Handels- und Gesellschaftsrecht

Arbeitnehmerüberlassungsvertrag: Reichweite der “Auswahlprüfungspflicht” des Verleihers

Aktenzeichen  2 O 2818/17

Datum:
27.4.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 34161
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AÜG § 1 S. 1, § 12
BGB § 278 S. 1, § 280 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Bei einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag muss sich der Verleiher ein Fehlverhalten des Leiharbeitnehmers nicht nach § 278 S. 1 BGB zurechnen lassen, da die vertragliche Hauptleistungspflicht des Verleihers nach § 1 S. 1 AÜG in der Überlassung eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung liegt und er die Erbringung einer eigenen Arbeitsleistung nicht schuldet. Infolgedessen ist der Leiharbeitnehmer auch nicht als Erfüllungsgehilfe des Verleihers anzusehen (s.a. BGH NJW 1975, 1695). (Rn. 62) (red. LS Alke Kayser)
2. Eine Haftung des Verleihers gegenüber dem Entleiher gemäß § 280 Abs. 1 BGB kommt nur dann in Betracht, wenn der Verleiher die Verletzung einer eigenen Pflicht aus dem Schuldverhältnis zu vertreten hat, der dem Entleiher entstandene Schaden mithin darauf beruht, dass er den Leiharbeitnehmer nicht sorgfältig ausgewählt (Auswahlverschulden) und zur Verfügung gestellt hat. Die Leistungspflicht des Verleihers besteht hierbei darin, für die gesamte Überlassungsdauer einen geeigneten Arbeitnehmer bereitzustellen, wobei maßgebend das Anforderungsprofil des Entleihers ist. (Rn. 63, 65 und 66) (red. LS Alke Kayser)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.119,78 € nebst Zinsen in Höhe von jeweils 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 5.385,95 € seit 11.02.2017 und aus einem Betrag von 1.733,83 € seit 25.02.2017 sowie 10,00 € vorgerichtliche Mahnauslagen und weitere 612,80 € als Verzugsschaden nebst Zinsen hieraus in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.06.2017 zu zahlen.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Gründe

Die Klage ist begründet. Die Widerklage ist unbegründet.
I.
A. Zur Klage
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten die streitgegenständliche Klageforderung verlangen.
1. Die Parteien haben unstreitig einen Vertrag über die Überlassung des Mitarbeiters G. geschlossen. Die von den Parteien vorgelegten Verträge (Anlagen K 1 und B7) stimmen nicht vollständig in ihrem Vertragstext überein. Dem Rechtsverhältnis der Parteien ist daher der von der Beklagten vorgelegte Vertrag (Anlage B7) zugrunde zu legen. Denn dieser Vertrag ist im Gegensatz zu dem als Anlage K1 von der Klägerin vorgelegte Vertrag, der nur von der Klägerin unterzeichnet ist, von beiden Parteien unterzeichnet. Die Unterschiede der beiden schriftlichen Verträge sind jedoch hinsichtlich der Klageforderung nicht entscheidungserheblich. Denn die Höhe der Stundenlohnvergütung ist in den von beiden Parteien vorgelegten Verträge (K1 und B7) identisch.
2. Die Klägerin hat ihre Verpflichtung aus dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit der Beklagten erfüllt. Sie hat der Beklagten den Mitarbeiter G. überlassen. Die von der Klägerin der Beklagten in Rechnung gestellten Stunden und Stundensätze sind ebenso wie die Berechnung der Klageforderung unbestritten. Damit ist die Klageforderung begründet.
3. Das Vorbringen der Beklagten, die vom Mitarbeiter G. erbrachte Leistung sei wertlos gewesen und deswegen könne die Klägerin keine Vergütung von ihr verlangen, greift nicht.
Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Leiharbeitnehmer G. seine Arbeit ordnungsgemäß verrichtet hat, bis auf den Vorfall mit dem Festziehen der Bügelschellen im Februar 2017. Die Zeugen P2. und Winter, die bei der Beklagten beschäftigt sind, gaben an, dass die Arbeiten des Mitarbeiters G. im Zeitraum Oktober 2016 bis Anfang Februar 2017 ordnungsgemäß und ohne Beanstandungen gewesen wären. Damit ist das Verteidigungsvorbringen der Beklagte, die Arbeiten des Leiharbeitnehmers G. seien wertlos gewesen, unzutreffend. Der Leiharbeitnehmer G. war auch nach den Angaben der Zeugen der Beklagten eine leistungsbereite und leistungsfähige Arbeitskraft.
4. Auch die von der Beklagten behaupteten Schäden, die der Mitarbeiter G. beim Festziehen der Schellen angerichtet habe, führen nicht dazu, dass sich der Vergütungsanspruch der Klägerin auf Null mindert. Vielmehr sind etwaige Gegenansprüche der Beklagten gegen die Klägerin zu prüfen. Diese hat die Beklagte hilfsweise zur Aufrechnung gestellt und im Rahmen der Widerklage geltend gemacht. Die hilfsweise erklärte Aufrechnung scheitert, weil keine Gegenforderung besteht. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen zur Widerklage verwiesen.
5. Die Beklagte kann der Klageforderung auch nicht die Arglisteinrede entgegenhalten, mit der Begründung, ihr stehe ein Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin aus cic wegen Verletzung einer Hinweispflicht durch die Klägerin zu. Denn die Klägerin hat keine Hinweispflicht verletzt. Auch hier wird auf die Ausführungen zur Widerklage verwiesen.
6. Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 288 I, 286 I S. 1, II Nr. 1 BGB. Die Beklagte hat die Klageforderung nicht bis zu den in den betreffenden Rechnungen bestimmten Zeitpunkten bezahlt, so dass sie dadurch in Verzug geriet. Im Übrigen ist das Vorliegen der Verzugsvoraussetzungen von der Beklagten nicht bestritten worden.
7. Die von der Klägerin weiter geltend gemachten und von der Beklagten nicht bestrittenen Inkassokosten in Höhe von 612,80 € und die Mahnauslagen in Höhe von 10 € sind von der Beklagten an die Klägerin als Verzugsschaden (§ 288 IV BGB) bzw. als Schadensersatz neben der Leistung (§ 280 I BGB) zu zahlen und ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, also ab 10.06.2017, (§§ 291, 288 I S. 2, 187 I analog BGB) zu verzinsen.
B. Zur Widerklage
Die Widerklage ist unbegründet.
Der Beklagten stehen gegen die Klägerin keine Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB zu. Deshalb ist auch der von der Beklagten gestellte Feststellungsantrag unbegründet.
Die Klägerin hat keine Pflicht aus dem mit der Beklagten geschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag verletzt. Sie trifft hinsichtlich des von ihr an die Beklagte überlassenen Leiharbeitnehmers G. kein Auswahlverschulden.
1. Unstreitig muss sich die Klägerin ein Fehlverhalten des von ihr der Beklagten überlassenen Leiharbeitnehmers G. nicht nach § 278 S. 1 BGB zurechnen lassen. Denn der Arbeiter G. als Leiharbeitnehmer ist nicht als Erfüllungsgehilfe der Klägerin als Verleiherin tätig geworden (s. BGH VI ZR 247/73 Tz. 15). Die vertragliche Hauptleistungspflicht des Verleihers ergibt sich aus § 1 S. 1 AÜG. Sie besteht in der Überlassung eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung. Die Erbringung einer eigenen Arbeitsleistung schuldet der Verleiher nicht. Infolgedessen ist der Leiharbeitnehmer auch nicht als Erfüllungsgehilfe des Verleihers anzusehen und etwaige vom Leiharbeitnehmer verursachte Schäden können dem Verleiher nicht nach § 278 S. 1 BGB zugerechnet werden (s. Dahl/Färber, DB 2009, 1650, IV.).
2. Die Klägerin als Verleiherin haftet über § 280 I BGB nur dann, wenn sie selbst eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt hat, dem Entleiher dadurch ein Schaden entstanden ist und er dies auch zu vertreten hat. Die Haftung des Verleihers besteht daher nur für Schäden, die darauf beruhen, dass er einen Leiharbeitnehmer nicht sorgfältig ausgewählt (Auswahlverschulden) und zur Verfügung gestellt hat (Dahl/Färber, DB 2009, a.a.O.).
a. Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag entspricht keinem der im BGB geregelten besonderen Schuldverhältnisse. Es handelt sich bei ihm vielmehr um einen Unterfall des Dienstverschaffungsvertrages, auf den die Regeln des allgemeinen Schuldrechts anzuwenden sind (ErfK/Wank AÜG § 12 Rn. 5-10, beck-online).
Die Überlassung der AN stellt eine Gattungsschuld dar; ohne abweichende Vereinbarung muss der Verleiher für die vorgesehene Arbeit geeignete Arbeitnehmer stellen (ErfK/Wank AÜG § 12 Rn. 5-10, beck-online; BGH 13.5.1975 AP AÜG § 12 Nr. 1). Es tritt nicht dadurch, dass der Verleiher einen bestimmten Arbeitnehmer überlässt, eine Konkretisierung ein (ErfK/Wank AÜG § 12 Rn. 5-10, beck-online). Denn seine Leistungspflicht besteht darin, für die gesamte Überlassungsdauer einen geeigneten Arbeitnehmer bereitzustellen (ErfK/Wank AÜG § 12 Rn. 5-10, beck-online)
b. Ausgangspunkt für die Eignungsprüfung des Leiharbeitnehmers ist § 12 I S. 4 HS 2 AÜG. Danach hat der Entleiher in der Urkunde anzugeben, welche besonderen Merkmale die für den Leiharbeitnehmer vorgesehene Tätigkeit hat und welche berufliche Qualifikation dafür erforderlich ist sowie welche im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts gelten. Danach muss also der schriftliche Arbeitnehmerüberlassungsvertrag nicht nur die vorgesehene Tätigkeit und deren besonderen Merkmale, sondern auch die dazu erforderlichen beruflichen Qualifikationen beinhalten. Daraus lässt sich die Pflicht des Verleihers ableiten, die fachliche Qualifikationen des einzustellenden Leiharbeitnehmers mit den im Überlassungsvertrag festgelegten Erfordernissen (dem Anforderungsprofil) abzugleichen (siehe Dahl-Färber, DB 2009, 1650, 1651 V.). Beim Abgleich hat der Verleiher zu überprüfen, ob diejenigen Stationen im Lebenslauf eines Leiharbeitnehmers, die ihn für die vorgesehene Tätigkeit beim Entleiher qualifizieren, durch entsprechende Nachweise belegt werden können siehe (Dahl-Färber, DB 2009, 1650, 1651 V.). Dies beinhaltet Zeugnisse der bisherigen Berufstätigkeit, Nachweise des Berufsausbildungs- und Studienabschlusses sowie Weiterbildungszertifikate (siehe Dahl-Färber, DB 2009, 1650, 1651 V.). Eine Kopie reicht dabei regelmäßig aus (siehe Dahl-Färber, DB 2009, 1650, 1651 V.). Durch die Einsicht in Unterlagen dürften sich alle gängigen Qualifikationserfordernisse wie Schul- und Studienabschlüsse, Ausbildungen, Führerscheine und Berufserfahrung feststellen lassen (siehe Dahl-Färber, DB 2009, 1650, 1651 V.). Weitere Überprüfungen sind deshalb grundsätzlich nicht erforderlich (siehe Dahl-Färber, DB 2009, 1650, 1651 V.). Der Verleiher ist nicht gehalten, Charakterüberprüfungen durchzuführen (siehe Dahl-Färber, DB 2009, 1650, 1652 VI.).
c. Nach § 12 Abs. 1 S. 1 bedarf der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Entleiher der Schriftform. Die Schriftform ist hier eingehalten.
d. Die Parteien haben in dem schriftlichen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vom 26.10.2016 (Anlage B 7) vereinbart, dass der Mitarbeiter G. als Industriemechaniker/allg. für die B3. L. Straße ab dem 26.10.2016 zu einem Stundenverrechnungssatz von 24,80 € überlassen wird. Ein konkretes Anforderungsprofil ist im Vertrag nicht festgelegt. Es sind weder die konkreten Tätigkeiten noch die konkreten Aufgaben, die die Beklagte auf der Baustelle zu erfüllen hatte, beschrieben. Von einer Kenntnis in der Brandmelde- und Netzwerktechnik ist im Vertrag nicht die Rede. Daher war das konkrete Anforderungsprofil für den von der Klägerin zu überlassenden Leiharbeitnehmers ein „Industriemechaniker/allg.“ für die Baustelle L.-Str. 20.
e. Aus dem vorangegangenen Schriftverkehr und den Telefonaten zwischen der Zeugin K1. und dem Zeugen W. ergibt sich jedoch, dass die Beklagte bei der Klägerin zunächst zwei Elektriker bestellt hatte. Die Klägerin hat dies mit Auftragsbestätigung vom 21.10.2016 (Anlage B 4) auch zunächst bestätigt. Darin hat sie auch den Herrn G. als Mitarbeiter genannt. Sie hatte jedoch bereits mit E-Mail vom 19.10.2016 (Anlagenkonvolut B 5) der Beklagten, vertreten durch Herrn Winter, mitgeteilt, dass sie ihm die Unterlagen von Herrn G. zusende. Er sei gelernter Industriemechaniker und habe immer im Elektrobereich gearbeitet. Unstreitig hat die Beklagte von der Klägerin dann das als Anlage B 6 vorgelegte Personalprofil erhalten. Aus dem Personalprofil des Leiharbeitnehmers G. ergibt sich, dass dieser von 1978 bis 1987 in Spanien eine Schulausbildung an der Realschule absolviert hat und die Mittlere Reife erreichte. Seine Berufsausbildung hat er in Spanien im Zeitraum 1985 bis 1989 als Industriemechaniker gemacht. Sein beruflicher Werdegang wird wie folgt geschildert: 1989 bis 1991 Fallschirmjäger in Spanien; 1991 bis 2000 Elektriker bei der Firma Ruybesa in Sevilla, Spanien, Tätigkeiten: Schlitze und Steckdosen fräsen, Installation von Schaltern, Steckdosen und Rauchmelder anschließen, Kabel verlegen; 2001 bis 2007: Elektriker bei der Firma I.M.S. in Spanien, Tätigkeiten: Schlitze und Steckdosen fräsen, Installation von Schaltern, Steckdosen und Rauchmelder anschließen, Kabel verlegen; 2007 bis 2011: Elektriker bei der Firma Casa Marquez in Sevilla, Spanien; 2011 bis 2014 Elektriker bei der Firma J.P: Instalaciones S.A., Sevilla, Spanien; 2015 Firma Hartal, Iserlohn, Deutschland, Position: Metall-Montage; seit September 2016: Firma Marador, Frankfurt, Deutschland, Position: Elektrohelfer, Tätigkeiten: Schlitze und Steckdosen fräsen, Installation von Schaltern, Steckdosen und Rauchmelder anschließen, Kabel verlegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Personalprofil Bezug genommen.
f. Der Zeuge W. hat dann als Vertreter der Beklagten mit E-Mail vom 20.10.2016 (B5) der Zeugin K2. als Vertreterin der Klägerin mitgeteilt, dass er mit dem vorgeschlagenen Personal, also auch dem Zeugen G., einverstanden ist. Darauf hin haben die Parteien den als Anlage B7 vorgelegten Arbeitnehmerüberlassungsvertrag abgeschlossen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Leiharbeiter G. laut Personalprofil im Elektrobereich mit Helferarbeiten befasst war. Weiter ist zu berücksichtigen, dass nach der Aussage des Zeugen W. die Beklagte, die er vertrat, den als Anlage K1 vorgelegten Arbeitnehmerüberlassungsvertrag erhalten hat. Für ihn sei dieser Vertrag derselbe Vertrag gewesen wie der, der als Anlage B7 vorgelegt wurde. Daher habe er ihn nicht unterschrieben, sondern abgeheftet. Aus dem als Anlage K1 vorghelegten Vertrag ergab sich, dass der Arbeitnehmer als Helfer überlassen wurde. In Zusammenschau mit der schriftlichen Auftragsbestätigung (B4) ergibt sich daher, dass der Leiharbeitnehmer G. als Industriemechaniker/allg. auf der Baustelle der Beklagten Elektrikerarbeiten durchführen sollte. Dies war das Anforderungsprofil für den von der Klägerin an die Beklagte zu überlassenden Leiharbeitnehmer.
g. Auch aufgrund der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Parteien, vertreten durch die Zeugin K1. und den Zeugen W., als Vertragsinhalt vereinbart haben, dass der Beklagten ein gelernter Industriemechaniker/allg. überlassen wird, um auf der betreffenden Baustelle Arbeiten im Elektrobereich auszuführen. Die Parteien haben sich dabei auf den Leiharbeitnehmer G. geeinigt. Die Klägerin hat der Beklagten das Personalprofil des Mitarbeiters G. übersandt. Daraus lassen sich keine Schulungsnachweise im Bereich Elektro entnehmen. Die Beklagte war mit dem Mitarbeiter G. einverstanden. Sie kann sich jetzt im Nachhinein nicht mehr darauf hinausreden, sie hätte den Mitarbeiter G. nicht genommen, wenn sie gewusst hätte, dass er keine Schulungen hat und nur Helfertätigkeiten erbringen kann. Es war tatsächlich so, dass der Zeuge W. wusste, dass der Mitarbeiter G. kein gelernter Elektriker ist. Dies ergab sich aus dem Personalprofil. Der Zeuge W. hat dies im Rahmen seiner Vernehmung letztlich auch bestätigt, wenn er sich auch immer wieder gewunden hat. Es war ihm klar, dass der Leiharbeitnehmer kein gelernter Elektriker war und auch keinem gelernten Elektriker gleichgestellt werden konnte. Den Unterschied zwischen einem gelernten und einem ungelernten Elektriker wollte der Zeuge auf Frage des Gerichts nicht erklären. Dem Personalprofil ließ sich aber entnehmen, dass der Leiharbeitnehmer G. als Elektrohelfer tätig war und einfache Helfertätigkeiten wie Schlitze und Steckdosen fräsen, Anschlussarbeiten und Kabelverlegearbeiten ausgeführt hat. Auch der vereinbarte Stundenlohn von 24,80 €, der für eine Fachkraft bezahlt wird, ändert hieran nichts. Es besteht Vertragsfreiheit. Daher kann auch für einen ungelernten Elektriker ein höherer Stundenlohn bezahlt werden. Auch der Verweis der Beklagten auf die gesetzliche Festlegung des Begriffs des Elektrikers führt hier nicht weiter. Die Beklagte hat die Ausbildung und das Personalprofil des Leiharbeitnehmers G. zur Kenntnis genommen und sich damit einverstanden erklärt. Entgegen ihrer Ansicht greift das Argument, der Beklagten könne ebensowenig die Entscheidung überlassen werden, ob der angebotene Arbeiter ihren Anforderungen genügt, wie einem Mandanten die Frage, ob der Rechtsrat eines Rechtsanwalts ausreichend ist, nicht. Denn die Beklagte kennt die Anforderungen für die Tätigkeiten, die der Leiharbeitnehmer durchführen soll. Anhand des Personalprofils kann sie feststellen, ob ein Arbeitnehmer für den Einsatz auf der betreffenden Baustelle geeignet ist. Die Beklagte hat diese Überprüfung des Leiharbeitnehmers G. durch den Zeugen W. vorgenommen. Der Zeuge W. ist technischer Betriebsleiter im Fachbereich Elektrotechnik. Er kennt also genau die Tätigkeiten, die die Beklagte auf der Baustelle ausführen muss. Auch kann er mit dem überlassenen Personalprofil umgehen und dies richtig interpretieren. Deswegen gab er ja auch an, dass er mit dem angebotenen Personal einverstanden ist. Er hat nach eigenen Angaben nicht gesagt, für welche Bereiche er Personal benötige. Er habe angegeben, dass er für alle Bereiche Elektriker benötige. Daraus ergibt sich, dass er auch für Helfertätigkeiten Arbeiter benötigte. Der Zeuge W. hat dies zwar im Rahmen seiner Vernehmung verneint. Er gab an, dass er einen Elektrohelfer nicht genommen hätte. Dies ist jedoch nicht glaubhaft. Zum einen kannte er das Personalprofil des Leiharbeiters G.. Dem Zeugen W. war daher klar, dass der Leiharbeiter G. keine Elektrofachkraft war. Zum anderen wurde der Leiharbeitnehmer G. auch tatsächlich von der Beklagten für Helfertätigkeiten eingesetzt. Der Zeuge P2. gab an, dass der Arbeiter G. zunächst Kabelzugarbeiten und dann Aufputzarbeiten durchgeführt habe; dies ohne Beanstandung. Es sei auch ersichtlich gewesen, dass der Leiharbeiter G. diese Tätigkeiten schon früher ausgeübt haben müsse.
h. Die Klägerin hat entsprechend dem Anforderungsprofil der Beklagten den Leiharbeitnehmer G. überlassen. Der Leiharbeitnehmer G. entsprach dem Anforderungsprofil der Beklagen. Er war als Industriehelfer/allg. im Bereich Elektro tätig.
Der Leiharbeiter G. war auch zum selbständigen Arbeiten in der Lage. Der Zeuge P2. hat dies bestätigt. Entgegen der Behauptung der Beklagten war der Leiharbeiter G. für die nach dem Vertragszweck vorgesehenen Arbeiten daher geeignet.
i. Das Vorbringen der Beklagten, die Klägerin habe ihre Auswahlpflicht dahingehend verletzt, dass sie nicht geprüft habe, ob der Zeuge G. hinsichtlich der Folgen Bescheid weiß, die bei einem zu festen Zudrehen der Handschellen der Brandmeldekabel bzw. bei einem Befestigen der Schellen mittels Akkuschrauber entstehen, greift nicht. Diesbezüglich bestand keine Prüfpflicht der Klägerin. Es war für alle Beteiligten klar, dass der Mitarbeiter G. keine theoretische Ausbildung hatte. Er war lediglich aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit mit den im Elektrobereich auszuführenden Arbeiten vertraut. Er bedurfte daher einer besonderen Einweisung und Überwachung bzw. einer besonderen Überprüfung durch die Beklagte. Die Beklagte hat dies auch zunächst so gehandhabt. Der Zeuge P2. hat den Mitarbeiter G. geprüft. Er hat ihm die Arbeiten zugewiesen. Er hat die Arbeiten des Mitarbeiters G. überprüft und kontrolliert. In der Zeit von Oktober 2015 bis Anfang Februar 2016 gab es keinerlei Beanstandungen, d. h. der Zeuge G. hat alle Arbeiten zur vollsten Zufriedenheit der Beklagten durchgeführt. Dies hat die Beklagte auch gegenüber dem Mitarbeiter der Klägerin, dem Zeugen Antal H2., mehrfach so bestätigt.
j. Soweit die Beklagte vorträgt, der Mitarbeiter G. habe die Schellen an den Brandmeldekabeln zu fest zugedreht, weil er wohl früher ins Wochenende gehen wollte, so liegt hier bereits nach dem eigenen Vortrag kein Auswahlverschulden der Klägerin vor. Die Beklagte trägt hier vor, der Mitarbeiter G. habe bewusst weisungswidrig gehandelt. Ein bewusst weisungswidriges Handeln betrifft die charakterliche Eignung des Herrn G.. Eine Pflicht zur Überprüfung der charakterlichen Eignung des Zeugen G. bestand für die Klägerin nicht. Es gab auch keine Anhaltspunkte für eine charakterliche Ungeeignetheit. Zudem gab der Zeuge P2. an, der den Leiharbeiter G. beaufsichtigt und eingewiesen hat, dass er nicht sagen könne, ob der Leiharbeiter G. die Kabel beschädigt habe. Bei der Montage der E30 Kabel habe er ihm ausdrücklich gesagt, dass die Schellen mit der Hand anzuziehen seien. Er habe ihn auch sporadisch kontrolliert und festgestellt, dass es der Leiharbeiter G. gut gemacht habe.
7. Die Klägerin haftet der Beklagten auch nicht aus cic. Sie hat keine vorvertragliche Hinweispflicht verletzt.
Die Behauptung der Beklagten, die Zeugin K1. habe dem Zeugen bestätigt, dass der Mitarbeiter G. alle nötigen Schulungen und Erfahrungen besitze, hat sich durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt. Zwar gab der Zeuge W. an, dass er nach Schulungen gefragt habe und die Zeugin K1. ihm das bestätigt habe. Der Zeuge W. gab jedoch weiter an, dass er nicht nach konkreten Schulungen gefragt habe. Hingegen hat die Zeugin K1. angegeben, sie habe nicht davon gesprochen, dass der Mitarbeiter G. alle nötigen Schulungen und Erfahrungen habe. Sie habe lediglich darauf hingewiesen, dass Herr G. bereits früher im Elektrobereich tätig war. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Zeugin K1. dem Zeugen W. keine über den Schriftverkehr hinausgehende mündliche Zusage hinsichtlich der Qualifikation des Leiharbeitnehmers G. gemacht hat. Hätte die Zeugin K1. dem Zeugen W. zugesagt, der Leiharbeitnehmer G. habe alle nötigen Schulungen, so hätte der Zeuge W. nach Kenntnisnahme des Personalprofils des Leiharbeitnehmers G. mit Sicherheit entweder nochmal die Zeugin K1. kontaktiert und nachgehakt oder den Leiharbeitnehmer G. nicht akzeptiert. Aufgrund des Personalprofils war klar, dass der Leiharbeitnehmer G. bisher lediglich als Elektrohelfer tätig war. Der Zeuge W. hat dies auch akzeptiert. Auf Frage des Gerichts hat der Zeuge W. bestätigt, dass für ihn dann klar war, dass es sich um einen ungelernten Arbeitnehmer handelt. Dieser konnte nicht über die theoretischen Ausbildungskenntnisse verfügen, wie sie bei einem gelernten Elektriker vorhanden sind.
Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des BGH, Az.: VII ZR 307/16, ist hier nicht einschlägig. Dort ging es um die Pflicht eines Werkunternehmers, einen Besteller, der die Erteilung eines Kfz-Reparaturauftrags von der Höhe der Reparaturkosten abhängig machen wollte, auf die Höhe der Reparaturkosten ausdrücklich hinzuweisen. Hier hat die Beklagte den Vertragsschluss nicht von einer Bedingung abhängig machen wollen. Zwar behauptet sie, sie habe keinen Elektrohelfer gewollt. Wenn sie einen Elektriker bestelle, dann wolle sie auch einen Elektriker. Dies entspricht aber nicht den Umständen des Vertragsschlusses. Die Klägerin hat hier ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Leiharbeiter G. ein gelernter Industriemechaniker ist, aber mit Elektroarbeiten befasst gewesen sei. Sie übersandte der Beklagten das Personalprofil, aus dem sich das auch ergab.
8. Mangels Haftung der Klägerin für ein Auswahlverschulden ist der von der Beklagten erhobene Einwand der fehlenden Haftungsbefreiung und der fehlenden Entlastung hinsichtlich eines Auswahlverschuldens, sowie der fehlenden Entschuldigungsmomente, unerheblich.
10. Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgenommene Widerklageänderung mit Schriftsatz vom 17.04.2017 war nach § 296a S. 1 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen (s. Zöller/Greger, ZPO, 29. A., § 296a Rz. 2a).
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.


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