Aktenzeichen 7 WF 991/16
Leitsatz
1. Für die Entscheidung über die Beschwerde eines Sachverständigen gegen die Festsetzung seiner Vergütung durch die Staatskasse gemäß § 4 Abs. 3 JVEG ist auch in Familiensachen nicht das Oberlandesgericht, sondern das dem entscheidenden Amtsgericht übergeordnete Landgericht zuständig. Über die Erinnerung eines Verfahrensbeteiligten gegen den Kostenansatz in Familiensachen, bei dem die Vergütung eines von dem Gericht bestellten Sachverständigen Berücksichtigung findet, entscheidet dagegen gemäß § 57 Abs. 3 FamGKG das übergeordnete Oberlandesgericht. (amtlicher Leitsatz)
2 Die Sonderregelung des § 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG, wonach die Oberlandesgerichte für Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Familiengerichte zuständig sind, gilt nicht für Vergütungsfestsetzungen des Familiengerichts. Der Gesetzgeber hat bei der Neugestaltung des Kostenrechts im Jahr 2004 in § 4 Abs. 4 S. 3 JVEG – anders als zB in § 57 Abs. 3 FamGKG und in § 33 Abs. 4 S. 2 RVG – bewusst keine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für Beschwerden gegen die Vergütungsfestsetzung des Familiengerichts vorgesehen, sondern in allgemeiner Form nur die Zuständigkeit des „nächsthöheren Gerichts“ bestimmt. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
104 F 2815/14 2016-06-28 Bes AGNUERNBERG AG Nürnberg
Tenor
1. Die Vorlageverfügung des Amtsgerichts – Familiengericht – Nürnberg vom 1.8.2016 wird abgeändert.
2. Das Beschwerdeverfahren wird dem zuständigen Landgericht Nürnberg-Fürth zur Entscheidung vorgelegt.
Gründe
Mit Beschluss vom 28.6.2016 hat das Amtsgericht – Familiengericht – Nürnberg gemäß § 4 Abs. 1 JVEG die Vergütung des Sachverständigen Prof. Dr. S… auf einen Betrag von 7.443,80 € festgesetzt und ist damit von dem von dem Sachverständigen mit Rechnung vom 31.7.2015 geltend gemachten Betrag von 12.374,37 €, welcher dem Sachverständigen von der Staatskasse bereits ausbezahlt worden ist, erheblich abgewichen. Gegen diese Entscheidung hat der Sachverständige mit Schreiben vom 27.7.2016, eingegangen bei dem Amtsgericht Nürnberg am 29.7.2016, Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 1.8.2016 nicht abgeholfen und die Vorlage an das zuständige Beschwerdegericht angeordnet. Mit Verfügung vom 1.8.2016 hat das Amtsgericht diese Entscheidung konkretisiert und die Vorlage der Beschwerde an das Oberlandesgericht Nürnberg angeordnet.
Für die Entscheidung über die nach § 4 Abs. 3 JVEG zulässige Beschwerde ist jedoch nicht das Oberlandesgericht Nürnberg, sondern gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 JVEG das Landgericht Nürnberg-Fürth zuständig. Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 4 Satz 2 JVEG ist das „nächsthöhere Gericht“ zur Entscheidung über die Beschwerde berufen. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist hierunter unabhängig vom Instanzenzug in der Hauptsache das allgemein dem erkennenden Gericht übergeordnete Gericht zu verstehen (vgl. OLG Celle NJW-RR 2013, 961; OLG München FamRZ 2011, 844).
Der Entwurf zum Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – – KostRMo, BT-Dr. 15/1971, Seite 180) enthält hierzu u. a. Folgendes:
Allerdings fehlt eine Bestimmung, nach der in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten der in § 119 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3 GVG bezeichneten Art das Oberlandesgericht auch dann als Beschwerdegericht entscheiden soll, wenn das Amtsgericht die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Für den Bereich des JVEG besteht – anders als für den Bereich des GKG – kein Bedürfnis für eine solche Ausnahmeregelung, da die im Bereich des JVEG zu treffenden Beschwerdeentscheidungen jedenfalls nicht in gleichem Maß besondere Kenntnisse auf dem Gebiet des Familienrechts voraussetzen, wie dies für den Bereich des GKG – insbesondere im Zusammenhang mit der Wertfestsetzung – anzunehmen ist.“
Das für das Amtsgericht Nürnberg nach der allgemeinen Organisation der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuständige nächsthöhere Gericht ist das Landgericht Nürnberg-Fürth.
Zwar enthält § 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG eine Sonderregelung, wonach die Oberlandesgerichte für Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Familiengerichte zuständig sind. Damit wird jedoch keine ausschließliche Zuständigkeit für sämtliche Beschwerden gegen Entscheidungen der Abteilung für Familiensachen begründet. Bei der Neugestaltung des Kostenrechts im Jahr 2004 hat der Gesetzgeber in § 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG – anders als z. B. in § 57 Abs. 3 FamGKG und in § 33 Abs. 4 Satz 2 RVG – bewusst keine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für Beschwerden gegen die Vergütungsfestsetzung des Familiengerichts vorgesehen, sondern in allgemeiner Form nur die Zuständigkeit des „nächsthöheren Gerichts“ bestimmt.
Die Festsetzung des Vergütungsanspruchs gemäß § 4 Abs. 1 JVEG betrifft unmittelbar nur das Verhältnis der Staatskasse zu dem Sachverständigen. Nach nahezu einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist für eine Beschwerde gemäß § 4 Abs. 3 JVEG, auch wenn die Entscheidung vom Familiengericht getroffen wurde, das übergeordnete Landgericht, im vorliegenden Fall also das Landgericht Nürnberg-Fürth, zur Entscheidung zuständig (vgl. BDPZ/Binz JVEG, 3. Aufl., Rn. 15 zu § 4 m. w. N.; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG 26. Aufl., Rn. 17 zu § 4).
Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Vergütung auch im Kostenansatz, der das Verhältnis der Beteiligten zur Staatskasse betrifft, zu berücksichtigen ist. Über Einwendungen der Beteiligten gegen den Kostenansatz in Familiensachen entscheidet gemäß § 57 Abs. 3 FamGKG das Oberlandesgericht. Das Amtsgericht hat in dem Tenor seiner Entscheidung allerdings ausgesprochen, dass die Entscheidung auf Erinnerung des Antragstellers erfolgt sei. Aus der weiteren Formulierung des Tenors und den Entscheidungsgründen ergibt sich jedoch zweifelsfrei, dass es eine Entscheidung auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 JVEG treffen, also den Vergütungsanspruch des Sachverständigen gegenüber der Staatskasse, nicht nur die Verpflichtung der Beteiligten zur Zahlung der Gerichtsauslagen, regeln wollte. Die Festsetzung der Vergütung nach § 4 Abs. 1 JVEG erfolgt jedoch auf Antrag des Sachverständigen, der Staatskasse oder von Amts wegen. Die Beteiligten der Hauptsache sind an dem Festsetzungsverfahren nicht unmittelbar beteiligt, weil dieses unmittelbar nur das durch die Bestellung des Sachverständigen begründete besondere Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. BGHZ 59, 310) betrifft. Sollte die Beteiligten nach rechtskräftigem Abschluss des Vergütungsfestsetzungsverfahrens und eventueller Korrektur des Kostenansatzes weiterhin Einwendungen erheben, wird hierüber in einem gesonderten Verfahren nach § 57 FamGKG zu entscheiden sein.