Handels- und Gesellschaftsrecht

Aktivlegitimation des Schadensabwicklungsunternehmens in Rückforderungsprozessen

Aktenzeichen  224 C 27412/15

Datum:
29.4.2016
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG VVG § 86, § 126 Abs. 2
BGB BGB § 242, § 280, § 286, §§ 812 ff.
ZPO ZPO § 91a, § 93

 

Leitsatz

Aus der Passivlegitimation nach § 126 Abs. 2 S. 1 VVG des Schadensabwicklungsunternehmens folgt nach Sinn und Zweck der Regelung auch, dass diese für Rückforderungsprozesse aktivlegitmiert ist. Nur so lässt sich der gesetzgeberische Zweck, die Bearbeitung des Versicherungsfalls alleinig durch das Schadensabwicklungsunternehmen durchführen zu lassen, erreichen. (amtlicher Leitsatz)

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 147,56 € außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Der Streitwert wird auf 786,91 € bis zur teilweisen Erledigung am 08.04.2016, danach auf 409,80 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antrag auf Feststellung der Erledigung ist begründet. Erledigendes Ereignis war die Zahlung des eingezahlten Betrags auf das Konto der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 22.03.2016. Die Klage war davor zulässig und begründet.
Dabei kommt es, anders als der Beklagte meint, nicht darauf an, ob die Klage ursprünglich bei Klageerhebung bereits begründet war, sondern es genügt, dass die Klage vor Eintritt des erledigenden Ergebnisses im Laufes des Prozesses begründet geworden ist (Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 91a Rn. 44 m. w. N.), was jedenfalls durch die schriftliche Abtretung des eingeklagten Anspruchs am 26.02.2016, bekanntgegeben dem Beklagten am 29.02.2016, und die gleichzeitige Einreichung eines ggf. klageändernden Schriftsatzes der Fall ist (im Übrigen war die Klage bereits ursprünglich begründet, dazu unter 2. ausführlich).
Im Gegenzug dazu konnten die Wertungen des § 93 ZPO nicht berücksichtigt werden, was zumindest grundsätzlich zugunsten des Beklagten diese Kostenlast hätte verschieben können, denn die Wertungen des § 93 ZPO hätte nur bei einer Entscheidung nach § 91a ZPO berücksichtigt werden können. Die Beendigung des Rechtsstreits durch übereinstimmende Erledigungserklärungen kam vorliegend allerdings gerade deswegen nicht zustande, weil der Beklagte seine Zustimmung zur Erledigung verweigerte.
Zur einseitigen Erledigung im Einzelnen:
1. In der Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits liegt eine (erneute) stets zulässige Klageänderung.
2. Die durch Zahlung sich erledigende Hauptforderung bestand ursprünglich.
Dabei kann vorliegend offen gelassen werden, ob sich die Rückzahlungspflicht als Nebenpflicht zur anwaltlichen Tätigkeit oder aber aus § 812ff BGB ergab.
Aufgrund seiner Berufspflichten war der Beklagte verpflichtet, fremdverwaltete Gelder weiterzuleiten. Dies betraf die 50,00 €, welche ihm für die sofortige Beschwerde überweisen worden sind. Diese hätte er an die Justizkasse weiterleiten müssen. Gleichfalls hätte er die zurückgezahlten Gelder in Höhe von 736,91 € zurückzahlen müssen. Ebenso ergab sich eine Rückzahlungspflicht bezüglich der 50,00 € spätestens zu dem Zeitpunkt, als aufgrund der Aufrechnung der Justizkasse Erfüllung eingetreten ist und er diese nicht mehr an die Justizkasse hätte zahlen können.
3. Die Klägerin war auch aktivlegitimiert für die Forderung.
Unzweifelhaft war die Klägerin spätestens mit der Abtretung durch den Versicherer am 26.02.2016 aktivlegitimiert. Entweder war ursprünglich der Versicherer aktivlegitimiert (wenn man ein solches aus dem Verständnis von § 126 Abs. 2 VVG schließen sollte), dann wurde die Klägerin durch die Abtretung aktivlegitimiert. Oder aber man hält die Klägerin aufgrund eines vorzugswürdigen Verständnisses von § 126 Abs. 2 VVG schon für ursprünglich aktivlegitimiert. Dann war die Abtretung durch den Versicherer wirkungslos, da die Klägerin bereits vorher Inhaberin der Forderung war.
Gem. § 126 Abs. 2 S. 1 VVG ist die Klägerin aufgrund der gesetzgeberischen Wertungen zur Bearbeitung der Schadensfälle befugt und verpflichtet. Auch nur gegen sie kann sich die Klage auf Erfüllung der vertraglichen Pflichten aus dem Versicherungsvertrag richten, da ausschließlich sie passivlegitimiert ist (§ 126 Abs. 2 S. 2 VVG).
Aus der gesetzlich vorgeschriebenen Passivlegitimation ergibt sich aber auch die Aktivlegitimation für Rückforderungen. Das Gericht geht nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung davon aus, dass die Beauftragung der Klägerin zur Leistungsbearbeitung die Regulierung des gesamten Versicherungsfalles betrifft. Anders könnte das Ziel des Gesetzgebers, den Versicherten zu schützen, nicht gewährleistet werden. Denn es soll, so der Gesetzesentwurf verhindert werden, dass „Interessenkollisionen auftreten. Z. B. könnte sich der Rechtsschutzversicherte gezwungen sehen, zur Darstellung von Grund und Höhe seiner Ansprüche auf Versicherungsschutz Tatsachen vorzutragen, die sich der Kompositversicherer als gleichzeitiger Haftpflichtversicherer zu eigenem Vorteil zunutze machen könnte. Es ist daher folgerichtig, dass auch ein Rechtsstreit gegen das Schadenabwicklungsbüro, aber mit Wirkung für den Kompositversicherer geführt werden muss.“ (BT-Drucksache 11/6341, dort zur seither unveränderten Vorgängerregelung § 158l VVG, S. 37)
Diesem Schutz vor Interessenkollisionen ist im Rahmen der gesamten Bearbeitung des Versicherungsfalles Rechnung zu tragen, also auch im Rahmen einer vertraglichen oder bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung. Dies gilt insbesondere auch für das Bereicherungsrecht, zumal sich im Bereicherungsrecht eine „schematische Lösung“ verbiete, sondern vielmehr angemessene Lösungen auch für Sonderfälle vorzunehmen sind (Palandt/Sprau, BGB, 74. Auflage, 2015, § 812 Rn. 54).
Denn nur, wenn die gesamte Abwicklung des Schadensfalles beim Abwicklungsunternehmen bleibt, lässt sich wirksam eine solche Interessenkollision verhindern. Man stelle sich nur vor, dass das Abwicklungsunternehmen aufgrund eines technischen Versehens einen Cent zu viel ausgezahlt hätte. Dann müsste nun doch der Versicherer für die Rückforderung aktiv werden und dafür mit den notwendigen Informationen (entgegen der gesetzgeberischen Zielsetzung) versorgt werden.
Zu den weiteren Rechtsansichten des Beklagten: Wenn der Beklagte seine Rechtsansichten in der Begründung auch auf § 86 VVG stützt, worin das Wort „Versicherer“ verwendet wird, verkennt er die Systematik des Versicherungsvertragsgesetzes. Denn bei § 86 VVG handelt es sich um eine Vorschrift des Allgemeinen Teils (§§ 1 bis 99 VVG). Selbstverständlich können die allgemeinen Vorschriften nicht auf die Besonderheiten der „Einzelnen Versicherungszweige“ (Teil 2 des VVG, §§ 100ff VVG) eingehen. Die Auftrennung zwischen Versicherer und Abwicklungsgesellschaft ist aber eine derartige Besonderheit, die nur für die Rechtsschutzversicherung besteht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Entscheidung des OLG München (Urteil vom 28.08.2009, Az. 25 U 2149/09), die im Übrigen in einem völlig anderen Kontext entstanden ist. Denn dort mussten die oben beschriebenen Wertungen (aufgrund vorausschauender gerichtlicher Hinweise) nicht beachtet werden.
4. Jedenfalls kann sich der Beklagte im vorliegenden Fall gem. § 242 BGB nicht auf die fehlende Aktivlegitimation berufen. Denn der Beklagte wurde, wie sich aus den Schreiben der Klägerin ergibt, vorprozessual sowohl von der Klägerin als auch vom Versicherer ausreichend gemahnt. Auffällig an diesen in der Anlage K8 zur Klageschrift vorgelegten Schreiben der Klägern ist, dass diese die Schreiben „im Auftrag der A. AG“ getätigt hat. Es war dem Beklagten mithin seit 31.10.2013 bzw. 28.11.2013 bewusst, dass er von der Klägerin in Anspruch genommen werden würde und diese „im Auftrag“ des Versicherers handeln würde. Ein Berufen auf ein etwaiges Fehlen der Aktivlegitimation ginge daher auf jeden Fall fehl.
II.
Ebenso kann die Klägerin die Erstattung der vorprozessualen Rechtsanwaltskosten verlangen, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB. Die Beauftragung der Prozessvertreter stellt einen Verzugsschaden dar.
III.
Die Kosten ergeben sich aus §§ 91, 92 Abs. 2 ZPO, soweit die Klägerin durch die letzte Fassung ihrer Anträge die Klageforderungen bezüglich der Verzugszinsen seit 17.07.2015 konkludent zurückgenommen hat.
IV.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
V.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich bis zur Erledigung aus der Hauptforderung. Aufgrund der einseitigen Erledigung war der Streitwert nach der Summe aus der noch allein anhängigen Nebenforderung (147,56 €) sowie aus dem Kosteninteresse der Erledigung zu bemessen (262,24 €). Das Erledigungsinteresse betrifft die Mehrkosten aus dem Gebührensprung:
Streitwert
786,91€
147,56€
Differenz
Gerichtskosten
159,00€
105,00€
Anwaltskosten Kläger
261,80€
157,68€
Anwaltskosten Beklagter
261,80€
157,68€
682,60€
420,36€
262,24€


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