Familienrecht

Zur Kostenentscheidung im Vaterschaftsfeststellungsverfahren – keine alleinige Kostenpflicht des festgestellten Vaters bei eingeräumten Mehrverkehr der Mutter

Aktenzeichen  7 UF 121/22

Datum:
17.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 9629
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 81 Abs. 1 S. 1, § 169 Nr. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

1 F 286/21 2022-01-10 Endbeschluss AGNEUSTADTADAISCH AG Neustadt a.d. Aisch

Tenor

I. Auf die Beschwerde des festzustellenden Vaters wird der Tenor zu 2) des Endbeschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Neustadt a.d. Aisch vom 10.01.2022, Az. 1 F 286/21, abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die beteiligte Mutter und der festzustellende Vater tragen die Gerichtskosten jeweils zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
II. Von einer Erhebung von Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.201,78 € festgesetzt.

Gründe

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Kostenentscheidung in einem Abstammungsverfahren.
I. Mit am 27.08.2021 beim Amtsgericht – Familiengericht – Neustadt a.d. Aisch eingegangenen Antrag hat das Jugendamt … als Beistand des am 02.07.2021 geborenen Kindes H. L. H. beantragt festzustellen, dass der Beschwerdeführer ihr Vater ist. Nach Aussagen der Mutter habe diese zwar im September 2020 Kontakt zu einem anderen Mann gehabt. Dieser komme aber nicht in Frage, weil sie danach noch ihre Periode gehabt habe. Der Beschwerdeführer hat eine Entscheidung nach Sachlage beantragt. Er werde die Vaterschaft gerne anerkennen, wenn feststehe, wer tatsächlich der Vater sei. Da die Mutter „gerne zeitgleich mit mehreren Männern geschlechtlich beiwohne“, sei es „wohl aktuell nicht auszuschließen, dass jemand anderes der Vater“ sei.
Nach Erholung eines Abstammungsgutachtens, demzufolge diese Vaterschaft praktisch erwiesen ist (Wahrscheinlichkeitswert von 99,99%), hat der Beschwerdeführer mit am 16.12.2021 bei Gericht eingegangenem Schreiben erklärt, dass er die Vaterschaft anerkenne und gerne annehme. Das Amtsgericht hat mit Endbeschluss vom 10.01.2022 festgestellt, dass der Beschwerdeführer der Vater des am … 2021 geborenen Kindes UH LH ist und ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt. Gegen diesen ihm 14.01.2022 zugestellten Endbeschluss hat der Beschwerdeführer mit am 01.02.2022 bei Gericht eingegangenem Schreiben Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, ihm einen Pflichtverteidiger zu bestellen, sich auf „Waffengleichheit“ berufen und beantragt, die Frist zur Begründung seiner Beschwerde zu verlängern. Auf den Hinweis des Senats vom 09.02.2022, dass es sich hier nicht um ein Strafverfahren handele, so dass es nicht möglich sei, ihm für das vorliegende Verfahren einen Pflichtverteidiger zu bestellen, und dass Voraussetzung für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und die in diesem Rahmen mögliche Beiordnung eines Rechtsanwalts eine hinreichende Erfolgsaussicht der Beschwerde sei – welche aufgrund des eindeutigen Abstammungsgutachtens keinen Erfolg verspreche – hat der Beschwerdeführer mit am 18.02.2022 eingegangenem Schreiben mitgeteilt, dass sich seine Beschwerde nur auf die Auferlegung von Verfahrenskosten beziehen solle. Er trage gerne die Verantwortung für sein Kind, verfüge aber nicht über genügend finanzielle Mittel. 2.000 € Gerichtskosten stellten für ihn momentan eine große Belastung dar zu seiner ohnehin schwierigen Situation. Er habe nur deshalb auf das Gutachten bestanden, weil die Mutter zur selben Zeit mit mehreren Männern verkehrt habe.
Die übrigen Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten, sich aber nicht geäußert.
II. Die Beschwerde ist statthaft (§ 58 Abs. 1 FamFG) und auch zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt wurde (§§ 63 Abs. 1, Abs. 3, 64 Abs. 1, Abs. 2, 65 Abs. 1 FamFG) und der Beschwerdeführer in seinen Rechten betroffen und damit beschwerdeberechtigt ist (§ 59 Abs. 1 FamFG). Da es sich bei dem zugrundeliegenden Abstammungsverfahren um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, ist eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung möglich, und zwar unabhängig vom Erreichen eines Mindestbeschwerdewerts (vgl. BGH NJW 2013, 3523). Sie hat auch in der Sache zumindest teilweisen Erfolg.
1. Das Familiengericht hat seine Kostenentscheidung auf § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG gestützt, ohne die Gründe für die alleinige Kostenpflicht des festzustellenden Vaters näher darzulegen. Daher hat der Senat eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Insofern kann dahin stehen, ob eine Ermessensentscheidung des Familiengerichts in vollem Umfang der Überprüfung des Beschwerdegerichts obliegt, so dass das Beschwerdegericht sein eigenes Ermessen auszuüben hat (so BGH FamRZ 2017, 97 zu § 18 VersAusglG; Weber in BeckOK, FamFG, Stand 01.01.2021; § 81 FamFG Rn. 36a; einschränkend: Borth/Grandel in Musielak/Borth, FamFG, 6. Aufl., § 81 FamFG Rn. 14; Schindler in MüKoFamFG, 3. Aufl., § 81 FamFG Rn. 103 ff.; Feskorn in Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl., § 81 FamFG Rn. 36; a.A. Weber in Keidel, FamFG, 20. Aufl., § 81 FamFG Rn. 61) oder ob sie nur eingeschränkt darauf überprüft werden kann, ob das Gericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.
2. Die Kostenentscheidung im Vaterschaftsfeststellungsverfahren richtet sich nach den Grundsätzen des § 81 FamFG, weil die Sondervorschriften über Abstammungssachen (§§ 169 – 185 FamFG) in § 183 FamFG lediglich für erfolgreiche Anfechtungsverfahren eine spezielle Vorschrift enthalten, namentlich, dass insoweit die Beteiligten die Gerichtskosten zu gleichen Teilen und ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben.
Zwar ist das Maß des Obsiegens oder Unterliegens ein Gesichtspunkt, der in die Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG eingestellt werden kann (vgl. BT-Drs. 16/6308, 215). Dies gilt aber vornehmlich für echte Streitverfahren, in denen sich die Beteiligten als Gegner gegenüberstehen und daher eine gewisse Ähnlichkeit zu einem Zivilprozess besteht. Das Verfahren in Abstammungssachen ist jedoch nach der gesetzlichen Neuregelung in den §§ 169 ff. FamFG nicht mehr als streitiges Verfahren, das nach den Regelungen der ZPO geführt wird, sondern als ein einseitiges Antragsverfahren nach den Vorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgestaltet. Neben einer größeren Flexibilität des Verfahrens wollte der Gesetzgeber hierdurch erreichen, dass sich die Beteiligten in Abstammungssachen nicht als formelle Gegner gegenüberstehen (vgl. BT-Drs. 16/6308, 243). Das Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft (§ 169 Nr. 1 FamFG) kann daher einem Streitverfahren nicht mehr uneingeschränkt gleichgestellt werden. Daraus folgt, dass für die im Rahmen eines erfolgreichen Verfahrens zur Vaterschaftsfeststellung zu treffende Entscheidung über die Verfahrenskosten nicht mehr allein das Obsiegen oder Unterliegen der Beteiligten maßgeblich sein kann, wenn weitere Umstände vorliegen, die für eine sachgerechte Kostenentscheidung von Bedeutung sein können (BGH FamRZ 2014, 744).
Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung darf es insbesondere nicht unberücksichtigt bleiben, wenn die Mutter – wie hier – bereits zu Beginn des Verfahrens einen Mehrverkehr während der gesetzlichen Empfängniszeit eingeräumt hat. Jedenfalls deshalb konnte der mögliche Vater vor Kenntnis vom Ergebnis des Abstammungsgutachtens nicht sicher sein, ob er der Vater des Kindes ist. Ihm war aus diesem Grund auch nicht zuzumuten, das Verfahren durch eine urkundliche Anerkennung seiner Vaterschaft nach §§ 1594 Abs. 1, 1597 BGB zu vermeiden (BGH FamRZ 2014, 744).
Ein in der Praxis häufig vorkommende Argument für eine alleinige Kostentragung des festgestellten Vaters ist, dass dieser es verabsäumt habe, ein (kostengünstigeres) außergerichtliches Abstammungsgutachten einzuholen, so dass das gerichtliche Verfahren hätte vermieden werden können. Umgekehrt kommt es auch vor, dass Mütter ihre Zustimmung zur außergerichtlichen Klärung der Vaterschaft – auch im Vorfeld einer Vaterschaftsanfechtung nach § 1598 a BGB – verweigern. Ein Einfluss auf die gerichtliche Kostenregelung wird jedoch angezweifelt, weil die Ablehnung des Putativvaters, auf eigene Kosten ein privates Gutachten einzuholen, schon aus wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt sein könne, zumal hier auch kein Anspruch auf eine Kostenbeteiligung durch den anderen Elternteil oder auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe besteht. Auch können sowohl die Mutter als auch der Putativvater geltend machen, dass sie angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Abstammungsgutachtens nach dem GenDG (vgl. § 17 GenDG) eine gerichtliche Überprüfung des Gutachtens wünschen (vgl. Dürbeck, NZFam 2019, 524, 525 f.).
3. Nach dieser Maßgabe ist die Kostenentscheidung des Amtsgerichts dahin gehend abzuändern, dass die Mutter und der festzustellende Vater die Gerichtskosten jeweils zur Hälfte tragen und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden.
4. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass der Verfahrenswert lediglich Richtwert für die nach dem FamGKG zu erhebenden Gebühren darstellt, welcher nicht den vom Kostenschuldner tatsächlich zu zahlenden Kosten des Verfahrens entspricht.1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG (vgl. Feskorn in Zöller, 34. Aufl., § 84 FamFG Rn. 3) und auf § 20 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 FamGKG.
Zwar ist im Beschwerdeverfahren dem Erfolg eines Rechtsmittels erhebliche Bedeutung beizumessen. Jedoch stehen sich die Beteiligten auch im Beschwerdeverfahren, welches nur die – von Amts wegen zu treffende – Kostenentscheidung erster Instanz zum Gegenstand hat, nicht als formelle Gegner gegenüber. Insbesondere hat die Mutter sich weder in erster noch in zweiter Instanz für die alleinige Pflicht der Kostentragung durch den festzustellenden Vater ausgesprochen, so dass auch das Beschwerdeverfahren einem Streitverfahren nicht gleichzusetzen ist. Im Übrigen ist die Beschwerde nur insoweit erfolgreich, als dass nunmehr die hälftigen erstinstanzlichen Gerichtskosten von der Mutter zu tragen sind und außergerichtliche Kosten erster Instanz nicht erstattet werden. Nach alldem entspricht es auch im Beschwerdeverfahren der Billigkeit, die Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht anzuordnen.
2. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren richtet sich nach den im ersten Rechtszug angefallenen Kosten von insgesamt 1.201,78 €.
Diese setzen sich wie folgt zusammen:
a) Gerichtskosten: 3,0 Gebühr aus 2.000,00 € gemäß Nr. 1220 KV zum FamGKG (98,00 €): 294, 00 €
b) Auslagen, nach dem JVEG zu zahlender Betrag für die Erstellung des Sachverständigengutachtens gemäß Nr. 2005 KV zum FamGKG (in voller Höhe): 794,94 € nach dem JVEG zu zahlender Betrag für die Probenentnahme am Institut für Rechtsmedizin der Universität … gemäß Nr. 2005 KV zum FamGKG (in voller Höhe): 71,40 € nach dem JVEG zu zahlender Betrag für die Probenentnahme in der JVA HHg gemäß Nr. 2005 KV zum FamGKG (in voller Höhe): 21,44 €.
3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Deshalb ist der Beschluss des Senats mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht angreifbar.


Ähnliche Artikel

Die Scheidung einer Ehe

War es bis vor etlichen Jahren noch undenkbar, eine Ehe scheiden zu lassen, so ist eine Scheidung heute gesellschaftlich akzeptiert. Die Zahlen der letzten Jahre zeigen einen deutlichen Trend: Beinahe jede zweite Ehe wird im Laufe der Zeit geschieden. Was es zu beachten gilt, erfahren Sie hier.
Mehr lesen


Nach oben