem Beschluss vom 15. Dezember 2020 (XIII ZB 123/19, juris Rn. 10 ff.) zugrundeliegenden Fallgestaltung – eindeutig.
9
Das Amtsgericht hat ausweislich des Protokolls den zunächst begonnenen Anhörungstermin unterbrochen und dem Betroffenen die Möglichkeit eingeräumt, mithilfe des Dolmetschers mit seinem Bevollmächtigten zu telefonieren. Danach machte der Betroffene kurze Angaben zum Sachverhalt, berief sich aber im Wesentlichen darauf, was sein Bevollmächtigter für ihn sagen werde. Der Richter unterbrach sodann die Anhörung erneut und telefonierte mit dem Bevollmächtigten, der ihm seine Einwände gegen die Anordnung der Haft darlegte. Nach Wiedereintritt in den Anhörungstermin erklärte der Betroffene, er habe nichts mehr zu sagen. Vor diesem Hintergrund konnten die Erklärungen des Betroffenen und die ihm zuzurechnenden Erklärungen seines Bevollmächtigten nur so verstanden werden, dass der Betroffene keine weitere Beiziehung seines Bevollmächtigten wünschte; weiterer Klärungsbedarf bestand nicht.
10
d) Soweit die Rechtsbeschwerde schließlich darauf verweist, es sei unklar, ob der Betroffene darüber unterrichtet worden sei, was sein Bevollmächtigter während der Unterbrechung mit dem Richter besprochen hatte, kommt es darauf nicht an. Denn auch eine Pflicht zu einer solchen Unterrichtung und ihr Fehlen unterstellt, liegt darin unter den Umständen des vorliegenden Falles jedenfalls kein Verfahrensfehler, der nicht nur den formal ordnungsgemäßen Ablauf der Anhörung, sondern deren Grundlagen betrifft und damit § 420 FamFG und Art. 104 Abs. 1 GG verletzte (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2016 – V ZB 23/15, InfAuslR 2016, 235 Rn. 26). Dies ergibt sich hier daraus, dass der Betroffene sich zunächst mit dem Verfahrensbevollmächtigten über das hat besprechen können, was seitens des Bevollmächtigten für ihn sodann telefonisch gegenüber dem Gericht ausgeführt werden sollte, und er darauf ausdrücklich verwiesen hat. Nachdem das Telefonat wie geplant erfolgt war, erhielt der Betroffene erneut Gelegenheit, noch etwas auszuführen oder nachzufragen, wovon er aber keinen Gebrauch gemacht hat.
11
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1, § 83 Abs. 2 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
12
III. Mangels Erfolgsaussicht der Rechtsbeschwerde ist Verfahrenskostenhilfe nicht zu bewilligen.
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