Familienrecht

Zuordnung zu einer Honorargruppe

Aktenzeichen  3 T 121/17

Datum:
19.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
JVEG JVEG § 9 Abs. 1

 

Leitsatz

„Im Falle einer isolierten Gutachtertätigkeit soll sich das Honorar jedoch ausschließlich nach Absatz 1 messen. Dies wird zukünftig regelmäßig ein Sachgebiet sein, dass in der neuen Sachgebietsliste unter Nummer 6 aufgeführt ist.“

Tenor

1. Die Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Würzburg vom 17.01.2017 (J 127/2017) gegen den Beschluss des Amtsgerichtes Würzburg – Abteilung für Insolvenzsachen – vom 11.01.2017 (Az. IN 301/16) wird zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
3. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Das Amtsgericht … – Insolvenzgericht – bestellte mit Beschluss vom 23.09.2015 Rechtsanwalt … zum Sachverständigen und beauftragte ihn mit der Erstellung eines Gutachtens darüber, ob Tatsachen vorlägen, die den Schluss rechtfertigen, dass ein für die Rechtsform des Schuldners Dang maßgeblicher Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren vorläge, eine kostendeckende Masse vorhanden sei und ob Aussichten für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestünden. Dieses Verfahren wurde vom Amtsgericht Würzburg – Vollstreckungsgericht – unter dem Aktenzeichen IN 487/15 übernommen. Der Sachverständige blieb in vier weiteren Verfahren als Gutachter bestellt, nachdem die insolvenzbetreibende Gläubigerin die Hauptsache für erledigt erklärt hatte. Das Gutachten erstellte der Sachverständige am 13.07.2016 im Verfahren IN 486/15 (dort Blatt 89 ff.) und reichte seine Rechnung für die Gutachtertätigkeit im Verfahren IN 301/16 (dort Blatt 80) ein. In dieser Kostennote beantragte der Sachverständige einen Stundensatz i.H.v. 115,00 Euro für die Leistung als isolierter Sachverständiger und insgesamt eine Vergütung nebst Auslagen und Umsatzsteuer i.H.v. 1.806,45 Euro, wobei der Sachverständige sich auf eine Entscheidung des OLG Karlsruhe (Beschluss vom 16.09.2015, 15 W 57/15) bezog.
Die Kostenbeamtin des Amtsgerichtes Würzburg setzt am 14.09.2016 einen Stundensatz vom 80,00 Euro für die Tätigkeit des Sachverständigen fest.
Mit Schriftsatz vom 22.09.2016 legte der Sachverständige Erinnerung hiergegen ein und beantragte die Festsetzung seines Stundensatzes auf 115,00 Euro gemäß § 9 Abs. 1 JVEG.
Die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Würzburg beantragte mit Schriftsatz vom 14.12.2016 eine Festsetzung des Stundensatzes auf 80,00 Euro und insgesamt die Festsetzung der Vergütung auf 1.306,64 Euro.
Das Amtsgericht Würzburg legte die o.g. Erinnerung als Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Sachverständigenvergütung aus und setzte mit Beschluss vom 11.01.2017 die dem Sachverständigen im vorliegenden Verfahren zustehende Entschädigung auf 1.806,45 Euro fest, wobei das Amtsgericht Würzburg einen Stundensatz von 115,00 Euro zugrunde legte.
Zur Begründung führte das Amtsgericht Würzburg im Wesentlichen aus, die Festsetzung der Vergütung erfolge gem. § 4 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt habe. Demgemäß war die Vergütung dem Antrag des Sachverständigen gemäß auf einen Stundensatz in Höhe von 115,00 Euro festzusetzen.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des OLG Bamberg (Beschluss vom 25.01.2005, 1 W 1/05) finde auf die Festsetzung der Vergütung des isolierten Sachverständigen, der nicht auch vorläufiger Insolvenzverwalter ist, § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG Anwendung. Bei der Bemessung des Honorars nach Billigkeitsgesichtspunkten sei die Vergütung hier im Regelfall so vorzunehmen, wie es der Vergütung des beauftragten vorläufig Insolvenzverwalters entspräche, also gemäß § 9 Abs. 2 JVEG einen Stundensatz von 80,00 Euro. In der Praxis entstünde nämlich sonst eine Ungleichbehandlung, wenn ein vorläufiger Insolvenzverwalter, der erst im Anschluss an die entsprechende Bestellung die Prüfung durchzuführen habe, ob das Vermögen des Schuldners die Kosten des Verfahrens decken werde, nur nach § 9 Abs. 2 JVEG vergütet werden würde, der Gutachter, der bereits zur Vorbereitung über die Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die selbe Tätigkeit entfalte, jedoch eine höhere Abrechnung vornehmen könnte.
Zum 01.08.2013 sei durch das zweite Kostenrechtmodernisierungsgesetz vom 23.07.2013 die Sachverständigenvergütung nach § 9 Abs. 2 JVEG völlig neu geregelt worden. Dies sei mit der unklaren Rechtslage hinsichtlich der Vergütung des als Sachverständigen bestellten sogenannten schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden. Es sei sachgerecht, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter für seine Sachverständigentätigkeit ungeachtet seiner Rechtsstellung nach § 22 Abs. 1 und Abs. 2 InsO vergütet werde, nämlich mit 80,00 Euro je Stunde.
Für die Fälle des sogenannten „isolierten“ Sachverständigen führe die Gesetzesbegründung ausweislich BT-DRS 11471, 260 aus:
Hinsichtlich dieser neuen Rechtslage liege bislang keine Entscheidung des OLG Bamberg zur Vergütung des isolierten Sachverständigen im Insolvenzverfahren vor. Da die Art der Tätigkeit alleine im Vorfeld eines Insolvenzverwalters anfalle, lasse sich ein freier Marktwert als Vergleichsmaßstab, auf dessen Grundlage das Sachverständigenhonorar ermittelt werden könnte, nicht bestimmen. Die Vergütung des isolierten Sachverständigen sei daher nach billigem Ermessen zu bestimmen, wobei ausgehend von der amtlichen Begründung die Zuordnung regelmäßig der Sachgebietsliste unter Nummer 6 erfolgen solle.
Innerhalb von Nummer 6 der Sachgebietsliste nach Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG kämen folgende Stundensätze in Betracht:
6.1. Honorargruppe 11 (= 115,00 Euro) für Unternehmensbewertung, Betriebsunterbrechungs- und -verlagerungsschäden
6.2. Honorargruppe 13 (= 125,00 Euro) für Kapitalanlagen und private Finanzplanung.
6.3. Honorargruppe 3 (= 75,00 Euro) für Besteuerung.
Da Gutachten zur Vorbereitung einer Eröffnungsentscheidung in Insolvenzverfahren weder unter dem Sachgebiet Nummer 6 noch an anderer Stelle des Sachgebietsliste ausdrücklich aufgeführt würden, sei gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG die Leistung des Sachverständigen unter Berücksichtigung der allgemeinen für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlichen vereinbarten Stundensätze einer Honorargruppe nach billigem Ermessen zuzuordnen. Außergerichtlich bzw. außerbehördlich vereinbarte Stundensätze existierten für Gutachtensaufträge der hier in Rede stehenden Rat indessen nicht (vgl. BT-DRS 15/2487, Seite 19).
Auch wenn der Gesetzgeber davon abgesehen habe, den Stundensatz des sog. isolierten Sachverständigen gesetzlich festzulegen, so könne doch aus der amtlichen Begründung zur Neuregelung des § 9 JVEG entnommen werden, dass dessen Stundensatz in der Regel über den in § 9 Abs. 2 JVEG genannten Stundensatz von 80,00 Euro liegen solle, wobei der obere Rahmen für insolvenzrechtliche Gutachten bei den in Nummer 6.2 der Sachgebietsliste genannten Honorargruppe 13 mit 125,00 Euro liegen dürfte.
Ob die Tätigkeit des Sachverständigen im Insolvenzverfahren tatsächlich eine Unternehmensbewertung beinhalte, die die Annahme des Stundensatzes von 115,00 Euro rechtfertige, hänge von den Einzelfallumständen ab. Untergrenze sei auf jeden Fall die Vergütung nach § 9 Abs. 2 JVEG, da kein Grund bestehe, den isolierten Sachverständigen geringer zu vergüten als denjenigen, der zusätzlich eine Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter erhalte.
Im vorliegenden Insolvenzverfahren habe der Gutachtensauftrag unter anderem gelautet festzustellen, ob Aussichten auf eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestünden.
Der Schuldner habe ausweislich des Gutachtens einen laufenden Geschäftsbetrieb in Lohr mit 6 Arbeitnehmern und bis zum 31.12.2015 auch einen weiteren in Tauberbischofsheim.
Für die Zuordnung einer Honorargruppe sei allein auf die Entscheidung über die Heranziehung, wie sie sich aus dem Inhalt des Beweisbeschlusses ergebe, abzustellen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.09.2015, 15 W 57/15).
Im vorliegenden Fall sei im Gutachten ein laufender Geschäftsbetrieb zu bewerten gewesen, sodass innerhalb von Nummer 6 der Sachgebietsliste nach Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG die Honorargruppe 11 für Unternehmungsbewertung, Betriebsunterbrechungs- und Verlagerungsschäden zur Anwendung gelange mit einem Stundensatz von 115,00 Euro.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Entscheidung ließ das Amtsgericht Würzburg die Beschwerde gem. § 4 Abs. 3 JVEG zu.
Mit Schriftsatz vom 17.11.2017 legte die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Würzburg gegen die o.g. Entscheidung des Amtsgerichts Würzburg vom 11.01.2017 Beschwerde ein, und beantragte die Festsetzung des Sachverständigenentschädigung auf 1.306,64 Euro, hilfsweise die Festsetzung der Entschädigung unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 90,00 Euro auf 1.449,44 Euro.
Zur Begründung wird in dem genannten Schriftsatz im Wesentlichen ausgeführt, die Sache sei von grundsätzlicher Bedeutung, da der Sachverständiger … bereits in einer Vielzahl von Insolvenzverfahren unter Hinweis auf den Beschluss des OLG … vom 16.09.2015 (15 W 57/15) die Vergütung mit einem generellen Stundensatz in Höhe von 115,00 Euro abrechne. Demgegenüber stehe die bisherige Rechtsprechung des OLG Bamberg (Beschluss vom 25.01.2005, 1 W 1/05), wonach die Tätigkeit des isolierten Sachverständigen qualitativ mit dem Aufgabenbereich des nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO beauftragten vorläufigen Insolvenzverwalter zu vergleichen sei und dementsprechend nur ein Stundensatz in Höhe von 80,00 Euro festzusetzen sei.
Die Vergütung des Sachverständigen bestimme sich ausschließlich nach § 9 Abs. 1 JVEG. Nachdem die Art der Sachverständigentätigkeit im Insolvenzprüfungsverfahren keiner der in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG genannten Sachgebiete bzw. einer bestimmten Honorargruppe unmittelbar zugeordnet werden könne, habe nach § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG eine Zuordnung unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze nach billigem Ermessen zu erfolgen. Im vorliegenden Verfahren sei zwar ein laufender Geschäftsbetrieb vom Sachverständigen zu bewerten gewesen, es sei jedoch zu berücksichtigen, dass das Anlagevermögen lediglich einen begrenzten Liquidationswert gehabt habe und eine Verwertung fraglich sei (Gaststätteneinrichtung). Eine komplexe Unternehmensbewertung habe der Sachverständige nicht durchführen müssen.
Mit Beschluss vom 19.01.2017 half das Amtsgericht Würzburg der Beschwerde der Bezirksrevisorin beim Landgericht Würzburg nicht ab und legte die Sache dem Landgericht Würzburg zur Entscheidung vor, wobei angeregt wurde, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit die weitere Beschwerde zuzulassen.
Mit Schreiben vom 02.02.2017 übersandte die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Würzburg den Beschluss des Landgerichtes Schweinfurt vom 12.01.2017 (Aktenzeichen 41 T 212/16), worin der Stundensatz des Sachverständigen auf 80,00 Euro festgesetzt worden war.
Mit Beschluss vom 03.03.2017 übertrug der Einzelrichter das Verfahren zur Entscheidung auf die Kammer, da die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG).
Zur Vermeidung von Wiederholungen und wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 13.07.2016 und auf die genannten Beschlüsse und Schriftsätze verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Würzburg ist unbegründet.
Zunächst tritt das Landgericht Würzburg der oben wiedergegebenen, ausführlichen Begründung des Amtsgerichtes Würzburg bei und macht sich diese zu Eigen.
Ausweislich der in der Bundestagsdrucksache BT-DRS 11471 festgehaltenen Ausführungen des Gesetzgebers soll die Vergütung des Sachverständigen ausschließlich nach § 9 Abs. 1 JVEG erfolgen, und zwar regelmäßig nach den in der neuen Sachgebietsliste unter Nr. 6 aufgeführten Tätigkeiten, wobei für die Zuordnung zu einer Honorargruppe allein auf die Entscheidung über die Heranziehung, also insbesondere auf den Inhalt des Beweisbeschlusses und nicht auf die tatsächliche Leistung abzustellen ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.09.2015, 15 W 57/15; OLG Zweibrücken Beschluss vom 11.08.2016, 6 W 45/16). Fehlt eine eindeutige Zuordnung zu einer Honorargruppe, so ist nach billigem Ermessen nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 JVEG zu entscheiden, wobei es – wie oben gesagt – maßgeblich auf die Entscheidung über die Heranziehung des Sachverständigen ankommt. Hier ist daher an Nr. 6. 1 (Unternehmensbewertung, Betriebsunterbrechungs- und -verlagerungsschäden) der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG anzuknüpfen, was zur Anwendung von Honorargruppe 11 mit einem Stundensatz von 115,00 Euro führt. Der Sachverständige hatte hier einen laufenden Geschäftsbetrieb des Schuldners mit 6 Arbeitnehmern in Lohr und einen weiteren Betrieb in Tauberbischofsheim zu begutachten, wobei für die Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch die Aktiva und Passiva der Betriebe zu bewerten waren.
Im Ergebnis nahm der Sachverständige also nichts anderes als eine Unternehmungsbewertung vor. Die Frage, ob bei einem reinen Verbraucherinsolvenzverfahren ein niedrigerer Stundensatz festzusetzen ist, war hier nicht zu entscheiden, da der Schuldner weiterhin eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.
Die Entscheidung des Landgerichtes Schweinfurt vom 16.09.2016 (41 T 212/16), die einen Stundensatz in Höhe von 80,00 Euro festsetzte, vermag nicht zu überzeugen. In der Entscheidung des Landgerichtes Schweinfurt wird auf die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Bamberg vom 25.01.2005 (1 W 1/05) abgestellt. Diese erging jedoch vor der oben genannten Neugestaltung durch das Zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23.07.2013 und konnte daher naturgemäß die geänderte Sachlage nicht berücksichtigen.
Da der Beschluss des Amtsgerichtes Würzburg somit rechtmäßig ist, war die Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Würzburg als unbegründet zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.
Die Rechtsache ist von grundsätzlicher Bedeutung und dient der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, da nunmehr von einander abweichende Entscheidungen zweier Landgerichte aus dem Bezirk des Oberlandesgerichtes Bamberg vorliegen. Demgemäß ist die Entscheidung des gemeinsamen Obergerichtes herbeizuführen und die weitere Beschwerde zuzulassen (§ 4 Abs. 5 Satz 1 JVEG).


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