Handels- und Gesellschaftsrecht

Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses über Sonderprüfungsaufhebung

Aktenzeichen  5 HK O 14532/19 20

Datum:
19.11.2020
Fundstelle:
AG – 2021, 165
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AktG § 122 Abs. 1, § 124 Abs. 3, § 131, § 243, § 246

 

Leitsatz

1. Der Aufsichtsrat ist nicht befugt, bei einem Ergänzungsantrag nach § 122 Abs. 2 AktG auf Aufhebung eines Sonderprüfungsantrages, der Hauptversammlung einen Beschlussvorschlag zu unterbreiten.  (Rn. 21 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es kann die Erforderlichkeit einer Auskunft nach § 131 Abs. 1 AktG nicht bereits mit dem Argument verneint werden, die Mehrzahl der gestellten Fragen betreffe die Sonderprüfung und müsse deshalb quasi wegen Vorgreiflichkeit nicht beantwortet werden.  (Rn. 28 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Auskunftspflicht des Vorstandes umfasst auch solche Fragen, zu deren Beantwortung er sich die notwendigen Unterlagen und Informationen unschwer und ohne wesentliche Verzögerung der Hauptversammlung beschaffen kann. Zu diesem Zweck muss der Vorstand während der Hauptversammlung das notwendige Personal zur Verfügung halten, um solche Informationen entsprechend erhalten zu können.  (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
4. Da es zur Erhebung einer Anfechtungsklage eines berechtigten Eigeninteresses grundsätzlich nicht bedarf und ihr gerade die Aufgabe der Rechtmäßigkeitskontrolle in Bezug auf Beschlüsse der Hauptversammlung zukommt, kann eine Klageerhebung nur in Ausnahmefällen, für die die Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast trägt, als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Der Aktionär muss sachfremde, eigene Interessen verfolgen und somit das Klagerecht in zweckentfremdender Weise zum eigenen Vorteil nutzen.  (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der in der Hauptversammlung der Beklagten vom 18.9.2019 gefasste Beschluss zu Tagesordnungspunkt 1, der in der Einladung zur Hauptversammlung angekündigt war wie folgt:
TOP 1:
Der Beschluss der Hauptversammlung der P… AG vom 7. Juni 2019 betreffend die Bestellung eines Sonderprüfers wird vollständig aufgehoben. Der aufzuhebende Beschluss betrifft die Bestellung eines Sonderprüfers zur Untersuchung von Vorgängen ab August 2018 und im Zusammenhang mit der Wandlung von 916.590 Optionsrechten in 916.590 Namensaktien der P… AG einschließlich der Gewährung einer sog. Kompensation von EUR 760.000 an A… Ltd. und sieht die Bestellung von Herrn Dr. … H…als Sonderprüfer und Herrn
Dr. … L… als Ersatzsonderprüfer vor.
und der vom Versammlungsleiter mit diesem Inhalt festgestellt und verkündet wurde, wird für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf € 150.000,– festgesetzt.

Gründe

I.
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet, weil der Beschluss der Hauptversammlung gegen das Gesetz im Sinne des § 243 Abs. 1 AktG verstößt und folglich für nichtig zu erklären ist.
1. Die Kläger sind anfechtungsbefugt im Sinne des § 245 Nr. 1 AktG. Nach dieser Vorschrift ist zur Anfechtung befugt jeder in der Hauptversammlung erschienene Aktionär, wenn er die Aktien schon vor der Bekanntmachung der Tagesordnung erworben hatte und gegen den Beschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat. Da die Kläger ihre Aktien unstreitig bereits vor der am 9.8.2019 erfolgten Einberufung zu der außerordentlichen Hauptversammlung vom 18.9.2019 erworben hatte und während der Hauptversammlung persönlich oder vertreten durch die Klägerin zu 1) Widerspruch zur Niederschrift erklärten, sind sie anfechtungsbefugt.
2. Es greift nämlich auch im Anwendungsbereich von § 246 Abs. 1 AktG die Vorschrift des § 167 ZPO ein, wonach in den Fällen, in denen durch die Erhebung der Klage eine Frist gewahrt werden soll, die Wirkung bereits mit Eingang des Antrags bei Gericht eintritt, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift müssen bejaht werden, weshalb auf den am 18.10.2019 erfolgten Eingang der Klage per Telefax bei Gericht abgestellt werden muss. Die Verzögerung der Zustellung ist zu einem erheblichen Teil der Organisationssphäre des Gerichts zuzuordnen und steht folglich einer demnächst erfolgten Zustellung nicht entgegen. Mit Beschluss vom 22.10.2019 (Bl. 34 d. A.) hat das Gericht den Streitwert vorläufig festgesetzt. Die Einzahlung des darauf beruhenden Kostenvorschusses erfolgte am 30.10.2020, mithin genau eine Woche nach der am 23.10.2019 erfolgten Anforderung des Kostenvorschusses. Wenn die Zustellung der Klageschrift danach aber erst am 11.11.2019 veranlasst wurde, so beruht dies auf der Zeitdauer zwischen der Einzahlung und dem Eingang des Zahlungsnachweises beim Landgericht München I. Dann aber ist die weitere Verzögerung der Zustellung ausschließlich der Organisationssphäre des Gerichts zuzuordnen. Die Kläger selbst hatten alles Erforderliche veranlasst, um eine zeitnahe Zustellung der Klageschrift durch das Gericht zu begründen. Gerade bei einem nicht bezifferten Klageantrag sind sie auch berechtigt, die Aufforderung zur Zahlung des Gerichtskostenvorschusses abzuwarten.
3. Der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 1 der Hauptversammlung vom 18.9.2020 verstößt gegen das Gesetz im Sinne des § 243 Abs. 1 AktG und ist daher für nichtig zu erklären.
a. Eine Gesetzesverletzung muss in der Tatsache gesehen werden, dass der Aufsichtsrat einen Beschlussvorschlag zu dem auf § 122 Abs. 2 AktG gestützten Antrag unterbreitete. Darin muss ein Verstoß gegen § 124 Abs. 3 AktG analog gesehen werden.
(1) In Rechtsprechung und Literatur ist allerdings umstritten, inwieweit der Aufsichtsrat befugt ist, in der hier gegebenen Situation eines Ergänzungsantrag auf Aufhebung eines Sonderprüfungsantrages berechtigt ist, der Hauptversammlung einen Beschlussvorschlag zu unterbreiten.
(a) Teilweise wird hierzu die Ansicht vertreten, in einer derartigen Situation könne das Vorschlagsrecht nicht entfallen, wofür ein Vergleich mit der Entlastung spreche, bei der anerkannt ist, dass die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat Zur Unterbreitung von Beschlussvorschlägen auch zur Entlastung ihrer Mitglieder berechtigt seien und nur in der Hauptversammlung einem Stimmrechtsverbot aus § 136 Abs. 1 AktG unterlägen. Einem Interessenkonflikt könne in der hier gegebenen Situation durch die Nichtteilnahme an der Abstimmung begegnet werden (vgl. Butzke in: Großkommentar zum AktG, 5. Aufl., § 124 Rdn. 67 und 82; Rieckers in: BeckOGK zum Aktienrecht, Stand 1.7.2018, § 124 AktG Rdn. 59; Rieckers/Vetter in: Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl., § 142 Rdn. 145; Herrles in: Grigoleit, AktG, 2. Aufl., § 124 Rdn. 18).
(b) Dieser Ansicht vermag die Kammer indes nicht zu folgen. Sie steht im Widerspruch zum Normzweck des § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG. Aufgrund von § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG haben der Vorstand und der Aufsichtsrat zur Wahl von Prüfern nur der Aufsichtsrat, in der Bekanntmachung Vorschläge zur Beschlussfassung zu machen, wobei auch der Sonderprüfer als Prüfer im Sinne des § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG angesehen werden muss (vgl. OLG München AG 2003, 645; Hüffer/Koch, AktG, 14. Aufl., § 124 Rdn. 20; Müller in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., § 124 AktG Rdn. 15; Ziemons in: Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 124 Rdn. 33; Riekers in: BeckOGK zum Aktienrecht, a.a.O., § 124 Rdn. 39). In der hier gegebenen Konstellation muss § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG analog angewandt werden. Eine Analogie ist zulässig und geboten, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand:vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. BGH NJW 2007, 3124, 3125 = WM 2007, 1791 1792; NZM 2016, 890, 891 = WuM 414, 415). Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, dass der Vorstand nicht die Entscheidung soll beeinflussen können, soweit es darum geht, durch eine etwaige Prüfung (auch) seine eigene Tätigkeit einer Kontrolle zu unterwerfen. Dieser hinter der Norm stehende Grundgedanke muss aber auch dann gelten, wenn es nicht um die Auswahl und Bestellung des Prüfers geht, sondern um die Aufhebung einer bereits getroffenen Entscheidung über die Durchführung einer Sonderprüfung. Der Normzweck gilt zudem in gleicher Weise, wenn sich wie hier die zur Abstimmung stehende Sonderprüfung auch auf die Tätigkeit von Mitgliedern des Aufsichtsrats bezieht. In dieser Situation greift der Rechtsgedanke des § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG ebenfalls ein – der Aufsichtsrat soll keinen Einfluss auf die Hauptversammlung ausüben, inwieweit sein Handeln im Vorfeld und im Zusammenhang mit der Wandlung von Optionsrechten in Namensaktien einer Untersuchung durch den Sonderprüfer unterzogen wird, wie dies im Beschluss der Hauptversammlung vom 7.6.2016 angelegt war. Folglich erfasst der Normzweck des § 124 Abs. 3 AktG auch diese Konstellation.
Schließlich erstreckt sich die Sonderprüfung auch auf Zeiträume, in der auch die Herren R… und Ro… bereits Mitglied des Aufsichtsrats waren. Über das Stimmverbot soll nur das Richten in eigener Sache verhindert werden, während es vorliegend um eine Einflussnahme auf die Person bzw. Tätigkeit des Prüfers durch den zu Prüfenden gilt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.7.2012, Az. I-6 U 69/11; Ziemons in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 124 Rdn. 35). Ebenso wenig überzeugt das von der Beklagten vorgebrachte Gegenargument, der Aufsichtsrat riskiere bei einem unterlassenen Beschlussvorschlag an die Hauptversammlung gleichfalls die Anfechtung des gefassten Beschlusses. Im Falle eines Ergänzungsverlangens nach § 122 AktG entfällt nämlich aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 124 Abs. 3 Satz 3 2. Alt. AktG die Pflicht zur Unterbreitung eines Beschlussvorschlages nach Satz 1, wenn der Gegenstand der Beschlussfassung auf Verlangen einer Minderheit auf die Tagesordnung gesetzt wurde.
(2) Der Beschluss beruht auf dem Gesetzesverstoß; die Kausalität zwischen der Gesetzesverletzung und der Beschlussfassung muss bejaht werden. Dabei kann nicht auf eine mathematisch-naturwissenschaftliche Kausalität abgestellt werden. Für die Nichtigerklärung eines Beschlusses ist vielmehr die Relevanz des hier in der Unzulässigkeit eines Beschlussvorschlages liegenden Verfahrensverstoßes für das Mitgliedschafts- bzw. Mitwirkungsrecht eines objektiv urteilenden Aktionärs maßgebend, insbesondere auch des in der Abstimmung unterlegenen Minderheitsaktionärs, im Sinne eines dem Beschluss anhaftenden Legitimationsdefizits, das bei einer wertenden, am Schutzzweck der verletzten Norm orientierten Betrachtung die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit gemäß § 243 Abs. 1 AktG rechtfertigt (vgl. BGHZ 160, 385, 391 f. = NJW 2005, 828, 830 = NZG 2005, 77, 79 = AG 2005, 87, 89 = ZIP 2004, 2428, 2430 = WM 2004, 2489, 2491 = DB 2004, 2803, 2805 = BB 2005, 65, 66 f. = DNotZ 2005, 302, 305; NZG 2010, 843, 945 = AG 2010, 632, 634 = ZIP 2010, 1437, 1439 = WM 2010, 1502, 1504 = DB 2010 1697, 1699 = NJW-RR 2010, 1339, 1341 = DNotZ 2011, 138, 140; BGHZ 216, 110, 134 = NJW 2018, 52, 58 = NZG 2017, 1374, 1380 = AG 2018, 28, 35 = ZIP 2017, 2245, 2252 = WM 2007, 2263, 2270 f. = DB 2017, 2794, 2801 = DNotZ 2018, 382, 397; NZG 2020, 1106, 1109 = AG 2020, 789, 793 = ZIP 2020, 1857, 1860 = WM 2020, 1784, 14887 = DB 2020, 2008, 2012; OLG München AG 2019, 266, 268 = ZIP 2018, 2369, 2371 = Der Konzern 2019, 140, 143; Hüffer/Koch, AktG, a.a.O., § 243 Rdn. 13; Ehmann in: Grigoleit, AktG, a.a.O., § 243 Rdn. 8).
Der Verstoß gegen § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG analog berührt das Mitwirkungs- und Teilnahmerecht des Aktionärs, weil es dann an einer sachgemäßen Information der Aktionäre fehlt. Vorliegend wurde über einen Tagesordnungspunkt abgestimmt, der nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht wurde. Damit aber gab es keine sachgemäße Information der Aktionäre, aufgrund derer sie sich mit dem Gegenstand der Tagesordnung befassen und entscheiden sollen, ob und gegebenenfalls unter Wahrnehmung welcher Rechte sie an der Hauptversammlung teilnehmen wollen. Gerade die Entscheidung über die Teilnahme kann durch die Fehlerhaftigkeit der Bekanntmachung mit Blick auf das in § 124 Abs. 4 Satz 1 AktG statuierte gesetzliche Verbot, über fehlerhaft bekannt gemachte Gegenstände der Tagesordnung Beschluss zu fassen, im negativen Sinn beeinflusst werden. Es besteht sehr wohl die Gefahr, dass Aktionäre von der Teilnahme an der Hauptversammlung abgehalten werden, weil sie davon ausgehen, die Mehrheit würde dem Beschlussvorschlag des unmittelbar betroffenen Aufsichtsrats folgen und daher von einer Teilnahme aufgrund der Einschätzung der fehlenden Bedeutung der eigenen Stimmen für die Mehrheit von einer Teilnahme absehen. Folglich kann auch von einem lediglich marginalen Verstoß nicht gesprochen werden (vgl. BGHZ 153, 32, 36 f. = NJW 2003, 970, 971 f. = NZG 2003, 216, 217 = AG 2003, 319 f. = ZIP 2003, 290, 292 = WM 2003, 437, 438 = DB 2003, 383, 384 = BB 2003, 462, 463 = GmbHR 2003, 408, 409 f. = DNotZ 2003, 358, 360 f.).
b. Die Anfechtbarkeit des zu Tagesordnungspunkt 1 gefassten Beschlusses resultiert auch aus einer Verletzung des Fragerechts der Aktionäre aus § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG. Nach dieser Vorschrift ist jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. Hiergegen wurde verstoßen.
(1) Das europarechtskonform einschränkende Merkmal der Erforderlichkeit der Auskunft in § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG zielt nach der Rechtsprechung insbesondere des BGH darauf ab, missbräuchlich ausufernde Auskunftsbegehren zu verhindern, um die Hauptversammlung nicht mit überflüssigen, für eine sachgemäße Beurteilung des Beschluss- oder sonstigen Gegenstands der Tagesordnung unerheblichen Fragen zu belasten. Entsprechend der Funktion des Auskunftsrechts, das auch zur Meinungs- und Urteilsbildung anderer Aktionäre, insbesondere der Minderheitsaktionäre, in der Hauptversammlung beitragen soll, ist Maßstab für die „Erforderlichkeit“ eines Auskunftsverlangens der Standpunkt eines objektiv urteilenden Aktionärs, der die Gesellschaftsverhältnisse nur auf Grund allgemein bekannter Tatsachen kennt und daher die begehrte Auskunft als nicht nur unwesentliches Beurteilungselement benötigt. Sie muss daher bejaht werden, wenn die Auskunft aus Sicht eines vernünftigen Durchschnittsaktionärs ein nicht nur unwesentliches Element für die Beurteilung des Tagesordnungspunktes und gegebenenfalls für sein Abstimmungsverhalten darstellt. Dieses Kriterium begrenzt das Informationsrecht aus § 131 Abs. 1 AktG in qualitativer und quantitativer Hinsicht sowie hinsichtlich seines Detaillierungsgrades. Es muss eine gewisse Maßgeblichkeitsschwelle überschritten sein (vgl. BGHZ 160, 385, 389 = NZG 2005, 77, 78 = AG 2005, 87, 88 = ZIP 2004, 2428, 2429 = WM 2004, 2489, 2490 – ThyssenKrupp; BGHZ 180, 9, 29 = NJW 2009, 2207, 2212 = NZG 2009, 342, 348 = AG 2009, 285, 291 = ZIP 2009, 460, 467 = WM 2009, 459, 465 = DB 2009, 500, 506 – Kirch/Deutsche Bank; BGHZ 198, 354, 357 f. = NJW 2014, 541, 542 = NZG 2014, 27, 28 = AG 2014, 87 = ZIP 2013, 2454 f. = DB 2013, 2917, 2918 = WM 2013, 2361, 2362 = BB 2014, 331 f. – Kirch/Deutsche Bank; BGH NZG 2014, 423, 424 Tz. 26 = AG 2014, 402, 403 = ZIP 2014, 671, 672 = BB 2014, 1163 f. = DB 2014, 704, 705 = MittBayNot 2014, 357, 358 – Porsche SE; OLG Stuttgart AG 2015, 163, 169 Siems in: Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 131 Rdn. 28; OLG Düsseldorf NZG 2020, 1061, 1062; Kubis in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 131 Rdn. 38).
Dabei kann die Erforderlichkeit nicht bereits mit dem Argument verneint werden, die Mehrzahl der gestellten Fragen betreffe die Sonderprüfung und müsse deshalb quasi wegen Vorgreiflichkeit nicht beantwortet werden.
Dieses Argument ist mit dem Normzweck von § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht zu vereinbaren. Der Auskunftsanspruch des Aktionärs als eigenständiges mitgliedschaftliches Individualrecht des Aktionärs soll es ermöglichen, ihn in die Lage zu versetzen, die Gegenstände der Tagesordnung zu beurteilen, ihm also diejenigen konkreten Informationen zu verschaffen, die er zur sachgerechten Ausübung seines Rechts auf Teilnahme aus § 118 Abs. 1 AktG an der Hauptversammlung benötigt. Der Aktionär kann nur dann von seinem Mitgliedschaftsrecht Gebrauch machen, wenn er die Umstände kennt, die für die Ausübung der Rechte wesentlich sind. Angesichts dessen kann ihm ein Recht auf Auskunft nicht schon deshalb abgesprochen werden, weil es um Fragen geht, die Gegenstand der angeordneten Sonderprüfung sind. Das Ergebnis der Sonderprüfung liegt naturgemäß erst später vor und kann dem fragenden Aktionär nicht die Information verschaffen, die er zur sachgerechten Ausübung seines Rechts auf Teilnahme in der aktuellen Hauptversammlung benötigt (vgl. OLG Düsseldorf NZG 2020, 1061, 1065) für einen Entlastungsbeschluss. Diese Überlegungen müssen aber erst Recht gelten, wenn es um die Problematik geht, ob ein von der Hauptversammlung gefasster Beschluss über die Durchführung einer Sonderprüfung wieder aufgehoben werden soll oder nicht. Abgesehen davon würde in den Antworten auch deshalb keine Vorwegnahme des Sonderprüfungsverfahrens liegen, weil die Antwort im Rahmen einer Hauptversammlung nicht dieselbe Detailtiefe haben kann und muss wie die Sonderprüfung selbst, deren Ergebnis gemäß § 145 Abs. 6 AktG in einem schriftlichen Bericht niederzulegen ist und der demgemäß eine deutlich größere Detailtiefe haben wird.
(2) Unter Zugrundelegung dieses allgemeinen Prüfungsmaßstabes muss die Erforderlichkeit des Auskunftsbegehrens bejaht werden.
(a) Dies gilt namentlich in Bezug auf die Fragen 28, 30, 31, 33, 42 bis 44, 46 und 47 sowie zumindest in Teilen von Frage 37. Diese Fragen betreffen Grundstrukturen der Problematik, die der Sonderprüfung zugrunde liegt, bei der es um die Prüfung von Maßnahmen der Geschäftsführung bezüglich der Wandlung von 916.560 Optionsrechten in ebenso viele Namensaktien der Beklagten geht. Dabei sind die Fragen 28, 30, 31, 37 bis 40, 42 und 44 identisch mit dem Gegenstand der Sonderprüfung, was bereits die Erforderlichkeit im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG impliziert. Bei einer entsprechenden Antwort könnte ein Aktionär sich ein Bild darüber machen, ob er die Aufhebung des Beschlusses tatsächlich für gerechtfertigt hält oder die Durchführung der Sonderprüfung nach wie vor aus seiner Sicht notwendig erscheint. Mit einer entsprechenden Antwort hätte er auch eine entsprechende Grundlage für seine Entscheidung.
(b) Aber auch Frage 33 nach einer bereits erfolgten unabhängigen Untersuchung hätte der Vorstand beantworten müssen. Wenn ein Aktionär nämlich erfährt, ob sich ein anderer unabhängiger Prüfer bereits ein Bild von den zu untersuchenden Geschäftsvorfällen gemacht hat, kann der Aktionär auf informierter Basis darüber entscheiden, inwieweit der Beschluss über die Durchführung der Sonderprüfung entbehrlich ist und somit tatsächlich aufgehoben werden könnte.
(3) Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, die Erteilung der Auskunft sei ihr während der Hauptversammlung unmöglich gewesen. Zwar muss im Grundsatz davon ausgegangen werden, dass dem Auskunftsrecht naturgemäß rechtliche Grenzen durch die Vorschrift des § 275 Abs. 1 BGB gesetzt sind (vgl. LG München I ZIP 2008, 555, 558; Spindler in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 131 Rdn. 64; Kubis in: Münchner Kommentar zum AktG, 4. Aufl., a.a.O., § 131 Rdn. 92; Decher in:
Großkommentar zum AktG, 5. Aufl., § 131 Rdn. 282). Von einem solchen Fall der Unmöglichkeit kann hier indes nicht ausgegangen werden. Die Auskunftspflicht des Vorstandes umfasst nämlich auch solche Fragen, zu deren Beantwortung er sich die notwendigen Unterlagen und Informationen unschwer und ohne wesentliche Verzögerung der Hauptversammlung beschaffen kann. Zu diesem Zweck muss der Vorstand während der Hauptversammlung das notwendige Personal zur Verfügung halten, um solche Informationen entsprechend erhalten zu können. Dabei orientiert sich der Umfang der Vorbereitungspflicht an der konkreten Tagesordnung der bevorstehenden Hauptversammlung unter Berücksichtigung von Erfahrungen aus dem Verlauf früherer Hauptversammlungen. Muss der Vorstand mit kritischen Fragen rechnen, intensiviert sich seine Vorleistungspflicht (vgl. BGHZ 32, 159, 165; KG NJW-RR 1995, 98, 101; ZIP 1995, 1585, 1589; LG München I ZIP 2008, 555, 558; Decher in:
Großkommentar zum AktG, 5. Aufl., § 131 Rdn. 282; Spindler in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 131 Rdn. 64). Von einer solchen Intensivierung der Vorbereitungspflicht muss hier ausgegangen werden. Angesichts der vorangegangenen Hauptversammlung konnte und musste der Vorstand mit derartigen kritischen Fragen rechnen.
(4) Der Beschluss der Hauptversammlung beruht auf dem Verstoß. Im Sinne des § 243 Abs. 4 Satz 1 AktG. Werden einem Aktionär Auskünfte vorenthalten, die aus der Sicht eines objektiv wertenden Aktionärs in der Fragesituation zur sachgerechten Beurteilung des Beschlussgegenstandes „erforderlich“ sind, so liegt darin zugleich ein relevanter Verstoß gegen das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht des Aktionärs, ohne dass es darauf ankommt, ob der tatsächliche Inhalt der in der Hauptversammlung verweigerten oder nicht hinreichend gegebenen Auskunft einen objektiv wertenden Aktionär von der Zustimmung zur Beschlussvorlage abgehalten hätte. Wenn die vorenthaltene Auskunft zur sachgerechten Beurteilung erforderlich ist, so muss darin eine wesentliche Voraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung der Aktionärsrechte gesehen werden. Aus dem Erfordernis der Wesentlichkeit in § 243 Abs. 4 Satz 1 AktG resultiert keine Einschränkung der Anfechtbarkeit im Falle der Verletzung von Auskunftspflichten (vgl. Drescher in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., § 243 Rdn. 121; Ehmann in: Grigoleit, AktG, a.a.O., § 243 Rdn. 28; Hüffer/Koch, AktG, a.a.O., § 243 Rdn. 46b; H…in: Heidel. Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, a.a.O., § 243 AktG, Rdn. 60; Veil AG 2005, 567, 569) Da das Auskunftsrecht die Partizipation der Aktionäre am Willensbildungsprozess der Hauptversammlung gewährleistet und eine wirksame Sanktion in Gestalt der Anfechtungsklage unverzichtbar ist und der Gesetzgeber die Rechtsprechung des II. Zivilsenats aufgreifen und kodifizieren wollte (vgl. BT-Drucks. 15/5092 S. 26), kann der Gegenauffassung, die in dem Merkmal der Wesentlichkeit ein zusätzliches, im Vergleich zu § 131 Abs. 1 AktG einschränkendes Tatbestandsmerkmal sieht (vgl. Noack/Zetzsche in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., Marsch-Barner in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 1109, 1116), nicht gefolgt werden.
(5) Ein Verweigerungsrecht des Vorstands lässt sich nicht aus einem Rechtsmissbrauch des Fragerechts ableiten. Ein solcher liegt auch nicht unter dem Aspekt einer übermäßigen Rechtsausübung vor. Dabei ist im Ausgangspunkt davon auszugehen, dass jeden Aktionär die Treuepflicht trifft, den zügigen Fortgang der Hauptversammlung nicht zu stören und insbesondere eine zeitgerechte Beendigung der Hauptversammlung nicht zu verhindern (vgl. BGHZ 32, 159, 166). Der ordnungsgemäße Ablauf darf nicht dadurch vereitelt werden, dass ein Aktionär die Redezeit für individuelle Informationsbedürfnisse monopolisiert.
(a) Wann von einem derartigen Rechtsmissbrauch ausgegangen werden muss, wird nicht völlig einheitlich beantwortet. Die Literatur zieht dabei teilweise strenge Grenzen. So wird vertreten, dass jedenfalls ein mehrere DIN A4-Seiten umfassender Fragenkatalog (vgl. Hüffer/Koch, AktG, a.a.O., § 131 Rdn. 68) oder sogar schon regelmäßig das Stellen von über 50 Fragen (vgl. Kubis in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 131 Rdn. 59) unzulässig sein soll. Dem kann angesichts der Tatsache, dass gerade die Frage des Rechtsmissbrauchs stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist, nicht gefolgt werden, weshalb mit der Rechtsprechung keine derart starren und engen Grenzen gezogen werden können, sondern vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles abgestellt werden muss. So wurde ein Missbrauch des Fragerechts beispielsweise bei Umfassen von 3.000 Einzelvorgängen oder 25.000 Einzelangaben bejaht (vgl. OLG Frankfurt WM 1983, 1071 f.). Jedenfalls ist die Beantwortung sofort mit der entsprechenden Begründung abzulehnen, um dem Aktionär Gelegenheit zur Beschränkung zu geben (vgl. LG München I AG 1987, 185, 189; AG 2010, 919, 921 = ZIP 2010, 2148, 2151 = WM 2010, 1699, 1702 = Der Konzern 2010, 379, 385).
(b) Daran gemessen liegt im vorliegenden Fall kein Rechtsmissbrauch vor. Die Sonderprüfung betrifft wesentliche Elemente der Geschäftsführung durch den Vorstand und die Überwachung durch den Aufsichtsrat, weil durch diese Maßnahmen Einfluss auf die Zusammensetzung des Aktionariats genommen wird, wenn Optionsrechte in Aktien umgewandelt werden. Ausweislich des als Anlage K 5 vorgelegten Protokolls wurden im Verlaufe der Hauptversammlung von allen Aktionären rund 75 Fragen gestellt, von denen ein nicht unerheblicher Teil mit der Benennung einer Zahl oder einem Satz hätte beantwortet werden können, womit kein wesentlicher Zeitaufwand verbunden ist. Zu nennen sind hier beispielsweise die Fragen Nr. 47, 50, 60 sowie Teile der Frage 46 nach Laufzeit, Zins und Sicherheiten für ein gewährtes Darlehen. Auch kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich Fragen der Aktionäre Y… und R… mit denen der Klägerin zu 1) inhaltlich weitgehend deckten, weshalb hier keine doppelte Beantwortung erforderlich war. Diese weitgehende Identität von Fragen ergibt sich aus dem als Anlage K 5 vorgelegten stenografischen Protokoll der Hauptversammlung, an dessen inhaltlicher Richtigkeit keine begründeten Zweifel bestehen. Im Zusammenhang mit der Problematik des Rechtsmissbrauchs des Fragerechts muss insbesondere auch gesehen werden, dass die Klägerin zu 1) wie auch andere Aktionäre zu keinem Zeitpunkt von der Beklagten aufgefordert wurden, ihre Fragen auf das angemessene Maß zu reduzieren – ohne eine derartige Aufforderung kann einer Anfechtungsklage der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs des Fragerechts nicht entgegen gehalten werden (OLG Frankfurt AG 2007, 672, 675 = ZIP 2007, 1463, 1467 = WM 2007, 1704, 1708; Beschluss vom 23.7.2010, Az. 5 W 91/09 – zitiert nach Juris; LG München I AG 2010, 919, 921 = ZIP 2010, 2148, 2151 = WM 2010, 1699, 1702 = Der Konzern 2010, 379, 385; Decher in: Großkommentar zum AktG, 5. Aufl., § 131 Rdn. 448 m.w.N.). Von der Möglichkeit der Beschränkung des Frage- und Rederechts aufgrund von § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG machte der Versammlungsleiter ebenfalls keinen Gebrauch, so dass nicht von einer uferlosen Ausdehnung der Hauptversammlung gesprochen werden kann. Nicht berücksichtigt bleiben kann auch der Umstand, dass der zur Beantwortung verpflichtete Vorstand der deutschen Sprache nicht mächtig ist, weshalb ein gewisser Zeitverlust auch durch das Erfordernis der Übersetzung von Fragen und Antworten in Anspruch genommen wurde. Dieser aus der Sphäre der Beklagten stammende Umstand kann nicht zu Lasten der Minderheitsaktionäre und insbesondere auch nicht der Kläger gewertet werden.
Inwieweit einige weitere Fragen einen zu starken Detaillierungsgrad aufwiesen, so dass sie vom Vorstand selbst bei angemessener Vorbereitung auf die Hauptversammlung nicht zu beantworten gewesen wären, muss daher mangels Entscheidungserheblichkeit von der Kammer nicht mehr entschieden werden.
3. Die Klage selbst wurde gleichfalls nicht rechtsmissbräuchlich erhoben. Zwar ist weithin anerkannt, dass die Ausübung der Anfechtungsbefugnis ungeachtet ihrer Kontrollfunktion den für die private Rechtsausübung auch sonst geltenden Schranken – hier dem aus § 242 BGB folgenden Verbot des individuellen Rechtsmissbrauchs – unterliegt und dass eine rechtsmissbräuchlich erhobene Anfechtungsklage unbegründet ist (vgl. BGHZ 107, 296, 310 f. = NJW 1989, 2689, 2692 = ZIP 1989, 980, 983 = DB 1989, 1664, 1666 = BB 1989, 1782, 1784; OLG Stuttgart, Beschluss vom 22.3.2002, Az. 20 W 32/2001; LG München I Der Konzern 2006, 700, 703; Urteil vom 14.9.2017, 5HK O 14604/16). Da es zur Erhebung einer Anfechtungsklage eines berechtigten Eigeninteresses grundsätzlich nicht bedarf und ihr gerade die Aufgabe der Rechtmäßigkeitskontrolle in Bezug auf Beschlüsse der Hauptversammlung zukommt, kann eine Klageerhebung nur in Ausnahmefällen, für die die Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast trägt, als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Der Aktionär muss sachfremde, eigene Interessen verfolgen und somit das Klagerecht in zweckentfremdender Weise zum eigenen Vorteil nutzen.
b. Die Beklagte hat nichts dazu vorgetragen, es sei den Klägern darum gegangen, die Gesellschaft zu Zahlungen oder sonstigen Vorteilsgewährungen zu veranlassen, auf die ein Anspruch nicht besteht oder auch nicht billigerweise erhoben werden kann (vgl. BGHZ 107, 296, 311 = NJW 1989, 2689, 2692 = ZIP 1989, 980, 983 = DB 1989, 1664, 1666 = BB 1989, 1782, 1784; OLG Frankfurt NZG 2009, 222, 223 = AG 2009, 200, 202 = ZIP 2009, 271, 273 = WM 2009, 309, 311 = DB 2009, 224, 225; AG 2011, 303, 304; Hüffer/Schäfer in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 245 Rdn. 59; Göz in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl., § 245 Rdn. 19; Hüffer/Koch, AktG, a.a.O., § 245 Rdn. 24; Mehrbrey in: Mehrbrey, Handbuch gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, Corporate Litigation, 2. Aufl., § 6 Rdn. 412).
b. Soweit die Beklagte geltend macht, die Klage stelle sich als weiterer Baustein in dem perfiden Plan des Aktionärs … R… dar, die ordentliche Geschäftsführung der Beklagten massiv zu beeinträchtigen, weil die Kläger von Herrn R… und Herrn Y… engagiert worden seien, um den Ablauf der Hauptversammlung zu sabotieren und Anfechtungsgründe zu konstruieren, weil sich anders das Engagement zweier „Kleinstaktionäre“ nicht erklären lasse, begründet dies nicht die Rechtsmissbräuchlichkeit. Der Anfechtungsgrund bezüglich des Fehlers bei der Einberufung konnte schon von den Klägern nicht konstruiert werden, weil dieser vor Beginn der Hauptversammlung hervorgerufen wurde und ausschließlich der Sphäre der Beklagten entstammt. Das Fragerecht wurde aus den oben genannten Gründen nicht missbräuchlich ausgeübt. Abgesehen davon hat die Beklagte außer einer Vermutung, die im Widerspruch zur Funktion der Beschlussmängelklage als Instrument der Rechtmäßigkeitskontrolle gerade durch die Minderheit (vgl. BGHZ 153, 32, 45 = NJW 2003, 970, 973 = NZG 2003, 216, 220 = AG 2003, 319, 322 = ZIP 2003, 290, 295 = WM 2003, 437, 441 = DB 2003, 383, 386 = BB 2003, 462, 466 = GmbHR 2003, 408, 412 – HypoVereinsbank; Hüffer/Schäfer in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 243 Rdn. 6; Göz in: Bürgers/Körber, AktG, a.a.O., § 243 Rdn. 1; H…in: Heidel, Aktienrecht- und Kapitalmarktrecht, a.a.O., § 243 Rdn. 1; Noack/Zetzsche in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, a.a.O., § 243 Rdn. 5; Hüffer/Schäfer in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 243 Rdn. 8; H…in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, a.a.O., § 243 Rdn. 1; Drescher in: Beck OGK zum Aktienrecht, a.a.O., § 243 Rdn. 4) keinen Sachvortrag dazu geleistet, wie die Zusammenarbeit zwischen den Klägern und den Aktionären R… und Y… abgelaufen sein soll.
Angesichts dessen war der Beschluss für nichtig zu erklären, ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankäme, inwieweit auch ein Verstoß gegen §§ 127, 126 AktG vorliegt, auch wenn durchaus beachtliche Gründe für die Auffassung sprechen, es hätte eine Nennung der Antragstellerin in der Einberufung erfolgen müssen. Über die Hilfsanträge musste somit ebenfalls nicht mehr entschieden werden.
Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 Abs. 1 ZPO aufgrund des intendierten Bestätigungsbeschlusses in einer auf den 18.11.2019 einberufenen Hauptversammlung ist schon deshalb nicht veranlasst, weil die Hauptversammlung wieder aufgehoben wurde.
II.
1. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
3. Der Streitwert ergibt sich aus § 247 Abs. 1 AktG; er entspricht der vorläufigen Festsetzung im Beschluss vom 22.10.2019.


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